Schematherapie mit Paaren Dr. Eckhard Roediger IST-Frankfurt Institut für Schematherapie - Frankfurt www.schematherapie-roediger.de [email protected] Besonderheiten der ST mit Paaren • Es wird mit zwei Einzelpersonen gearbeitet (…und deren Interaktion, nicht mit einem „Dritten“, dem System) • Ein Therapeut arbeitet mit beiden Partnern • Paar- und Einzelsitzungen können kombiniert werden • Der Therapeut kann auch mit einem Patienten arbeiten • Der Therapeut ist nicht neutral, sondern „ausgewogen parteilich“ (anspruchsvolle Aufgabe!) • Der Therapeut muß flexibel und selbstreflexiv sein • Der Therapeut greift direktiv in die Therapie ein (z.B. durch Verhaltensanregungen, Modelling, Shaping, Aufgaben) Stufen der Paararbeit • Der Partner wird gedanklich in die Therapie einbezogen • Der Parnter wird zur Diagnostik eingeladen • Das Modusmodell wird dem Partner erklärt • Der Parnter wird um Unterstützung gebeten • Es wird nur an der Kommunikation gearbeitet • Es wird an dem gemeinsamen Moduszirkel gearbeitet • Es wird parallel mit beiden Schematherapie gemacht • Es wird mit dem Partner weitergearbeitet Oder das Paar kommt gleich gemeinsam in Therapie Prognose: Wahrheit und Mythen Paare trennen sich nicht, weil sie Konflikte haben, sondern zu wenig positive Interaktionen (Gottman 1994) • Bei funktionalen Paaren kommen 5 positive auf eine negative Interaktion, bei dysfunktionalen 1 positve auf 1,25 negative • Der beste Prädiktor für eine gute Beziehung 5 Jahre nach der Heirat ist der emotionale Kontakt, nicht die Konflikthäufigkeit • Entscheidend ist, ob der Überkompensierer (meist die Frau) darauf vertraut, daß sich der Vermeider (meist der Mann) wirklich einläßt Wirklich belastend sind: • Harte Auseinandersetzungen mit Gefühlsüberflutungen • Viele gescheiterte Annäherungsversuche • Schlechte Erinnerungen, die immer wieder getriggert werden • Emotionaler Rückzug, Kritizismus, Entwertungen Bewältigbar sind: • Neurosen (eine Liebesbeziehung kann Bindungsstörungen heilen!) • Affären (wenn sich der Vermeider wirklich einläßt und aktiv bemüht) Entwicklungsperspektiven von Paaren • Entwicklung (Dialektische Synthese) “Gegensätze als Bereicherung sehen” Bild: Feuer und Wasser erzeugen Dampf • Stagnation (in Kampf oder Distanz) “Sich im Vertrauten aufbrauchen” Bild: Wasser löscht Feuer aus • Trennung “Gefahr der Wiederholung der alten Muster in einer neuen Beziehung oder Chance zum Neuanfang?” Bild: Feuer ohne Wasser kann nicht viel bewegen! Grundannahmen der ST-Paartherapie • Durch die Frustration von Grundbedürfnissen entstehen negative emotionale Schemata • Zur Spannungsreduktion werden unbewußt Bewältigungsstrategien entwickelt • Partner werden unbewußt nach den vertrauten Modellen der Kindheit ausgesucht (“Chemistry”) • Die Bewältigungsstrategien der Partner sind komplementär und bilden Moduszirkel • Veränderungstendenzen eines Partners führen zur Verstärkung der Moduszirkel (Eskalation) • Der Wechsel des Bewältigungsstil eines Partners führt zur Dekompensation des Moduszirkels E. Roediger funktional / flexibel wechseln können Einordnung Kooperation Zurückhaltung Abgrenzung Sensibles Kind Kraftvolles Kind (Sozialisieren) (Gestalten) Dysfunktional / desintegriert integriert Bedürfnisbefriedigung Verletzbarängstliches Kind (Bindung) Ärgerlichimpulsives