1 Einleitung 2 Die komplexen Zahlen als reeller Vektorraum

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Erik Werner
Algebraizität und Transzendenz
1
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Mathematik
Berufsbezogenes Fachseminar - Zahlentheorie
Dozent: Prof. Dr. Jürg Kramer
WS 14/15, 8.12.14
Referent: Erik Werner
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Einleitung
Die Rechtfertigung der Mathematik als Unterrichtsfach wird oftmals mit der besonders
im digitalen Zeitalter relevanten alltäglichen Anwendung begründet. Allerdings sollte
im Mathematikunterricht ebenso das logische und problemlösende Denken geschult
werden, weshalb man auch abstrakte Fragestellungen ansprechen sollte. Ein wichtiges
Gebiet bildet der Aufbau unseres Zahlensystems, wobei in dieser Arbeit besonders der
Unterschied zwischen algebraischen und transzendenten Zahlen diskutiert und Kriterien zur Identifizierung dieser herauskristallisiert werden sollen.
In dieser Arbeit wird dabei zunächst auf die komplexen Zahlen als reeller Vektorraum
eingegangen. Im Anschluss daran werden die Begrifflichkeiten der Transzendenz und
der Algebraizität geklärt, um dann einen Existenzbeweis für transzendente Zahlen darzustellen und im Kapitel darauf exemplarisch nach diesen suchen.
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Die komplexen Zahlen als reeller Vektorraum
Nachdem wir in dem letzten Seminar den Raum der reellen Zahlen vervollständigt
haben, können wir uns, so wie es in der Schule oftmals auch der Fall ist, fragen, welche
Lösungen die Gleichung x2 = −α, mit α ist positiv und reell, hat. Im Reellen findet man
keine Lösung x, die diese Gleichung erfüllt. Also hat man eine Zahlbereichserweiterung
von R vorgenommen, sodass die Gleichung x2 = −1 eine Lösung hat.
√
Definition 1. Wir setzen i := −1, das heißt, es gilt i2 = −1. Wir bezeichnen i als
imaginäre Einheit.
Definition 2. Die Menge der komplexen Zahlen C ist gegeben als die Menge aller
reellen Linearkombinationen des Einselements 1 von R und der imaginären Einheit i,
das heißt, es ist
C := {α = α1 · 1 + α2 · i | α1 , α2 ∈ R}.
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Der Einfachheit halber wird für α = α1 ·1+α2 ·i ∈ C im Folgenden α1 +α2 i geschrieben,
wobei α1 Realteil von α, kurz: Re(α), und α2 Imaginärteil von α, kurz: Im(α), genannt
werden.
Man kann C als einen zweidimensionalen Vektorraum mit der Basis {1, i} auffassen
(siehe Abb. (1)).
An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass C als R-Vektorraum die Struktur einer
abelschen Gruppe besitzt. Das neutrale Element ist hierbei durch 0 = 0 + 0i und das
additive Inverse zu α = α1 + α2 i ∈ C ist durch −α = −α1 − α2 i gegeben.
Definition 3. Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen α = α1 + α2 i und β =
β1 + β2 i wird durch
α · β = (α1 + α2 i) · (β1 + β2 i) := (α1 · β1 − α2 · β2 ) + (α1 · β2 + α2 · β1 )i
definiert.
Auf Grundlage der vorangegangenen Definitionen kann man nun folgenden Satz beweisen.
Satz 1. Das Tripel (C, +, ·) ist ein Körper mit dem Einselement 1 := 1 + 0i, welcher
den Körper der reellen Zahlen (R, +, ·) als Unterkörper enthält.
Darüber hinaus besitzt die quadratische Gleichung
α · x2 + β · x + γ = 0
(1)
mit α, β, γ ∈ R jeweils eine Lösung in C.
