Resch, Dr. Ingo, Maria Laach

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30.01.10.
Evolutionstheorie im Vergleich zur Struktur der biblischen Schöpfungs- und Heilslehre
Dr. Ingo Resch
Können wir überhaupt die Struktur der Evolutionstheorie mit der Struktur der Bibel
vergleichen? Finden wir in den Naturwissenschaften einerseits und Geisteswissenschaften
oder gar in den Religionen andererseits vergleichbare oder gleiche Strukturen? Ein Vergleich
ist aus folgenden Gründen möglich:
1. Beide, d.h. Evolutionstheorie und Bibel befassen sich mit der Entstehung des Lebens.
2. Beide beschreiben Prozesse, die sich wissenschaftlicher Beobachtung insofern
entziehen, da sie nicht wiederholbar sind. Insofern beinhaltet die Evolutionstheorie
mehr als reine Naturwissenschaft, sie ist auch Naturphilosophie.
3. Leben ist sowohl ein biologischer, als auch ein sozialer, geistiger und geistlicher
Vorgang, also ein Bereich der Geisteswissenschaften. Funktionieren beide
Lebensbereiche vollständig anders oder gar konträr, oder aber sind sie in ihrer Struktur
und Abläufen vergleichbar? Folgen sie möglicherweise sogar vergleichbaren
Gesetzen?
4. Einerseits wird die Naturwissenschaft herangezogen, um ein Wirken Gottes in der
Welt zu leugnen, andererseits lehrt Paulus, dass wir Gott an seinen Werken erkennen
können, also an der Schöpfung, d.h. an dem Ergebnis naturwissenschaftlich zu
beschreibender Abläufe.
Benedikt XVI schrieb: „Die Natur hat nicht nur Ablaufgesetze, wie sie die Naturwissenschaft
erforscht, sondern sie trägt eine tiefere Botschaft in sich. Sie gibt uns Wegweisung. Wenn wir
von Naturgesetz reden, dann meint sie nicht die Gesetze im naturwissenschaftlichen Sinn,
sondern die innere Weisung, die uns aus der Schöpfung entgegenleuchtet.“ In diesem Sinn,
wenn auch aus einer gänzlich konträren Perspektive, äußerte sich einer der führenden Köpfe
der Evolutionsforschung des 20. Jahrhunderts Ernst Mayr. Er nahm an, es sei ein
lohnenswertes Ziel der Evolutionsforschung, moralische Maßstäbe für unser Verhalten zu
finden. Der Papst meint an der Natur können wir die Handschrift Gottes erkennen, und viele
Evolutionsforscher meinen an ihr bzw. ihrer Entwicklungsgeschichte können wir Anleitungen
für unser Verhalten finden. Die drängende Frage lautet: vermittelt uns Gott durch seine
Schöpfung, also durch die von uns erkannten Naturgegebenheiten und Naturgesetze andere
Anleitungen als z.B. mit den Sinaitafeln? Hier wird, so meine ich, gerade ein Gegensatz
deutlich, auf den ich später zu sprechen kommen werde.
Darwin hat den Gedanken der Selektion, als elementaren Bestandteil der Abstammungslehre,
nicht im naturwissenschaftlichen Experiment entdeckt, sondern von dem Sozialforscher
Thomas Robert Malthus, der von 1766 bis 1834 lebte, entlehnte. Die Verelendungstheorie von
Malthus und die Ansicht Lyells, der meinte die geologische Entwicklung der Erde gehe stetig
vor sich, veranlassten Darwin von der These der Konstanz der Arten abzugehen und statt
dessen eine langsame und stetige Entwicklung der Organismen anzunehmen. Es wurden und
werden für seine Annahme Belege gesucht. Auch Darwin wusste, dass für seine
Überlegungen noch entscheidende Belege fehlen, und nicht umgekehrt führten Belege
zwingend zu einer Theorie. Auf diesen wesentlichen methodischen Unterschied sollten wir
sehr sorgfältig achten.
Es war die geistesgeschichtliche Entwicklung in dieser Zeit welche die Grundlagen dieser der
Evolutionstheorie inhärenten Strukturen lieferte. Es war nicht ein Naturwissenschaftler,
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sondern ein Theologe, nämlich Johann Gottfried Herder, der rund 80 Jahre vor Darwin den
Gedanken formulierte Naturgeschichte als Entwicklungsgeschichte zu verstehen, welche die
Vielfalt der natürlichen Gestalten hervorbringt. Er sah in der Natur die schöpferische Potenz,
die, wie er meinte, früher einem außerweltlichen Bereich zugeordnet war. Die Entwicklung
durchläuft verschiedene Stufen, die mineralische, die vegetative und die animalische. Jede
Stufe hat ihr Recht in sich, aber enthält zugleich den Keim zur jeweils höheren. Und alle
Stufen sind Vorstufen des Menschen. Ähnliche Gedanken finden wir nicht nur bei vielen
Denkern seiner Zeit, sondern bereits bei den Alchemisten, in der griechischen Philosophie uw.
Nicht zuletzt hat der Großvater von Charles Darwin ein solches Forschungsziel formuliert.
Auch der Gedanke von Karl Marx, dass sich die Gesellschaft auf Grund eines dialektischen
Prozesses höher, d.h. in eine gerechtere Gesellschaft entwickelt, entstand nicht aus einem
gesicherten naturwissenschaftlichen Experiment, sondern aus einer philosophischen
Annahme. Natürlich war Marx hoch erfreut, als er vernahm, dass Darwin einen
vergleichbaren Gedanken für die Entwicklung der Arten vertrat und vermeintliche biologische
Belege präsentierte. Doch diese Belege zeigen Entwicklungen innerhalb von Grundtypen, wie
Pferdeartige, Entenartige usw. und nicht den Übergang von einem Grundtypus in einen
anderen. Wir werden bei unseren Überlegungen und dem Vergleich mit der Struktur des
Lebens in der Bibel und Evolutionstheorie die Mikroevolution gesondert berücksichtigen
müssen. Sie entstand in der Tat aus Beobachtungen. Die so genannten Darwinfinken liefern
einen aus Beobachtung stammenden Beleg. Also es gilt den Unterschied zu beachten,
Veränderung eines Grundtyps, der aber immer noch derselbe Grundtyp bleibt, oder
Veränderung, die zu anderen, neuen Grundtypen führen.
Sowohl in der Bibel, als auch in der Evolutionstheorie geht es um Veränderungen in der Zeit.