Kind (Kontrolle) Parasymp . Unterordnung Aufopferung Selbstberuhigung Selbstfürsorge Gesunder Erwachsener Selbstbehauptung Fordern können Innen- außengerichtet gerichtet Angemessene Werte und Ziele Umbewertung/Entmachtung (regulierende Funktion) Antreiber /Bremser Kritiker / Bestrafer Innen- außengerichtet gerichtet Introjekt Sympath. Distanzierter Beschützer Internalisierend / autoplastisch Distanzierter Selbstberuhiger Modell Überkompensation Kampf externalisierend / alloplastisch Modus-Zirkel • Überkompensation – Unterordnung (stabil) • Überkompensation – Vermeidung (Eskalation) (ohne Intervention 80% in 4-5 Jahren getrennt) • Überkompensation – Überkompensation (instabil) • Vermeidung – Vermeidung (Erstarrung) • Ges. Erwachsener – Ges. Erwachsener (Entwicklung) Ziel: Den Modus-Zirkel als gemeinsamen Feind sehen! Dysfunktionaler Modus-Zirkel Partner 1 Partner 2 Aktivierter Modus (z.B.Wütendes Kind) Coping-Modus (z.B.Distanz. Besch.) Coping-Modus (z.B.Kontrollierer) Aktivierter Modus (z.B.Verletzbares Kind) E. Roediger Moduszirkel-Memo Auslösesituation: Partner 1:Bewältigungsmodus: Partner 2: Bewältigungsmodus: Kindmodi (verdeckt/offen): Reaktion des Ges. Erwachs.: Effekt: Kindmodi (offen/verdeckt): Reaktion des Ges. Erwachs.: 1. Moduszirkel unterbrechen • Moduszirkel aus Anamnese auf ein Blatt zeichnen • Nur auf aktuelles Verhalten in Therapie focussieren • Verhalten markieren, Coping labeln, auf Blatt beziehen • Von Dyade Spannung auf Moduszirkel ablenken • Nicht auf Inhalte, Gründe, Schuld eingehen, nur auf die aktuelle Interaktion ( der Zirkel ist das Problem!) • Bei wieder anlaufendem Coping fragen: “Welcher Modus ist das?” und auf Blatt beziehen • Fragen bremsen automatisches Coping und lenken den Focus von der Dyade auf den Moduszirkel • Coping und Emotion des primären Kindmodus trennen 5 Schritte zur Veränderung 1. Psychoedukation über die Moduszirkel Bild: Verstehen, wie Sägen geht 2. Unterbrechen dysfunktionaler Moduszirkel (Konsequent trennen, getrennte Räume aufsuchen) Bild: Falsches Sägen unterbrechen 3. Aus Reflexionshaltung Trigger und Zirkel analysieren (Anschluß an Kind-Modi und Grundbedürfnisse finden) Bild: Säge neu ausrichten 4. Kontrollierte Neubegegnung und Fürsorge (Change) (Kommunikationsregeln berücksichtigen) Bild: Achtsam in neuer Richtung ansägen 5. Positive Gesprächskultur aufbauen (neue Zirkel üben) (Zwiegespräche, positive Aktivitäten – allein und zu zweit) Bild: Säge sauber halten und weiter Sägen üben Therapeutenaufgaben 1 • Gute Gesprächsatmosphäre schaffen - Alle sitzen so, daß sich ansehen und anfassen können (keine Sessel) - Formulierungen der Patienten mitschreiben und benutzen (Pacing) - Der Therapeut markiert und amplifiziert durch Wiederholung und Betonung - Langsames Sprechen, einfache Worte und Bilder fördern das Verstehen Therapeutenaufgaben 2 • Der Therapeut kontrolliert den Prozess - Die Patienten sprechen zunächst über den Partner zum Therapeuten - Entwertungen werden unterbrochen, markiert und umformuliert - Vom Alten zum hier-und jetzt, vom Allgemeinen zum Konkreten - Vom Ablauf zur Emotion, vom “darüber reden” zum “tun” kommen - Im Verlauf lernen die Partner, direkt miteinander zu reden Therapeutenaufgaben 3 • Beziehungsgestaltung: “Ausgewogene Parteilichkeit” - Redeanteile