A) Frauen in der ägyptischen Gesellschaft ∗ 1) Wer war Taim-hotep? (Q) Aus dieser Inschrift könnt Ihr über das Leben einer Frau im Alten Ägypten Typisches erfahren. „Ich wurde geboren im 9. Jahr der Herrschaft des Königs von Ober- und Unterägypten, des Sohnes des Sonnengottes Re, Ptolemaios. Im 23. Jahr der Herrschaft dieser Majestät gab mich mein Vater zur Frau dem Priester des Gottes Ptah, dem Schreiber im Bücherhaus des Tempels, dem Propheten des Morgenhauses, dem Priester der Götter von Memphis, dem Prophetenvorsteher der Götter und Göttinnen von Ober- und Unterägypten, dem Würdenträger ‚Augen des Königs von Oberägypten‘ und ‚Ohren des Königs von Unterägypten‘, dem Stab des Königs in den Tempeln, dem Vorlesepriester, dem Hohenpriester von Memphis Pschere-en-Ptah, Sohn des gleichbetitelten Pedubastis, geboren von der Musikantin, der großen Chekeret, der Taktgeberin im Tempel des Ptah. Ich wurde dem Hohenpriester dreimal schwanger, ohne aber einen Knaben zu gebären sondern nur drei Töchter. Da baten ich und der Hohepriester die Majestät des heiligen Gottes, der einen Sohn gibt dem, der keinen hat, den Imhotep. Es kam die Majestät dieses Gottes zu dem Hohenpriester und sagte zu ihm: ‚Lass eine vortreffliche Arbeit ausführen im Allerheiligsten des Tempels von Anch-taui, wo mein Leib verborgen ist. Ich werde dir als Endgeld dafür einen Sohn geben!‘ Nachdem er erwacht war, fiel er vor diesem heiligen Gott nieder. Er gab den Befehl, die trefflichen Arbeiten im Allerheiligsten auszuführen. Als Lohn dafür ließ der heilige Gott mich schwanger werden mit einem Knaben. Er wurde geboren im 6. Jahre unter der Majestät der Herrscherin Kleopatra, als ich 27 Jahre alt war. Es jubelten über ihn die Einwohner von Memphis. Man gab ihm den Namen Imhotep mit Beinamen Pedubastis. Jedermann freute sich über ihn. Es war das Jahr 16 unter der Herrschaft der Majestät Kleopatra, in dem ich starb. Mein Gatte der Hohepriester Pschere-en-Ptah begrub mich in einem schönen Begräbnis. Er lässt mich schlafen in seinem Grab.“ (nach: Otto, S.190 ff.; gekürzt und sprachlich neu gefasst) Anmerkungen: Taim-hotep wurde geboren: wurde verheiratet: hat einen Sohn geboren: starb: 73 v.Chr. 59 v.Chr. 46 v.Chr. 42 v.Chr. ? ????????????????????????????????????????? In welchem Alter wurde Taim-hotep verheiratet? ? Wie alt war sie, als ihr Sohn geboren wurde? ? In welchem Alter starb sie? ? Wie wird über die Töchter gesprochen, wie über den Sohn? ? Welche Bedeutung hat der Ehemann in dem Text? ? Wer hat den Gedenkstein vermutlich aufstellen lassen? ? Von wem stammt also mit hoher Wahrscheinlichkeit der Text? ? ? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? -2- ∗ 2) Gesellschaftliche Unterschiede (T) Das Leben der Frau war vom gesellschaftlichen Stand des Mannes abhängig. Der gesellschaftliche Stand wiederum war abhängig vom Beruf des Mannes. Die Unterschiede zwischen arm und reich waren sehr groß. Stufe der gesellschaftlichen Rangordnung standen Sklaven – meist Kriegsund Strafgefangene. Sie waren überwiegend in häuslichen Diensten tätig. Die Sklavenarbeit im Alten Ägypten hatte allerdings nicht das Ausmaß wie später in Athen und Rom. Kornmahlende Dienerin (Eggebrecht, Das Alte Reich, S. 83) Diener und Dienerinnen waren zwar frei, ihr Herr konnte jedoch ihre Arbeitskraft vermieten. Wohlhabende Ägypterin (Eggebrecht, Das Alte Ägypten, S. 157) Wer war reich? Wer über große Ländereien verfügte, konnte Hauspersonal bezahlen und auch Handwerker, die für ihn ein prächtiges Wohnhaus errichteten, die für ihn Kleidung, Schmuck und Gefäße herstellten und ihm ein standesgemäßes Grab bauten. In ihrer Freizeit empfingen die Wohlhabenden gerne Gäste oder gingen auf die Jagd im Papyrusdickicht (s. S.32). Wie lebten die unteren gesellschaftlichen Schichten? Über den Alltag der unteren gesellschaftlichen Schichten wissen wir wenig. Gewohnt haben sie in kleinen und ärmlichen Häusern. Auf der untersten Der weitaus größte Teil der Bevölkerung war in der Landwirtschaft beschäftigt. Vermutlich war die Arbeit der Bauern sehr hart. Während der Überschwemmungszeit wurden sie zu staatlichen Baumaßnahmen verpflichtet. Über freie Zeit werden sie wohl nur in sehr geringem Maße verfügt haben. Hunger brauchten sie allerdings nicht zu leiden, denn wie alle Ägypter hatten sie Anspruch auf eine staatliche Grundversorgung. Ihre Arbeit wurde von Beamten gelenkt. Besser ging es den Handwerkern. Vor allem die hochqualifizierten Zeichner, Maler, Bildhauer, Holzarbeiter, Glashersteller und Juweliere konnten nebenbei etwas herstellen und tauschen. -3Jungen ergriffen meist den Beruf des Vaters. Die Kinder der unteren Schicht Die ägyptische Gesellschaft – eine Pyramide? mussten schon früh bei der Arbeit helfen. Aber: Stimmen die Abstände? Wie weit stand ein hoher Beamter über einem Arbeiter? Pharao Die ägyptische schaft wird häufig in Form einer Pyramide dargestellt. Wesir Beamte Offiziere Schreiber Priester Kaufleute Diener Bauern Wie groß war die Zahl der Arbeiter im Verhältnis zu der Zahl der hohen Beamten ? Handwerker Soldaten Arbeiter Sklaven Die Unterschiede innerhalb der ägyptischen Gesellschaft lassen sich genauer fassen als im Bild der Pyramide dargestellt: In einer Felsinschrift ist verzeichnet, welchen Lohn Männer erhielten, die im Auftrag des Pharao in Steinbrüchen Baumaterial beschafften. Der gesellschaftliche Unterschied zwischen der Frau des Expeditionsleiters und der Frau eines Arbeiters wird wohl so groß gewesen sein wie der Unterschied zwischen dem Expeditionsleiter und einem Arbeiter. Der Expeditionsleiter Imeni die 3 „Großen der 10 von Oberägypten“, jeder die 30 Offiziere, jeder die 20 Bürgermeister, jeder der Vorsteher aller Arbeiten des Königs 8 Schreiber, jeder der Bürovorsteher 60 Zimmerleute, jeder 17 000 Arbeiter, jeder 200 Brote 100 Brote 30 Brote 100 Brote 100 Brote 30 Brote 30 Brote 20 Brote 10 Brote (nach: Gutgesell, S. 73f.) ??????????????????????????????????? ? Welches Bild der ägyptischen Gesellschaft bekommt ? ? man, wenn man die Angaben der Felsinschrift ? ? zugrunde legt? ? ??????????????????????????????????? -4- ∗ 3) Frauen auf dem Thron (T / B / Q) Den höchsten gesellschaftlichen Rang bekleidete der Pharao. Frauen am Königshof leiteten ihr Ansehen von der Beziehung zum Pharao ab. Die Königin trug den Titel: „Mutter der Königskinder“. Mütter regierender Könige wurden als „Gottestochter“ bezeichnet. Das Amt des Königs war bis auf wenige Ausnahmen männlich. Daher wissen wir über Pharaonen mehr als über die königlichen Frauen. Jeder kennt Nofretete Die in unserer Zeit bekannteste Person aus dem Alten Ägypten ist vermutlich die Königin Nofretete. Warum ist diese Frau so berühmt? War sie eine besonders bedeutende Herrscherin? Nofretete war die Ehefrau des Pharao Echnaton. Dieser herrschte über Ägypten von 1350 bis 1334 v. Chr. Nofretete wird auf vielen Darstellungen aus dem Alten Ägypten zusammen mit ihrem Ehemann gezeigt, oft sogar das Königspaar mit den sechs Töchtern. Aus vielen Belegen weiß man jedoch, dass Echnaton die Politik Ägyptens bestimmte und nicht Nofretete. Aber warum ist sie so berühmt? 1912 wurde bei Ausgrabungen in Ägypten eine bemalte Kalksteinbüste gefunden. Mehr als 3 000 Jahre hatte sie in dem verfallenen Gemäuer einer Bildhauerwerkstatt gelegen. Vermutlich hat sie den Bildhauern als Vorlage für die Anfertigung von Statuen der Königin gedient. Die Büste zeigt die Königin Nofretete mit Schmuckkragen und Krone. An der Krone sind noch Teile der Schlange erkennbar; die Schlange war ein Zeichen von Königen und Königinnen. (Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums in Zur Zeit der Ausgrabung war es noch Berlin-Charlottenburg (Hg.), Ägyptisches Museum 4 üblich, dass die Ausgräber einen Teil Berlin, Berlin 1989, S. 96) der Funde behalten durften. So gelangte die Büste der Nofretete in den Besitz des Berliner Kaufmanns, der die Ausgrabung finanziert hatte. 1920 schenkte er sie dem Staat. Von nun an wurde die Büste im Ägyptischen Museum Berlin ausgestellt. Die Museumsbesucher waren begeistert über ihr Gesicht von ebenmäßiger Schönheit. Viele Menschen sagen noch heute, die Büste der Nofretete sei das schönste Kunstwerk aller Zeiten. -5- Königin mit Bart Einer Königin gelang es, aus der zweiten Stelle hinter Gemahl oder Sohn hervorzutreten: Hatschepsut. Es waren besondere Umstände, die das ermöglichten. Hatschepsut war Gemahlin des Pharaos Thutmosis II. Als er starb, hinterließ er als Thronfolger einen achtjährigen Sohn. Dieser war nicht der Sohn der Hatschepsut, sondern war von einer Nebenfrau geboren. Hatschepsut übernahm zunächst für das Kind die Regentschaft. Nach sieben Jahren legte Hatschepsut den Titel einer Königin ab und ließ sich zum König krönen. Ihr offizieller Name war „König Hatschepsut“. Der Thronfolger blieb in der untergeordneten Rolle eines Nebenkönigs, bis er 1468 v. Chr. – (Nofret 1, S. 73) etwa 22 Jahre nach dem Tod seines Vaters – Hatschepsut stürzte. Der neue König hieß Thutmosis III. Auf dem Bild seht Ihr Hatschepsut mit dem „Zeremonialbart“. Ein solcher künstlicher Bart war Kennzeichen der Könige. Teje Von einer Königin wissen wir etwas genauer, in welchem Maße sie Anteil an den Regierungsgeschäften des Pharao hatte: der Königin Teje (Teje lebte um 1370 v.Chr.). In einem Kondolenzbrief schrieb der König von Mitanni nach dem Tod des Pharao Amenophis III. an den Nachfolger Amenophis IV. und an die Königinwitwe Teje: „Alle Worte, die ich zu deinem Vater sprach, sind deiner Mutter bekannt. Niemand sonst kennt sie, aber du kannst deine Mutter nach ihnen fragen.