Beweis. Es wurde bereits gezeigt, dass das Paar (C, +) eine abelsche Gruppe ist, wobei
0 das neutrale Element ist. Im nächsten Schritt stellt man fest, dass die oben definierte
Multiplikation komplexer Zahlen assoziativ und kommutativ ist (siehe Lemma 1). Da
auch die Distributivgesetze gelten (siehe Lemma 2), erkennen wir (C, +, ·) als kommutativen Ring mit Einselement 1 an. Um zu zeigen, dass C auch die Körpereigenschaften
hat, müssen wir zeigen, dass jedes α = α1 + α2 i 6= 0 ein multiplikatives Inverses in C
hat. Da wir α 6= 0 gewählt haben, muss entweder α1 6= 0 oder α2 6= 0 gelten. Somit
folgt α12 + α22 6= 0. Das multiplikativ Inverse zu α ergibt sich durch
α−1 =
α12
α2
α1
− 2
i,
2
+ α2 α1 + α22
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da
α·α
−1
α2
α1
−
i
= (α1 + α2 i) ·
α12 + α22 α12 + α22
α12 − α1 α2 i + α1 α2 i + α22
=
α12 + α22
= 1.
Somit erhalten wir mit Hilfe der Abbildung
ψ : (R, +, ·) → (C, +, ·),
gegeben durch die Zuordnung α1 7→ α1 + 0i einen injektiven Ringhomomorphismus
von (R, +, ·) nach (C, +, ·). Somit ergibt sich, dass der Körper der reellen Zahlen ein
Unterkörper der komplexen Zahlen ist.
Die quadratische Gleichung (1) hat die beiden Lösungen
x1,2 =
wobei
−β ±
p
β 2 − 4αγ
,
2α
p
p
β 2 − 4α = |β 2 − 4αγ|i ist, falls β 2 − 4αγ < 0.
Lemma 1 (Assoziativität und Kommutativität komplexer Zahlen bei der Multiplikation). Die komplexen Zahlen sind bezüglich der Multiplikation sowohl kommutativ als
auch assoziativ.
Beweis.
1. Kommutativität
Seien α und β ∈ C mit α = α1 + α2 i und β = β1 + β2 i, wobei α1 , α2 , β1 , β2 ∈ R.
Dann gilt
α · β = (α1 + α2 i) · (β1 + β2 i)
= α1 β1 + α1 β2 i + α2 β1 i + α2 β2 i2 .
Da die kommitativität bezüglich der Addition bereits gezeigt wurde, kann nun
umgeformt werden:
α · β = (β1 + β2 i) · α2 i + (β1 + β2 i) · α1
= (β1 + β2 i) · (α1 + α2 i)
= β · α.
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2. Assoziativität
Um die Assoziativität zu beweisen, muss man zeigen, dass für α, β, γ ∈ C gilt:
(α · β) · γ = ((α1 + α2 i) · (β1 + β2 i)) · (γ1 + γ2 i)
= (α1 β1 + α1 β2 i + α2 β1 i − α2 β2 ) · (γ1 + γ2 i)
= α1 β1 γ1 − α1 β2 γ2 − α2 β1 γ2 − α2 β2 γ2 + α1 β1 γ2 i + α1 β2 γ1 + α2 β1 γ1 i − α2 β2 γ2 i
= (α1 + α2 i) · (β1 γ1 + β1 γ2 i + β2 γ1 i − β2 γ2 )
= α · (β · γ).
Lemma 2 (Distributivgesetze der Multiplikation komplexer Zahlen). Für α, β und
γ ∈ C mit α = α1 + α2 i, β = β1 + β2 i und γ = γ1 + γ2 i, wobei α1 , α2 , β1 , β2 , γ1 , γ2 ∈ R,
gelten folgende Distributivgesetze:
α · (β + γ) = α · β + α · γ,
(2)
(β + γ) · α = β · α + γ · α.
(3)
Beweis. Es wird hier nur der Beweis für (2) gezeigt, da Gleichung (3) aus (2) und der
Kommutativität folgt.
