Pomalidomid (Imnovid®)

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Pharmazeutische Chemie - Pomalidomid
Pomalidomid (Imnovid
)
Imnovid-Hartkapseln mit dem Wirkstoff Pomalidomid (Strukturformel s. Abbildung
1) sind indiziert in Kombination mit Dexamethason zur Behandlung eines
rezidivierten bzw. refraktären Multiplen Myeloms. Die Patienten sollen zuvor
mindestens zwei Therapien erhalten haben – darunter Lenolidomid und Bortezomib –
und unter der letzten Therapie muss eine Progression der Erkrankung erfolgt sein.
Die Einnahme der Kapseln erfolgt einmal täglich immer zur selben Uhrzeit
unabhängig von den Mahlzeiten, wobei die Kapseln nicht geöffnet sondern als
Ganzes eingenommen werden sollen. Pomalidomid wird in 28-Tage-Zyklen
verabreicht, dabei wird Pomalidomid an den Tagen 1 bis 21 und 40 mg
Dexamethason jeweils an den Tagen 1, 8, 15 und 22 gegeben. Die Therapie startet
mit 4 mg Pomalidomid pro Tag, die Dosierung wird je nach auftretenden
Nebenwirkungen (insbesondere hämatologischen Nebenwirkungen wie Neutropenie
und Thrombozytopenie) und klinischen Befunden modifiziert, d.h. erniedrigt oder gar
ausgesetzt bzw. abgesetzt. Genaue Dosierungsanweisungen und –anpassungen
siehe Fachinformation (Fachinformation Imnovid 2013).
O
N
H
O
NH
NH2
O
O
Pomalidomid
Abbildung 1
Pomalidomid ist nach Thalidomid (Thalidomide Celgene 50 mg) und Lenalidomid
(Revlimid)
bereits
das
dritte
synthetische,
chirale
2,6-Piperidindion
(Glutarsäureimid), das zur Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen ist (s.
Abbildung 2).
Diese drei Wirkstoffe bilden eine neue Substanzklasse peroral bioverfügbarer,
immunmodulatorischer Arzneistoffe (Immunmodulatory drugs = IMiDs), deren
Wirkmechanismen vielfältig und bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Die
IMiDs besitzen antiproliferative, antiangiogene und immunmodulierende Effekte
insbesondere auf Myelom-Zellen. Die Wirkungen werden insbesondere durch die
Hemmung der Freisetzung überlebenswichtiger Zytokine wie z.B. TNF-α, Interleukin6, Interleukin-8 und VEGF erzielt. Daneben induzieren die IMiDs u.a. apoptotische
Prozesse vorwiegend über die Aktivierung von Caspase-8 (Knight 2005, Kotla et al.
2009, Stewart 2009, Latif et al. 2012). Zudem besitzen nicht nur Thalidomid sondern
auch Lenalidomid und Pomalidomid hohes teratogenes Potential.
Den chemischen Ursprung dieser Substanzklasse bildet das früher als Schlafmittel
verwendete Glutethimid. Schon hier liegt die 2,6-Piperidindion-Struktur mit dem
chiralen C-3 vor, wobei Glutethimid als Razemat verwendet wurde (s. Abbildung 2).
Auch die drei IMiDs sind allesamt als Razemate im Handel. Thalidomid enthält
zusätzlich zur Glutarsäureimid-Struktur als zweites Ringsystem ein Phthalimid, das
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Pharmazeutische Chemie - Pomalidomid
über den Imid-Stickstoff mit dem C-3 des Glutarsäureimids verbunden ist. Sowohl
Lenalidomid als auch das neue Pomalidomid sind strukturoptimierte ThalidomidAnaloga. Lenalidomid als IMiD der zweiten Genration erhält man formal durch das
Weglassen einer Carbonyl-Gruppe aus der Phthalimid-Struktur sowie durch
Substitution einer aromatischen Amino-Gruppe an Position 4 des Bizyklusses.
Pomalidomid als IMiD der dritten Generation enthält nun wiederum die PhthalimidPartialstruktur des Thalidomids sowie auch die aromatische Amino-Gruppe in
Analogie zum Lenalidomid (Pomalidomid = „3-Amino-Thalidomid“) (s. Abbildung 2).