Veränderungen, die zu einer Höherentwicklung führen. Beide beschreiben einen
Geschichtsprozess. Die Bibel ist insgesamt geschichtlich zu verstehen, also nicht nur die
Schöpfungsgeschichte, sondern auch die Heilsgeschichte. Das Werden dieser Welt und des
Lebens auf dieser Welt ist in einem Zeitablauf beschrieben, wobei in der Phase der Schöpfung
jede Stufe die Voraussetzung für die nächste Stufe bildete. Ob dies nun in 6 Tagen à 24
Stunden vor sich gegangen sein mag oder in langen Äonen von insgesamt über 13 Milliarden
Jahren, spielt unter dem Gesichtspunkt der Geschichtlichkeit keine Rolle. Die
Evolutionstheorie geht von ähnlichen Entwicklungsstufen aus und sieht das Entstehen und
Werden zuerst der unbelebten und dann der belebten Welt als eine Abfolge, die zu immer
komplexeren Strukturen führt.
Wir können feststellen, beide sind geschichtlich, beide gehen davon aus, dass erst
physikalische Grundlagen und dann biologische Formen gebildet wurden. Fast alle anderen
Mythologien dieser Welt sind ungeschichtlich, weil sie zyklisch sind.
Die klassische Evolutionstheorie befasst sich nicht nur mit der Frage, wie sich die Primaten
bis hin zum Menschen entwickelt haben könnten, sondern, was aus dem, durch den Urknall
auseinanderstrebenden Kosmos eines Tages werden wird. Nach manchen Vorstellungen wird
er wieder zusammenfallen. Das bietet somit die Grundlage eines neuen Urknalles und eines
neuen Spieles der Evolution. Mit dieser Annahme wäre aber die Evolutionstheorie zyklisch
und nicht mehr geschichtlich. Die biblische Aussage bleibt geschichtlich, denn es gibt eine
lineare Heilsgeschichte und im Großen keine sich wiederholenden Abläufe.
Mit diesem Punkt stoßen wir auf ein weiteres zentrales Strukturmerkmal. Die
Evolutionstheorie kennt kein Ziel. Zufall und Naturgesetze sind die formenden Kräfte, und
daraus ergeben sich in der Folge Notwendigkeiten. Diese Notwendigkeiten schränken die
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Freiheit in der weiteren Entwicklung ein. Denn wenn gewisse Konstellationen vorliegen, kann
die Entwicklung nur in einer bestimmten Richtung weitergehen.
Die Bibel geht von einem Ziel aus, das Gott mit der Schöpfung verfolgt, und nicht nur von
Notwendigkeiten. Im Gegenteil, durch Jesus ist die zentrale notwendige Abfolge
unterbrochen, nämlich der Tod. Aber auch im normalen Lebensablauf eines Menschen oder
eines Volkes gibt es eine Umkehr, die Buße, die einen Neuanfang erlaubt. Wenn sich Jesus
der Sünder, also der Zöllner und Huren annimmt, dann geht er nicht davon aus, weil diese
Menschen nun einmal einen bestimmten Weg eingeschlagen haben, sind sie verloren. Der
abschüssige Weg kann unterbrochen werden. Es gibt den Neuanfang.
Auch das Schicksal ist im biblischen Verständnis nicht als Notwendigkeit zu verstehen,
sondern wie es Martin Buber ausdrückte, Schicksal und Freiheit sind aneinander gelobt. Dem
Freien schaut, als das Gegenbild seiner Freiheit das Schicksal entgegen. Es ist nicht seine
Grenze, es ist seine Ergänzung. Wer Freiheit und Notwendigkeit in der Wirklichkeit des vor
Gott Stehen erfährt, der erfährt, dass er einerseits anheimgegeben ist, aber mit einem Ziel, das
sich bei Gott befindet und andererseits weiß, dass er selbst herausgefordert ist zu überwinden,
wie es Jesus in den sieben Sendschreiben an die Gemeinden in Kleinasien uns verdeutlicht.
Damit wird aber ein weiterer entscheidender Unterschied offensichtlich. Den Neuanfang kann
ein Mensch nicht von sich aus bewerkstelligen. Es bedarf des Inputs von außen. Es ist das
Wirken des heiligen Geistes. Ohne mich könnt ihr nichts tun, sagt Jesus. Durch ihn kann der
Mensch Veranlagungen, Prägungen und Gegebenheiten überwinden. Der Geist Gottes bewirkt
die Frucht der Liebe, wie es Paulus im Galaterbrief schreibt.
Aus einer sich zwangsläufig ergebenden Notwendigkeit des weiteren Ablaufes des
Geschehens, kann mit Hilfe des Geistes Gottes ausgebrochen werden. Das bedeutet, nicht nur
der Schöpfungsvorgang ist als ein Wirken Gottes zu verstehen, sondern auch der Ablauf des
menschlichen Lebens.
Dieser Umstand ist deshalb so bedeutsam, weil er zu einem anderen Menschenbild führt, als
es die Evolutionstheorie annimmt. Übrigens auch dann, wenn von einer theistischen
Evolutionstheorie ausgegangen wird, wie dies z.B. Teilhard de Chardin vertritt. Ist der
Mensch in einen Evolutionsprozess eingebunden, dann führt dies einerseits zu einer
Leugnung des freien Willens, andererseits auch zu einer Leugnung des zentralen biblischen
Begriffs der Gnade. Gnade ist nicht erforderlich, wenn Erlösung durch einen natürlichen
Evolutionsprozess geschieht.
Das bedeutet, die Bibel geht von einem offenen System Mensch, Welt, ja Kosmos aus. Die
Geschichte der Menschheit beginnend mit Adam und endend mit dem Wiederkommen von
Jesus zeigt die freien Handlungen Gottes und des Menschen. Da auch der Kosmos von Gott
geschaffen ist, muss auch der Kosmos ein offenes System sein. Die Evolutionstheorie, geht
eventuell noch von einem offenen System Welt aus, z.B. mit der Annahme, dass aus dem
Kosmos Sporen des Lebens auf diese Erde kamen, die dann den Prozess des sich selbst
entwickelnden Werdens auf der Erde auslösten. Doch woher kommen diese Sporen? Sie
stammen aus dem Kosmos und sind nicht transzendenten Ursprungs. Damit wäre der Kosmos
im Evolutionsverständnis ein geschlossenes System. Doch im biblischen Verständnis schuf
Gott die „Sporen des Lebens“, nicht der Kosmos. Geist und Bewusstsein kamen von Gott,
also außerhalb des Kosmos.
