Blutspende Homosexuelle

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Thüringer Landtag
5. Wahlperiode
Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Generellen Ausschluss homosexueller Männer von der
Möglichkeit zur Blutspende aufheben sowie Abbau sonstiger gruppenbezogener Diskriminierung in Bezug auf
die Blutspende-Regelungen
I. Die Landesregierung wird aufgefordert, dem Landtag zu berichten,
a) wie sie sich seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 909 des
Abgeordneten Dr. Frank Augsten (Drucksache 5/1741) aktiv an
der Diskussion für eine Überarbeitung der bundesgesetzlichen
Regelungen nach §§ 12a und 18 Transfusionsgesetz (TFG) beteiligt hat,
b) inwieweit sie die Auffassung in Form einer Initiative des Landtages Sachsen-Anhalt (Drucksache 6/1785), mit der eine Aufhebung sämtlicher gruppenbezogener Diskriminierung in Bezug auf
die Blutspende-Regelungen gefordert wird, teilt und wie sie diese
begründet,
c) ob sie die Aussage des Ministers für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt in der 39. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 teilt, wonach ein pauschaler
Ausschluss von homosexuellen Männern von der Blutspende einen Generalverdacht darstellt und wie sie diese begründet,
d) wie sie die seit 2001 in Italien praktizierte Lösung bewertet, nach
der homosexuelle Männer offiziell Blut spenden dürfen.
II. Die Landesregierung wird aufgefordert,
a) in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, die bestehende Blutspende-Regelung, wonach homosexuelle Männer grundsätzlich von
einer lebensrettenden Blutspende ausgeschlossen werden, aufzuheben,
b) hierzu darauf hinzuwirken, dass es nicht von der sexuellen Orientierung abhängen darf, ob ein Blutspender in Frage kommt,
c) eine diskriminierungsfreie Regelung zu schaffen, in der statt der
sexuellen Orientierung das Risikoverhalten bei Spenden abgefragt wird und gegebenenfalls zum Ausschluss führt,
d) darauf hinzuwirken, dass zukünftig niemand allein nur wegen seiner Gruppenzugehörigkeit pauschal von der Möglichkeit der Blutspende ausgeschlossen wird, sondern ein Ausschluss nur noch
aufgrund medizinischer Indikation erfolgt.
Druck: Thüringer Landtag, 14. März 2013
Drucksache 5/
13.03.2013
5838
Drucksache 5/
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Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode
Begründung:
Bereits im Dezember 2012 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen anhand
eines diesem Antrag zugrundliegenden Fraktionsantrages von SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Diskussion zum pauschalen Ausschluss
von homosexuellen Männern von der Blutspende geführt. Danach steht
die dortige Landesregierung der Abschaffung der Diskriminierung homosexueller Männer positiv gegenüber und der Landtag wird sich im
März 2013 im Rahmen einer Sitzung des dortigen Sozialausschusses
mit diesem Thema befassen. Im Februar 2013 hat zudem der Landtag
Sachsen-Anhalts bei zwei Gegenstimmen einen in Punkt II gleichlautenden Antrag angenommen. Eine erneute Diskussion des Sachverhaltes in Thüringen erscheint deshalb geboten.
In Deutschland herrscht immer wieder Mangel an Blutkonserven. Der
Blutspenderdienst des Deutschen Roten Kreuzes beklagt bei unentgeltlichen Blutspenden z. B. für das Jahr 2012 in Thüringen ca. 6.400 Spendewillige weniger als noch im Vorjahr. Die Zahl der Erstspender ging um
1.383 zurück. So fordern deshalb Verbände und Wohlfahrtsorganisationen die Bevölkerung regelmäßig zur freiwilligen Blutspende auf. Wenn
homosexuelle Männer allerdings Blut spenden möchten, müssen sie
feststellen, dass sie aufgrund einer pauschalen Regelung von der Möglichkeit zur Blutspende ausgeschlossen werden.
Auf der Grundlage von § 5 des Transfusionsgesetzes (TFG) aus dem
Jahre 1998 stellt die Bundesärztekammer für die Herstellung und Anwendung von Blutprodukten seit langem gemeinsam mit der nach § 27
Abs. 1 TFG zuständigen Bundesbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, den
allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik in Richtlinien fest. In § 5 Abs. 1 TFG heißt es:
"Die Zulassung zur Spendeentnahme soll nicht erfolgen, soweit und solange die spendewillige Person nach Richtlinien der Bundesärztekammer von der Spendeentnahme auszuschließen oder zurückzustellen ist."
Die derzeit nach §§ 12a, 18 TFG geltenden "Richtlinien zur Gewinnung
von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten
(Hämotherapie)" (BAnz. Nr. 101a vom 9. Juli 2010), die im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut als zuständiger Bundesoberbehörde herausgegeben werden, enthalten u. a. als Kriterium für einen Ausschluss von der Blutspende unter Punkt 2.2.1 folgende Festlegungen:
"Personen, deren Sexualverhalten oder Lebensumstände ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko
für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV,
HCV oder HIV bergen.
- heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern,
- Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM),
-..."