“ (nach: Tildesley, S. 230) (Staatl. Museen, Ägyptisches Museum, S. 92) ? ????????????????????????????????? ? ? ? Welche wesentlichen Unterschiede seht Ihr zwischen ? den drei Königinnen? ? ? ? ????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? -6- ∗ 4) War der Ägypter ein Hausmann (T) Unsere Informationen über Männer und Frauen im Alten Ägypten erhalten wir aus schriftlichen Dokumenten und aus Grabdarstellungen. Aus Grabdarstellungen sind die Arbeiten in einem Haushalt der Oberschicht bekannt. Dargestellt werden Arbeiten in der Küche, in der Bäckerei und Brauerei, im Kornspeicher, in der Schlachterei; außerdem: Weben, Aufzucht von Tieren, Handwerksarbeiten. Stets wird der Hausherr in der Rolle der Oberaufsicht über all diese Arbeiten gezeigt, nicht seine Ehefrau, obwohl „nebet per“ („Herrin des Hauses“) eine verbreitete Bezeichnung für Frauen war. Auf diesen Grabbildern ist die Ehefrau nur in der Rolle zu finden, ihren Ehemann zu begleiten, nicht, die ∗ 5) Arbeiten zu beaufsichtigen. Wie ist das zu erklären? In den Grabdarstellungen finden wir eine Welt aus Sicht der Männer. Das liegt daran, dass die überwiegende Mehrzahl der Gräber männliche Eigentümer hatte, und der Mann sich in der Grabausstattung in den Mittelpunkt stellte, selbst wenn andere Familienmitglieder in derselben Grabanlage beigesetzt waren. Wenn der Grabherr das Backen von Brot, das Brauen von Bier, etc. überwacht, heißt das nicht, dass er das auch im wirklichen Leben tat. Im Gegenteil: Die Ägypter waren keine Hausmänner. Für die im Haus zu leistenden Aufgaben war die Frau zuständig. „Herrin des Hauses“ in Ober-, Mittel- und Unterschicht (T) „Nebet per“ in der Oberschicht In den großen Haushalten wurde die Arbeit von Dienern und Dienerinnen verrichtet, so dass sich die „nebet per“ die Hände nicht schmutzig machte. Ihre Aufgabe war es, zu organisieren und zu beaufsichtigen. Ägyptische Ehefrauen werden angesichts hoher Kinderzahlen vermutlich häufig schwanger gewesen sein und viel Zeit mit der Fürsorge für Kinder verbracht haben. Für die Frauen aus sehr hohen Kreisen trafen wohl auch häufige Schwangerschaft und hohe Kinderzahl zu; bei diesen Frauen wird man jedoch annehmen können, dass Ammen und Kindermädchen ihnen viel Arbeit abnahmen. Es gab also Frauen, die viel Zeit zur Verfügung hatten. Möglicherweise findet man deshalb viele Frauen aus der Oberschicht als Priesterin und im Neuen Reich als Verantwortliche für die Musik im Tempel. Im Museum könnt Ehepaar aus der Oberschicht – Ausschnitt aus dem Relief „Baumgöttin“ (Kestner-Museum) Niaj war Priester, er trägt einen doppelreihigen Halsschmuck. Seine Ehefrau trägt eine bis zur Taille reichende, aufwendig gearbeitete Perücke. Außerdem ist sie mit einem Stirnband und einer Lotusblüte geschmückt. Der aufragende Gegenstand auf ihrem Kopf ist ein Salbkegel. Den trugen vornehme Frauen bei Festen. Der Salbkegel verbreitete angenehme Düfte. (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 113) -7Ihr mehrfach den Titel „nepet per“ finden, so bei Neschai (s. Bild S. 11). „Nebet per“ in der Mittelschicht Familien mit etwas niedrigerem Rang hatten viel kleinere Häuser als die hohen Beamten und Priester, entsprechend gab es hier auch weniger Dienstpersonal. So war hier die „nebet per“ mit Sicherheit stärker in die Herstellung von Nahrung eingebunden. Grundnahrungsmittel war Korn (Emmer und Gerste), das zu Brot und Bier verarbeitet werden musste. Korn mahlen und Backen waren üblicherweise Tätigkeiten von Frauen, häufig auch das Bierbrauen. Die „nebet per“ eines kleinen Haushaltes wird hiermit viel beschäftigt gewesen sein. Spinnen und Weben waren weibliche Tätigkeiten, die vermutlich von Dienerinnen durchgeführt wurden. Von einem Ägypter ist überliefert, dass er die Pacht für Felder mit dem Verkauf von Textilien, die in seinem eigenen Haushalt hergestellt worden waren, finanzierte. Vermutlich wird es eine Aufgabe der „nebet per“ gewesen sein, die für das Leben notwendigen Dinge, die im eigenen Haushalt nicht hergestellt werden schen S.25). Bierbrauende Frau Die Perücke und der Halsschmuck zeigen, dass es sich hier nicht um eine Dienerin sondern um die Frau des Grabherrn handelt. (Nofret 1, S. 94) konnten, gegen eigene Überschüsse zu tau(s. (nach: Robins, S. 99-107, Knaurs Lexikon der ägyptischen Kultur, S. 94, Tyldesley, S. 99f.) Haushalte der Unterschicht Die weitaus größte Gruppe in der altägyptischen Gesellschaft waren die Bauern (wobei die Bezeichnung Landarbeiter eher passend wäre). Diese Menschen konnten weder schreiben noch lesen, daher haben sie keine schriftliche Überlieferung hinterlassen. Auch ihre Gräber sind weitgehend unbekannt, da dafür nur ein geringer Aufwand betrieben werden konnte. Die Unterschicht aus dem Blickwinkel der Oberschicht Informationen über diese Menschen erhalten wir also nicht von ihnen selbst. Dazu müssen Texte und -8Grabdarstellungen der Oberschicht befragt werden. Die Alltagsszenen in den Grabdarstellungen – alle Tätigkeiten also, die der Grabherr überwacht – werden von Menschen der Unterschicht ausgeführt. Aber diese Darstellungen sind idealisiert: Die Darstellungen sind so ausgewählt, dass sie für das Leben des Grabherren im Jenseits vorteilhaft sind: Es wird der Rang des Grabherren herausgestellt. Alles, was sich nicht auf den Grabherren bezieht, ist weggelassen worden. So erfahren wir nicht, wie die Unterschicht lebte. Frauen erscheinen in diesen Darstellungen seltener als Männer. Wie teilten sich Männer und Frauen der Unterschicht die Arbeit? Wie kann man etwas über die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in der Unterschicht erfahren? Texte und Ausgrabungen helfen kaum weiter. So kann man schließlich nur Vermutungen anstellen über Familien und Haushalte des größten Teils der Bevölkerung. Die Männer werden auf den Feldern gearbeitet haben oder in einem anderen niede- ren Beruf (z.B. Töpfer, Gärtner, Bäcker, Fischer). Die Frauen werden mit der Nahrungszubereitung, Weben, anderen Haushaltspflichten sowie Kinder zur Welt bringen und aufziehen beschäftigt gewesen sein. Wie heute noch in Teilen Ägyptens, wird es Aufgabe der Frauen gewesen sein, am Fluss Wasser zu holen, Wäsche zu waschen und Schüsseln auszuspülen. Da in dieser Gesellschaftsschicht Diener vermutlich selten waren, mussten die Frauen all diese Arbeiten selbst verrichten. Frauen werden wohl auch auf den Feldern gearbeitet haben, vor allem bei Sonderarbeiten. Auch die Familien der Unterschicht werden groß gewesen sein. Je größer eine Familie war, desto größer war die Möglichkeit, dass einige Kinder das Erwachsenenalter erreichten und so für die Eltern eine Hilfe im Alter darstellen konnten. Söhne werden überwiegend den Beruf des Vaters übernommen haben, Töchter werden geheiratet und eigene Familien gegründet oder in fremden Häusern als Dienerin gearbeitet haben. (nach: Robins, S. 107 ff.) ? ????????????????????????????????? ? ? ? Lasst Frauen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen ? Schichten sprechen: „Mein Mann hat …Beruf. Wir gehö? ren daher zur …-schicht.“ usw. ? ? ????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? -9- B Ehe, Familie, Beruf ∗ 1) „Hemet“ und „hi“ – „Ehefrau“ und Ehemann (T u. B) Wenn auf einem Relief ein Ehepaar dargestellt ist, wird meist die Ehefrau als „hemet“ bezeichnet. Der vergleichbare Begriff für den Ehemann, nämlich „hi“, findet sich nur selten. Der Grund liegt darin, dass der Mann üblicherweise Eigentümer des Grabes war. Er erscheint auf Reliefs mit seinem Namen, nicht aber mit der Bezeichnung „Ehemann“. Zum Mann findet man in den meisten Inschriften Beruf und Titel. Anders bei der Frau: Sie wird auch mit ihrem Namen genannt, aber häufig als „seine Ehefrau“ bezeichnet, Angaben zu Beruf und Titel fehlen meist. In dem Text über Amen-em-het und Kem werden die Titel des Amen-em-het genannt: „Der Vorsteher des Horn- und Huftiere, der Vögel und Fische, der Vorsteher der Kleintiere des ganzen Landes.“ Amen-em-het bittet um das Totenopfer: Stele des Amen-em-het und seiner Frau Kem, KestnerMuseum Hannover (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 73) „Oh ihr Lebenden auf Erden ... sprecht: 1000 an Brot , Bier, Rind, Geflügel ... für den Vorsteher des Kleinviehs Amen-em-het.“ In der Zeile direkt über dem Kopf seiner Ehefrau heißt es: „Seine geliebte Ehefrau, sein Liebling Kem, selig.