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Dass die Bibel von einem offenen System ausgeht widerspricht nicht den geistes- oder
sozialwissenschaftlichen Erfahrungen: Denn eine Kultur oder selbst ein
Wirtschaftsunternehmen ist schnell dem Ende preisgegeben, wenn es sich abkapselt und keine
Einflüsse von außen wirken lässt. Wirtschaftswachstum ist übrigens bei konstanter
Bevölkerung primär durch technologischen Input möglich, also ein Einwirken von etwas, dass
nicht eigentlich System Wirtschaft ist. Unser gesamtes Leben ist ein offenes System.
Die stufenweise Entwicklung, wie sie in der Bibel mit jedem Schöpfungstag und in der
Evolutionstheorie mit jedem Schritt in eine höhere Komplexität beschrieben ist, bedarf eines
Antriebes. Die Struktur der Bibel geht davon aus, des jeder Schritt zu höheren Lebensformen
bis hin zum mit Geist beseelten Menschen ein Akt Gottes ist. Also der Kosmos als offenes
System verstanden, bedarf des Geistes und der Kraft um sich weiterzuentwickeln. In der
Evolutionstheorie wird davon ausgegangen, dass diese Kraft als Potential vorhanden ist, ohne
Einwirkung von außen geschieht daher die Weiterentwicklung.
Leben beruht nicht nur auf Materie, sondern auch auf Informationen. Sie sind in den Genen
(den Erbfaktoren) und anderen informationstragenden Strukturen, die sozusagen die
Anweisung für die Struktur des lebenden Organismus geben, enthalten. Die Evolutionstheorie
geht davon aus, dass sich biologische Informationen spontan durch Anhäufung kleinster
Veränderungen im Laufe langer Zeiträume ergeben. Abgesehen davon, dass die beobachtbare
Wandlung der Arten mit der bislang nicht beobachtbaren Hypothese der Ursache dieser
Wandlung vermischt wird (G.Rothe, Factum, 9/2009) ist gemäß biblischem Bericht die Zeit
von Gott geschaffen. Der Zeitbegriff entsteht als Folge des ersten Schöpfungsaktes des
Schaffens von Energie. Und Gott sprach, es werde Licht. Der erste Zeitabschnitt, aus Abend
und Morgen, aus Dunkelheit Licht. In der Evolutionstheorie übernimmt die Zeit in
Kombination mit dem Zufall die Schöpfungsfunktion. Dieses und Gott sprach in der Genesis
und das höre Israel in der Heilsgeschichte, steht im Gegensatz zu einer sich durch
Veränderung ergebenden Information. Gottes Information verändert und nicht umgekehrt
schafft Veränderung Information.
Das Fundament jeden biologischen Lebens ist die Fähigkeit der Pflanzen, Lichtenergie in
chemische Energie zu verwandeln. Die Erklärung für diesen Vorgang wird in dem
Nahrungsmangel der Ursuppe gesucht, so dass die dort vorhandenen Einzeller die
Fotosynthese erfanden. Genaugenommen handelt es sich damit um eine Selbstschöpfung der
Natur, auch wenn dieser Begriff in sich widersprüchlich ist.
Nach biblischem Verständnis wäre dies auch unmöglich. Wieder stoßen wir auf den
strukturellen Gedanken, den Jesus auf den bereits erwähnten Punkt gebracht hat, „ohne mich
könnt ihr nichts tun“. Also nicht nur das Entstehen komplexerer Strukturen ist nur durch
einen Input von außen möglich, sondern auch die geistige oder psychische Höherentwicklung.
Völlig konträr dazu die Evolutionstheorie und die von Menschen erdachten Religionen und
Ideologien. Die Vorstellung einer autonomen Höherentwicklung ist ihnen allen gemein. Der
im Dschihad getötete Märtyrer gelangt automatisch in das Paradies auf Grund seines
heldenhaften Erduldens, das Entsagen des buddhistischen Mönches führt in die höhere
Reinkarnation, die Revolution der Marxisten in die gerechte Gesellschaft.
Den Unterschied zwischen Makro- und Mikroevolution möchte ich hier noch einmal
hervorheben. Bei der Mikroevolution gehen wir von einem genetischen Potential der
Grundtypen aus, das diese in die Lage versetzt Anpassungsvorgänge zu bewältigen. Im
Grundsätzlichen ändert sich nichts wesentliches, der Grundtyp bleibt derselbe. Ein Bakterium,
das eine Resistenz erworben hat, bleibt ein Bakterium. Die äußeren Herausforderungen
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bewirken lediglich eine Änderung im Rahmen eines grundsätzlichen Potentials, um sich
einem geänderten Umfeld anzupassen. Das ist auch im biblischen Weltbild nicht anders. Jesus
lehrt uns, dass wir z.B. von dem unrechten Haushalter lernen sollen. Er passte sich der
Situation, in die jener kam, an. Aber dieser Haushalter war nicht plötzlich ein Supermann. In
der Makroevolution findet jedoch angeblich ein stufenweiser Prozess einer neuen, gänzlich
anderen Komplexität und Funktionalität statt. Dem Schöpfungsbericht können wir
entnehmen, dass jeder Schöpfungsakt Arten hervorgebracht hat, die in sich vollkommen
waren. Jede Art war für den Lebensbereich oder die Aufgabe, für die sie geschaffen wurde,
vollständig. Wenn wir heute rätseln, warum die Dinosaurier ausgestorben sind, dann rätseln
wir deshalb, weil wir aus all den gewonnenen Erkenntnissen den Schluss ziehen, die
Dinosaurier hatten alle zum Leben notwendigen Organe besessen, sie sind nicht ausgestorben
weil ihnen vielleicht der Darm noch fehlte, und sie sich so zu Tode gefressen haben.
Die Evolutionstheorie zieht den Schluss, dass sich das Leben aus sich selbst weiter entwickelt.
Das Ergebnis dieser Entwicklung wird als immer gleich angenommen: die sich entwickelnde
Lebensform ist monistisch, d.h. kollektivistisch. Sei es die Annahme von Carsten Bresch über
ein Monon, also eine Art Superorganismus aller Lebewesen auf der Erde, das dann mit
anderen Monons auf anderen Gestirnen in Kontakt tritt, sei es die Noosphäre bei Teilhard des
Chardin oder die kommunistische Gesellschaft bei Kar Marx wie das anzustrebende arische
Kollektiv einer neuen Herrenschicht.
Auch hier geht die Bibel von einem gänzlich anderen Bild aus. Die Höherentwicklung findet
nicht durch gesellschaftliche oder biologische Fusionsprozesse statt, sie findet auch nicht aus
sich heraus statt, sondern nur in der Verbindung mit Gott. Das Heil kommt, so wie in der
Schöpfung, von außen, von Gott, aber für jeden einzelnen. Jesaja schreibt, die Reiche,
genannt Inseln, vergehen, aber es geht um den einzelnen. Ich habe dich bei deinem Namen
gerufen, du bist mein.
