Stolpersteine – gegen das Vergessen Familie Frohwein Stolpersteine in Hochheim, Blumengasse 2 Salomon Frohwein geb. 12.9.1863 wandert aus 1938 über Köln nach England, gest. 1944 in England Ludwig Frohwein geb. 7.7.1897 wandert aus 1938 über Eddersheim nach Belgien 1940 deportiert nach Frankreich 1942 deportiert ins KZ Auschwitz Lea Frohwein geb. 1.3.1930 wandert aus 1938 über Eddersheim nach Belgien, 1943 gest. Alice Frohwein geb. Klein geb. 27.4.1904 wandert aus 1938 über Eddersheim nach Belgien gest. 1975 in Belgien Wohnhaus Blumengasse 2 Arnold Frohwein geb. 30.11.1935 wandert aus 1938 über Eddersheim nach Belgien Das Haus in der Blumengasse 2 hatte 1895 der Metzgermeister Salomon Frohwein von seinen Schwiegereltern Wolf Strauß und Klara (geb. Löwenstein) übernommen, die hier seit 1868 eine Metzgerei betrieben. Salomon, der aus dem Rheinland kam, heiratete Helene Strauß und führte das Metzgergeschäft des Schwiegervaters weiter. Das Anwesen bestand damals aus zwei Häusern, von denen eines durch eine später gefundene Inschrift auf das Baujahr 1686 zurückgeführt werden kann. Die Schwiegereltern lebten dort bis zu ihrem Tod 1913 (Wolf) bzw. 1916 (Klara). Vermutlich lebten hier bzw. in der näheren Umgebung schon sehr lange jüdische Familien, denn die öffentliche Pumpe auf dem kleinen Platz gegenüber dem Haus, wurde nachweislich seit 1796 „Judenpumpe“ bezeichnet – und wird auch heute noch von den Hochheimern so genannt. Alte städt. Wasserversorgung mit Schwengelpumpe, wurde auch „Judenpumpe“ genannt Die Ehe von Salomon und Helene Frohwein war reich mit Kindern gesegnet. 1890 kam Julius zur Welt, ein Jahr später Siegbert, 1893 Friedrich, 1895 die Tochter Hertha, zwei Jahre später Ludwig. Eine weitere Tochter Sibylla, geb. 1905, wurde nur wenige Monate alt. 1906 wurde Ernst geboren, als jüngster folgte Walter 1909. In Haus und Hof war also immer viel los. Familie Frohwein war in der Nachbarschaft sehr geschätzt und beliebt. Ihren Glauben lebten die Frohweins engagiert und tolerant. Sie hielten sich an die jüdischen Speisevorschriften, der Sabbat wurde als Ruhetag eingehalten. Als frommer und engagierter Jude wurde Salomon, wie früher schon sein Schwiegervater, Vorsteher der kleinen jüdischen Gemeinde Hochheim. Er führte sein Amt so souverän und umsichtig aus, dass er „der Rabbiner“ genannt wurde. Für die Anlage eines jüdischen Friedhofs in Hochheim (die Hochheimer Juden wurden vorher auf dem Flörsheimer Judenfriedhof bestattet) gelang es Salomon Frohwein, finanzielle Zuschüsse vom Magistrat der Stadt Hochheim zu erlangen, so dass nach Kauf und Herrichtung eines Grundstücks an der Flörsheimer Straße der Friedhofs ab 1912 genutzt werden konnte. Ausschnitt Stadtplan Hochheim Seite 2 Familie Frohwein – Stolpersteine in Hochheim, Blumengasse 2 Auch als Geschäftsmann fand Salomon Frohwein Anerkennung für seine gute Ware. In den wirtschaftlich schweren Jahren nach dem 1. Weltkrieg wurde er vom Hochheimer Stadtparlament in städtische Kommissionen berufen, und wirkte bei der Gründung des Gewerbevereins mit. Die vier älteren Söhne nahmen aktiv am 1. Weltkrieg teil. Die Familie beklagte am 8. Oktober 1915 den Tod von Julius. Der Bruder Ludwig Frohwein erlitt als Soldat einen schweren Bauchschuss. Mutter Helene starb 1927. Bis auf Ludwig verließen alle Kinder der Frohweins Hochheim. Tochter Hertha lebte seit 1928 verheiratet in Köln. Friedrich gründete in Mainz eine erfolgreiche Lebensmittelgroßhandlung, in der auch seine Brüder Siegbert, Walter und Ernst arbeiteten. Ludwig führte in der Blumengasse den väterlichen Betrieb fort. Er heiratete 1929 Alice Klein aus Eddersheim. 