Theorie der Informatik 5. März 2014 — 5. Prädikatenlogik II Theorie der Informatik 5.1 Freie und gebundene Variablen 5. Prädikatenlogik II Malte Helmert 5.2 Eigenschaften von Formeln und Formelmengen Gabriele Röger 5.3 Weitere Themen Universität Basel 5. März 2014 5.4 Zusammenfassung M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. Prädikatenlogik II 5. März 2014 1 / 21 Freie und gebundene Variablen M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. Prädikatenlogik II 5. März 2014 2 / 21 Freie und gebundene Variablen Freie und gebundene Variablen: Motivation Frage: 5.1 Freie und gebundene Variablen I Betrachte eine Signatur mit Variablensymbolen {x1 , x2 , x3 , . . . } und eine Interpretation I. I Welche Teile der Definition von α sind relevant, um zu entscheiden, ob I, α |= (∀x4 (R(x4 , x2 ) ∨ (f(x3 ) = x4 )) ∨ ∃x3 S(x3 , x2 ))? I α(x1 ), α(x5 ), α(x6 ), α(x7 ), . . . sind irrelevant, da diese Variablensymbole in keiner Formel vorkommen. I α(x4 ) ist auch nicht relevant: Die Variable kommt zwar in der Formel vor, aber alle Vorkommen sind von einem umgebenden Quantor gebunden. I M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 3 / 21 nur Zuweisungen für freie Variablen x2 und x3 relevant M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 4 / 21 5. Prädikatenlogik II Freie und gebundene Variablen Variablen eines Terms Definition (Freie Variablen) Sei t ein Term. Die Menge der in t vorkommenden Variablen, geschrieben var(t), ist folgendermassen definiert: var(x) = {x} für Variablensymbole x I var(k) = ∅ für Konstantensymbole k I Sei ϕ eine logische Formel. Die Menge der freien Variables von ϕ, geschrieben frei(ϕ), ist folgendermassen definiert: var(f(t1 , . . . , tl )) = var(t1 ) ∪ · · · ∪ var(tl ) für Funktionsterme Terminologie: Ein Term t mit var(t) = ∅ heisst Grundterm. Theorie 5. Prädikatenlogik II 5. März 2014 I frei(P(t1 , . . . , tk )) = var(t1 ) ∪ · · · ∪ var(tk ) I frei((t1 = t2 )) = var(t1 ) ∪ var(t2 ) I frei(¬ϕ) = frei(ϕ) I frei((ϕ ∧ ψ)) = frei((ϕ ∨ ψ)) = frei(ϕ) ∪ frei(ψ) I frei(∀x ϕ) = frei(∃x ϕ) = frei(ϕ) \ {x} Beispiel: frei((∀x4 (R(x4 , x2 ) ∨ (f(x3 ) = x4 )) ∨ ∃x3 S(x3 , x2 ))) = Beispiel: var(produkt(x, summe(k, y ))) = M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Freie und gebundene Variablen Freie und gebundene Variablen einer Formel Definition (Variablen eines Terms) I 5. Prädikatenlogik II 5 / 21 Freie und gebundene Variablen Geschlossene Formeln/Sätze M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. Prädikatenlogik II 5. März 2014 6 / 21 Freie und gebundene Variablen Geschlossene Formeln: Beispiele Anmerkung: Sei ϕ eine Formel und seien α und β Variablenzuweisungen mit α(x) = β(x) für alle freien Variablen x von ϕ. Dann gilt I, α |= ϕ gdw. I, β |= ϕ. Frage: Welche der folgenden Formeln sind Sätze? Insbesondere ist α vollkommen irrelevant, wenn frei(ϕ) = ∅. I (Block(b) ∨ ¬Block(b)) Definition (Geschlossene Formeln/Sätze) I (Block(x) → (Block(x) ∨ ¬Block(y ))) Eine Formel ϕ ohne freie Variablen (d. h., frei(ϕ) = ∅) wird geschlossene Formel oder Satz genannt. I (Block(a) ∧ Block(b)) I ∀x(Block(x) → Red(x)) Wenn ϕ ein Satz ist, dann schreiben wir oft I |= ϕ statt I, α |= ϕ, da die Definition von α nicht beeinflusst, ob ϕ unter I und α wahr ist oder nicht. Formeln mit mindestens einer freien Variablen heissen offen. M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 7 / 21 M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 8 / 21 5. Prädikatenlogik II