Steht das Kollektiv über dem Einzelnen, wie im Kommunismus, Nationalsozialismus, Islam
und letztlich auch bei den fernöstlichen Religionen oder kommt es auf die Würde, Heil und
Unversehrtheit jedes einzelnen Menschen an? Daraus folgt, suchen wir den Weg im
Abwenden von Gott und mit eigenen Maßstäben oder in der Zuwendung zu Gott? Die
Maßstäbe sollen z.B. in dem von der Evolutionstheorie geprägten Menschenbild aus der
bisherigen Entwicklung, wie wir sie bei der biologischen Evolution vermuten, gefunden
werden. Oder, die Menschen versuchen sich auf einen Minimalkonsens zu einigen, den sie
meinen in allen Kulturen selbst entwickelt zu haben. Dies wäre der Ansatz von Hans Küng.
Die Regel auf die sich wohl alle einigen könnte, wäre – so Küng - z.B. nicht zu töten. Doch
das Tötungsverbot in dieser strikten Form gibt es nicht im Islam, in den Idologien auch nicht,
in unserer säkularen Welt auch nicht, wenn sie an die Abtreibung, Sterbehilfe, Eugenik usw.
denken. Jaques Monod sah sogar die Tötung von nicht an den Erfordernissen angepassten
Lebens als eine Notwendigkeit, der wir uns in ca. 100 Jahren stellen müssen. Die heile Welt
ist bisher dem Menschen nicht gelungen. Diese Unmöglichkeit beschreibt die Bibel. Doch
gemäß der Evolutionstheorie wäre die vollkommene Welt nicht nur möglich, sondern liegt
sogar in der Linie der Entwicklungsstrategie. Das sich entwickelnde Kollektiv repräsentiert
die Vollkommenheit.
In der Beschreibung warum der Mensch so ist, wie er ist, vertreten Bibel und
Evolutionstheorie ebenfalls konträre Standpunkte. Gemäß biblischer Offenbarung hat der
Mensch die Verbindung zu Gott, also die Leben schaffende Beziehung aufgekündigt, weil er
gleich sein wollte wie Gott. Die Bibel geht davon aus, dass eine Leben schaffende Beziehung
nur dann funktioniert, wenn die Beziehungspartner unterschiedlich sind. Dem kann ich als
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Kaufmann zustimmen. Ein Wirtschaftsleben wäre mit lauter Anbietern nicht möglich. Wären
alle Menschen Bäcker würden wir verhungern. So führte dieses Gleichseinwollen wie Gott zu
einer Trennung des Menschen von Gott und damit zum Tod des Menschen. Es führt
zusätzlich dazu, dass der Mensch meinte auf sich bezogen Gerechtigkeit erlangen zu können.
Dieser Wunsch führte laut Genesis zum ersten Mord in der Geschichte, als Kain den Abel
erschlug. Laut biblischem Bericht ist der Mensch damit ein gefallenes Geschöpf, das somit
schuldig ist. Oder ganz einfach: jeder Mensch wird irgendwie, irgendwann in seinem Leben
schuldig, mag er noch so edel gesinnt sein. Warum wird er schuldig? Weil er in der Trennung
von Gott nicht in der Lage ist, sündfrei zu leben. Sünde ist die Trennung von Gott. Diese
Trennung mit den entsprechenden Folgen will Gott lösen, wie uns die alttestamentlichen
Berichte zeigen und Gott hat sie durch Jesus grundsätzlich gelöst. Da der Mensch einen freien
Willen hat, kann er dieses Erlösungsangebot annehmen oder nicht. Die Annahme geschieht in
dem vertrauensvollen Zuwenden. Ein Christ ist nicht ein edel Vollkommener, wie es Homer
für die Helden seiner Sagen noch vorschwebte, sondern ein Mensch der Jesus braucht, der
ohne ihn nicht leben kann.
Die Evolutionstheorie muss, strukturell bedingt, von einem anderen Bild ausgehen: Die
Vervollkommnung geschieht im Laufe einer langen Zeit. Der Gegensatz wird deutlich:
Gemäß Evolutionstheorie aus der geringeren Komplexität in die höhere Komplexität, was
auch als Vervollkommnung verstanden werden kann, gemäß Bibel aus der Vollkommenheit
im Garten Eden in die Unvollkommenheit, die erst am Ende der Heilsgeschichte nicht durch
den Zeitablauf sondern durch Jesus gelöst wird.
So wie die biologische Evolution lange Zeiträume benötigte, so auch die geistige Evolution
des Menschen. Denken Sie an die Eingangsworte von Ernst Mayr. Der Mensch hat in seinem
Verhalten noch nicht die Stufe der Vollkommenheit erreicht. Daraus folgert: Vielleicht ist der
KZ-Scherge nicht schuldig, oder die Mörder im Gulag usw. Er ist nicht schuldig, weil die
Evolution noch nicht so weit war in jenem dunklen 20. Jahrhundert. Im Evolutionsmodell
wird die Schuld relativiert, nicht in der Bibel.
Das Problem sitzt noch tiefer. Der zu Bewusstsein und Geist führende Evolutionsprozess,
reduziert den Gegensatz zwischen Gut und Böse, denn er geht von unterschiedlichen Graden
der Perfektion aus. Das geschieht auch bei den Theologen, die eine angebliche Versöhnung
zwischen Wissenschaft und Glauben anstreben. Denn wenn zwischen Gott und dem
Menschen ein irreversibler, aber zufallsgesteuerter Prozesses wirkt, handelt der Mensch nicht
mehr frei. Er passt sich an. In diesem Fall ist der Mensch auch nur eingeschränkt
verantwortlich, mit der Folge die für die biblische Offenbarung wesentlichen Unterschiede
zwischen Gut und Böse zu relativiern. Werden sie relativiert, landen wir in einem
Amoralismus und damit Nihilismus.
Die theistischen Evolutionstheoretiker, die Evolutionstheorie und Bibel meinen vereinbaren
zu können, lassen sich in vier Gruppen einteilen:
1. Der Mensch ist grundsätzlich nicht schuldig, damit auch nicht am Tod. Der für
Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche in Württemberg zuständige HansJörg Hemminger schreibt, dass der Mensch angeblich gemäß biblischer
Überlieferungen die Schöpfung Gottes verdarb, aber und jetzt setzt er sich in den
Gegensatz zur Bibel, damit wäre dem übereifrigen Primaten zu viel zugetraut.