“ ? ???????????????????????????? ? Was könnt Ihr im Museum am Relief des Amen? em-het erklären? ? ???????????????????????????? ? ? ? ? - 10 - ∗ 2) Heirat (T u. Q) a) Heiraten nur aus Liebe? Von einer ägyptischen Frau wurde Heirat und anschließende Mutterschaft erwartet. Entsprechend erzogen die Mütter ihre jungen Töchter zu guten Hausfrauen. Im Elternhaus harrte das Mädchen aus, bis der passende Partner gefunden war. Als die besten Ehen galten die zwischen Angehörigen derselben Familie oder zwischen Nachbarn desselben gesellschaftlichen Ranges und Berufsstandes. Es gab Ehen zwischen Cousin und Cousine oder Onkeln und deren Nichten. Dadurch sollten das Familienvermögen und auch das vererbbare Recht auf Bewirtschaftung des Landes zusammengehalten werden. Wenn auch viele Ehen durch die Eltern vermittelt wurden, war die Liebesheirat doch das große Ziel. (Tyldesley, S. 60 (gekürzt); Reitz, S. 72f.) b) Liebeslied, ein Beispiel aus der 19. Dynastie „Sieben Tage sah ich die Geliebte nicht. Krankheit hat mich befallen. Mein Herz wird schwer. Ich habe mich selbst vergessen Wenn die Ärzte zu mir kommen, bin ich mit ihren Mitteln nicht zufrieden. Keinen Ausweg finden die Beschwörer. Meine Krankheit wird nicht erkannt. Besser als alle Mittel ist für mich die Geliebte. Mehr ist sie mir als das Rezeptbuch. Ihr Eintritt von draußen ist mein Amulett. Wenn ich sie sehe dann gesunde ich.“ (Eggebrecht, Das Alte Ägypten, S. 156) ? ????????????????????????????????? ? ? ? Wir haben kein Relief im Museum, das zeigt, wie ein Ehepaar sich kennen gelernt und geheiratet hat. Um dies ? ? trotzdem an einem Exponat erklären zu können, ist ein ? Kunstgriff notwendig: Sucht Euch die Darstellung eines ? Ehepaares (z.B. Ki-nebu und Iset, S. 33) und stellt an die? sem Paar die verschiedenen Möglichkeiten des Kennenlernens vor. ? ? Dafür müsst Ihr Euch zwischen zwei Wegen entscheiden: ? a) Ihr lasst die Personen sprechen: „Ich bin …“ ? b) Ihr sprecht über die Personen: „Hier seht Ihr …“ ? ? ????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? - 11 - ∗ 3) „Meine Schwester - mein Bruder“ (T u. B) In vielen ägyptischen Texten nennt ein Mann seine Ehefrau „Schwester“. Ein junges Mädchen sagt auch „mein Bruder“, wenn sie ihren Liebhaber meint. Aber „Bruder“ und „Schwester“ sind hier nur Kosenamen. Gelegentlich gab es eine Ehe zwischen dem Pharao und seiner Schwester. Eine solche Ehe diente jedoch nicht der Erzeugung von Kindern, sondern um den Anspruch auf den Thron zu sichern; der Thronfolger des Pharao stammte bei einer solchen Geschwisterehe stets von einer Nebenfrau ab. Vermutlich wurde sehr früh geheiratet, bei den Söhnen von Beamten etwa mit 20 Jahren, also bei Beginn der Karriere als Beamter, bei den Mädchen mit 12 bis 15 Jahren. Die Väter bemühten sich sehr, ihre Töchter durch eine Heirat gut zu versorgen. Die Heirat wurde in der Regel zwischen dem Vater des beteiligten Mädchens und dem Bewerber, eventuell auch seinem Vater, abgesprochen. Auf diesem Relief des Kestner-Museums steht die verstorbenen Neschai vor der Göttin Isis. Neschai war die Ehefrau des Obersten der Goldschmiede, Sai-em-peteref. Im Text wird sie bezeichnet als: S „ eine geliebte Schwester ..., Herrin des Hauses, Neschai“ . (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 129) Braut und Bräutigam legten ihren Besitz bzw. ihre Einkünfte zu einem gemeinsamen Familienvermögen zusammen, das vor allem dem täglichen Unterhalt und der Versorgung der Kinder dienen sollte. Mehrfach ist belegt, dass der Vater oder die Familie der Braut zusätzlich Versorgungsgüter (z.B. Getreide) schenkten. (nach Montet, S. 60, Schmitz, S. 88 ff, 99, Reitz, S. 73 und Wenig, S. 22) ???????????????? ????? ? Was könnt Ihr bei Eurem Vortrag ? ? am Relief der Neschai erklären? ? ?????????????????????? - 12 - ∗ 4) Eheverträge (T u. Q) Informationen zu den Eheverträgen Der Begriff „Eheverträge“ hat sich eingebürgert, ist jedoch nicht ganz zutreffend. Die Verträge stellten keine rechtliche Abmachung über die Eheschließung selbst dar, sondern sie regelten nur Fragen des Eigentums, vor allem für den Fall einer vorzeitigen Trennung. Überwiegend wurden die Verträge zu Beginn der Ehe geschlossen, es gibt jedoch auch Beispiele, wo Eheleute, die bereits miteinander Kinder hatten, einen solchen Vertrag abschlossen. Seit wann gibt es Eheverträge? Eheverträge liegen nur aus der späteren Zeit des ägyptischen Reiches vor. Die frühesten uns bekannten Eheverträge stammen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Ob es bereits vorher – etwa im Alten Reich – Eheverträge gegeben hat, weiß man nicht. Auch ist fraglich, ob in den Eheverträgen lediglich Dinge schriftlich geregelt wurden, die in früheren Zeiten ungeschriebene Regel waren. Ein Ehevertrag war weder gesetzlich vorgeschrieben noch für das Inkrafttreten der Ehe erforderlich. Ein ägyptisches Standesamt? Über die Art der Eheschließung wissen wir wenig. Wahrscheinlich sah die Eheschließung ganz anders aus als bei uns üblich: Weder wurde die Ehe offiziell vor einem staatlichen Beamten geschlossen noch vor einem Priester. In Ägypten gab es also vermutlich weder ein Standesamt noch eine kirchliche Feier. Heiraten war für die Ägypter eine persönliche Angelegenheit zwischen zwei Personen und ihren Familien. Ab wann Ehefrau? Ein ägyptisches Wort für „Hochzeit“ gibt es nicht. Auch kannten die Ägyp- ter den bei uns üblichen Namenswechsel nicht. Sobald das Mädchen den Schutz des Elternhauses verließ und zu seinem Ehemann zog, wurde es als Ehefrau anerkannt. Die Frau brachte ihren gesamten Besitz mit in die Ehe; der bestand meist aus einem Bett, Kleidung, Schmuck, einem Spiegel, einem Musikinstrument und einem wertvollen Umhängetuch. Vermutlich war der Umzug der Braut mit ihrem gesamten Habe Anlass für ein Fest. Rechtliche Folgen für die Frau? Die Frau unterstand rechtlich nicht – wie bei anderen antiken Kulturen – ihrem Mann. Sie behielt ihre Unabhängigkeit und durfte ihren eigenen Besitz verwalten. Auch ein Teil des während der Ehe erworbenen Vermögens stand der Frau zu (s.S.23). Statt Standesamt – ein Vertrag Eheschließung beruhte in Ägypten auf individuellen Vereinbarungen. Aber mit Sicherheit haben auch in der Spätzeit des Ägyptischen Reiches nicht alle Eheschließenden einen schriftlichen Vertrag geschlossen. In den Eheverträgen taucht der Begriff „Frauengabe“ auf. Das war vermutlich ein Geschenk, das der Ehemann seiner Frau bei der Eheschließung machte. „Frauensachen“ hingegen sind Dinge, die die Frau mit in die Ehe brachte. Wie sah ein Ehevertrag aus? Ein typischer Ehevertrag enthielt eine Eheschließungsklausel (eine Klausel ist eine Sondervereinbarung in einem Gesetz oder einem Vertrag), eine Klausel über die Frauengabe, eine Ehescheidungsklausel, eine Klausel über die Kinder und eine Klausel über die Frauensachen. (nach Robins, S. 60, Wenig, S. 23 f., Tyldesley, S. 67f., 70) - 13 a) Ehevertrag aus dem Jahre 219 v. Chr.: „ Es sagte der in Ägypten geborene Her-em-heb zur Frau Ta-is ... : Ich habe dich zur Ehefrau gemacht. Als deine Frauengabe habe ich dir zwei Silberlinge ... gegeben. Entlasse ich dich als Ehefrau, sei es, dass ich dich hasse, sei es, dass ich dir eine andere Frau als Ehefrau vorziehe, so gebe ich dir zwei Silberlinge, ... außer den zwei Silberlingen, die oben genannt sind und die 5 ich dir als deine Frauengabe gegeben habe, um voll zu machen vier Silberlinge ... Und ich gebe dir ein Drittel von all und jedem, was sein wird zwischen dir und mir von jetzt an. Die Kinder, die du mir geboren hast und die du mir noch gebären wirst, sind die Herren von all und jedem, was mir gehört und was ich noch erwerben werde. Wertsumme deiner Frauensachen, die du mit dir in mein Haus gebracht hast: in Kupfergeld drei Silberlinge und vier Kite ... Ich soll keinen 10 Eid gegen dich wegen deiner Frauensachen geben können, die oben beschrieben sind, sagend: Nein, du hast sie nicht mit dir in mein Haus gebracht. Deine Frauensachen, die oben beschrieben sind, du hast sie mit dir in mein Haus gebracht, ich habe sie vollständig aus deiner Hand empfangen, ohne einen Rest. Mein Herz ist zufrieden mit ihnen. Wenn ich dich als Ehefrau entlassen werde, oder wenn du zu gehen beliebst, so gebe ich 15 dir die Frauensachen, die du mit dir in mein Haus gebracht hast, oder ihren Wert in Silber entsprechend dem Preis, der diesbezüglich geschrieben ist. Mein ist ihre Verwahrung.“ ( Wenig, S. 24 und Robins, S. 60) Anmerkung: Zu Kite s. Anmerkung zu Ehevertrag c). b) Ehevertrag aus dem Jahre 493 v. Chr.: Die Frau Ishab ließ von ihrem Schreiber folgenden Text aufschreiben: „Heute hast du mich zur Frau genommen. Du hast mir eine Silberkite vom Schatzhaus des Ptah, vollwertig, als meine Frauengabe gegeben. Entlasse ich dich als Ehemann und hasse dich oder liebe einen anderen, so bin ich es, die dir eine halbe Silberkite vom Schatzhaus des Ptah, vollwertig, von dieser einen Silberkite, die du mir als obengenannte Frauengabe gegeben hast, zurückgebe. Außerdem verliere ich das Recht auf das gemeinsam erworbene Eigentum, ohne darum irgendeinen Prozeß führen zu können. “ (Staatl. Museen, S. 34) - 14 c) Ehevertrag des Pa-scher-men „Tag 1 des 3. Monats der 2. Jahreszeit, Jahr 16. Pa-scher-men sagt zu Tamin, der Tochter des Pa-Mont: ‚Das sind 4 Deben vollwertigen Silbers ..., die ich dir vor den Göttinnen gegeben habe. Du sollst in meinem Hause sein als meine Frau vom heutigen Tag an ... bis zum Tag 1 des 4. 