α · (β + γ) = (α1 + α2 i) · ((β1 + β2 i) + (γ1 + γ2 i))
= α1 β1 + α1 γ1 + α1 β2 i + α1 γ2 i + α2 β1 i + α2 γ1 i − α2 β2 − α2 γ2
= α1 β1 + α1 β2 i + α2 β1 i − α2 β2 + α1 γ1 + α1 γ2 i + α2 γ1 i − α2 γ2
= (α1 + α2 i) · (β1 + β2 i) + (α1 + α2 i) · (γ1 + γ2 i)
= αβ + αγ.
Definition 4. Ist α = α1 + α2 i ∈ C, so definieren wir die zu α konjugiert komplexe
Zahl α durch
α := α1 − α2 i.
In der Gaußschen Zahlenebene ist α demnach durch die Spiegelung von α an der reellen
Achse zu erhalten.
Abschließend in diesem Kapitel soll das Euklidische Skalarprodukt behandelt werden:
Definition 5. Das Euklidische Skalarprodukt h·, ·i : C × C −→ R ist definiert durch
hα, βi := Re(α · β) = α1 β1 + α2 β2 ,
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wobei α = α1 + α2 i, β = β1 + β2 i ∈ C sind. Der Betrag |α| von α ist dann gegeben
durch
q
p
√
|α| := hα, αi = α · α = α12 + α22 .
Nach Definition 5 kann das multiplikative Inverse von 0 6= α ∈ C in der Form
α−1 =
α
|α2 |
angegeben werden.
3
Begriffsklärung Transzendenz und Algebraizität
Definition 6. Eine komplexe Zahl α heißt algebraisch, wenn sie Nullstelle eines Polynoms
f (X) = X n + an−1 X n−1 + · · · + a2 X 2 + a1 X + a0
(4)
vom Grad n > 0 mit rationalen Koeffizienten a0 , . . . , an−1 ist.
Es folgt, dass jede Zahl algebraisch ist, genau dann, wenn sie Nullstelle eines Polynoms
mit ganzzahligen Koeffizienten ist. Durch das Prinzip des minimalen Elements beweist
man, dass jede algebraische Zahl ein Polynom mit minimalem Grad erfüllt. Dieses heißt
minimales Polynom, und der Grad der algebraischen Zahl ist definiert wie der Grad
dieses Polynoms. Wir haben somit den Grad einer algebraischen zahl definiert. Die Namensgebung dieses Zahlentyps kommt daher, dass jedes Polynom aus den algebraischen
Rechenoperationen +, − und · gebildet wird. Man nennt Zahlen, die die Gleichung (4)
mit Koeffizienten im Körper K erfüllen, algebraisch über K. Wir bezeichnen die algebraischen Zahlen im Folgenden mit Q.
Es folgen einige Beispiele für algebraische Zahlen:
(a) Rationale Zahlen:
Jede rationale Zahl x lässt sich wiefolgt darstellen:
p
, mit p ∈ Z, q ∈ N \ {0}
q
⇔ qx − p = 0
x =
In diesem Fall ist n = 1, a0 = −p und a1 = q. Jede rationale Zahl ist somit auch
eine algebraische Zahl. Weiterhin kann eine algebraische Zahl vom Grad n > 1
auch niemals rational sein.
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(b) Beispiel für eine irrationale Zahl:
√
Sei x = 2 eine Lösung der Gleichung
x2 − 2 = 0.
Hier ist n demnach gleich 2, a0 = −2, a1 = 0 und a2 = 1. Folglich ist x auch eine
algebraische Zahl. Sie kann jedoch nicht den Grad 1 haben, da sie nicht rational
ist. Deshalb ist X 2 − 2 ihr minimales Polynom.
(c) Etwas kniffliger wird es für x =
√
√
2 + 3 (auch ein Beispiel für irrationale Zahlen):
√
2+ 3
√
√
⇒ x2 = ( 2 + 3)2
√
⇒ x2 = 5 + 2 6
√
⇒ x2 − 5 =
6
x =
√
⇒ x4 − 10x2 + 25 = 24
⇒ x4 − 10x2 + 1 = 0.