Hemminger macht damit dem Mensch zum Tier, das nicht schuldig ist und schiebt
Gott die Schuld zu.
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2. Die Gnade erübrigt sich, weil der Prozess ohnedies in die Erlösung mündet, wie dies
Teilhard de Chardin vertritt,
3. Die Welt ist pantheistisch zu verstehen, wie bei dem Jesuitenpater Christian Kummer.
4. Zufall, Notwendigkeit und die Fruchtbarkeit des Universums steuern die Evolution,
wie es der Jesuitenpater George Coyne beschreibt. Doch Paulus warnt die Kolosser
sich nicht von einer Philosophie einfangen zu lassen, die auf der Lehre von Menschen
und den Mächten oder Elementen der Welt statt auf Christus gründen.
Bei jedem theologischen Denker, der die Evolutionstheorie als Grundlage nimmt, opfert er an
irgendeiner Stelle eine zentrale heilsgeschichtliche Aussage. Es geht um Heilsgeschichte, die
allerdings in der Genesis angelegt ist. Ohne den wirkenden Schöpfergott ist die biblische
Heilsgeschichte nicht zu verstehen.
Zu welcher Konsequenz führen alle Ansätze der Evolutionstheorie: Wir bauen um uns eine
Mauer von Gesetzen und Gesetzlichkeiten, die für die Liebe Gottes undurchlässig wird.
Deshalb schließen wir Wunder aus. In diesem Geist konnte Bultmann die Bibel
entmythologisieren. In diesem Geist schließt Küng die Jungfrauengeburt aus, obwohl sie zum
Verständnis der Heilsgeschichte zentral ist. Kosmische Gesetze und Gesetzmäßigkeiten sind
en Vogue, wer hingegen von dem Wirken Gottes in konkreten Lebenssituationen spricht, wird
als Sektierer eingestuft.
Gesetze können von Gott trennen. Dies wäre z.B. im Islam der Fall. Zur Rettung der eigenen
Ehre wird bei den Ehrenmorden ein Menschenleben geopfert. Das höchste Gut die
unantastbare Würde jedes Menschen ist weniger wert, als die Ehre und Gefälligkeit vor Allah.
Diese Denkweise finden wir auch im Johannesevangelium, wenn die Jesus anklagenden Juden
argumentieren, wir haben ein Gesetz, und nachdem muss er sterben. Im Gegensatz dazu steht
bei Gott die Liebe immer über dem Gesetz, der Gesetzlichkeit, ja selbst des Naturgesetzes,
sonst hätte Jesus nicht über das Wasser laufen können, um seine in Angst befindlichen Jünger
zu trösten, am Sabbat heilen oder Kornausraufen lassen.
Es ist bemerkenswert, dass ursprünglich christlich geprägte Denker wie Karl-Friedrich von
Weizsäcker, Arnold J. Toynbee, Hans Küng, Michael von Brück u.a. in manchen ihrer
Denkergebnissen dem Buddhismus näher stehen, als der biblischen Erlösungsbotschaft. Der
Buddhismus ist in seiner Struktur ähnlich der Evolutionstheorie, das Niedere entwickelt sich
selbst in das Höhere und landet genau deshalb in einem Nihilismus, weil das eigentlich
Höhere, das durch den Unsichtbaren aber Gegenwärtigen Schaffende und Erlösende negiert
wird.
Konrad Lorenz, der eigentlich vom katholischen Glauben geprägt war, aber doch primär die
Evolutionstheorie als Grundlage seiner Verhaltensforschung nahm, hat in seinem Buch Das
sogenannte Böse einen bemerkenswerten Satz geschrieben: Der Mensch ist gar nicht so böse
von Jugend auf, er ist nur nicht gut genug, um mit den Anforderungen des modernen
Gesellschaftsleben fertig zu werden. Im 1. Buch Mose sagt Gott nach der Sintflut: Das
Sinnen und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Auch hier sehen wir
zu welch konträren Schlussfolgerungen beide Weltbilder kommen. Nicht Buße ist nötig, denn
die Gesellschaft ist schuldig.
Wer den Evolutionsprozess unterstellt, ob mit oder ohne Gott akzeptiert einen Mechanismus
und ein System des angeblichen Fortschritts oder des besseren Angepasstseins oder der
höheren Komplexität. Die Konsequenzen sind daher in weiten Bereichen die gleichen, ob die
Theorie theistisch oder atheistisch unterfüttert ist.
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Wir stehen vor der entscheidenden Frage: Ist der Mensch in seinem Verhalten noch nicht weit
genug entwickelt oder ist das Verhalten fehlerhaft, weil sich der Mensch von Gott getrennt
hat? Grundsätzlich gehen die nichtbiblisch geprägten Weltbilder nicht von einem gefallenen
Menschen aus. Dies trifft nicht nur für den Humansimus und den sozialistischen Ideologien,
sondern auch für den Islam und Buddhismus zu. Diese Weltbilder meinen der Mensch selbst
muss eine unvollkommene Ausgangslage verbessern. Deshalb kennen sie nicht den Heiland,
von dem die Bibel berichtet, sondern machen ihr Heil selbst. Statt dem Heiland, die Helden.
Der Mensch soll gemäß biblischer Offenbarung Schuld bekennen, aber er kann sich vor Gott
nicht selbst entschuldigen. Deshalb lehrt die Bibel, dass die Gerechtigkeit aus dem Glauben
kommt. Gestatten sie mir als lutherisch geprägter Christ, die Bemerkung, dass gerade in der
Zeit Luthers die römische Kirche sehr stark die Prägung einer typischen Religion annahm.
Mit bestimmten Verhaltensweisen wäre die Erlösung machbar. Der biblische Text, schon im
AT, besagt jedoch ganz eindeutig, die Gerechtigkeit vor Gott kann nur aus dem Glauben
erfolgen und hierüber versuchen die beiden Konfessionen auch eine ökumenische
Gemeinsamkeit zu praktizieren. Einig sind sich die grossen Konfessionen in dem Glauben,
dass die Auferstehung von Jesus, der die Übernahme der Schuld am Kreuz vorausging, zu der
Erlösung führt. Doch die Auferstehung leugnen nicht nur agnostisch geprägte
Evolutionstheoretiker, sondern auch etliche der von der Struktur der Evolution geprägte
Theologen, wie Gerd Lüdemann, Hans Küng und natürlich Teilhard de Chardin. Bei ihm ist
Christus nicht mehr der Jesus, der Gottmensch, die Epiphanie Gottes, der Erlöser, statt
dessen ist er der Initiator eines rein natürlichen Evolutionsprozesses und zugleich sein Ziel,
der Christus – Omega, wie es der katholische Philosoph Dietrich von Hildebrand (S. 356)
beschreibt.