5 Monats der 1. Jahreszeit, Jahr 17. Wenn es geschehen sollte, dass du weggehst zu deinem Hause, ohne dass du bis zu diesem Tag geblieben bist, sollst du die 4 Deben, die oben genannt sind, zahlen. Wenn ich es sein sollte, der dich veranlasst, zu gehen, ohne dass der Tag 1 des 4. Monats der 1. Jahreszeit gekommen ist, dann werde ich die 4 Deben Silber zahlen, die oben genannt sind.‘ “ 10 (Wenig, S. 24 f.; gekürzt) Anmerkungen: 1. Der ägyptische Kalender 1 Jahr = 365 Tage = 12 Monate = 12 x 30 Tage + 5 Zusatztage am Ende des Jahres Datierung: Die Jahre wurden mit dem Regierungsantritt des Königs neu gezählt. Das Jahr wurde in 3 Jahreszeiten eingeteilt: 1. Überschwemmung, 2. Winter, 3. Sommer. Jede Jahreszeit hatte 4 Monate. Beispiel: Jahr 5, 3. Monat des Winters, Tag 13 2. Umrechnung: 1 Debe = 91 Gramm (= 10 Kiten); 1 Kite = 9,1 Gramm (Gutgesell, S. 146 f.) ? ??????????????????????????????????????? ?? Was wurde in den Eheverträgen geregelt? ? ? Waren Mann und Frau in diesen Verträgen gleichberechtigt? Welchen Sinn hatte vermutlich die zeitliche Begrenzung ?? in Vertrag c)? ?? ?? Wer konnte die Scheidung einleiten? ?? ? ??????????????????????????????????????? ? ?? ?? ?? ?? ?? ?? ? ∗ 5) Wie viele Frauen hatte ein Mann? (T u. B) Der durchschnittliche Ägypter hatte mit Sicherheit nur eine einzige Ehefrau. Aufgrund der allgemein geringen Lebenserwartung und vor allem wegen des Risikos bei der Geburt eines Kindes war es jedoch nicht selten, mehr als einen Ehepartner in seinem Leben gehabt zu haben, allerdings nacheinander. Eine Frau mit mehreren Ehemännern – ein solcher Fall ist nicht überliefert. Jedoch konnte eine geschiedene oder verwitwete Frau wieder heiraten (s.S.23). (nach Robins, S. 64 ff.) Im Museum findet Ihr das Bild einer Frau mit Namen Henut-Nofret. Dieses Bild stammt aus einem Felsengrab, über das uns viele Informationen vorliegen. - 15 Überraschend ist, dass nicht – wie üblich – ein Grabbesitzer genannt wird, sondern zwei Männer mit Namen Apuki und Neb-Amun. Beide Männer sind in dem Grab abwechselnd dargestellt. Beide waren Handwerker, Apuki war „Graveur des Herrn der beiden Länder“. Sie hatten Handwerker zu beaufsichtigen, die Schnitzereien aus Ebenholz und Elfenbein sowie Gefäße aus Metall (Gold) und Stein und auch Schmuckstücke herstellten. Vermutlich hatte Henutnofret zwei Ehemänner – nacheinander. Apuki war der erste und zuerst verstorbene Ehemann. Danach hat Henutnofret den Neb-Amun geheiratet. Henut-Nofret gehörte nach dem Beruf der beiden Ehemänner zur Mittelschicht. (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 82ff.) Henut-Nofret, Malerei aus dem Kestner-Museum Hannover (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 89) ? ???????????????????????????????????? ? ? ? Könnt Ihr auf dem Bruchstück des Bildes der Henut-nofret ? Spuren eines der beiden Ehemänner finden ? ? ? ???????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? 6) Ehekrach (Q) Aus dem 13. /12. Jahrhundert v.Chr. gibt es einen Brief, in dem eine Frau an ihre Schwester über einen Ehekrach schrieb (d.h.: einem Schreiber diktierte). Ihr Mann warf ihr vor: „Deine Mutter tut nichts für dich ... Siehe, dies ist, was du für mich getan hast, seitdem ich hier mit dir wohne, während alle Leute Brot, Bier und Fisch täglich zu ihren Angehörigen tragen. Kurzum, du sollst etwas sagen, oder du kehrst nach Hause zurück.“ (Schmitz, S. 90) - 16 - ∗ 7) „Wenn ich dich hasse“ - Scheidung (T u. Q) Ebenso wie es keine gesetzliche oder staatlich-religiöse Eheschließung gegeben hat, gab es auch nicht – so wie heute – eine staatliche Scheidung. Vermutlich wurde jedoch ein Gericht als Zeuge für das Ende der Ehe einbe- zogen. Über das weitere Schicksal einer geschiedenen Frau ist wenig bekannt. Einige werden wieder geheiratet haben, andere in das Haus ihres Vaters oder anderer Verwandter zurückgekehrt sein. (nach Robins, S. 62 ff.) Quelle aus dem Neuen Reich: „Du bist meine gute Tochter. Sollte dich dein Mann verstoßen aus dem hergerichteten Haus, dann kannst du wohnen in der Halle in meinem Vorratshaus.“ (Schmitz, S. 90) ∗ 8) Müller, Schulze, Meier? (T) Die Ägypter kannten keine Familiennamen. Üblicherweise wurde die Abstammung vom Vater hergeleitet („X, Sohn des Y“). Im Mittleren Reich (ca. 2040 – 1785 v. Chr.) jedoch gab es eine Besonderheit: Die Abstammung wurde von der Mutter hergeleitet („X, Sohn der Y“). Gruppe II kann Euch im Museum hierzu ein sehr schönes Beispiel zeigen. Warum das nur im Mittleren Reich so war, ist ungeklärt. ∗ 9) Wie groß war die Familie? (T) Eine typische Familie Aus dem Mittleren Reich gibt es über einem längeren Zeitraum Dokumente über die Bewohner eines Hauses, das dem Soldaten Hori gehörte. Sein Haus war 12x15 Meter groß. Auf diesem Raum beherbergte er seine Frau, seinen kleinen Sohn Snefru, seine Mutter und fünf weibliche Verwandte, möglicherweise unverheiratete Schwestern. Als später nach dem Tod seines Vaters Snefru Familienoberhaupt wurde, wohnten weiterhin seine Mutter, seine Großmutter und drei ledige Tanten bei ihm. Leben in Großfamilien Solche Großfamilien hatten vor allem auf dem Land große Vorteile: Gemeinsam konnte ein Stück Boden besser bestellt werden. Noch wichtiger war, dass diese großen Familienverbände Sicherheit für den Einzelnen bedeuteten: Sie gewährten praktische und fi- nanzielle Unterstützung in einer Gesellschaft, die keine staatlich geregelte soziale Absicherung kannte. Der Nachteil solcher Großfamilien war – aus unserer heutigen Sicht betrachtet – erheblich: Es gab praktisch kein Privatleben. Kinderreichtum? Aus dem Ort Deir el-Medina liegt eine Zählung der Bewohner vor. Von 30 Haushalten hatte ein Ehepaar vier Kinder, fünf Ehepaare drei Kinder; zwei Väter hatten jeder drei Kinder von verschiedenen Müttern; sechs Ehepaare hatten zwei Kinder, sieben hatten ein Kind. Vier Ehepaare waren kinderlos, sechs Männer waren unverheiratet. Diese Angaben haben jedoch nur begrenzte Aussagekraft. Möglicherweise waren ältere Kinder bereits aus dem Haus gegangen. - 17 Da nur ein Sohn den Beruf des Vaters übernehmen konnte, mussten sich die anderen Söhne anderweitig umsehen. Töchter konnten das Haus verlassen haben, um zu heiraten oder um außerhalb des Dorfes in einem größeren Haushalt als Dienerin zu arbeiten. Da die Kindersterblichkeit hoch war, konnten sich leicht größere Abstände zwischen dem Alter der Geschwister ergeben. Viele Kinder zu haben, galt in Ägypten als sehr erstrebenswert. Der Armee- hauptmann jedoch, der behauptete, „mit einer einzigen Frau siebzig Kinder gezeugt“ zu haben, hat mit Sicherheit mächtig übertrieben. Kinderlosigkeit Die Weisheit ägyptischer Ärzte war zwar in der Antike berühmt, jedoch waren die Vorgänge bei der Empfängnis nicht bekannt. Folglich wurde Kinderlosigkeit immer den Frauen angelastet. (Robins, S. 114f., Tyldesley, S. 83, 86f., 100f.) ∗ 10) Drei ägyptische Familien im Kestner-Museum (B) a) Intef und seine Familie „Heqet geboren von Hapi“ „sein Sohn Nes-Monthu“ „Intef geboren von Ij“ „sein Bruder Amen-em-het“ „Renesanch“ (vermutlich Tochter des I f) „Hapi geboren von Heqet“ „Heqet“ (Enkelin?) Mittleres Reich, um 2 000 v. Chr. „seine Tochter Henutsen“ (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 69) - 18 b) Seanch-Ptah und seine Familie „Seanch-Ptah“ „seine geliebte Schwester, Herrin des Hauses Baket-Amun“ „seine Tochter Kaj“ „sein Sohn Ipi“ „seine Tochter Hu-ro“ „seine Tochter Maj“ „Senet-Nephtys“ (die Beziehung zu Seanch-Ptah ist unklar) Neues Reich, um 1250 v. Chr. (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 137) oben: Seanch-Ptah mit Frau und Tochter betend vor dem Totengott Osiris. Der glattrasierte Kopf und die quer über den Oberkörper verlaufende Schärpe kennzeichnen Seanch-Ptah als Priester. unten: Das Ehepaar sitzt vor einem Speisetisch, gegenüber stehen und sitzen sechs Kinder. Seanch-Ptah ist hier nicht als Priester sondern als Privatperson dargestellt. Er trägt eine Perücke. Vor dem Ehepaar steht der Sohn, er vollzieht den Totenkult. Durch den Totenkult sollten die Verstorbenen mit dem versorgt werden, was sie für das Leben im Jenseits brauchten. Hier hält der Sohn einen Räucherarm, in dem Weihrauch brennt. Die Kahlköpfigkeit und das umgehängte Leopardenfell kennzeichnen den Sohn ebenfalls als Priester. „seine Tochter Isis“ „seine Tochter Baket-Ptah“ - 19 c) Em-saef und seine Familie Gruppe II („Hieroglyphen“) wird Euch im Museum wichtige Teile dieses Reliefs übersetzen, damit Ihr auch diese Familiendarstellung in Eurem Vortrag einbeziehen könnt. Mittleres Reich, um 2050 v.Chr (Relief-Katalog Kestner-Museum, S. 65) ? ???????????????????????????????????? ? ? ? Überlegt schon einmal, was Ihr im Museum an diesen Famili? endarstellungen zum Strukturfeld B „Ehe, Familie, Beruf“ erklären könnt. ? ? Zu weiteren Aspekten aus den Strukturfeldern C und D wer? det Ihr ohnehin auf diese Familiendarstellungen zurückgreifen müssen. ? ? ? ???????