ausbalancieren (wenn einer rausfällt, gezielt ansprechen) - Der schwächere Parter wird unterstützt und ermutigt (“Augenhöhe”) - In Absprache mit beiden erfolgen bedarfsweise Einzelgepräche, nicht unbedingt in gleicher Anzahl! (möglichst viel zusammen, wenn nötig getrennt) - Bedürfnisbefriedigung ist wichtiger als “formale Gerechtigkeit” Ablauf einer Paartherapie • Geschichte der Beziehung von beiden erfragen Beide Biographien (evtl. mit Fragebögen) Was war früher anziehend, Hoffnungen damals, Enttäuschungen, Bewältigungsversuche, Erwartungen an die Therapie, Vorbedingungen, eigener Beitrag? • Setting klären Paar- und Einzelsitzungen, Vertraulichkeit, Therapiebedingungen (keine Gewalt, Affären beenden, Probleme (Sucht, Geld) offenlegen) • Psychoedukation über Moduszirkel und Veränderung Konkrete Situationen mit Modell verbinden, Bezüge zu Biographien, Moduszirkel als “Außenfeind”, Unterbrechung vereinbaren, Beispiele sammeln lassen und in der nächsten Stunde gemeinsam analysieren • Unterstützung des Kind-Modus wechselseitig üben Anfangs in der Imagination (Therapeut als Modell), später im Gespräch • Positive Gesprächskultur und Aktivitäten aufbauen Zwiegespräche vereinbaren (Frequenz und Ablauf, 1-2x/Wo, evtl. kurz) positive gemeinsame Aktivitäten festlegen (incl. sexuelle Annäherung) Gemeinsame Imaginationsübung • Vorzugsweise mit dem zurückgezogenem Partner beginnen • Ein Partner beschreibt genau eine aktuelle Situation • Focussierung auf primäre Emotionen • Wechsel in Kindheitsituation, Szene aufbauen und genau beschreiben, dann Focus auf Emotionen • Bedürfnis erkennen, formulieren und dann aktiv an Partner richten (evtl. mit Hilfe des Therapeuten) • Partner versucht (einschließlich Berührungen) darauf einzugehen und Bedürfnis jetzt zu befriedigen. • Beide Partner berichten, wie sie den Partner wahr genommen und sich selbst gefühlt haben • Betonung des Unterschiedes vorher/nachher durch den Therapeuten und Regelextraktion Funktionaler Modus-Zirkel Partner 1 Partner 2 Aktivierter Modus (z.B.Wütendes Kind) Coping-Modus (Gesunder Erwachs.) Coping-Modus (z.B. Kontrollierer) Aktivierter Modus (z.B.VerletzbaresKind) E. Roediger 2. Moduszirkel auflösen • “Werkzeuge” sind: Ich-Botschaften und Fragen • Die Lösung bzw. Neuverbindung geht über verletzbares Kind • “Kind”-Gefühle und Wunsch bei Partner 1 erfragen. evtl. aufteilen in Coping oder wütendes Kind und verletzten, hoffenden Teil. Der Wunsch wird zuächst in den geschützen Raum gestellt • Nach dem Erleben bei dieser Art des Sprechens fragen • Partner 2 nach dessen Erleben zu Partner 1 fragen, auch hier ggf. aufteilen in verbitterten und bedürftig-hoffenden Teil • Dann umgekehrt fragen. Störungen sofort stoppen, notfalls diesen Teil konsequent zurückweisen (“das Wasser muß sauber bleiben”) • Pat sollen durch Diskrimination neue Qualität erleben • Von den Wünschen zu einer konkreten Absprache kommen • Wenn ein Partner blockiert: Markieren, Reflektieren, auf KindheitsErfahrungen beziehen (ggf. Einzelgepräche zur Blockadeauflösung) Gesprächsbewegung beim Modusauflösen Phase Polarisierung Akzeptanz Hinwendung Commitment Partner Partnererleben wiederholen Mit Blick auf Partnerwunsch Eigenes Erleben dazustellen eigenen Vorschlag machen 2 SachEbene/ Lösungsraum Konkrete