Faxabruf Sind unsere Strafen zu mild? (09.07.2015) Warum erwägt das Bundesjustizministerium die Abschaffung der obligatorischen lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord? Das Strafgesetzbuch (StGB) gibt für die allermeisten Straftaten einen Strafrahmen vor. So reicht beispielsweise die Strafe bei (einfachem) Diebstahl von Geldstrafe zwischen fünf und 360 Tagessätzen bis zu Freiheitsstrafe zwischen einem Monat und fünf Jahren (§§ 242 Abs. 1, 38 Abs. 2, 40 Abs. 1 StGB), bei (einfachem) Raub von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (§§ 249 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB). Innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hat das Gericht die Strafe entsprechend der Schuld des Täters im konkreten Fall zuzumessen, wobei es die Umstände, die für und gegen ihn sprechen, namentlich etwa gegeneinander seine Tatmotive, abwägen sein muss. Vorleben Das sind oder sein etwaiges Bemühen, den durch die Tat entstandenen Schaden wieder gutzumachen. Anders verhält es sich bei Mord (§ 211 StGB); für dieses Verbrechen lebenslange sieht das Freiheitsstrafe Strafdrohung unbefriedigend ist in vor. der empfunden Gesetz ausschließlich Diese Rechtspraxis worden. die Rigidität der allerdings als Beispielhaft ist der heimtückische „Haustyrannenmord“ zu nennen, bei dem eine Ehefrau die jahrelangen Erniedrigungen und Quälereien durch ihren Mann nicht mehr erträgt und diesen vergiftet. Die Rechtsprechung hat sich in solchen Fällen, in denen „lebenslänglich“ als unangemessen erscheint, damit beholfen, dass sie – gegen den Wortlaut und die Systematik des Gesetzes - einen „Mord unter mildernden Umständen“ angenommen und das Strafmaß auf eine zeitige Freiheitsstrafe reduziert hat. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat bei seinen Reformüberlegungen zu den Tötungsdelikten unter anderem im Sinn, diese – vernünftige – Handhabung gesetzlich „sichere Füße“ zu stellen. durch die Gerichte auf Zuweilen liest man, dass ein Mörder trotz Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe nach mehreren Jahren Haft wieder auf freien Fuß kommt. Wie kann das sein? Ist das nicht eine Verhöhnung des Opfers und seiner Angehörigen? Das Rechtsstaatsprinzip gebietet es, selbst dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten Resozialisierung zu die eröffnen. Möglichkeit Daher kann auch der er unter besonderen Voraussetzungen auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen werden (§ 57a StGB). Dabei müssen wenigstens 15 Jahre der Strafe verbüßt sein, darf das Allgemeinheit nicht entgegenstehen Sicherheitsinteresse der und muss der Verurteilte einwilligen. Gleichwohl kommt eine vorzeitige Haftentlassung in diesen Fällen nicht in Betracht, wenn die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet. Warum hat Uli Hoeneß für eine Steuerhinterziehung mit einem Schaden von rund 28,5 Millionen Euro eine Freiheitsstrafe von „nur“ dreieinhalb Jahren erhalten? Das Landgericht München II hat den ehemaligen Spieler und Präsidenten des FC Bayern München wegen sieben selbständigen Fällen der Steuerhinterziehung verurteilt. Hierfür hat es sieben Einzelstrafen festgesetzt, die sich auf neun Jahre und zwei Monate summieren. Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Das Hieraus hat von Jahren drei Einzelstrafen das Gericht und sechs „zusammengezogen“ eine Monaten werden, ist gesetzlich vorgeschrieben, außergewöhnlich ist im Fall Hoeneß hingegen der große Abstand zur Summe der Einzelstrafen. Begründet hat das Landgericht München II diese Maßnahme damit, dass der Angeklagte seine Taten von Anfang an gestanden habe und im Prozess Schuldeinsicht und Reue habe erkennen lassen. Der Angeklagte Überführung Kooperation selbst habe Unterlagen beigetragen habe er sich hätten. vorgelegt, Durch geradezu „ans die seine Messer zu seiner rückhaltlose geliefert“. Strafmildernd hat das Gericht ferner berücksichtigt, dass Uli Hoeneß nicht vorbestraft war und bereits vor dem Abschluss des Verfahrens den Steuerverkürzungsschaden in erheblichem Maße Besitzes von wiedergutgemacht habe. Aus welchen Gründen Kinderpornographie wurde das geführte Bundestagsabgeordneten wegen Strafverfahren Sebastian Edathy gegen gegen den Zahlung einer Geldbuße eingestellt? Im Rahmen der gegen Sebastian Edathy geführten Ermittlungen wurde bei einer richterlich angeordneten Durchsuchung Bildmaterial gefunden, welches sich jedenfalls „im Grenzbereich“ zur Jugendpornografie befand. Das für den Fall zuständige Landgericht Verden hatte das Hauptverfahren eröffnet, weil es nach vorläufiger Bewertung eine Verurteilung für hinreichend wahrscheinlich hielt. Allerdings – so das Landgericht schon im Eröffnungsbeschluss – wogen die vorgeworfenen Rechtsverletzungen nicht besonders schwer, da es sich um vergleichsweise wenige Taten ohne erkennbar schwerwiegende Rechtsfolgen handelte. Wegen dieser geringen Schuldschwere und weil Edathy sich letztlich zu einem Eingeständnis der Vorwürfe durchgerungen hatte, wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro gemäß § 153a Strafprozessordnung eingestellt. Von dieser Möglichkeit wird – in erster Linie aus Gründen der Entlastung der Justiz – in Deutschland keineswegs selten (im Jahr 2013 knapp 150.000 Mal) Gebrauch gemacht. Sachgerecht eingesetzt, hat dieses Instrument durchaus seinen Sinn: Die Einstellung erspart dem Angeklagten, aber auch der Staatsanwaltschaft und dem Gericht eine