√
√
Somit ist x = 2 + 3 auch eine algebraische Zahl mit n ≤ 4, a0 = a4 = 1, a1 =
a3 = 0 und a2 = −10 ist.
Nun sind aber nicht alle reellen Zahlen, und somit auch nicht alle komplexen Zahlen,
algebraisch, da die Menge der komplexen Zahlen überabzählbar ist.1 Für die Zahlen,
die nicht algebraisch sind, hat man den Begriff der Transzendenz eingeführt.
Definition 7. Eine komplexe Zahl ist transzendent, wenn sie nicht algebraisch ist.
Transzendente Zahlen sind also komplexe Zahlen α, für die kein Polynom f ∈ Z[X]
mit f (α) = 0 existiert.
Wir bezeichnen die Menge der transzendenten Zahlen mit T := C \ Q. Der Begriff der
Transzendenz wurde um das Jahr 1840 durch den französischen Mathematiker Joseph
Liouville geprägt. Dieser führte auch die ersten Transzendenzbeweise. Zu seinen Ehren
nennt man die von ihm als transzendent erkannte Zahlen auch „Liouvillesche Zahlen“.
Zu den transzendenten Zahlen gehören zum Beispiel die Eulersche Zahl e, sowie die
Kreiszahl π.2 Diese wurden jedoch nicht durch Liouville erkannt. Die Transzendenz von
π beweist interessanterweise, dass die Quadratur des Kreises nicht möglich ist, da π
sonst algebraisch und somit Nullstelle eines Polynoms wäre.
1
2
Für einen ausführlichen Beweis der Existenz transzendenter Zahlen siehe Kapitel (4)
Für die Transzendenzbeweise dieser beiden Zahlen siehe nachfolgende Veranstaltungen.
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Der Begriff „transzendent” wird von dem lateinischen Wort „transcendere” abgeleitet
und bedeutet „überschreiten”, was so zu deuten ist, dass transzendente Zahlen eine
universelle Grenze überschreiten, „nämlich die der Darstellbarkeit als Nullstelle eines
Polynoms mit rationalen Kennziffern” (Toenniessen, 2010).
Die Existenz transzendenter Zahlen wurde oben bereits beispielhaft bewiesen. Jedoch
ist es nicht so einfach, zu zeigen, dass es Zahlen gibt, die diese Eigenschaften nicht
aufweisen. Nachfolgend soll aus diesem Grund zunächst die Existenz transzendenter
Zahlen bewiesen werden.
4
Beweis für die Existenz transzendenter Zahlen
Für den Beweis wird zunächst gezeigt, dass es in R abzählbar viele algebraische Zahlen
und folglich überabzählbar viele transzendente Zahlen gibt.
Satz 2 (Abzählbarkeit algebraischer Zahlen). Die Menge der algebraischen Zahlen ist
abzählbar unendlich.
Beweis. Wie bereits erwähnt wurde, ist jede algebraische Zahl eine Lösung einer algebraischen Gleichung mit ganzzahligen Koeffizienten. Weiterhin beweisen wir in Lemma
3, dass ein Polynom festen Grades nur endlich viele Lösungen hat. Es genügt somit, zu
zeigen, dass wir alle diese Polynome aufzählen können. Dazu ordnen wir einem Polynom
an X n + · · · + a1 X 1 + a0 = 0 mit n ∈ N, a0 , . . . , an ∈ Z, an 6= 0
ihre „Höhe” 3 h zu. Diese setzt sich aus der Summe der Beträge der Koeffizienten und
dem Grad n des Polynoms zusammen:
h := |an | + · · · + |a0 | + n.
