Gregor Maria Hoff (Im Auftrag des Direktoriums der Salzburger Hochschulwochen als Jahrbuch herausgegeben): Gott im Kommen. Salzburger Hochschulwochen 2006. Innsbruck / Wien: Tyrolia 2006, 286 S. Die Salzburger Hochschulwochen sind ein traditionsreiches Unternehmen, das 1931 begann. In einer Zeit der Krise versuchte die (katholische) Theologie, sich bewusst den modernen Strömungen auszusetzen. Der Fundamentaltheologe, Herausgeber und Koordinator, Gregor Maria Hoff, gibt in der Einführung einen Einblick in diesen Versuch, den u.a. auch Karl Rahner begleitete, ein Versuch, der den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg überstand und der als „Theologie im Vollzug der Moderne“ bezeichnet werden kann. Viele Menschen, jährlich etwa 1000 besuchen dieses Forum theologisch-aktuellen Diskurses. Der vorliegende Band setzt sich mit Gott und Göttern in der Postmoderne auseinander. Alte Fragen werden neu aufgerollt. Neben den Fachleuten melden sich sehr prominente Autoren zu Wort: Kardinal Kasper, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Antje Vollmer, Theologin und ehemalige Bundstagsvizepräsidentin, der emeritierte Systematiker Eberhard Jüngel aus Tübingen, der Terrorismusexperte Elmar Theveßen aus Mainz, letzterer mit der provozierenden Intention, wie „Gott“ für Attentate instrumentalisiert wird. Allerdings sind nicht alle Vorträge in diesem Band versammelt. Die jetzt vorliegende Auswahl verzichtet seltsamerweise auf diejenigen Mitwirkenden, die ihre Vorlesungen mit einem Kolloquium hielten. Schade! Wie dem auch sei, bei den übrigen Beiträgern und Beiträgerinnen sind nicht immer die Bekanntesten auch die am kühnsten zur Sache Kommenden. Während der Religionswissenschaftler Peter Antes aus Hannover die mystischen Erfahrungen eher anthropologisch einordnet, macht die Philosophin Saskia Wendel aus Tilburg (NL) auf eine (geradezu mystische) Gegenbewegung des Kommens Gottes in dem aufmerksam, was man „Religiosität“ nennt: „Als Vermögen des Sich-Öffnens dem Anderen Gegenüber ist die Freiheit auch die Möglichkeitsbedingung dafür, sich dem Anspruch eines absolut Anderen, eines unbedingten Gegenüber zu öffnen, diesen Anspruch anzuerkennen und ihm zu entsprechen suchen“ (S. 223). Überhaupt meint man in manchen Äußerungen einen „Schleiermacher redivivus“ wieder zu erkennen. Vielleicht kam das auch in dem nicht abgedruckten Beitrag von Hildegard Keul aus Bonn zum Ausdruck, die sich – wohl auf Mechthild von Magdeburg beziehend – dem mystischen Entgegenkommen Gottes anzunähern versuchte. Hatte schon der Herausgeber Gregor Maria Hoff seine Einführung genutzt, um zu zeigen, wie diese Hochschulwochen immer schon ein Stück Theologie in Bewegung bzw. „im Vollzug“ waren, so geht Peter Strasser von der Universität Graz direkt in die Konfliktlinie und analysiert mit der Vereinnahmung des Religiösen in gegenwärtigen westlichen Gesellschaften eine Art Restauration Gottes, der man nur Unbehagen entgegenbringen kann. Gleichzeitig möchte er den zunehmenden Spannungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft gerade im Bereich eines zunehmenden Materialismus im Bereich der Biologie und Medizin, ein evolutionäres Konzept entgegensetzen, um aus der Spannung zwischen Säkularismus, Wissenschaft und Religion herauszukommen und nicht den Neurowissenschaftlern das Feld zu überlassen. Von daher vermeidet der Dekan der theologischen Fakultät der Universität Salzburg Hans-Joachim Sander „Gottes Kommen“ privaten religiösen Aufbrüchen zu überlassen. Im Sinne eines wesentlichen Elements der Moderne, wo man nicht bestimmten Gottestrends nachjagen sollte, zeigt sich die Mahnung, die Unberechenbarkeit Gottes auf den eigenen Lebensstil nachhaltig wirken zu lassen, weil Gott nicht einfach zu „haben“ ist (vgl. S. 94). Zurückhaltend und den exegetischen Rahmen kaum verlassend zeigt sich der Beitrag von Ruth Scoralick Alttestamentlerin aus Luzern, die sehr dicht an dem von ihnen gewählten Thema der Jesaja-Analysen bleibt. Antje Vollmer bezieht in ihr Gottesverständnis sehr stark die Barmer Erklärung von 1934 ein, und bleibt damit bei Formulierungen von Gott „als dem ganz Anderen“ nahe, d.h. einer Theologie, die sich anscheinend stark dem frühen Karl Barth verpflichtet weiß, aber gleichzeitig politische Impulse freigibt. Da bei den Hochschulwochen auch immer Preise vergeben werden, ist es interessant zu sehen, wie die Preisträger auf das Thema reagieren, das auch hätte heißen können: Die Zukunft Gottes in der Gegenwart (angelehnt an den Titel des Aufsatzes von Peter Strasser). Walter Kardinal Kasper betont im Rahmen des ihm verliehenen Hochschulpreises die Notwendigkeit einer „guten Theologie“, die Glaubensfreude macht. Eberhard Jüngel hatte bereits in seiner Laudatio auf den „langen Atem“ verwiesen, den man in der konfessionellen Ökumene (leider immer noch!) braucht. Martin Dürnberger als Preisträger des Publikumspreises schafft es darüber hinaus in seiner Rede, mit seinen historischen Analysen quasi einen „Sprengsatz“ zu zünden, indem er das Fegefeuer im Sinne des Purgatoriums als theologischem Ort der Reinigung neu interpretiert. Dadurch gewinnt das Fegefeuer eine neue Aktualität, besonders dadurch dass er die Täter-Opfer-Schuldproblematik an Beispielen der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart exemplifiziert. Rainer Bucher, Pastoraltheologe aus Graz nimmt sich der heiklen Relation von Gott und Gewalt an, allerdings nicht um seine Aussagen im Sinne einer feudalen Sühnopfertheorie zuzuspitzen oder irgendeine religiöse Legitimierung von Gewalt zuzulassen, sondern zu betonen, dass im Mittelpunkt christlichen Glaubens ein ohnmächtiger Mensch steht, zu dem sich Gott in seiner Ohnmacht bekennt und der die Schuld der Welt auf sich nimmt“ (S. 151f). Reden von Gott angesichts moderner Herausforderungen – die Autorinnen und Autoren nehmen das Thema des Kommens Gottes sehr unterschiedlich auf, bleiben aber nicht selten auf vorbereiteten dogmatischem Boden, sie mögen einen katholischen oder evangelischen Hintergrund haben. Doch bei einer Reihe von ihnen gewinnt der Gedanke Gestalt, dass der kommende Gott mehr Unwägbarkeiten mit sich bringt, als christliche Theologien im Sinne einer Annäherungshermeneutik leisten können. Es lohnt sich sehr, in diesem Buch diejenigen zu hören, die etwa wie Saskia Wendel denken: „Beides, die Entdeckung des Potentials gegenwärtiger Religiosität wie auch die mutige Kritik bestimmter Tendenzen der zeitgenössischer Religion in westlichen Gesellschaften gehört meines Erachtens wohl zu den zukünftigen Aufgaben christlicher Religionsphilosophie und Theologie“ (S. 231) Reinhard Kirste Rezens/rz-Hoff.doc, 26.04.07