Was bedeutet die Heilsgeschichte der Bibel? Der Mensch vertraut Gott, d.h. seinen Weg
durch Jesus Christus. Grundbaustein des Lebens ist die Beziehung des Menschen zu Gott.
Diese ist durch den Sündenfall zerstört. Ein Wiederherstellen dieser Beziehung fordert vom
Menschen Vertrauen zu Gott und damit Gefolgschaft. Die gute Tat kann Vertrauen nicht
ersetzen. In der Evolutionstheorie ist Vertrauen zur Höherentwicklung nicht nötig, es bedarf
nur der eigenen Fähigkeiten.
Die derzeit in das Bankensystem gepumpten Milliarden sollen Vertrauen wieder herstellen.
Selbst in der profanen Wirtschaft ist ein Gedeihen ohne Vertrauen unmöglich. Aus der
Wirtschaftskrise können wir auch lernen, dass durch die maßlose Vermehrung von Geld und
damit Schulden Grenzen überschritten wurden. Wir meinten ohne Arbeit reich werden zu
können, was einigen gelang, jedoch die Mehrheit hat weniger, die Verarmung nimmt zu.
Braucht der Mensch in seinem Verhalten Grenzen?
Der Glaube an Gott als dem Schöpfer und Erhalter des Lebens setzt Grenzen. Eine sich aus
Zufall ergebende Entwicklung, die nicht zielorientiert ist, kennt a priori keine Grenze. Das
was sich aus der jeweiligen Konstellation ergeben mag, kann gemacht werden. Wo liegen die
Grenzen in der biblischen Sichtweise und wo in der evolutionistischen?
Die Grenze im biblischen Verständnis bildet das Du. Dieses Du ist der Nächste und Gott. Der
Dekalog hat das Du im Blick. Es geht nicht darum, wie im Islam bei den 5 Säulen oder im
Buddhismus bei dem achtteiligen Pfad um einen selbst, sondern nur um das Du. Das scheint
nicht so ganz realitätsfern zu sein. Alle Lebewesen sind auf ein Gegenüber ausgerichtet und
eingerichtet. Nicht nur, dass sie andere Lebewesen brauchen, sie werden auch gebraucht. Das
erfahren wir zur Zeit schmerzlich durch das Artensterben. Bei dem Menschen ist das für
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einander da sein einmal in Bezug auf Pflanzen und Tiere zu verstehen, als Ackermann,
Gärtner, Viehzüchter oder Jäger nicht nur zu nehmen, sondern im Pflanzen und Züchten auch
zu pflegen. Zum anderen ist der Bezug auch und besonders ausgeprägt im
zwischenmenschlichen Bereich vorhanden. Der Mensch wird nur am Du zum Ich, wie es
Martin Buber schrieb. Wir brauchen andere Menschen, wir könnten nicht existieren ohne die
Arbeitsergebnisse anderer Menschen. Wir werden aber auch gebraucht, und dieses
Gebrauchtwerden ist wesentlich für unsere Psyche. Wir erfahren Sinn und Freude im Leben in
der gebenden und empfangenden Beziehung zu anderen Menschen. Das ist sogar für unseren
Organismus elementar wichtig. Im Grunde benötigen wir Liebe und wollen lieben. Wer dies
nicht erfährt ist arm. Dieser geistig-psychische Bereich bildet die Grundlage für unser
seelisches und organisches Wohlbefinden.
Noch ein Wort zum Dekalog. Er beginnt mit der Befreiung des Menschen von materieller
Abhängigkeit, Gott hat Israel aus der Knechtschaft befreit. Die Freiheit ist grundlegend. Sie
ist nicht als Spielraum in einem mechanistischen Entwicklungsprozess zu verstehen. Aus
dieser von Gott geschenkten Freiheit entsteht die Verantwortung gegenüber dem Nächsten.
Die Struktur der Evolutionstheorie sieht weder die grundsätzliche Freiheit noch den nicht
determinierten, also freiwilligen, selbstlos gebenden Bezug zum Du. Verfolgt man die
Strukturbeschreibungen von der Einzelle bis zum komplexen Organismus, dann handelt es
sich um ein Aneignen von Fähigkeiten, ein Nutzen von Gegebenheiten, ein Überwinden von
Schwierigkeiten, das Erobern eines Lebensraumes und Erschließen von Lebensquellen. Die
Evolutionstheorie ist ichbezogen. Selbst die Symbiose wird unter dem Gedanken der
Vorteilnahme interpretiert, nicht in dem Gedanken für ein anderes Leben einfach da zu sein.
Das ergibt sich aus der Annahme einer am Anfang exisiterenden Zelle, die sich selbst den
Lebensraum zu erschließen hat. Die Grenze in der Evolutionstheorie wird durch die eigene
Begrenztheit markiert. Die Grenze liegt im Ich, in der Bibel im Du.
Die Struktur der Bibel geht von einer Beziehung des Lebens von Anfang an aus. Denn Leben
ist Beziehung. Beziehung entstand daher nicht nach dem Anfang, sondern im Anfang, sie war
vorher da, denn Leben kann in unserer erfahrbaren Welt nur aus Leben werden. Und auch in
diesem Punkt ist die biblische Sicht einmalig, denn sie beschreibt den Dreieinen Gott, schon
im AT. Gott, der in der Genesis im Plural genannt wird, ist in sich nicht nur Beziehung, wie
zwischen zwei Magneten, sondern in sich Leben, mehr noch in sich Liebe. Damit
unterscheidet er sich auch zu Allah, der gerne mit Jahwe verglichen wird. Allah ist singulär,
er ähnelt mehr dem gefallenen Menschen der Bibel als dem Dreieinen Gott.
Da der Mensch in seiner Verhaltensweise gemäß biblischem Bereicht frei ist, so liebt er nicht
automatisch im Sinne der Agape, sondern er kann frei entscheiden. Ja, es erfordert sogar
Überwindung zu lieben. Agape ist nicht selbstverständlich, wie es Jesus in dem Beispiel mit
dem barmherzigen Samariter beschreibt. Die Bibel versteht, wie wir gesehen haben, die
gebende Beziehung zwischen lebenden Individuen als die Grundlage des Lebens. Es heißt:
Ich gab Euch die Gebote in der Wüste damit ihr lebt. Die Gebote sind keine Ethikübungen
oder Erfolgsrezepte, sondern schlichtweg Lebensgrundlage. Damit ist das, was die Gebote
vermitteln das Gute. Nolens volens wäre das Gegenteil das Böse.