Da es für ein festes h nur endlich viele Gleichungen mit dieser Höhe h gibt und diese
wiederum nur endlich viele algebraische Zahlen erzeugen, erhalten wir somit eine Aufzählung aller algebraischen Gleichungen und weiter eine Aufzählung aller algebraischen
Zahlen.
In diesem Beweis wurde allerdings benutzt, dass Polynome vom Grad n höchstens n
Nullstellen haben, was jedoch noch nicht bewiesen wurde. Um dies zu zeigen, beweisen
wir zunächst folgendes Lemma.
3
Anstatt „Höhe” findet man in manchen Quellen auch den Begriff „Gewicht”.
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Lemma 3 (Division von Polynomen mit Rest). Betrachte einen Körper K und zwei
Polynome F, G ∈ K[X] mit G 6= 0. Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome H, R ∈
K[X], sodass gilt:
F (X) = H(X) · G(X) + R(X),
wobei R(X) = 0 oder deg(R) < deg(G).
Beweis. Zunächst wird die Eindeutigkeit der Darstellung bewiesen. Wir nehmen an,
dass es zwei verschiedene Darstellungen durch die Polynome H1 , H2 , R1 , R2 von F (X)
gibt. Dann gilt:
F (X) = H1 (X) · G(X) + R1 (X) = H2 (X) · G(X) + R2 (X)
⇔ 0 = (H1 (X) − H2 (X)) · G(X) + (R1 (X) − R2 (X)).
Da deg(R1 − R2 ) < deg(G), muss zwangsläufig H1 − H2 = 0 sein. Daraus folgt, dass
H1 = H2 und R1 = R2 . Damit ist die Eindeutigkeit bewiesen. Nun zur Existenz der
Darstellung. Für den Fall, dass deg(F ) < deg(G), wähle H = 0. Für deg(F ) ≥ deg(G),
lösen wir das Problem mittels vollständiger Induktion nach n = deg(F ). Falls n = 0,
so sind F, G ∈ K und der Fall ist klar. Falls n > 0, betrachte
H(X) = F (X) −
aF deg(F )−deg(G)
X
· G(X),
aG
(5)
mit aF , aG Leitkoeffizienten von F (X) bzw. G(X). Der Leitkoeffizient ist der Koeffizient
bei der höchsten Potenz von X und somit auch ungleich Null.
Man sieht in Gleichung (5), dass sich die höchste Potenz von F (X) mit dem Produkt
in der Differenz aufhebt und dass somit gelten muss: deg(H) < deg(F ). Somit folgt
nach der Induktionsvoraussetzung, dass
H(X) = h(X) · G(X) + f (X),
mit h, f ∈ K[X] und deg(f ) < deg(G). In Gleichung (5) eingesetzt ergibt dies:
aF deg(F )−deg(G)
X
· G(X) + f (X),
F (X) = h(X) +
aG
womit die Existenz bewiesen ist.
Satz 3. Betrachte einen Körper K und ein Polynom F ∈ K[X] mit F 6= 0. Dann hat
F höchstens n = deg(F ) Nullstellen in K.
Bevor wir diesen Satz beweisen, notieren wir, dass in dem Fall K = C das Polynom F
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genau deg(F ) Nullstellen in C hat. Das ist der Fundamentalsatz der Algebra.
Beweis. In dem Beweis für den Satz benutzen wir die vollständige Induktion über n
und die in Lemma 3 bewiesene Darstellungsform der Polynome bei der Division mit
Rest. Falls n = 0, so ist F 6= 0 ein konstantes Element in K, sodass die Aussage wahr
ist. Im Falle, dass n > 0 und α ∈ K eine Nullstelle von F ist, teilen wir F mit Rest
durch X − α und erhalten
F (X) = H(X) · (X − α) + R(X).
Da α eine Nullstelle von F ist, muss R(α) = 0 sein und damit können wir die Nullstelle
herausfaktorisieren:
F (X) = G(X) · (X − α).