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? - 20 - ∗ 11) Frauenberufe außerhalb des Hauses (T) Zwar hatten Frauen der Oberklasse Pflichten im Tempel übernommen (s.S.22) und konnten Frauen Aufgaben im Totenkult für verstorbene Familienmitglieder erfüllen (s. S.29), aber dennoch gab es eine ganz klare Trennung zwischen Männern und Frauen. Schreiben – ein Privileg der Männer Der Staat wurde von männlichen schriftkundigen Beamten verwaltet. Frauen waren von der Verwaltung des Staates ausgeschlossen. Es waren Jungen, die in Schulen geschickt wurden, um eines Tages Schreiber und hohe Beamte zu werden. Vielleicht gab es dennoch einige wenige Mädchen der Oberschicht, die außerhalb des offiziellen Systems – also eher privat – lesen und schreiben lernten. Aber keinesfalls konnten diese eventuell erworbenen Kenntnisse für eine Beamtenlaufbahn genutzt werden. de. Dies war wohl eine typische weibliche Arbeit. Frauen werden auch in anderen Phasen der Brotherstellung gezeigt, nirgendwo findet sich jedoch die weibliche Berufsbezeichnung für „Bäcker“. Das Schlachten und Bearbeiten von Fleisch ist in den Grabdarstellungen immer Männerarbeit. Das Schlachten kleinerer Tiere wie Gänse, etc. ist in Gräbern nicht abgebildet. Textilherstellung In allen Darstellungen handwerklicher Arbeit sind nur Männer zu finden – außer in der Textilherstellung. Vermutlich wurden die Spinn- und Webarbeiten überwiegend von Frauen durchgeführt. Als berufliche Tätigkeit lag das Waschen von Wäsche wohl in den Händen von Männern im Gegensatz zum Wäschewaschen innerhalb des Haushalts. Tänzerin und Musikantin Häufig kann man Frauen als Tänzerinnen und Musikantinnen im Tempel finden (s.S.22). Musik spielte eine große Rolle im Tempel, im Totenkult und möglicherweise auch als alltägliche Unterhaltung. Nahrungsherstellung Aus der Zeit des Pha- Statue einer Dienerin aus rao Sethos I. (19. Dy- dem Kestner-Museum nastie) gibt es Listen, (Loseblatt-Katalog Kestner-Museum) Dienerinnen die sich auf das Herstellen von Brot für den königlichen Viele unverheiratete Frauen haben als Palast in Memphis beziehen; es ist die Dienerinnen in den Haushalten der Menge des Korns genannt, die an 26 Oberschicht gearbeitet. Sie waren Frauen zum Kornmahlen geliefert wur- dort vor allem mit dem Mahlen von - 21 Korn, dem Backen von Brot und dem Brauen von Bier beschäftigt. Landarbeit? Es gibt nur wenige Abbildungen mit Frauen bei der Landarbeit. Das Schneiden des Korns war Männerarbeit, aber an der Flachsernte nahmen Frauen teil. Ob das damit zu tun hat, dass Flachs ausgerupft und nicht geschnitten wurde oder aber damit, dass Frauen ohnehin stark mit Textilherstellung beschäftigt waren, ist unklar. Außerdem findet man Frauen beim Aufsammeln von Ähren und Feldfrüchten. Auch wenn es darüber kaum Belege gibt, ist anzunehmen, dass Mägde – ebenso wie Knechte – auf den Feldern schuften mussten. Klagefrauen Wenn ein Begräbniszug von der Balsamierungsstätte zum Grab zog, begleiteten neben den trauernden Angehörigen Klagefrauen die Mumie. Auf Darstellungen in Gräbern sind auch Klagemänner zu sehen, aber Klagefrauen stellen stets die größere Zahl dar. Vermutlich gab es Frauen, die das Klagen berufsmäßig betrieben (s. Bild unten). Zusammenfassend kann man sagen, dass die Tätigkeitsfelder für Frauen begrenzt waren, es gab also berufliche Bereiche, die Frauen verschlossen waren. Andererseits waren die weiblichen Tätigkeitsfelder nicht grundsätzlich für Männer verschlossen. Klagefrauen (nach Robins, S. 111ff., S. 164; Altenmüller, S. 20, Dersin, S. 48) (Dondelinger, S. 65) 12) Wie viel verdiente eine Dienerin? (Q) Aus der Siedlung Deir el-Medina liegt eine Abrechnung über die Bezahlung der Arbeiter und Handwerker vor, die im Tal der Könige Stollen und Schächte für Gräber in den Fels schlugen und anschließend ausschmückten. Es erhielten über eine staatliche Grundversorgung hinaus pro Monat: - 22 - Vorarbeiter: Schreiber: 17 Mann (Handwerker): die Jungen (Lehrlinge), 2: der Hirte: die Dienerinnen: 2 (Sack Gerste), 5 ½ (Sack Emmer) 2 (Sack Gerste), 5 ½ (Sack Emmer) jeder 1 ½ (Sack Gerste), macht 25 ½; jeder 4 (Sack Emmer), macht 68 jeder ½ (Sack Gerste), macht 1; jeder 1 ½ (Sack Emmer), macht 3 1¼ (Sack Gerste), 3 ¼ (Sack Emmer) 1 ½ (Sack Gerste), 1 ½ (Sack Emmer) (Gutgesell, S.149f) Die Nahrungsmittel erhielten alle Dienerinnen zusammen. Fünf bis sechs Dienerinnen lebten in Deir el-Medina, sie mussten sich also die Gerste und den Emmer teilen. ? ????????????????????????????????????????? ? Vergleicht die Einkünfte einer Dienerin mit denen eines Lehrlings, ? eines Schreibers, eines Handwerkers, eines Vorarbeiters ? und eines Hirten. Zur besseren Vergleichbarkeit ? solltet Ihr Gerste und Emmer umrechnen: ? 1 Sack Emmer = 1 Kupferdeben ? 1 Sack Gerste = 2 Kupferdeben ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? 13) Frauen im Tempeldienst (T) Vom Alten Reich an waren Frauen im Tempeldienst tätig. Entsprechend dem männlichen Titel „hem netscher“ („Diener Gottes“ = Priester) gab es den weiblichen Titel „hem(e)t netscher“. Nur sehr selten standen Frauen im Dienst eines Gottes; meist dienten sie einer Göttin, vor allem der Göttin Hathor. Dann lautete der vollständige Titel: „hem(e)t-netscher Het-her“ (Priesterin der Göttin Hathor). „Hem(e)t-netscher Het-her“ gehörte der obersten Stufe der Gesellschaft an, der Ehemann war jeweils einer der höchsten Beamten des Landes. Es ist unklar, ob die Aufgabe einer Priesterin die gleiche war wie die eines Priesters. Aber immer unterstand eine „hem(e)t-netscher“ der Autorität eines Mannes. Das Amt des Vorlesepriesters, der die feierlichen Texte von einer Papyrus-Rolle vorlas, war immer in den Händen eines Mannes. Später hatten Frauen keinen Priestertitel mehr. Frauen trugen dann nur noch den Titel Musikerin. Diese Frauen musizierten im Tempel zu Ehren der Gottheit. Frauen, denen der Titel Musikerin verliehen wurde, stammten aus Familien der Oberschicht. (nach Robins, S. 142 ff., Tyldesley, S. 313) Musizierende Frau: Sie betätigt ein Sistrum; das ist eine Art Rassel, die ihr auch im Museum finden könnt. (Montet, S. 113) - 23 - C Rechte der Frau ∗ 1) Testamente (T u. Q) a) Wer durfte erben? Man muss zwischen dem persönlichen Eigentum und dem während der Ehe erworbenen Vermögen unterscheiden. 1. Persönliches Eigentum Wurde eine Ehe durch den Tod eines Ehepartners beendet, so ging in der Regel das Erbe persönlichen Eigentums auf die Kinder und Geschwister des/der Verstorbenen über. Falls der Ehemann zuerst starb, ging also die Frau leer aus. Allerdings hatte auch der Ehemann keinen Anspruch auf das Vermögen seiner Frau. Sollte die Ehefrau auch Anteil am Erbe ihres Ehemannes bekommen, musste das in einem Testament oder in dem Ehevertrag ausdrücklich geregelt sein. Es sind Verträge überliefert, in denen der Ehemann seine Ehefrau adoptiert. Damit sollten die Geschwister des Ehemannes vom Erbe ausgeschlossen werden. 2. Gemeinschaftliches Vermögen Während der Ehe erworbenes Vermögen war Gemeinschaftseigentum des Ehepaares. Der Ehefrau stand ein Drittel davon zu. Zwei Drittel fielen an die Kinder des Ehemannes und an seine Geschwister. Töchter: beim Erbe gleichberechtigt Was das Erbe betraf, gab es bei Söhnen und Töchtern keine Unterschiede. Wenn die Kinder noch minderjährig waren, konnten sie nicht direkt erben. Dann musste ein Erbmittler eingesetzt werden; dies konnte ohne weiteres die Mutter der Kinder sein, aber nur dann, wenn der Mann eine entsprechende schriftliche Verfügung dafür hinterlassen hatte. (nach Robins, S. 127-140, Schmitz, S. 110f.,Gutgesell, S. 141,Tydeley, S. 55, Stand der Ehe im Alten Ägypten, in Kemet 4/97, S. 6ff.) a) Testament des Priesters Wah „Mit dieser Urkunde übertrage ich alles, was mein Bruder mir hinterlassen hat, meiner Frau Scheftu, genannt Teti, der Tochter Sopdus. Sie wiederum soll es nach eigenem Ermessen an alle Kinder weitergeben, die sie mir gebären wird. Ich schenke ihr drei Asiaten, die ich von meinem Bruder bekam und die sie nach eigenem Gutdünken ihren Kindern geben kann. Was mein Grab betrifft, soll kein anderer außer mir und meiner Frau dort ruhen. Ferner soll meine Frau in unserem Haus wohnen, ...“ (zitiert nach Tildesley, S. 55) - 24 b) Testament der Bürgerin Naunachte (um 1150 v. Chr.) Die erst zwölfjährige Naunachte heiratete den Schreiber Kenherchepeschet, einen kinderlosen Mann, der gerade das 70. Lebensjahr erreicht hatte. Noch 16 Jahre waren beide verheiratet, dann starb Kenherchepeschet. Er hinterließ keine Nachkommen. Naunachte erhielt den größten Teil seines Besitzes. Sie heiratete einen Handwerker und lebte 30 Jahre lang an seiner Seite. Sie zog acht Kinder auf. Als Naunachte 78 Jahre alt war, ging sie zum Dorfrichter, um ihr Testament aufzusetzen zu lassen: (Dersin, S. 44) „Ich bin eine freie Bürgerin von Ägypten. Ich habe acht Kinder großgezogen und stets angemessen für sie gesorgt. Aber nun, da ich alt bin, haben meine Kinder mich vergessen. Deshalb will ich meine Habe denen vermachen, die sich um mich gekümmert haben. Jenen aber, die mich vernachlässigt haben, hinterlasse ich nichts.“ (Tyldesley, S. 54) 2) Wie erging es einer Witwe? (T u. Q) Einer Witwe, die nichts erbte, oder einer Witwe aus einer armen Familie – wo es nichts zu erben gab – konnte es schlecht gehen. Vermutlich traf es eher häufig zu, dass eine Frau nach dem Tod ihres Ehemannes in Not geriet. Schließlich lebte die Mehrzahl der Ägypter in armen Familien. Vielfach haben wohlhabende Ägypter bei der Ausstattung ihrer Gräber Texte über ihr eigenes Leben anbringen lassen. Dabei beschreiben sie, welche guten Taten sie zu Lebzeiten vollbracht haben. Beispielsweise: „Ich hörte auf die Bitte der Witwe.