Das Böse resultiert dementsprechend aus dem Ichbezug und nicht aus dem Dubezug. Streng
genommen würde in biblischer Interpretation die Verhaltensstruktur in der Evolutionstheorie
dem Bösen entsprechen, denn sie ist Ich-bezogen. Es ist bemerkenswert, dass in der Literatur
der Evolutionstheorie das Wort Liebe in der Regel nicht vorkommt. Altruismus wird
manchesmal sogar als eine Fehlentwicklung bezeichnet. Bei Teilhard de Chardin kommt der
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Begriff Liebe vor, allerdings bezeichnet er kosmische Energie als Liebe. Damit wird der
Begriff der Liebe geradezu pervertiert.
Nachdem ich als gelernter Volkswirt gelegentlich Vergleiche zum Wirtschaftsleben gezogen
habe, so werden Sie mir vorhalten, zeigt nicht gerade die Wirtschaft, dass egoistisches
Verhalten zum Erfolg führt und beweist nicht das vielgepriesene Wettbewerbsprinzip, dass
gerade die Prinzipien der Evolutionstheorie zur Mehrung und Sicherung der materiellen
Versorgung beiträgt? Das aber ist verkehrt. Das Gegenteil ist der Fall, wie unsere jetzige zu
einer Verarmung führenden Entwicklungen belegt.
Der Unternehmer ist erfolgreich, der das Wohl seiner Kunden und auch Mitarbeiter im Auge
hat. Nur wer auf dem Markt Nutzen erzielt, wird langfristig etwas verkaufen, nur wer sich um
seine Mitarbeiter gut kümmert, wird langfristig die Besten gewinnen. Die auf Wettbewerb
aufbauende soziale Marktwirtschaft soll sichern, dass kein Anbieter Macht über den Kunden
hat, dass die Anbieter gezwungen werden qualitativ und preislich dem Kunden maximalen
Nutzen zu stiften. Bedauerlicherweise gehen viele Verantwortlichen in der Wirtschaft andere
Wege und scheitern. Das Management, das eigentlich Unternehmerfunktionen zu erfüllen
hätte, denkt kurzfristig, wenn das Unternehmen an der Börse notiert ist, sogar nur in
Quartalen. Das hat zum Zusammenbruch von GM, von Arcandor und etlichen anderen
geführt. Das Management sah sich, seinen kurzfristigen Erfolg, seine Entlohnung, die sich am
Aktienkurs orientiert und nicht mehr die Marktpartner. Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse
widersprechen nicht der Bibel, sofern sie frei von ideologischer Prägung sind.
In der Evolutionstheorie geht es pauschal um die Entwicklung des Lebens, nicht um den
einzelnen Menschen. So wird auch dort nur von der Menschheit und nicht vom Menschen
gesprochen. Doch ist nicht der einzelne Mensch mehr als der ganze Kosmos, denn er ist sich
des Kosmos bewusst? Aber der einzelne Mensch spielt keine Rolle, wenn die Entwicklung
monistisch wäre. Im Kollektiv zählt der einzelne nichts. Er kann für den Fortschritt geopfert
werden. Das praktizierten die Ideologien und letztlich wäre dies eine Schlussfolgerung aus der
Selektionsannahme Darwins. So fungiert der Tod entscheidend für den Mechanismus der
Höherentwicklung.
Vordergründig könnten wir meinen, mit der Aussage von Jesus der Weg sei breit, der zur
Verdammnis führt und schmal der zur Rettung führt, hier handelt es sich um eine Art
Selektionstheorie. Aber Jesus hatte nicht gesagt, weil eine große Menge aussterben wird, dann
kann eine kleinere Menge die Höherentwicklung in das Paradies antreten. Sondern Jesus will
dass alle Menschen gerettet werden. Es ist auch nicht so, dass der Tod von Jesus die
Voraussetzung unserer Höherentwicklung sei, sondern die Auferstehung führt zu dem ewigen
Leben, d.h. unzertrennbare Gemeinschaft mit Gott. Mit dem Tod am Kreuz und der
Auferstehung ist der Tod überwunden. Und dies gilt grundsätzlich für alle Menschen. Der
Unterschied ist wieder deutlich: In der Konsequenz hat der Tod in der Evolutionstheorie eine
positive Rolle inne, auch im Buddhismus, Taoismus, in vielen hinduistischen Religionen und
im Islam, was dort die Bereitwilligkeit für Selbstmordattentate erklärt.
Der Tod kam nach Meinung mancher Evolutionsforscher durch die Vielzelligkeit in die Welt.
Der Tod ist in der Bibel die Folge der Sünde. Adam, der Mensch oder die Menschheit, hatte
die Wahl zwischen zwei in der Mitte des Garten Edens stehenden Bäumen. Den Baum des
Lebens und den Baum der Erkenntnis. Adam wählte die Selbsterkenntnis von dem was Gut
und Böse ist. Er wollte selbst beurteilen. Deshalb wäre er dann wie Gott. Er konnte es aber
nicht werden, weil ihm Gott nach dem er sein wollte wie Gott, das Essen vom Baum des
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Lebens verwehrte und in der Trennung den Menschen in die Unvollkommenheit und somit
auch Sterblichkeit führte.
Zwischen den beiden Bäumen konnte der Mensch wählen, nach dem ihm Gott seinen Odem
gegeben hatte. Ob die Schöpfung vorher vergänglich war oder nicht steht nicht in der Bibel.
Schließlich ist Adam aus Staub gemacht, also vergänglichem Material. Die Unvergänglichkeit
hätte der Mensch durch das Essen vom Baum des Lebens geschenkt bekommen und mit ihm
wohl die gesamte Schöpfung. Wir haben gewählt. Gott legt uns in der Heilsgeschichte immer
wieder beide Wege vor, der Weg zum Leben, oder der zum Tod. Adam entschied sich für den
Tod, Jesus, der zweite Adam für das Leben. So steht der Baum des Lebens am Ende der
Heilsgeschichte in der Offenbarung wieder vor uns, wenn Jesus wiederkommt. Gott hat als
Mensch durch das Leiden am Kreuz die Schranke des Todes, des endgültigen Getrenntseins
durchbrochen.
Selektion als Mittel der Höherentwicklung des Lebens, setzt den Tod voraus, in der Bibel ist
es die Überwindung des Todes. Weil Leben Leiden sei, versuchte Buddha das Leben zu
überwinden, Jesus überwand den Tod.
