Sonntag nach Ostern, 23. April 2017, Nydeggkirche Bern, Markus Niederhäuser, Pfr. Predigt zu Markus 16,9-18 Aufbruch nach Ostern Vor einer Woche feierten wir Ostern. Inzwischen sind die Eier gegessen und die Osterhasen gehen auch zur Neige. Ostern ist vorüber. Was bleibt davon? Letzten Sonntag hörten wir die Botschaft von der Auferstehung. Den Frauen, die in Jerusalem zum Grab gekommen waren, um den Leichnam von Jesus zu salben, wurde von einem Engel, einem Boten aus dem Himmel gesagt: Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten; er ist auferweckt worden, er ist nicht hier. Seht die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten. Doch geht, sagt seinen Jüngern (...): Er geht euch voran nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. (Markus 16, 6f) Wie ist es dann nach Ostern weiter gegangen? Das wollen wir uns anhören. Nach dem Osterbericht, der mit der Flucht der Frauen vom Grab endet, gibt es im Markusevangelium einen Nachtrag, der die Ereignisse nach Ostern zusammen fasst. Hören Sie aus Markus 16, die Verse 9-18: 9 Nach seiner Auferweckung zeigte sich Jesus frühmorgens am Sonntag zuerst der Maria aus Magdala, die er von sieben Dämonen befreit hatte. 10 Die ging und berichtete es denen, die Jesus nachgefolgt waren und die jetzt nur am Klagen und Weinen waren. 11 Als sie hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie ihr nicht. 12 Danach zeigte sich Jesus in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie durchs Land wanderten. 13 Die kamen und berichteten es den anderen, aber auch ihnen glaubten sie nicht. 14 Später zeigte er sich den Elf, als sie bei Tisch waren, und tadelte ihren Unglauben und ihre Hartherzigkeit (Verstocktheit), weil sie denen nicht geglaubt hatten, die ihn als Auferstandenen gesehen hatten. 15 Und Jesus sagte zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. 16 Wer vertraut und getauft ist, wird gerettet werden, wer aber nicht vertraut, wird verurteilt werden. 17 Die aber, die zum Vertrauen kommen, werden diese Zeichen begleiten: In meinem Namen werden sie Menschen von Dämonen befreien und neue Sprachen sprechen. 18 Sie werden Schlangen mit blossen Händen aufheben, und tödliches Gift, das sie trinken, wird ihnen nicht schaden. Kranken werden sie die Hände auflegen und sie werden gesund werden. Mit dem Bericht vom leeren Grab schliesst das Evangelium, das Markus geschrieben hat. Was danach noch folgt, ist allem Anschein nach nicht mehr von Markus, sondern ein späterer Nachtrag. Der Abschnitt, den ich Ihnen gerade gelesen habe, fehlt in den ältesten Handschriften. Es ist ein Sammelbericht über die Erscheinungen des Auferstandenen, eine Art Résumé, welches zusammenfasst, was nach Ostern geschehen ist. Interessant ist zunächst die Entdeckung: Der Auferstandene kommt mit keinem Wort auf seinen qualvollen Tod, sein Leiden zu sprechen. Auch seine Gegner, die ihn ans Kreuz gebracht haben, erwähnt er mit keiner Silbe. Den Erscheinungen des Auferstandenen fehlt jede Gerichts- oder Rachetendenz. Jesus ist nicht aus dem Grab aufgebrochen, um es seinen Gegnern nun zu „zeigen“ und es ihnen triumphierend heimzuzahlen. Nein. Ganz im Gegenteil. Offensichtlich hat sich Christus von der Vergangenheit definitiv ab-gewendet. Und definitiv der neuen Zukunft zu-gewendet. Das Alte, das Schlimme und Böse ist wirklich vergangen, es ist abgetan und erledigt. Ganz so wie es Paulus im Wort, das wir heute zur Begrüssung gehört haben, bezeugt hat, wenn er schreibt: Alle die mit Christus verbunden sind, sind neu erschaffen. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden! (2 Kor 5,17) Das Wesentliche an den Ostererscheinungen besteht eben genau darin, liebe Gemeinde: Nämlich, dass sich der Auferstandene ganz der neuen Zukunft zuwendet! Ostern öffnet auf eine neue Zukunft hin! Was heisst das für uns? Das bedeutet: Den Auferstandenen finden wir nicht in der Vergangenheit, wenn wir am Alten hangen. Nein. Wir finden ihn in der Zukunft, wenn wir zu Neuem aufbrechen. Erinnern wir uns: Am Schluss des Osterevangeliums werden die Schülerinnen und Schüler von Jeschua aufgefordert aufzubrechen nach Galiläa: Er geht euch voran nach Galiläa, – heisst es – dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. (Markus 16,7) Das heisst: Er ist uns immer schon voraus. Er ist vor uns, begegnet uns in der Zukunft – in Galiläa. Und was meint: ‚Galiläa’? Galiläa ist die Gegend im Norden von Israel, in der die Jüngerinnen und Jünger zu Hause waren. Galiläa ist dort, wo sie mit Jesus unterwegs waren, wo sie wohnten und arbeiteten – mit anderen Worten: In ihrem gewohnten Alltag geht ER ihnen voran. Doch die Schüler, die Jünger von Jesus sind noch nicht bereit. Sie müssen erst noch überzeugt werden. Als ihnen Maria von ihrem Erlebnis mit dem Auferstandenen erzählen will, findet sie sie am Klagen und am Weinen. Sie sind resigniert und verängstigt. Sind noch traumatisiert von dem, was an Karfreitag geschehen ist. Sie leben in der Meinung, jetzt sei mit Jesus alles zu Ende. 11 Als sie hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie ihr nicht. Auch mit dem, was die beiden Kollegen erzählen, die nach Maria ebenfalls von ihrem Erlebnis mit dem Auferstandenen berichten, können die Jünger erst nichts anfangen. Der auferstandene Christus muss seinen verängstigten Freunden schon selber entgegentreten, um sie aus ihrer Depression heraus zu reissen. Es heisst: und er tadelte ihren Unglauben und ihre Hartherzigkeit (Verstocktheit), weil sie denen nicht geglaubt hatten, die ihn als Auferstandenen gesehen hatten. Es ist kein empörter oder beleidigter Tadel. Nein, es ist ein Tadel aus Ungeduld. Jetzt, wo das Vergangene durch Gottes Auferweckungstat überholt ist, jetzt will Jesus ans Werk gehen und wird ungehalten über die lethargische Reaktion, über das Zweifeln und Nichtbegreifen seiner Schüler. Aber, liebe Gemeinde, können wir die Jünger nicht gut verstehen? Wenn uns an dem, was da nach Ostern berichtet wird, etwas vertraut vorkommt – ist es nicht gerade dieses Zögern und Zweifeln der Jünger? Dass Jesus Christus von den Toten auferweckt worden ist, ist und bleibt – auch nach so langer Zeit – etwas, was unserem Verstehen Mühe bereitet, nicht wahr? Mit der Auferstehung von Jesus ist eben etwas ganz Neues in die Welt gekommen, etwas, das völlig analogielos war. Was an Ostern geschah, war nicht eine Wiederbelebung zurück in etwas Bisheriges. Nein. Die Auferweckung Jesu geschah vorwärts, in eine neue Existenz, in ein völlig neues Leben hinein. Diese neue, analogielose Existenz des Auferstandenen wird in unserem Text angedeutet, wenn es heisst, er habe sich den zweien unterwegs „in anderer Gestalt“ gezeigt. Was heisst denn das? Nun, der Auferstandene ist offenbar weder an bestimmte Orte noch Zeiten gebunden. Und Christus ist auch nicht an eine bestimmte Gestalt gebunden! D.h. Christus ist gänzlich frei, und so kann er uns immer wieder überraschend begegnen! Aber eben: wie schwierig ist das alles zu begreifen! Ostern weist in die Zukunft. Nachdem Jesus seine Freunde endlich aktiviert hat, erhalten sie auch schon den Auftrag: 15 Geht hinaus in die ganze Welt und verkündigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. Keine Zeit, um noch länger zurück zu schauen und Erlebtes durchzukauen. Es geht vorwärts. Das sagt uns: Mit Ostern hat etwas begonnen, was aus keiner Vergangenheit ableitbar ist. Mit Ostern hat etwas Neues angefangen, das seine Erfüllung in der Zukunft findet. Es ist die Zukunft, die Jesus zeit seines Lebens angekündigt hat als das Reich Gottes bzw. als das Himmelreich. Und in dieser kommenden Herrschaft Gottes wird der Tod nicht mehr sein, dafür wird Gott alles in allem sein. (1 Korinther 15,26.28) Dies ist die Zukunft, die nach Ostern begonnen hat. Und in diese Zukunft hinein will uns der Auferstandene auch heute mitnehmen. Am Schluss unseres Textes hören wir von Zeichen, Auferstehungs-zeichen, welche die begleiten, welche auf Christus vertrauen: 17 Die aber, die zum Vertrauen kommen, werden diese Zeichen begleiten: In meinem Namen werden sie Menschen von Dämonen befreien und neue Sprachen sprechen. 