Die Bundesärztekammer weist ein höheres HIV-Infektionsrisiko für Homosexuelle als für Heterosexuelle nach und zählt diese Personengruppe deswegen per se zur "Risikogruppe", die von Blutspenden ohne weitere Prüfung ausgeschlossen werden. Ein Spender muss vor der ersten
Blutentnahme bei jedem Blutspendedienst einen Fragebogen ausfüllen.
Darin wird er gefragt, ob er homo- oder bisexuell sei. Beantwortet er die
Frage wahrheitsgemäß, so wird er nicht zur Blutspende zugelassen.
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Schwule werden, sofern sie korrekte Angaben machen, von der Spende ausgeschlossen. Menschen werden damit einzig und allein wegen
ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert.
Da das Empfangen von Blutspenden mit Risiken behaftet ist, muss das
Risiko einer Infektion selbstverständlich so weit als möglich minimiert
werden. Unstreitig ist, dass risikobehaftetes Sexualverhalten von Blutspendern, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Auswirkungen
auf die Virussicherheit der aus der entsprechenden Spende hergestellten Blutprodukte haben kann. Aus den Daten des Robert Koch-Instituts
lässt sich zudem ableiten, dass HIV-Neuinfektionen bei MSM im Vergleich
zu heterosexuellen Männern um ca. das Hundertfache häufiger sind.
Dennoch arbeiten die derzeitigen Richtlinien mit einhergehenden Unterstellungen, Mutmaßungen, Diskriminierungen und pauschalen Vorverurteilungen. Bis 2010 tauchten gar heterosexuelle Personen, mit häufig wechselnden Sexualpartnern oder ungeschützten Sexualpraktiken
überhaupt nicht im Fragebogen als Risikogruppe auf. Von Schwulen
und Bisexuellen hingegen, so wird vermeint, ginge eine grundsätzliche
Gefahr aus. Promiskuität wird generell vorausgesetzt, monogame Partnerschaften scheinen nicht denkbar. Dabei leben rund die Hälfte aller
homo- bzw. bisexuellen Männer in einer festen Partnerschaft ohne ständig wechselnde Sexualpartner.
Das Gefahrenrisiko, sich in Deutschland bei einer Bluttransfusion mit
HIV zu infizieren, liegt bei 1 zu 4,3 Millionen. Im Zeitraum von 2000 bis
2010 sind in Deutschland fünf HIV-Infektionen durch Blutprodukte aufgetreten. Hiervon sind zwei Infektionen auf Männer zurückzuführen, die
gleichgeschlechtlichen sexuellen Kontakt hatten.
Blutspenden werden mittlerweile in Deutschland durch neueste Verfahren unter Anwendung der Methodik der Polymerase-Kettenreaktion
(PCR) getestet. HIV-Infektionen können damit fast ausgeschlossen werden. Angesichts der verbesserten Tests lässt sich der Status quo daher
nicht mehr rechtfertigen.
Im August 2011 hat gar der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik John Dalli erklärt, dass der generelle Ausschluss schwuler und
bisexueller Männer mit dem EU-Recht unvereinbar sei. Denn: Sexuelles
Verhalten dürfe nicht mit sexueller Orientierung gleichgesetzt werden.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass es zwar zweifellos der größtmöglichen Sicherheit für alle Blutspenden bedarf. Dennoch stellt der undifferenzierte bzw. pauschale und generelle Ausschluss homo- und bisexueller Männer von der Blutspende diese unter Generalverdacht einer
möglichen HIV-Erkrankung. Hierdurch werden Vorurteile verstärkt, was
grob diskriminierend ist. Es ist diskriminierend, dass sexuelle Präferenzen darüber entscheiden, ob Blut gespendet werden darf oder nicht.
Dass homo- bzw. bisexuelle Männer lediglich aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung generell von der Spende ausgeschlossen werden, bedeutet Diskriminierung.
Weiter sehen die "Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)" einen dauerhaften Ausschluss von der Möglichkeit zur Blutspende für männliche
und weibliche Prostituierte und Häftlinge sowie Drogen-, Medikamenten- und Alkoholabhängige vor. Auch hier erfolgt die Ausgrenzung einzig
und alleine aufgrund der Gruppenzugehörigkeit, ohne dass das tatsäch-
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liche individuelle Risikoverhalten hinterfragt wird. Die Richtlinien gehen
sogar soweit, als dass sie Personen nach einem mehr als sechsmonatigen Aufenthalt im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland in den Jahren 1980 bis 1996 von der Möglichkeit zur Blutspende
ausschließen. Dies gilt in dieser Pauschalität auch für diejenigen, die
sich in dieser Zeit fleischlos, d. h. vegetarisch oder vegan ernährt haben.
Auch insoweit wird die Landesregierung mit Nummer 4 des Antrages
aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass zukünftig niemand allein nur wegen seiner Gruppenzugehörigkeit pauschal von der Möglichkeit der Blutspende ausgeschlossen wird, sondern ein Ausschluss nur noch aufgrund
medizinischer Indikation erfolgt.
Für die Fraktion:
Siegesmund
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