Romano Guardini zitierte in diesem Zusammenhang einen seiner Gesprächspartner, der bei
dem Nachdenken über diese gewaltige Entscheidung Gottes, dem Leiden von Jesu, meinte,
die Liebe tut so etwas. Die Bibel geht davon aus, nicht der Zufall, nicht das Anpassen, nicht
das Verschwinden des weniger angepassten, nicht dieser Mechanismus bildet die Grundlage
des Lebens, sondern die Liebe. Liebe verstanden als ein sich hingeben, ohne dies an
Bedingungen zu knüpfen.
Vielleicht ist es wirklich so: Liebe ist der Pulsschlag des Universums, wie es in La Traviata
heißt. Liebe Pulsschlag des Universums, wahrscheinlich finden wir dort mehr als in der
vermeintlichen Weltformel.
Es scheint sich der Kreis zu schließen. Denken Sie an die eingangs gebrachten Zitate von
Ernst Mayr, Kriterien für unser Verhalten durch die Evolutionsforschung zu finden und das
des Papstes, dass die Schöpfung uns tiefe Erkenntnis über Gott vermitteln kann. Vielleicht ist
ein Vergleich der Strukturen und Inhalte nicht nur möglich, sondern notwendig. Zieht nicht
Paulus ganz andere Schlussfolgerungen im 1. Kapitel des Römerbriefes? Wenn wir Gott als
Schöpfer nicht mehr anerkennen, sondern die vierfüßigen Tiere, dann wird der wichtigste,
innigste und neues Leben schaffende Bereich menschlicher Beziehungen pervertiert. Die
Menschen werden sich in gleichgeschlechtlicher Verbindung verirren. Dem Gleichseinwollen
mit Gott, folgte das Gleichseinwollen der Menschen in der sozialistischen Gesellschaft und
jetzt dem Aufgeben der Unterschiede in der Geschlechtlichkeit.
Diese gegensätzlichen Strukturen und Inhalte von biblischer Schöpfungs- sowie
Heilsgeschichte einerseits und Evolutionstheorie andererseits müssen zu einem
unterschiedlichen Verständnis von Wahrheit führen. Das moderne Denken lehnt ohnedies den
Begriff der Wahrheit ab. Der biblische Wahrheitsbegriff war aber immer ein anderer, als der
in der Philosophie entwickelte. Wahrheit findet in der Begegnung von Personen statt. Die
letzte Wahrheit liegt in der Begegnung des Menschen mit Gott. Gott ist durch Jesus erfahrbar,
wie es Karl Rahner formulierte. Eine personale Begegnung ist wahr. Hier gibt es keine
unterschiedlichen Wahrheiten. Das in der Bibel beschriebene Leben ist in der personalen
Beziehung erfahrbar. Die Grundlage dieser Beziehung ist die Begegnung Gottes mit dem
Menschen. Das wird deutlich in dem Satz von Jesus, ich bin der Weg, die Wahrheit und das
Leben.
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Nur eine Person kann lieben, nur eine Person kann hoffen und ihre Hoffnung richtet sich
wieder auf eine Person, auf Gott, nicht auf einen blinden Mechanismus. Nur eine Person kann
glauben, d.h. vertrauen. Vertrauen wächst aber immer in der Verbindung zwischen einzelnen
Personen. Glaube, Liebe und Hoffnung, das zentrale Merkmal des Gott zugewandten
Menschen. Diese zentrale Botschaft wäre in einem mechanistischen, zufallsinduzierten
Prozess ohne Inhalt.
Der Zoologe Rupert Riedl, hat einem seiner Bücher den Titel Strategie der Genesis, statt
Strategie der Evolution gegeben. Die Genesis wird bei ihm von Systemen kreiert. Die
Systeme sind an die Stelle Gottes getreten. Und so meint er: Die Genesis der Systeme schafft
uns alles, sogar das Höchste, das wir selbst zu besitzen meinen: sie schuf unseren Sinn, und
sie erhielt unsere Freiheit. Da sie aber alle Schöpfungen aus den eigenen Antagonismen
entstehen lässt, können wir Menschen unseren Sinn und unsere Freiheit nur aus unsren
eigenen Systemen entwickeln. Wir gaben sie uns, und wir müssen sie uns auch in aller Zukunft
selber geben. Und erschließt mit dem Satz: Vertrauen wir darauf, dass einmal wird gesagt
werden können: „Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns. Die Chance dazu ist in
uns erhalten: durch die Strategie der Genesis.“
Riedl zitiert den Sündenfall aus dem 1. Buch Mose, doch seine Diktion ist anders als es in den
biblischen Texten steht, sie ist gegensätzlich.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Evolution bedeutet Veränderung in der Zeit, biblische
Heilsgeschichte ist Veränderung in der Zeit. Insofern gibt es keinen Gegensatz zu dem
allgemeinen Begriff Evolution. Sämtliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über sich
verändernde Entwicklungen stehen nicht im Gegensatz zur Bibel. Veränderung durch
Evolution besagt, dass sich etwas Vorhandenes verändert. Die klassische Evolutionstheorie
überschreitet jedoch die Grenze unserer erfahrbaren Welt. Sie versucht den Anfang zu
ergründen. Den Anfang des Kosmos, der Erde, des Lebens auf der Erde, des Bewusstseins,
des Geistes. Auch in diesem Anfang setzt sie irgendetwas Vorhandenes voraus, also keine
creatio ex nihilo. Die Annahme des aus sich selbst heraus Entstehens oder die Annahme des
Schaffens durch einen Gott bedingt unüberbrückbare Differenzen in dem sich daraus
ergebenden Menschenbild. Diese Differenz kann auch nicht aufgehoben werden, wenn Gott
als Verursacher des Mechanismus aus Zufall und Notwendigkeit angenommen wird und
Höherentwicklung Selektion voraussetzt. Das Menschenbild ist dann ein anderes, als das uns
aus der Bibel vermittelte.
Das Menschenbild ergibt sich aus unserem Gottesbild. Wie ist das Menschenbild der
Kommunisten, Natianalsozialisten, des Islam, des Buddhismus und der hinduistischen
Religionen? Lassen Sie es mich an einem Beispiel verdeutlichen: Nur im Christentum gibt es
die monogame, auf Liebe und Treue bis zum Tod geschlossene Ehe zwischen Mann und Frau.
Sie ist Ebenbild des Bundes zwischen Gott und Mensch. Wenn wir etwas Selbsterdachtes,
also Götzen, als Gott setzen, Systeme, Mechanismen, Despoten, dann wird der Mensch sein
Spiegelbild. Götzen sind alle nichtig, wie es Jesaja schreibt und so wird der Mensch unter
seinen Götzen, er wird nichtig.
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