Eigenschaften von Formeln und Formelmengen 5. Prädikatenlogik II Eigenschaften von Formeln und Formelmengen Terminologie für Formeln Die Terminologie, die wir für die Aussagenlogik eingeführt haben, gilt analog für die Prädikatenlogik: 5.2 Eigenschaften von Formeln und Formelmengen M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. Prädikatenlogik II 5. März 2014 9 / 21 Eigenschaften von Formeln und Formelmengen Formelmengen: Semantik I Interpretation I und Variablenzuweisung α bilden ein Modell der Formel ϕ, wenn I, α |= ϕ. I Formel ϕ ist erfüllbar, wenn I, α |= ϕ für mindestens ein I, α. I Formel ϕ ist falsifizierbar, wenn I, α 6|= ϕ für mindestens ein I, α I Formel ϕ ist gültig, wenn I, α |= ϕ für alle I, α I Formel ϕ ist unerfüllbar, wenn I, α 6|= ϕ für alle I, α I Formel ϕ impliziert Formula ψ, geschrieben ϕ |= ψ, wenn alle Modelle von ϕ Modelle von ψ sind. I Formeln ϕ und ψ sind logisch äquivalent, geschrieben ϕ ≡ ψ, wenn sie die gleichen Modelle haben (äquivalent: wenn ϕ |= ψ und ψ |= ϕ). M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) 5. Prädikatenlogik II 5. März 2014 10 / 21 Eigenschaften von Formeln und Formelmengen Terminologie für Formelmengen und Sätze I Definition (Formelmenge ist erfüllt oder wahr) Die Konzepte der vorherigen Folie gelten analog für Formelmengen. Beispiele: I Sei S eine Signatur, Φ eine Menge von Formeln über S, I eine Interpretation für S und α eine Variablenzuweisung für S und das Universum von I. I I Wir sagen, dass I und α die Menge Φ erfüllen (auch: Φ ist wahr unter I und α), symbolisch: I, α |= Φ, wenn I, α |= ϕ für alle ϕ ∈ Φ. I I Theorie 5. März 2014 11 / 21 Formelmenge Φ ist erfüllbar, wenn I, α |= Φ für mindestens ein I, α Formelmenge Φ impliziert Formel ψ, geschrieben Φ |= ψ, wenn alle Modelle von Φ Modelle von ψ sind. Formelmenge Φ impliziert Formelmenge Ψ, geschrieben Φ |= Ψ, wenn alle Modelle von Φ Modelle von Ψ sind. Alle Konzepte können als Spezialfall auf Sätze (oder Mengen von Sätzen) angewandt werden. In diesem Fall lassen wir α normalerweise weg. Beispiele: I M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie Interpretation I ist ein Modell eines Satzes ϕ, wenn I |= ϕ. Satz ϕ ist unerfüllbar, wenn I 6|= ϕ für alle I. M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 12 / 21 5. Prädikatenlogik II Weitere Themen 5. Prädikatenlogik II Weitere Themen Ausblick Basierend auf diesen Definitionen, könnten wir dieselben Themen wie bei der Aussagenlogik behandeln: 5.3 Weitere Themen I wichtige logische Äquivalenzen I Normalformen I Folgerungstheoreme (Deduktionstheorem etc.) I Kalküle I (prädikatenlogische) Resolution Wir stellen kurz einige grundlegende Ergebnise zu diesen Themen vor, werden sie aber nicht detailiert behandeln. M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 5. Prädikatenlogik II 13 / 21 Weitere Themen Logische Äquivalenzen Alle logischen Äquivalenzen der Aussagenlogik gelten auch in der Prädikatenlogik (z. B., (ϕ ∨ ψ) ≡ (ψ ∨ ϕ)). I Zudem gelten folgende Äquivalenzen und Folgerungen: M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) ≡ |= ≡ ≡ ≡ ≡ |= ≡ ≡ ≡ Theorie 5. März 2014 5. Prädikatenlogik II 14 / 21 Weitere Themen Normalformen I (∀xϕ ∧ ∀xψ) (∀xϕ ∨ ∀xψ) (∀xϕ ∧ ψ) (∀xϕ ∨ ψ) ¬∀xϕ ∃x(ϕ ∨ ψ) ∃x(ϕ ∧ ψ) (∃xϕ ∨ ψ) (∃xϕ ∧ ψ) ¬∃xϕ M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) ∀x(ϕ ∧ ψ) ∀x(ϕ ∨ ψ) ∀x(ϕ ∧ ψ) ∀x(ϕ ∨ ψ) ∃x¬ϕ (∃xϕ ∨ ∃xψ) (∃xϕ ∧ ∃xψ) ∃x(ϕ ∨ ψ) ∃x(ϕ ∧ ψ) ∀x¬ϕ Theorie Analog zur DNF und KNF für Aussagenlogik gibt es