1930 wurde Tochter Lea, 1935 Sohn Arnold geboren. Ab 1933 trafen die Restriktionen durch die Nationalsozialisten auch die Frohweins. Am 4. April 1933 galt das Schächtverbot in Hochheim. Das rituelle Schlachten ist für gläubige Juden Voraussetzung für den Verzehr von reinen Fleischspeisen. Den jüdischen Metzgern war mit dem Verbot nicht nur verwehrt, Fleisch zu essen, sondern auch ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage genommen. Frohweins schächteten heimlich weiter und verkauften das Fleisch auch an Juden außerhalb von Hochheim. Schon am 5. Oktober 1935 hatten sich Ludwig und Alice Frohwein um die Ausstellung von Reisepässen für eine Auswanderung bemüht, der nicht stattgegeben wurde, da im Dezember d. J. die Brüder Friedrich und Walter Frohwein in Mainz wegen angeblicher Devisenschiebereien steckbrieflich gesucht wurden. Er heiratete am 31. Dezember 1935 Lotte Irene Stern aus Pirmasens und meldete sich mit ihr am 23. März 1938 nach London ab. Salomon Frohwein lebte ab dem 13.4.1938 in Köln bei seiner Tochter Hertha, die im selben Jahr in die USA emigrierte. Er reiste nach England aus, wo er 1944 starb. Ludwig Frohwein verkaufte sein Elternhaus in der Blumengasse und zog mit seiner Familie am 4. Mai 1938 zunächst zu den Schwiegereltern nach Eddersheim. Am 16. Juni 1938 wurde er durch die Kripo Frankfurt mit der Häftlingsnummer 6891 unter der Kategorie „Arbeitsscheu R“ (= Reich), „Jude“ in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Am 28. Juli 1938 wurde er ins Polizeipräsidium Frankfurt überführt. Auf der Registraturkarte, auf der auch Ehefrau und beide Kinder genannt sind, ist vermerkt „ausgewandert nach Belgien“. Belegt ist die Auswanderung nach Antwerpen für Alice und die Kinder für Dezember 1938. Ludwig zog offenbar mit und gründete mit seinem Bruder Walter eine Möbelhandlung in Brüssel. Am 10. Mai 1940 wurden beide bei der großen Razzia der Deutschen in Belgien, bei der es zu Massenverhaftungen jüdischer Flüchtlinge kam, in das Lager von St. Cyprien in Südfrankreich gebracht, später nach Drancy bei Paris. Auf der Liste des Transports Nr. 24 vom 26. August 1942 von Drancy ins Konzentrationslager Auschwitz erscheinen beide Brüder. Während Walter überlebte, fand Ludwig Frohwein dort den Tod. Seine Frau Alice konnte in Belgien als Jüdin unerkannt als Dienstmagd arbeiten und überlebte zusammen mit dem Sohn Arnold. Tochter Lea starb durch einen Unglücksfall am 21.4.1943 in Brüssel. Kriegerdenkmal Inschrift für den im Krieg Gefallenen „Julius Frohwein“ auf dem Hochheimer Kriegerdenkmal Herausgegeben vom Arbeitskreis Stolpersteine im Auftrag des Magistrats der Stadt Hochheim am Main, Burgeffstraße 30/Le Pontet-Platz, 65239 Hochheim am Main Text, Fotos und Grafik Arbeitskreis Stolpersteine