oft zeitraubende und kostenträchtige Beweisaufnahme, die am Ende in keinem Verhältnis zu der wegen der geringengen Schuldschwere zu erwartenden Strafe stünde. Warum gibt es in Deutschland, anders als beispielsweise in den USA und China, keine Todesstrafe? Unter dem Eindruck der massenhaften politisch motivierten Todesurteile unter der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland hat die Bundesrepublik bereits bei ihrer Gründung im Jahr 1949 die Todesstrafe abgeschafft, und zwar durch das Grundgesetz selbst. Die DDR zog mit der Abschaffung erst im Jahr 1987 nach, zumindest allerdings nicht war mehr dort seit vollzogen 1981 eine worden. Hinrichtung Während der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ die Verhängung der gestattet, verbietet Europäischen Todesstrafe Union“ die die nur für schwerste „Charta der Todesstrafe Verbrechen Grundrechte schlechthin. der Neben der insoweit anzuführenden Menschenwürde lässt sich der Bann der Todesstrafe in überzeugender Weise vor allem damit begründen, dass auch in Justizirrtum einem nicht rechtsstaatlichen auszuschließen ist Strafverfahren und es bei ein einer Todesstrafe, anders als bei einer Freiheitsstrafe, niemals zu einer Rehabilitation des unschuldigen Verurteilten kommen kann. Stimmt es, dass Urteile nicht zur Abschreckung gefällt werden dürfen? Über den Zweck von Strafen streiten die Rechtsgelehrten seit Jahrhunderten. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich insoweit die Auffassung durchgesetzt, dass mit dem Strafrecht gleich mehrere strafrechtliche Ziele Verbote verfolgt dem Schutz werden: Generell bestimmter dienen privater und öffentlicher Rechtsgüter. Dabei sind zum einen die Androhung und die Verhängung von Strafen geeignet, Angriffen auf diese Rechtsgüter im Allgemeinen entgegenzuwirken, mithin potenzielle Nachahmer abzuschrecken (so genannte negative Generalprävention). Darüber hinaus soll das durch die Straftat beeinträchtigte Rechtsbewusstsein der Bevölkerung wieder aufgerichtet werden (so genannte positive Generalprävention) Zum anderen soll der Täter durch die ihm auferlegte Strafe von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden (so genannte negative Spezialprävention). Daneben spielt der Gesichtspunkt der Resozialisierung eine wichtige Rolle; dem Täter soll im Strafvollzug die Fähigkeit und der Wille zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt Spezialprävention). werden Schließlich (so genannte bezweckt Strafe positive Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht. Vor diesem Hintergrund ist es einem Gericht bei der Bemessung der Strafe, die tat- und schuldangemessen sein muss, im Einzelfall durchaus unbenommen, den Gesichtspunkt der Abschreckung in den Vordergrund zu rücken. In der Wissenschaft wird allerdings die allgemeine Abschreckungswirkung der Androhung und Verhängung von Strafen eher bezweifelt. Warum werden Jugendliche und junge Erwachsene noch milder bestraft, als es im Allgemeinen ohnehin üblich ist? Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) gilt in seinem Kern für Minderjährige ab dem vollendeten 14. Lebensjahr (Jugendliche) und hat ein eigenständiges Sanktionensystem, in dessen Zentrum der Erziehungsgedanke steht. Auf der untersten Stufe können daher Erziehungsmaßregeln angeordnet werden (§§ 9 ff. JGG). Darunter fällt etwa die Weisung, sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen. Reichen Erziehungsmaßregeln nicht aus, erfolgt eine Ahndung durch Zuchtmittel (§§ 13 ff. JGG). Dazu gehören die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen und der Jugendarrest. Als Strafe im Rechtssinne ist lediglich der Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt, die Jugendstrafe, mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten und – selbst bei schweren Verbrechen - höchstens zehn Jahren vorgesehen (§§ 17 f. JGG). Die Jugendstrafe wird verhängt, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Trotz der ihnen vom Zivilrecht bereits mit dem Alter von 18 Jahren zugebilligten „Volljährigkeit“ stehen junge Erwachsene in Bezug auf ihre geistige und charakterliche Reife einem Jugendlichen häufig näher als einem Erwachsenen. Aus diesem Grund finden auf strafrechtliche Verfehlungen eines Heranwachsenden – das ist eine Person, die bei Begehung der Tat 18, aber noch nicht 21 Jahre alt ist – im Wesentlichen die für Jugendliche geltenden Sanktionen Anwendung. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des beschuldigten Heranwachsenden unter Berücksichtigung der äußeren Lebensbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt (§ 105 Abs. 1 JGG). Werden diese Voraussetzungen vom Gericht verneint, greifen die Strafdrohungen für Erwachsene Platz, indessen kann die mangelnde Lebenserfahrung des Täters bei der Strafzumessung von Bedeutung sein. Beispielsweise beim sog. Schwarzfahren – das Gesetz bezeichnet dies als „Erschleichen von Leistungen“ (§ 265a StGB) – darf der heranwachsende Delinquent aber in der Regel darauf hoffen, dass Staatsanwaltschaft und Gericht von einer Jugendverfehlung ausgehen und daher das mildere Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt. Weitere Informationen zum Thema der Sendung finden sich in der Broschüre „Kriminalität und Strafrecht“ der Schriftenreihe „Informationen zur politischen Bildung“, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung beziehen über deren Internetauftritt. (www.bpb.de) und zu