Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte PK/PD Anforderungen für die Zulassung neuer Substanzen PD Dr. Norbert Schnitzler, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Inhalt • Kurze Erläuterung der Rahmenbedingungen • Bedeutung der gültigen Leitlinien • PK/PD Anforderungen für die Zulassung Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte EMEA, CHMP, EWP • EMEA: „European Medicines Agency“ – Die EMEA ist eine dezentrale Einrichtung der Europäischen Union. Sie ist für die Evaluierung und Überwachung von Arzneimitteln verantwortlich. – Die EMEA arbeitet in einer Netzwerkstruktur die die wissenschaftlichen Ressourcen der Mitgliedstaaten zusammenführt. – Die wissenschaftlichen Empfehlungen der Agentur werden von drei Komitees erarbeitet. Das CHMP ist für Arzneimittel im Humanbereich zuständig. • CHMP: • EWP: „Committee for Medicinal Products for Human Use“ (Vormals CPMP: C. Proprietary M. P.) bei der EMEA Efficacy Working Party, Gremium beim CHMP Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Die neue Leitlinie (http://www.emea.eu.int/pdfs/human/ewp/055895en.pdf) • Note for Guidance on Evaluation of Medicinal Products Indicated for Treatment of Bacterial Infections (CPMP/EWP/558/95 rev 1) • Gültig seit Oktober 2004 • Ersetzt zwei alte Leitlinien: – Die alte Leitlinie CPMP/EWP/558/95 – Die „Note for Guidance on the Pharmacodynamic Section of the SPC for Antibacterial Medicinal Products (CPMP/EWP/520/96)“ => Resistenzdaten Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Die neue Leitlinie • Anzuwenden bei klinischen Studien im Rahmen der Neuzulassung oder der Zulassung neuer Indikationen. • Gültig nur für neue Wirkstoffe oder neue Indikationen bekannter Wirkstoffe. • Die Empfehlungen für die „Summary of Product Characteristics“ (SPC; Fachinformation) sind für alle antibakteriellen Antiinfektiva anzuwenden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte PK/PD-relevante Aspekte der Leitlinie • Beziehen sich z.T. auf die „Points to consider on Pharmacokinetics and Pharmacodynamics in the development of antibacterial medicinal products CPMP/EWP/2655/99“. => Alle folgenden Ausführungen beziehen sich auf beide Leitlinien. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte PK/PD-relevante Aspekte der Leitlinien • • • • • • • • • Wirkmechanismus Resistenzmechanismus In vitro Studien und Tiermodelle Breakpoints Erforderliche Resistenzdaten Resistenzentwicklung Aussagen zu PK-Studien im Menschen Dosisoptimierung Spezielle Aspekte Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Wirkmechanismus und Resistenzmechanismus • Der Wirkmechanismus der Substanz sollte bekannt sein („should be well described“) • Folgende Eigenschaften möglicher Resistenzmechanismen müssen bekannt sein: – Kreuzresistenzen mit anderen bekannten Substanzen – Bedeutung relativ unspezifischer Resistenzmechanismen (Membran-Impermeabilität, Efflux-Pumpen). Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte In vitro Studien und Tiermodelle • In vitro Studien können durchaus geeignet sein die pharmakokinetischen Parameter zu identifizieren, die am besten mit der antibakteriellen Aktivität korrelieren (AUC, Cmax, t > MIC). • Auf Grund der Methoden ist die Aussage jedoch limitiert. • Tiermodelle können die Basis für Dosisfindungsstudien im Menschen bilden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Breakpoints • Bei neuen Substanzen ist die Bedeutung der Ergebnisse der in vitro Testung für die klinische Wirksamkeit häufig nicht gesichert. • Vorläufige Breakpoints müssen wissenschaftlich begründet sein. • In den Studienprotokollen ist auf die Vorläufigkeit hinzuweisen. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Erforderliche Resistenzdaten • Während der präklinischen und klinischen Entwicklung sind aussagekräftige Daten über die in vitro Wirksamkeit der neuen Substanz zu erheben. • Diese Daten sollen eine Abschätzung der zu erwartenden Resistenzraten in Europa ermöglichen. • Die Zahl der zu untersuchenden Stämme einer Spezies hängt von vielen Faktoren ab. In den Leitlinien werden keine konkreten Zahlen genannt. • Zum Nachweis der klinischen Wirksamkeit wird die Einschließung von ca. 20 klinischen Fällen mit einem Pathogen als hinreichend betrachtet. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Resistenzentwicklung • Die pharmakokinetischen Einflussgrößen, die eine mögliche Resistenzentwicklung fördern oder verhindern, sind zu untersuchen. • Die Untersuchung der Selektion resistenter Stämme oder der Induktion von Resistenzen ist sowohl für die Zielpathogene als auch für die Normalflora erstrebenswert. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte PK-Studien im Menschen (1) • Vollständige Charakterisierung der Absorption und Verteilung (inklusive der Proteinbindung) der aktiven Substanz(en) wird gefordert. • Die Bestimmung von Gewebekonzentrationen der aktiven Substanzen wird kritisch gesehen, insbesondere bei der Verwendung von homogenisierten Geweben. • Konzentrationsbestimmungen in bestimmten Flüssigkeiten können von großer Bedeutung sein (z.B. CSF). Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte PK-Studien im Menschen (2) • Bei intrazellulär lokalisierten Krankheitserregern sind Daten zur Aktivität der Substanz in den Zielzellen erstrebenswert. • Faktoren, die die Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung beeinflussen, sollten untersucht werden: – – – – Geschlecht Alter Nahrungsaufnahme Leber- und Nierenfunktion Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Dosisoptimierung (1) • In der neuen Leitlinie wird der Begriff „appropriate use“ statt „prudent use“ verwendet. • In der Leitlinie wird explizit darauf verwiesen, dass sowohl „zu wenig“ (Zeit und Menge) als auch „zu viel“ den Therapieerfolg beeinträchtigen und die Resistenzentwicklung fördern kann. • Zur Dosisfindung führt die Leitlinie aus: „It is important that effective and safe dose regimens for the treatment of specific infections are unequivocally established prior to the marketing of an anti-bacterial agent.” Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Dosisoptimierung (2) • Die Dauer der Therapie muss für jede Indikation wissenschaftlich begründet werden. • Klinische Studien mit dem Ziel der Prüfung der Therapiedauer (nach Indikation und ggf. Patientenpopulation) werden begrüßt. • Nach Möglichkeit sollten solche Studien bereits frühzeitig in der Entwicklung des Arzneimittels durchgeführt werden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Dosisoptimierung (3) • Die Erkenntnisse der präklinischen und frühen klinischen Phasen sollen in den klinischen Studien bestätigt werden. • Die kürzeste Therapiedauer die klinisch Erfolg versprechend erscheint, sollte in die Studien einfließen. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Spezielle Aspekte • • • • Sequenzielle Therapie Dosisfindung bei Kindern Lokal applizierte Antibiotika Seltene Erkrankungen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Wechsel von der intravenösen auf die orale Therapie • Es muss klar sein, ob der Wechsel zur oralen Therapie nur einen Wechsel der Darreichungsform oder gleichzeitig eine Dosisverminderung darstellt. • Die Dosis der oralen Folgetherapie muss wissenschaftlich begründet sein. • Klinische und mikrobiologische Parameter müssen zum Zeitpunkt des Wechsels erhoben werden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte • Beispiel Moxifloxacin: Dosis vor und nach dem Wechsel annähernd identisch (jeweils 400 mg, Bioverfügbarkeit oral > 90 %) • Beispiel: • Cefuroxim Cefuroxim axetil intravenös: oral: 3 * 1.5 g = 4.5 g Bioverfügbarkeit: 100 % 2 * 0.25 - 0.5 g = 1 g ca. 40 - 50 % Cefuroxim Dosis nach dem Wechsel: 10-fach geringer! Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Dosisfindung bei Kindern • Eine geeignete Dosierung kann üblicherweise aus den vorhandenen PK-Daten bei Erwachsenen und allen verfügbaren Daten zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit abgeleitet werden. • Weitere PK Untersuchungen von der Geburt bis zu einem Alter von 18 Jahren sollten folgen. • Diese werden üblicherweise durch Blutuntersuchungen bei behandelten Patienten erhoben. • Besondere Beachtung sollte der Pharmakokinetik bei Neugeborenen und Säuglingen geschenkt werden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Lokal applizierte Antibiotika • Die Leitlinien geben keine spezifischen Hinweise für lokale Antibiotika. • Die meisten Überlegungen zur Dosisoptimierung, zur Dosierung und zur Dauer der Therapie sind aber auf lokale Antibiotika übertragbar. • Die neue Leitlinie muss auch bei der Beantragung der Zulassung lokaler Antibiotika beachtet werden. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Seltene Erkrankungen • Wenn das Antibiotikum auch für häufige Infektionen zugelassen ist, sollte die Beurteilung der optimalen Dosis anhand der MICs, der Lokalisation der Infektionen und der Verteilung des Wirkstoffes möglich sein. • Je weniger Patienten betroffen sind, desto weniger Dosisfindungsstudien sind möglich. • Insbesondere bei seltenen Erkrankungen mit resistenten Erregern eröffnet die Leitlinie Möglichkeiten reduzierter Studienanforderungen. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Wichtiger Hinweis zum Schluss • Wie alle Leitlinien haben auch die hier diskutierten Leitlinien lediglich empfehlenden Charakter. ⇒ Alle Abweichungen von diesen Leitlinien müssen wissenschaftlich begründet werden! ⇒ Bei allen Abweichungen empfiehlt sich die Konsultation der EMEA oder der nationalen Behörden vor Beginn der Datenerhebung. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Danke für Ihre Aufmerksamkeit!