O
NH
NH
O
O
Piperidin-2,6-dion
(Glutarsäureimid)
Glutethimid
O
O
N
H
N
O
3
O
H
O
3
N
H
O
Thalidomid
NH
O
NH2
O
3
NH
NH
O
O
3
Lenalidomid
O
O
NH2
Pomalidomid
Abbildung 2
Das stärkere und für die Wirksamkeit bedeutende Enantiomer des PomalidomidRazemats soll das (S)-Enantiomer sein. Allerdings erfolgt bei Applikation nur des (S)Enantiomers im Plasma sehr schnell eine Razemerisierung, was schon lange Zeit
auch vom Thalidomid bekannt und typisch für diese Arzneistoffklasse ist.
Dementsprechend machte auch für das Pomalidomid nur die klinische Entwicklung
des Razemates und nicht etwa des (S)-Enantiomers Sinn (Teo et al. 2003). Der
Grund für die rasche Razemerisierung ist der azide Wasserstoff am chiralen C-3 (s.
Abbildung 3).
azider Wasserstoff
O
O
O
NH
H
O
O
3
NH
H
O
3
O
O
NH2
NH2
(R)-Enantiomer
(S)-Enantiomer
Pomalidomid (Razemat)
Abbildung 3
Rasche Razemerisierung in vivo bei Applikation eines Enantiomers von Pomalidomid
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In vitro-Studien zufolge ist Pomalidomid das am stärksten wirksame IMiD gefolgt von
Lenalidomid und Thalidomid, was sich auch in den Dosierungen der drei IMiDs
wiederspiegelt (Galustian et al. 2009, Stewart 2009, Cavo 2011). Zudem ist
Pomalidomid ein zehnmal stärkerer Inhibitor des TNF-α (Ruchelman et al. 2013).
Alle drei IMiDs werden peroral einmal täglich appliziert. Die Dosierung bei Thalidomid
beträgt 50 bis 200 mg pro Tag (Fachinformation Thalidomide Celgene 50 mg
2013), bei Lenalidomid 5 bis 25 mg (Fachinformation Revlimid 2013) und bei
Pomalidomid wie oben erwähnt 1 bis 4 mg je nach hämatologischen
Nebenwirkungen und Laborbefunden (s. Tabelle 1). Lediglich beim Thalidomid wird
die abendliche Einnahme empfohlen aufgrund seiner sedativen Eigenschaften. Die
Halbwertszeit des Pomalidomids beträgt 6,2 bis 7,9 Stunden. Pomalidomid unterliegt
keiner extensiven Metabolisierung, lediglich zu einem geringen Anteil erfolgen
vorwiegend CYP1A2- und CYP3A4-vermittelte Reaktionen (Hydroxylierung,
anschließend Glucuronidierung, Hydrolyse). Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend
renal (Latif et al. 2012, Fachinformation Imnovid 2013, Hoffmann et al. 2013).
IMiD
Applikation
Häufigkeit
Dosierung
Halbwertszeit
Elimination
Thalidomid
peroral
1x pro Tag
abends
50 - 200 mg
4-9h
hepatisch
Lenalidomid
peroral
1x pro Tag
5 - 25 mg
3,1 - 4,5 h
vorwiegend
renal
Pomalidomid
peroral
1x pro Tag
1 - 4 mg
6,2 - 7,9 h
vorwiegend
renal
Tabelle 1
Vergleich der drei IMiDs Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid nach Latif et al.
2012
Literatur:
Cavo, M. Blood 2011, 118, 2931
Fachinformation Imnovid 2013 Celgene Europe Ltd.
Fachinformation Revlimid 2013 Celgene Europe Ltd.
Fachinformation Thalidomide Celgene 50 mg 2013 Celgene Europe Ltd.
Galustian, C. et al. Cancer Immunol Immunother 2009, 58, 1033
Hoffmann, M. et al. Cancer Chemother Pharmacol 2013, 71, 489
Knight, R. Semin Oncol 2005, 32(4 Suppl 5), S24
Kotla, V. et al. J Hematol Oncol 2009, 2, 36
Latif, T. et al. Exp Hematol Oncol 2012, 1, 27
Ruchelman, A.L. et al. Bioorg Med Chem Lett 2013, 23, 360
Stewart, A.K. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2009, 578
Teo, S.K. et al. Chirality 2003, 15, 348
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