Situation sachlich benennen Partner Eigenes Erleben Partnererleben wiederholen in Ich-Form eigenen Wunsch äußern 1 beschreiben Partnerwunsch erfragen Konkrete Absprache treffen Eigenen Beitrag nennen E. Roediger Kommunikationsregeln • Eine konkrete Situation sachlich ansprechen lassen • Erleben von Partner 1 erfragen (In “Ich-Botschaften”, sachlich) • Partner 2 wiederholt und stellt sein Erleben daneben (Die Aussagen nicht kommentieren, nebeneinander stehen lassen) • Partner 1 wiederholt sachlich Erleben von Partner 1, stellt das einbeziehend seinen Wunsch in den Raum • Partner 2 wiederholt den Wunsch und stellt mit Bezug dazu seinen Lösungsbeitrag in den Raum (GE-Perspektive) • Partner 1 stellt zwischen beiden Wünschen seinen Lösungsbeitrag in den Raum (soweit er maximal gehen kann) • Gemeinsame Absprache treffen (evtl. muß Therap. vermitteln) • Im nächsten Zwiegespräch Absprache überprüfen Sexuelle (Wieder)-Annäherung • Sexuelle Begegnungen vertiefen die Verbindung (u.a. durch Oxcytozin- und Opioid-Freisetzung) • Stress verschlechter Appetenz und Potenz! • Druck rausnehmen, Abstand und “Neustart” • Zurückgehen auf sichere sexuelle Begegnungsebene • Wünsche erkennen, formulieren und dann aktiv an Partner richten (evtl. mit Hilfe des Therapeuten) • Im Zweifelsfalle „die Dinge selbst in die Hand nehmen“ (im Beisein des Partners, der sich vorsichtig „beteiligt“) • Partner reden über ihr Erleben (verstärkt Bindung) • Beim Sex anschauen, gemeinsam Neues ausprobieren 3. Das Paar übt selbstständig • Selbständig Moduszirkel-Protokolle ausfüllen (Anfangs in der Stunde, später in Zwiegesprächen besprechen.) • Achtsamkeit bzgl. eigener Modusaktivierungen und Desaktualisierung üben (evtl. mit BEATE-Schritten) • Anhaltend Kommunikationsregeln üben (Im Alltag und anfangs in fest vereinbarten Zwiegesprächen) • Partner aktiv um Grundbedürfnisbefriedigung bitten • Perspektivwechsel üben, unnötige Trigger vermeiden • Gemeinsame Aktivitäten fest einplanen • Dem Partner Freiräume für eigene Aktivitäten lassen • Veränderungen vor und nach Therapie besprechen Eine faire Trennung einleiten • Sachliche Analyse der verbindenden und trennenden Aspekte (Beziehungsbilanz) • Prüfen, ob bei beiden Partnern die Bereitschaft (und die Fähigkeit!) zu einer positiven Entwicklung da ist • Bedingungen für eine positive Entwicklung genau festlegen und Probephase vereinbaren • Zwischenbilanz; ggfs. Probetrennung vereinbaren • Absprechen, ob und wie in dieser Phase weiter gearbeitet wird (getrennt, mit beiden, mit einem, garnicht) • Lösungen für wichtige praktische Probleme finden • Zu Mediator vermitteln und Therapie beenden (evtl. mit dem Partner weiterarbeiten, der sich weiterentwicklen möchte) Es geht immer irgendwie weiter…. Literatur Für Patienten: J. Young, J. Klosko (2006): Sein Leben neu erfinden. Junfermann, Paderborn E. Roediger (2011): Raus aus den Lebensfallen- Das Schematherpie –Patientenbuch. Paderborn: Junfermann M.B. Rosenberg (2002): Gewaltfreie Kommunikation. Paderborn: Junfermann Für Therapeuten: E. Roediger (2010) Schematherapie mit Paaren. In: Roediger, E & Jacob G. (Hrsg.) Fortschritte der Schematherapie Göttingen: Hogrefe S.M. Johnson (2004) Creating connections: The practice of emotionally focused couple therapy. New York: Brunner-Routledge