“ „Ich habe die Witwe atmen lassen, die keinen Gatten hatte.“ „Ich bin der Beschützer der Witwe.“ (Stand der Ehe im Alten Ägypten, in Kemet 4/97, S. 6ff.) ∗ 3) Eigentum (T) Einem Dokument aus dem Mittleren Reich ist zu entnehmen, dass sich ein Mann und seine Tochter über Eigentum stritten: Der Vater plante, 50 Sklaven seiner Frau Senebtisi zu vermachen. Seine Tochter Tahenwet, prozessierte gegen den Vater; sie beanspruchte das Eigentum für sich. Vermutlich war Senebtisi die zweite Frau des Vaters und Tahenwet die Tochter der ersten Frau, was nun zu Spannungen führte. Das Dokument zeigt nicht nur, dass eine Frau über Besitz verfügen konnte, sondern auch, dass eine Frau einen Gerichtsprozess einleiten konnte (s.S.33). Die staatlichen Löhne waren so berechnet, dass ein Mann Frau und Kin- - 25 der davon ernähren konnte. Darüber hinaus konnten sich Frauen jedoch eigenes Einkommen verschaffen. Texte aus Deir el- Medina benennen Eigentumsrechte von Frauen: Eine Frau verkaufte ein Stück Land für einen Esel. Eine Frau erhielt 29 Deben Kupfer für Kleidung, die sie vermutlich selbst hergestellt hatte. Das Eigentum einer Frau namens Webchet wurde mit 170 Deben aufgelistet. Zusammenfassend Wirtschaftlich waren Frauen grundsätzlich den Männern gleichgestellt. Sie konnte kaufen und verkaufen, Ver- träge abschließen; Frauen konnten erben und vererben. Eine allein stehende Frau konnte über ihr Eigentum frei verfügen. In einer Ehe waren Absprachen der Frau mit ihrem Mann mit Sicherheit notwendig. Im Alltag gab es Unterschiede im Umfang und in der Bedeutung der Geschäfte von Männern und von Frauen. Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen den gesellschaftlichen Schichten: Frauen aus Oberschichtfamilien besaßen Eigentum und führten Geschäfte. Verwitwete Frauen der Unterschicht dagegen werden vermutlich in sehr armseligen Verhältnissen gelebt haben. (nach Robins, S. 127-140, Schmitz, S. 110 f., Gutgesell, S. 141) 4) Irenefret, Ehefrau des Distriktverwalters, kauft eine Sklavin (Q) „Im Jahre 15 [von Ramses II., ca. 1275 v. Chr.], sieben Jahre nachdem ich in das Haus des Distriktverwalters Samut eingetreten war, kam der Kaufmann Raia mit der syrischen Sklavin Gemniherimentet zu mir, die ein Mädchen war, und sagte zu mir: ‚Kaufe dieses Mädchen und gib mir ihren Preis‘, so sagte er zu mir. Ich nahm das Mädchen und gab ihm seinen Preis. Nun siehe, ich gebe vor den Richtern eine Aufstellung des Preises, den ich für es bezahlt habe: (Hier folgt eine Aufzählung von Dingen, die Irenefret selbst hergestellt hat oder in ihrem Haus hat herstellen lassen, u.a.:) 1 Decke aus feinem Stoff, 1 Umschlagtuch aus feinem Stoff, 3 Schürze aus feinem Stoff (außerdem gibt Irenefret als Teil der Kaufsumme noch mehrere Gefäße an, die sie zuvor von anderen gekauft hatte) Total von allem: 4 Deben und 1 Kite Silber. Und ich gab es dem Kaufmann Raia … und er gab mir das Mädchen, das ich Gemniherimentet nannte.“ (James, S. 285f.; bearbeitet) - 26 - ∗ 5) Gleichheit vor dem Gesetz? (T) Eine Frau konnte als Klägerin oder auch als Zeugin vor Gericht auftreten. Auch wenn sie angeklagt war, konnte sie für sich selbst antworten. Das ist für die Antike etwas Besonders, in Rom beispielsweise brauchte eine Frau vor Gericht einen männlichen Vormund. Aus Deir el-Medina ist eine Rechtsschrift überliefert, in der die Ehefrau ein Immobilie von ihrem (geschiedenen oder verstorbenen) Ehemann einklagt: „Klage der Bürgerin Isis gegen die Arbeitsleute Hai-em-itep, Hai-em-waset und Imennecht folgendermaßen: Mir soll gegeben werden die Immobilien meines Ehemannes. Man beriet. ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? Urteil der Richter: Die Frau ist im Recht. Man gebe ihr die Immobilien des Ehemannes.“ (Lüddekens, S. 4f.) Vermutlich waren Frauen der Oberschicht – ähnlich wie bei wirtschaftlichen Rechten und Möglichkeiten – vor Gericht Männern gleichgestellt. Für Frauen unterer Schichten wird die Gleichheit vor dem Gesetz vermutlich eingeschränkt gewesen sein. Schließlich waren auch die Gerichte ausschließlich mit Männern besetzt. Viele Beispiele zeigen, dass Gerichte beeinflussbar waren. Da hatten vermutlich die Ärmsten die geringsten Chancen, beispielsweise Witwen aus der Unterschicht. (nach Robins, S. 136-141) ????????????????????????????????????????? Ihr kennt schon das Verfahren, ein Exponat zum Sprechen zu bringen (s.S.10). Zum Aspekt „Vererben“ könnt Ihr die Familiendarstellungen (S. 17-19) benutzen. Beispielsweise: Was passiert, wenn Intef vor Heqet stirbt? Ähnlich könnt Ihr verfahren zu den Aspekten „Eigentum“ und „Gleichheit vor dem Gesetz“. Außer auf die Familiendarstellungen könntet Ihr für diesen Zweck auch auf Ki-nebu und Iset (S.33) oder das Ehepaar auf dem Relief „Baumgöttin“ (S. 6) zurückgreifen. ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ????????????????????????????????????????? ? - 27 - D Die Darstellung der Frau ∗ 1) Stelen im Kestner-Museum – Menschen vor der Gottheit (T u. B) Im Museum findet Ihr im ersten Raum in der vorderen Ecke rechts neun Stelen. Eine Stele ist vergleichbar mit den bei uns üblichen Grabsteinen. Häufig wurden Stelen in oder an Tempeln aufgestellt, um der Gottheit nahe zu sein. In der Vitrine könnt Ihr folgende sechs Stelen näher untersuchen, wobei Ihr Euch auf die Stele der Sängerin (Nr. 3) konzentrieren sollt: 1. Der Offizier Ani und sein Sohn Ra-Mes opfern und beten vor einem Gott in Stier-Gestalt. 2. Der Priester Api betet vor einem Gott in der Gestalt eines Stieres. 3. siehe rechts 4. Aa-nacht-Chonsu und seine „Schwester“, d.h. seine Frau, die Hausherrin Ini opfern vor einem Bild des Gottes Horus in der Gestalt eines Falken. 5. Der Schreiber Amun-emIpet betet zum pavianköpfigen Gott Thot. Stele einer Sängerin aus dem Kestner-Museum 6. Der Offizier Tutuia betet Die Sängerin erfleht von einem Gott in der Gestalt eines Widvor dem Gott Ptah. Im un- ders: teren Register ist die Familie des Tutuia darge- „Leben, Gedeihen und Gesundheit.“ stellt: Die „Herrin des Vermutlich hat die Sängerin die Stele selbst in Auftrag gege(Robins, S. 125) Hauses“ Merit und die ben. Söhne Mose und Hui so wie der schon im Kindesalter verstorbene Redi-anch. ? ????????????????????????????????????????? ? Was könnt Ihr an der Stele der Sängerin erklären? ? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? - 28 - ∗ 2) Buchanefptah betet (T u. B) Privatleute konnten Statuen oder Stelen im Tempelbereich aufstellen, um bereits zu Lebzeiten eine Verbindung zwischen ihnen und der Gottheit des Tempels herzustellen. Eine Stele enthält in der Regel ein Gebet und ein Relief, das den Stifter der Stele sowie eventuell dessen Ehefrau und Kinder zeigt. Frauen auf einer Stele: allein oder mit Ehemann? Überwiegend wurden Stelen von Männern aufgestellt. Wenn eine Frau zusammen mit ihrem Ehemann auf dem Relief erscheint und namentlich genannt wird, so hat der Mann immer den Vorrang. Aus Deir el-Medina stammt eine bemerkenswerte Stele Die Ehefrau Buchanefptah verfügte vielleicht über ein eigenes Vermögen, so dass sie und nicht ihr Mann eine Stele in Auftrag gab. Oben unter dem Rundbogen steht Buchanefptah betend vor einer Göttin. Der Text sagt ausdrücklich, dass die Stele „von Buchanefptah gewidmet“ wurde. (Robins, S. 130) In den folgenden Zeilen wird in Stele der Buchanefptah einem von Buchanefptah gesproHinter ihm steht eine weibliche Perchenem Gebet die Göttin gepriesen son, schriftlich gekennzeichnet als: und um Gnade gebeten. Die beiden „seine Frau, die Herrin des Hauses, unteren Register zeigen Familienmit- Buchanefptah“. Sie erscheint also glieder. Im oberen Register an erster zweimal auf der Stele. Die nachfolgenStelle steht der „Arbeiter im königli- den 13 Personen werden gekennchen Grab“, Kasa. Er wird nur mit Na- zeichnet als „ihr Sohn/ ihre Tochter“ men und Titel genannt, nicht mit einer und „ihr Bruder/ ihre Schwester“. Verwandtschaftsbezeichnung zur Stif(nach Robins, S. 157 ff.) terin der Stele (etwa: „ihr Ehemann“). ? ????????????????????????????????????????? ? Ihr habt bei der Stele einer Sängerin gesehen, dass eine Frau alleine ? vor eine Gottheit treten kann. So auch bei Buchanefptah. Was ge? schieht aber mit Buchanefptah, wenn sie im Kreis ihrer Familie dar? gestellt ist? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? - 29 - ∗ 3) Im Tode gleich? (T) Frauen wurden mit denselben Begräbnisriten beerdigt wie Männer, die Gräber von Männern waren jedoch meist besser ausgestattet als die von Frauen. Bevor die Mumie endgültig in das Grab gelegt wurde, nahmen die Anghörigen vor dem Grab Abschied. Auf vielen Darstellungen kniet die Ehefrau vor der Mumie und beweint den Verstorbenen. Eine vergleichbare Darstellung mit vertauschten Rollen von Mann und Frau gibt es nicht. Wie im wirklichen Leben zeigen die Statuen, Reliefs und Malereien in den Gräbern den Vorrang des Mannes. Der Grabherr ließ sich mit den Personen abbilden, mit denen er im Jenseits zusammen sein wollte. Aus einer Inschrift ist erkennbar, was ein Grabherr sich für das Jenseits wünschte: Versammeln der Großfamilie, des Vaters, der Mutter, der Freunde, der Kinder, der Partner, der Frauen, der Nebenfrauen, der Hausangestellten, der Diener und von allen Dingen des Mannes für ihn in der Nekropole1. Die Mumie der Ehefrau wurde meist im Grab des Ehemanns bestattet. Wenn der Mann sich mit seiner Ehefrau in Grabdarstellungen abbilden ließ, bedeutet dies, dass er die Verantwortung für die Versorgung seiner Ehefrau im Jenseits übernahm. Meistens trägt der Sohn die Verantwortung für den Totenkult2 der Eltern. Bei Familien ohne Söhne kann auch eine Tochter mit dieser Aufgabe betraut werden. Es war eine große Ausnahme, dass eine Frau eine eigene Grabkammer mit eigenen Reliefs und Statuen besaß. Einige Beispiele findet Ihr im Museum, u.a. Teti-seneb (siehe Rückseite des Titelblattes). 