verschiedene relevante Normalformen für Prädikatenlogik, wie z.B. aber nicht umgekehrt wenn x ∈ / frei(ψ) wenn x ∈ / frei(ψ) I Negationsnormalform (NNF): Negationssymbole (¬) dürfen nur vor Atomen vorkommen. I Pränexnormalform: Quantoren müssen den äussersten Teil der Formel bilden. I Skolemnormalform: Pränexnormalform ohne Existenzquantoren Effiziente Verfahren transformieren Formel ϕ aber nicht umgekehrt wenn x ∈ / frei(ψ) wenn x ∈ / frei(ψ) 5. März 2014 15 / 21 I in eine äquivalente Formel in Negationsnormalform, I in eine äquivalente Formel in Pränexnormalform, oder I in eine erfüllbarkeitsäquivalente Formel in Skolemnormalform. M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 16 / 21 5. Prädikatenlogik II Weitere Themen 5. Prädikatenlogik II Zusammenfassung Ableitung, Beweissysteme, Resolution,. . . I Das Deduktionstheorem, Kontrapositionstheorem und das Widerlegungstheorem gelten auch für Prädikatenlogik. I Es gibt korrekte und vollständige Beweissysteme (Kalküle) für Prädikatenlogik. I Resolution kann mit dem Konzept der Unifizierung auf Prädikatenlogik erweitert werden. I Prädikatenlogische Resolution ist widerlegungsvollständig und ergibt somit mit dem Widerlegungstheorem ein allgemeines Schlussfolgerungsverfahren. I Allerdings terminiert der Algorithmus nicht auf allen Eingaben. M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 5. Prädikatenlogik II 5.4 Zusammenfassung 17 / 21 Zusammenfassung Zusammenfassung Prädikatenlogik ist ausdrucksmächtiger als Aussagenlogik und erlaubt Schlussfolgerungen über Objekte und ihre Eigenschaften. I Objekte werden durch Terme beschrieben, die aus Variablen-, Konstanten- und Funktionssymbolen zusammengesetzt sind. I Eigenschaften und Zusammenhänge werden von Formeln beschrieben, die aus Prädikaten, Quantoren und den üblichen logischen Operatoren zusammengesetzt sind. Wie bei allen Logiken analysieren wir I I I 5. März 2014 5. Prädikatenlogik II 18 / 21 Zusammenfassung Theorie 5. März 2014 I Wir haben Prädikatenlogik der ersten Stufe betrachtet. I Prädikatenlogik der zweiten Stufe erlaubt zum Beispiel Quantifizierung über Prädikatsymbole. I Es gibt Zwischenstufen, z.B. Monadische Logik zweiter Stufe (alle Prädikatsymbole haben Stelligkeit 1) Modallogiken haben neue Operatoren und ♦ I I I I Syntax: Was ist eine Formel? Semantik: Wie interpretieren wir eine Formel? Schlussfolgerungsmethoden: Wie können wir logische Konsequenzen aus einer Wissensbasis zeigen? M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie Weitere Logiken I I M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) I I 19 / 21 Klassische Bedeutung: ϕ für ϕ ist notwendig“, ” Klassische Bedeutung: ♦ϕ für ϕ ist möglich“. ” Temporallogik: ϕ für ϕ gilt in der Zukunft immer“, ” Temporallogik: ♦ϕ für ϕ gilt irgendwann in der Zukunft“ ” Deontische Logik: ϕ für ϕ ist verpflichtend“, ” Deontische Logik: ♦ϕ für ϕ ist erlaubt“ ” ... In Fuzzylogik sind Formeln nicht wahr oder falsch, sondern haben Werte zwischen 0 und 1. M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 20 / 21 5. Prädikatenlogik II Zusammenfassung Wie geht es weiter? Inhalte dieser Vorlesung I Logik X . Wie kann man Wissen und Zusammenhänge repräsentieren und automatisiert verarbeiten? I Automatentheorie und formale Sprachen . Was ist eine Berechnung? I Berechenbarkeitstheorie . Was kann überhaupt berechnet werden? I Komplexitätstheorie . Was kann effizient berechnet werden? M. Helmert, G. Röger (Univ. Basel) Theorie 5. März 2014 21 / 21