Die Zahl deg(G) muss somit gleich n − 1 sein. Mit der Induktionsvoraussetzung folgt,
dass G höchstens n − 1 Nullstellen haben kann und F folglich maximal n Nullstellen.
Mit diesem Satz haben wir nun die unendliche Abzählbarkeit algebraischer Zahlen
komplett bewiesen. Hieraus folgt mit der Überabzählbarkeit der reellen Zahlen direkt,
dass die Menge der reellen Zahlen zum größten Teil aus transzendenten Zahlen besteht.
Allerdings stellt sich die Suche nach einer solchen als echte Herausforderung heraus.
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Die Suche nach transzendenten Zahlen
Wir starten dieses Kapitel mit dem Satz von Liouville, der eine Charakterisierung
reeller algebraischer Zahlen mit Hilfe der Approximation durch rationale Zahlen gibt.
Satz 4 (Liouville). Es sei α eine reelle algebraische Zahl vom Grad n > 1. Dann besteht
für alle p ∈ Z und hinreichend große q ∈ N die Ungleichung
α −
1
p > n+1 .
q
q
(6)
Diese Abschätzung besagt, dass sich algebraische Zahlen „schlecht“ durch rationale
Zahlen approximieren lassen.
Beweis. Es sei vorausgesetzt, dass α algebraisch ist und somit Nullstelle ihres minimalen Polynoms
f (X) = an X n + an−1 X n−1 + · · · + a1 X + a0 ∈ Z[X]
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ist. Sei rm weiter eine Folge rationaler Zahlen mit Grenzwert α : lim rm = α. Da α
m→∞
reell ist, wissen wir, dass es eine solche Zahlenfolge gibt. Wir nehmen für das Folgende
an, dass
pm
mit pm ∈ Z, qm ∈ N, qm 6= 0, m ∈ N
rm =
qm
gilt. Mit dem Wissen, dass α Nullstelle von f ist, folgt
f (rm ) = f (rm ) − f (α)
2
n−1
n
− α2 ) + a1 (rm − α).
− αn−1 ) + · · · + a2 (rm
− αn ) + an−1 (rm
= an (rm
Nach Division durch (rm − α) ergibt sich:
f (rm )
=
rm − α
n−1
n−2
2
= an (rm
+ rm
α + · · · + rm αn−2 + αn−1 ) + · · · + a3 (rm
+ rm α + α2 ) + a2 (rm + α) + a1 .
Wir haben rm also Folge mit Grenzwert α gewählt, weshalb es ein N ∈ N geben
muss, für das gilt |rm − α| < 1 und somit |rm | < |α| + 1 für alle m ≥ N . Nach der
Dreiecksungleichung folgt für jedes m > N die Abschätzung
f (rm ) n−1
+ · · · + 3 · |a3 | · (|α| + 1)2 + 2 · |a2 | · (|α| + 1) + |a1 | =: M.
rm − α < n · |an | · (|α| + 1)
Beachte hierbei, dass M allein von α abhängig und unabhängig von m ist. Wähle nun
rm = pm /qm , wobei m so groß sein soll, dass qm > M gilt. Ein solches m existiert, da
rm eine rationale Folge mit irrationalem Grenzwert ist. Dies führt dann zu
f (rm ) |f (rm )|
rm − α < qm ⇔ |α − rm | > qm .
(7)
Wir wissen, dass α Nullstelle von f ist und dass dieses nach der Definition keiner
polynomialen Gleichung kleineren Grades genügen darf. Aus diesem Grund kann rm
keine Nullstelle von f sein. Andernfalls könnten wir den Linearfaktor (x − rm ) von f
abspalten und somit wäre α Nullstelle eines Polynoms vom Grad kleiner als n. Dies
kann aber nach der Definition nicht sein. Also gilt
n−1
n−1
n an pnm + an−1 pm
q m + · · · + a1 p m q m
+ a0 q m
6= 0.
|f (rm )| = qn
(8)
m
Da der Zähler in Gleichung (8) ganzzahlig und ungleich null sein muss, muss sein Betrag
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mindestens eins sein. Aus den Gleichungen (7) und (8) ergibt sich folgendes:
α − pm > |f (rm )| ≥ 1 · 1 = 1 .
n
n+1
qm qm
qm
qm
qm
Damit ist der Satz von Liouville bewiesen.