1 Abschied von dem Verstorbenen (Eggebrecht, S. 289) Nekropole = Totenstadt Den Begriff „Totenkult“ erklärt Euch die Gruppe III. 2 ? ????????????????????????????????????????? ? Überlegt: ? Welche Umstände konnten dazu führen, dass eine Frau ein Grab ? für sich allein einrichtete? ? Warum war das sehr selten? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? - 30 Häufig wurden Ehepaare im Relief oder in einer Statuengruppe (wie Ki-nebu und Iset, S. 33) dargestellt. Im Pelizaeus-Museum in Hildesheim befindet sich eine ungewöhnliche Statue: Neben dem Grabherren ist ein Platz frei. Was mag das bedeuten? Ein Blick auf den Rücken kann das Rätsel lösen: (Nofret 2, S. 35) Im Museum könnt Ihr beim Vortrag Euren Mitschülern diese sonderbare Statue zeigen, denn es gibt dazu eine Pappe. (Nofret 2, S. 34) ! !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ! Tipp: ! ! Ihr könnt an dieser Statue Eure Kenntnisse über die Versorgung der ! Ehefrau im Jenseits anwenden. ! Eine andere Möglichkeit wäre, an dieser Stelle über Scheidung zu ! informieren; dann solltet Ihr auf die Eheverträge zurückgreifen. ! Klärt in der Gruppe die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass der ! Platz neben dem Grabherren frei ist. ! ! !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! - 31 - 4) Familiendarstellungen in Grabreliefs des Alten Reichs (B) Im Museum werdet Ihr einige Familien aus dem Alten Ägypten untersuchen (s.S.17-19). Dabei werdet Ihr feststellen, mit wem der Grabherr im Jenseits leben wollte. Bei den Reliefs auf dieser und auf der nächsten Seite sollt Ihr untersuchen, wie die einzelnen Familienmitglieder dargestellt sind. Untersucht also die Größe der Darstellung und die Reihenfolge bei Ehemann/Ehefrau, Sohn/Tochter. Fasst die Ergebnisse zusammen. a) aus dem Grab des Mereruka mit Frau (vorn) und Mutter (hinten) (Schmitz, Waren sie nur schön?, S. 100) b) aus dem Grab des Mehi Eine typische Familien-Szene des Alten Reiches: voran Mehi mit seinen Söhnen, dahinter seine Frau und die Tochter. Aus einem Grab des Alten Reiches in Giza. Wenn der Sohn den Amtsstab des Vaters anfasst, soll damit die Erwartung ausgedrückt werden, dass der Sohn die Beamtenlaufbahn des Vaters einschlägt. Diese Art der Darstellung von Vater und Sohn findet sich in Grabreliefs sehr häufig. Auch die Reihenfolge in der Darstellung ist typisch. (Schmitz, Waren sie nur schön?, S. 76) 5) Wandmalerei aus dem Grab des Nacht, Neues Reich: frühe 18. Dynastie, also um 1 400 v. Chr. Dargestellt ist der Grabherr bei der Jagd im Papyrusdickicht. Begleitet wird Nacht von seiner Frau und drei Kindern. Die Ehefrau und die älteste Tochter sind (Grab des Nacht, Vorsatz) jeweils zweimal dargestellt. - 32 - Die Familie des Schreibers Nacht (B) - 33 ∗ 6) Grabstatuen (B) Ki-nebu und Iset, Kestner-Museum (Loseblatt-Katalog Kestner-Museum) In Grabstatuen sind Männer oder Frauen jeweils alleine oder als Statuengruppe (evtl. mit Kind) dargestellt. Bei einer Statuengruppe hat der Mann meist den Ehrenplatz auf der rechten Seite seiner Frau (vom Betrachter aus: links). (Robins, S. 173 f.; Schmitz, S. 109) ? ????????????????????????????????????????? ? Im Gegensatz zu der Darstellung auf S. 30 sitzen Ki-nebu und Iset ne? beneinander. Bringt Ki-nebu zum Sprechen und lasst ihn erklären, ? wie es zu dieser Entscheidung kam. ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ????????????????????????????????????????? ? Man weiß nicht, warum Teti-seneb (Rückseite des Titelblattes) alleine ? in einer Grabstatue dargestellt ist. Habt Ihr eine Vermutung? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? - 34 - E Meinungen über die Frau in der ägyptischen Gesellschaft ∗ 1) Weisheitslehren (Q) Die Weisheitsregeln sind Lebensregeln. Sie wurden von weisen Männern verfasst, häufig zur Belehrung der eigenen Söhne. Die Lehren besonders angesehener weiser Männer wurden in der Schule gelernt. a) Lehre des Ptahhotep (Auszüge) Vermutlich in der 5. Dynastie (um 2 370 v. Chr.) verfasst. „Wenn du angesehen bist und einen Hausstand gegründet hast und deine Frau aufrichtig liebst, dann fülle ihren Leib [mit Speise] und kleide ihren Rücken; Hautöl ist Balsam für ihren Körper. Erfreue ihr Herz, solange du lebst, sie ist ein fruchtbarer Acker für ihren Herrn. Streite nie mit ihr vor Gericht, und vermeide, dass sie Macht bekommt ... So ist sie treu in deinem Hausstand ...“ (Brunner-Traut, S. 109-114.) b) Lehre des Ani (Auszüge) Diese Weisheitssprüche stammen aus der 18. Dynastie. Der Schreiber Ani wollte mit diesen Lehren seinen Sohn unterweisen. „Nimm dir eine Frau , solange du jung bist, sie soll dir einen Sohn bringen und Kinder bekommen, solange du noch ein junger Mann bist. Lehre du ihn [deinen Sohn] dann, ein Mann zu werden. Glücklich der Mann, der viele Kinder hat, er wird entsprechend seiner Kinder geachtet. 5 Hüte dich vor einer fremden Frau, die niemand in der Stadt kennt. Starre ihr nicht nach, wenn sie vorbeigeht. [Sie ist] ein tiefes Wasser, dessen Strömung man nicht kennt. Eine Frau, die fern von ihrem Manne ist, so stellt sie ihre Fallen auf; aber es ist ein großes todeswürdiges Verbrechen, wenn es herauskommt, weil ihr Mund es nicht hat behalten können. Eine verheiratete Frau wird befragt [= eingestuft] nach ihrem Ehemann, ein Mann wird be10 fragt [= eingestuft] nach seinem Rang. Gib deiner Mutter doppelt soviel Nahrung wie sie dir gegeben hat, trage sie wie sie dich getra- gen hat. Sie hatte eine schwere Last an dir, aber sie sagte nicht: ‚Fort mit dir!‘ Als du nach deinen Monaten geboren wurdest, da warst du immer noch an sie gebunden. Drei Jahre lang war ihre Brust in deinem Munde. Als du dann größer wurdest und deine Exkremente ekelhaft, da 15 ekelte sie sich nicht und sagte: „Was soll ich bloß machen?“ Als sie dich dann in die Schule gab, damit du schreiben lerntest, da war sie täglich da und passte auf dich auf, mit Brot und Bier aus ihrem Hause. Du sollst nicht deine Frau in ihrem Hause beaufsichtigen, wenn du weißt, dass sie tüchtig ist. 20 Sage nicht: „Wo ist denn das? Bring es her!“, wenn sie es an die richtige Stelle getan hat. Lass sie dein Auge beobachten und schweige, dann wirst du ihre Geschicklichkeit kennen lernen. Jeder, der eine Familie gründen will, muss sein hitziges Temperament zügeln. So geh also nicht [immer] hinter der Frau her und vermeide, dass sie dich [deswegen] tadelt. (Brunner, S. 199-211, gekürzt.) - 35 - c) Lehre des Cheti (Auszüge) Diese Lehre war in den ägyptischen Schreiber-Schulen sehr verbreitet. Sprich keine Lügen gegen deine Mutter, denn das ist den Beamten ein Greuel. Dank Gott für deinen Vater und deine Mutter, die dich auf den Weg des Lebens gesetzt haben. (Brunner, S. 159-168) d) Lehre des Anch-Scheschonki (Auszüge) Schicke keine gemeine Frau in einer deiner Angelegenheiten; sie wird sich nur um ihre eigenen Sachen kümmern. Nimm nicht eine Frau zu dir, deren Ehemann noch lebt, damit er nicht dein Feind wird. Nimm dir eine Frau, wenn du zwanzig bist, damit du einen Sohn bekommst, solange du jung 5 bist. Lass deine Frau dein Vermögen sehen, aber vertrau es ihr nicht an. Vertrau ihr nicht einmal ihr Haushaltsgeld für ein Jahr an. Schaff deiner Frau keine Dienerin an, wenn du selbst keinen Diener hast. Öffne dein Herz nicht deiner Frau; was du ihr gesagt hast, gehört der Straße. Öffne es deiner Mutter, sie ist eine diskrete Frau. 10 15 20 Eine Frau belehren heißt, einen Sandsack füllen, der an der Seite aufgeschlitzt ist. Verstoße nicht eine Frau aus deinem Haus, nur weil sie nicht empfängt und gebiert. Nimm dir keine Freiheiten heraus gegen eine Frau, deren Mann dir gehorchen muss. Wenn eine Frau in Frieden mit ihrem Manne lebt, so ist das ein Gottesgeschenk. Das Herz einer Frau sei wie das Herz ihres Mannes, dann sind sie fern von Streit. Wähle für deine Tochter einen klugen Mann, nicht einen reichen. Heirate nicht eine gottlose Frau, damit sie deine Kinder nicht gottlos erziehe. Lebt eine Frau in Frieden mit ihrem Mann, so kann es beiden nicht schlecht gehen. Tuschelt eine Frau über ihren Mann, so kann es beiden nicht gut gehen. Liegt einer Frau nichts an der Habe ihres Mannes, so hat sie einen anderen im Sinn. Eine schlechte Frau hat keinen Ehemann. Wenn eine Frau von besserer Abkunft ist als ihr Mann, dann soll er ihr den Vortritt lassen. (Brunner, S. 267- 290, gekürzt) ? ????????????????????????????????????????? ? Fasst zusammen: ? Wie schneidet der Mann, wie schneidet die Frau in den ? Weisheitslehren ab? ? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? - 36 - ∗ 2) Matriarchat? (T) Der Grieche Herodot, der um 450 v. Chr. Ägypten bereiste, berichtete: „In Ägypten gehen die Frauen auf den Markt und treiben Handel, und die Männer sitzen zu Hause und weben.“ Der Grieche Diodor schrieb 400 Jahre später: „Bei den Ägyptern herrscht die Frau über den Mann. Deshalb versprechen in einem Ehevertrag die Männer, dass sie ihrer Frau in jeder Beziehung gehorchen wollen.“ Von Römern gibt es ähnliche Aussagen. Können wir also durch die Berichte der Griechen und Römer unsere Wissenslücken über die Frau in der ägyptischen Gesellschaft schließen? Leider sind diese Berichte nicht in allen Punkten glaubwürdig. Schon der Grieche Strabo, der um 25 v. Chr. Ägypten bereiste, kam zu der Erkenntnis, dass „sowohl Herodot als auch andere viel Unsinn“ über Ägypten reden. Auch heute gibt es noch die Meinung, die Frau sei im Alten Ägypten dem Manne gleichgestellt gewesen. Im Vergleich mit anderen antiken Gesell- schaften hatten Frauen in Ägypten tatsächlich mehr Rechte. Aber dennoch muss auch für die ägyptische Gesellschaft von „Patriarchat“ (Vorherrschaft des Mannes / Vaters) gesprochen werden. Wenn einige römische und griechische Schriftsteller in Ägypten ein Matriarchat (Vorherrschaft der Frau) sahen, haben sie in ihren Berichten das für sie Fremde weit übertrieben. Wie kann man das erklären? Wenn heute ein Mensch aus einem ganz anderen Kulturkreis nach Deutschland kommt, kann er – was eher die Ausnahme als die Regel ist – Männer sehen, die einen Kinderwagen schieben. Auch sieht er Frauen, die einen PKW steuern. Wenn er über diese Sachverhalte in seinem Heimatland berichtet, könnte er schreiben: „Die Männer schieben Kinderwagen und die Frauen fahren Auto.“ Griechische und römische Berichte über die Frau im Alten Ägypten sind ähnlich einseitig. ∗ 3) Als Kontrast: Frauen in der griechischen und in der römischen Gesellschaft (T) Griechenland In Griechenland herrschte der Mann über die Familie. Er entschied z.B. über alle Geldfragen. Nur er durfte die Volksversammlung besuchen und öffentliche Ämter bekleiden. Frauen waren weitgehend auf die Arbeit im Haus begrenzt. Nur in geringem Maße nahmen sie am öffentlichen Leben teil, etwa im Rahmen der Kulte und Feste. Wenn sie aus ärmeren Familien kamen, trugen sie oft auch zum Lebensunterhalt bei. Sie verkauften z.B. Gemüse auf dem Markt oder stellten Backwaren her. Grundsätzlich übernahmen die Frauen alle Aufgaben im Haushalt. Die Kinder blieben die ersten sechs Lebensjahre bei der Mutter. Die Mädchen lernten von ihr alle Tätigkeiten, die sie für ihr späteres Leben als Ehefrau und Mutter brauchten. Die Jungen gingen ab dem siebten Lebensjahr zur Schule. Rom Die römische „familia“ hat mit der Familie, wie wir sie heute kennen, nur wenig gemeinsam. Zur „familia“ gehörten nicht nur der Vater mit seiner Frau, die Töchter und die Söhne, sondern auch deren Töchter und Söhne sowie die Sklaven. Über all diese Personen und über den Besitz der „familia“ hatte der Vater absolute Gewalt. Nur er - 37 durfte Besitz erwerben und Geld ausgeben. Erst wenn der Vater starb, wurden seine Söhne selbständig und konnten selbst Familienoberhaupt sein. Nicht nur Sklaven, sondern auch Frauen und Kinder waren also persönliches Eigentum des Vaters und konnten von ihm in besonderen Ausnahmefällen sogar getötet werden. Solch ein besonderer Fall konnte bei der Geburt eines Kindes vorliegen, wenn es behindert zur Welt kam und die Familie sehr arm war. In der römischen „familia“ lagen also alle Rechte beim Vater. Dennoch waren die Frauen in Rom meist freier als z.B. in den griechischen Städten. Die römische Frau lebte im Hauptraum des Hauses, führte den Haushalt und zeigte sich selbstverständlich in der Öf- fentlichkeit, z.B. im Theater, im Zirkus oder bei Gastmählern. Auch die Erziehung der Kinder stand bis zum sechsten Lebensjahr in der Verantwortung der Frau. Vom siebten Lebensjahr an wurden Mädchen und Jungen unterschiedlich erzogen. Das römische Mädchen blieb bis zu seiner Hochzeit im Haushalt der Mutter und lernte hier alle Fähigkeiten, die für die Führung eines Haushaltes nötig waren. Der Vater übernahm die Erziehung der Jungen. Erst mit der Hochzeit wurden die Mädchen erwachsen. Der Vater gab seine Tochter dann frei. Doch die junge Frau ging mit der Hochzeit unmittelbar in die Vormundschaft ihres Ehemannes über. (Geschichte und Geschehen, S. 126) ? ????????????????????????????????????????? ? Überlegt in der Gruppe, ? ob Ihr diese Information und Eure Kenntnisse ? über die Frau in der ägyptischen Gesellschaft ? in Form eines Streitgesprächs ? zwischen einem Römer und einem Ägypter vortragt. ? ? ????????????????????????????????????????? ? ? ? ? ? ? ? ? - 38 - ∗ 4) Wer ist die Hauptperson? (B) Antef oder Sat-Hathor? Zur „Stele des Antef“ steht in einem Ausstellungskatalog: „Der Güterverwalter Antef möchte nicht allein vor den Auferstehungsgott Osiris treten. Auf seiner überaus sorgfältig gemeißelten Kalksteinstele wird er ‚von seiner herzensgeliebten Gattin‘ SatHathor begleitet. Sie legt ihm die Linke auf die Schulter, als ob sie ihm Mut machen wollte. Durch das weit zurückgesetzte Bein wirkt er zögernd und unentschlossen. Die Konvention räumt ihm den ersten Platz ein, aber neben seiner munteren Frau bleibt er eher Statist. Offenbar hat Antef seine Ehefrau Sat-Hathor überlebt und hat nach ihrem Tode noch einmal geheiratet. In dieser Stele hat er ihr ein Denkmal gesetzt, das ihn zwar im Vordergrund zeigt, das ihr aber die lenkende aktive Rolle der eigentlichen Hauptperson zuweist.“ Stele des Antef, Mittleres Reich, 12. Dynastie, um 1 950 v. Chr., Kairo (Katalog Nofret 1, S.16; gekürzt) (Nofret 1, S. 16) ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ??????????????????????????????????????????? ? Beurteilt die Personen dieses Reliefs: ? Wirkt Antef „zögernd und unentschlossen“? ? ? Sind Antef und Sat-Hathor so dargestellt, dass man sagen kann, sie ? sei die „eigentliche Hauptperson“? ? Wenn Ihr Unterschiede in der Bedeutung erkennt, nennt die Punkte ? an denen Ihr das festmacht. ? ? Habt Mut zur eigenen Meinung! ? Vergleicht die Darstellung von Antef und Sat-Hathor mit einem Relief ? des Kestner-Museums, etwa Intef und seine Familie. Wer ist dort die ? Hauptperson: Intef oder Heqet? ? ??????????????????????????????????????????? ? - 39 - ∗ 5) Haben Experten immer Recht? (T) a) Aus dem Katalog „Nofret – die Schöne – Die Frau im Alten Ägypten“ Bd. 1 (die Ausstellung wurde 1984/85 in München, Berlin und Hildesheim gezeigt): 1. „Explizite Texte (d.h.: Texte, die die Rechte der Frau ausdrücklich und direkt ansprechen) zu den Rechten der altägyptischen Frau gegenüber dem Mann existieren nicht, da in Ägypten die Gleichbehandlung und Stellung der beiden Geschlechter …, eine Selbstverständlichkeit war.“ 2. „... war diese Gleichberechtigung in einer selbst für moderne Verhältnisse erstaunlichen Weise verwirklicht. ...“ 3. „Die Frau ist – abgesehen von Schwerstarbeit – nicht von bestimmten Berufen ausgeschlossen: In den Verwaltungsinstanzen sind ‘Schreiberinnen’ und ‘Vorsteherinnen’ belegt ... Allgemein jedoch ist der Bereich der Verwaltung eine typisch männliche Berufsgruppe. … Auf der anderen Seite bleibt der Mann im häuslich-familiären Bereich im Hintergrund und überlässt die leitende Funktion der Frau.“ (Nofret 1, S. 44 ff.) b) In einem Vortrag nahm die Ägyptologin Bettina Schmitz anlässlich der Ausstellung „Nofret – die Schöne – Die Frau im Alten Ägypten“ Stellung zu Aussagen, wie sie oben unter 5a) abgedruckt sind: 1. „Aus unserer heutigen Sicht waren Töchter den Söhnen gegenüber benachteiligt... Die wenigen Arbeiten, die zum Thema ‘Stellung der Frau im Alten Ägypten’ bisher existieren ..., zeichnen ein viel zu positives Bild von der Lage der Frau ... Es wird häufig auch kaum zwischen sozialen Schichten unterschieden, so dass die Stellung der Frau meist viel zu stark unter dem Aspekt ‘Königin’ oder ‘Oberschicht’ betrach(Schmitz, S. 85, tet wird.“ 112) 2. Die Ehe ist für die Frau keine sonderlich sichere Angelegenheit oder gar eine Lebensversicherung gewesen. Man darf im Fall der Ehe vor allem nicht von einer rechtlichen Gleichstellung der Frau gegenüber dem Mann sprechen.“ (Schmitz, S. 94) 3. Es gibt einige Ägyptologen, die annehmen, es habe auch einige wenige Schreiberinnen gegeben. Die Berufsbezeichnung für Schreiber lautet „sesch“ und es gibt tatsächlich aus dem Mittleren Reich die feminine Form „seschet“. Das Verb „schreiben“ bedeutet jedoch auch „malen“, „zeichnen“, „entwerfen“. Zudem kommt „seschet“ meist in der erweiterten Form „für ihren Mund“ vor. Frauen mit diesem Titel werden zusammen mit Dienerinnen und Ammen in den Haushalten von Frauen (z.B. von Königinnen und Prinzessinnen) aufgelistet. Der Titel wird also „Schminkerin“ – und zwar speziell auf das Lippenrot bezogen (nach: Schmitz, S. 85) – bedeuten. ? ?????????????????????????????? ? Welche Aussagen stimmen mit ? Euren Kenntnissen überein? Welchen Aussagen könnt Ihr nicht zustimmen? ? ? ?????????????????????????????? ? ? ? ? ?