18 Sie werden Schlangen mit blossen Händen aufheben, und tödliches Gift, das sie trinken, wird ihnen nicht schaden. Kranken werden sie die Hände auflegen und sie werden gesund werden. Ich weiss nicht wie es Ihnen geht, liebe Gemeinde. Aber ich sehe Sie schon innerlich abwinken: Für uns doch nicht, für uns gewöhnliche Durchschnittschristen kommt das doch alles nicht in Frage! Vielleicht besonders Überzeugte – aber wir doch nicht. Vielleicht glauben wir gar nicht mehr an Dämonen – wie sollten wir dann Dämonen austreiben? Aber was heisst das: daimon, griechisch: steht für böser, unreiner Geist, der einem Menschen Schaden zufügen will. Wenn wir statt ‚Dämonen’ einmal sagen: Das Böse, in uns, um uns – wie Angst, die uns einschliesst, in Bann zieht. Wäre es nicht dringend nötig und befreiend, wenn wir das Böse erkennen könnten und ihm dann die Stange halten könnten? Jesus hat Menschen immer wieder von Dämonen befreit. Durch seine blosse Anwesenheit hat er die Menschen zu sich selber befreit. Auch Maria aus Magdala. Und nun sagt der Auferstandene: Ihr könnt es, in meinem Namen könnt ihr das Böse erkennen und überwinden. Und weiter sagt er: neue, andere Sprachen werdet ihr sprechen. Wie schlecht können wir doch über den christlichen Glauben reden. Und wenn wir es tun, wirkt es oft hilflos, in ausgeleierten Redensarten. Der Auferstandene aber sagt uns: in meinem Namen werdet ihr neu und überzeugend reden können. Das noch nicht Gesagte aussprechen, das noch nicht Gesehene entdecken, das noch Unerhörte vernehmen, das noch Unsagbare aussagen. Und auch die anderen Bilder dieser Erzählung sind entsprechend zu deuten: in seinem Namen können wir Gefährliches riskieren. Giftige Schlangen aufheben, Tödliches trinken: so heisst es hier bildhaft – und es wird uns nicht schaden. In seinem Namen können wir sogar Kranke heilen: Wieder meldet sich Widerstand. Wir und Kranke heilen? Und doch ist es immer wieder so geschehen, geschieht es immer noch, immer wieder als Zeichen davon, dass Christus Leben und Auferstehung ist. Alles hängt daran, dass wir das, was wir tun in seinem Namen tun. Erinnern wir uns: Der Auferstandene ist immer vor uns. Er geht uns voran. Kurt Marti hat es so schön zusammen gefasst, wenn er schreibt: Christus ist vorn, er begegnet uns in der Zukunft, im Neuen, das kommt, in neuen Aufgaben und neu in den alten Aufgaben, in neuen Menschen und neu in den alten Menschen – und eines Tages neu auf einer neuen Erde unter einem neuen Himmel. Amen Kurt Marti, Das Markus-Evangelium, 355 Zwischenspiel Predigtlied RG 795,1-6 „Sonne der Gerechtigkeit“ Nach der Predigt ein Lied, das uns auf den Weg nimmt zur neuen Welt Gottes. Es ist vom innigen Wunsch getragen, dass die österliche Zukunft konkrete Gestalt annimmt. Fürbitten mit Orgeltönen dazwischen und Unser Vater Wir beten: Christus, der Du auferstanden bist, an Ostern hast Du uns eine neue Zukunft erschlossen. Öffne unsere Augen und Ohren, dass wir die Spuren Deiner Auferstehung in unserem Alltag weiterverfolgen können. Berühre uns mit Deiner Auferstehungskraft. Orgel Mach uns frei von Ängsten und Zweifeln, die uns einengen und binden wollen. Befreie uns von allem, was uns hindert, frei und solidarisch zu leben. Lass uns in Deinem Namen Dämonen austreiben – das Böse in uns und um uns erkennen und überwinden. Berühre die Menschen mit Deiner Auferstehungskraft. Orgel Und lass uns in Deinem Namen eine neue Sprache finden, echt, glaubwürdig, authentisch in allen Konflikten, schenke Worte, die ermutigen zur Versöhnung, zum Frieden. Berühre alle Völker mit Deiner Auferstehungskraft. Orgel In Deinem Namen – haben wir gehört – darf Unglaubliches riskiert werden. Und Unglaubliches wird wahr: Darum bitten wir Dich für die Kranken und Leidenden, für die Trauernden, für die Fremden und Heimatlosen für die Hungernden, für die Kinder, für die Frauen und Männer in den Kriegsgebieten dieser Welt. Berühre die ganze Welt mit Deiner Auferstehungskraft. In der Stille legen wir unsere persönlichen Anliegen vor Dich: -StilleAlles, worum wir nur bitten können, ist aufgehoben in Deinen Worten, wenn wir gemeinsam beten: Unser Vater im Himmel...