Der Satz von Liouville hilft dennoch bei dem Finden transzendenter Zahlen. Dabei
nimmt man an, dass die betrachtete Zahl α algebraisch vom Grad n > 0 ist. Man muss
jetzt zeigen, dass die Ungleichung (6) verletzt ist und weist somit die transzendente
Eigenschaft von α nach. Liouville hat zu seiner Zeit nachgewiesen, dass reelle Zahlen, die in ihrer Dezimalbruchentwicklung rapide anwachsende Abschnitte von Nullen
enthalten, transzendente Zahlen sind. Ein Beispiel ist die Liouvillesche Zahl
αL :=
m
X
10−j! = 0, 110001000000000000000001000... .
j=1
Wir wollen im Folgenden einmal beispielhaft einen Transzendenzbeweis für die Zahl
αL durchführen. Dazu setzen wir mit m ∈ N
m!
pm := 10
·
m
X
10−j! , qm := 10m! und rm :=
j=1
und erhalten
αL − rm =
∞
X
10−j! −
m
X
j=1
∞
X
10−j! =
j=1
pm
,
qm
10−j! .
j=m+1
Daraus folgt
|αL − rm | =
∞
X
10−j! < 10−(m+1)! ·
j=m+1
∞
X
10−j! < 10−(m+1)! ·
j=0
∞
X
j=0
10−j
(9)
1
10
< (m+1)!−1 .
= 10−(m+1)! ·
9
10
Mit der Annahme, αL sei algebraisch vom Grad n, folgt nach dem Satz von Liouville,
dass für hinreichend große m
|αL − rm | >
1
n+1
qm
=
1
10(n+1)m!
.
(10)
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gilt. Aus den Gleichungen (9) und (10) ergeben sich nun die äquivalenten Ungleichungen
1
10(n+1)m!
<
1
10(m+1)!−1
⇔ (n + 1)m! > (m + 1)! − 1 ⇔ n > m −
1
.
m!
Die führt auf die Ungleichung m < n+1. Dies führt zu einem Widerspruch zur Annahme
der Algebraizität von αL , da wir das n zwar beliebig, aber fest wählen, das m jedoch
beliebig groß werden kann. Deshalb ist αL eine transzendente Zahl.
Zusammenfassend formulieren wir das folgende Korollar des Satzes von Liouville.
Korollar 1 (Transzendenz einer irrationalen Zahl). Eine irrationale Zahl α ist transzendent, wenn es für alle n ∈ N einen Bruch p/q mit q > 0 gibt, sodass
α −
p 1
≤ n.
q
q
Auf diesem Wissen aufbauend könnte man jetzt beliebig viele transzendente Zahlen
konstruieren, die beispielsweise die Form
α=
∞
X
bj
10−a
mit 2 ≤ a, b ∈ Z
j=1
haben. Der Transzendenzbeweis geht analog wie oben.
Literatur
[1] Deiser, P. D. O. (2011). Warum die rationalen Zahlen nicht genügen. In: Analysis 1 (pp. 23-35).
Springer Berlin Heidelberg.
[2] Fritsch, R., Weninger, J., die Schulpraxis, A. D. S. F., & Von Prof, D. L. V. B. (1989). Der
mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht (Vol. 42). Band.
[3] Kramer, J. (2008). Zahlen für Einsteiger. Springer.
[4] Toenniessen, F. (2010). Das Geheimnis der transzendenten Zahlen. Spektrum Akademischer
Verlag.
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Abbildung 1: Die Gaußsche Zahlenebene (aus: Kramer, 2008)
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