NS-Verbrechen in Österreich 1 Österreich „Anschluss“ oder Überfall • Diese Frage wird bis heute kontrovers diskutiert. • In Österreich herrschte eine sogenannte „austrofaschistische“ Diktatur (Dollfuß, Nachfolger: Schuschnigg) • „Austrofaschistische“ Diktatur = nationalistischkatholisch eingestellt. Richtet sich gegen Juden, Sozialisten, Monarchisten und auch gegen NSBewegung. • Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen den „deutschen“ Nationalsozialisten und den österreichischen christlich-sozialen Nationalisten, die – entgegen der Großreichsidee des 3. Reiches – ihre Autonomie bewahren wollen. • Tatsache ist, dass bei der „Annexion“ Österreichs kein einziger Schuss fiel. 2 Einheitsbekundungspropaganda • Briefmarke des Deutschen Reichs zur Volksabstimmung • Erstausgabetag : 8. April 1938 3 Die Wahl zum Anschluss an NaziDeutschland • 12. März 1938: Einmarsch der deutschen Truppen • ein nachträgliches Plebiszit (10. April 1938) soll den Anschluss legitimieren: führende Sozialdemokraten, Kirche befürworten dies. 99 % sagen JA. • Bereits am 11. März 1938 wurden 72.000 Menschen von SA und SS verhaftet: Politiker der Ersten Republik, Intellektuelle, Funktionäre des Ständestaates, Juden: „Prominententransport“ ins KZ Dachau. Juden, Sinti und Roma von der Wahl ausgeschlossen. 4 Gleichschaltung Die Gleichschaltung Österreichs wurde schnell vollzogen. Österreich heißt nun „Ostmark“ und wird in Gaue eingeteilt. 5 Kirche ist für den Anschluss Auch die Kirche bekennt sich zu Großdeutschland! In: Wiener Bilder vom 3. April 1938, S. 17 6 Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung I: • Exklusionsprozess vollzog sich innerhalb weniger Monate. • 1. Phase: öffentliche Demütigung von Juden. • 2. Phase: Vertreibung, Berufsverbote, • 1939 lebten in Wien noch ca. 91.000 so genannte „Volljuden“ und 22.000 „Mischlinge“. • Ab 1940 wurden die in der „Ostmark“ verbliebenen Juden in großer Zahl in das Ghetto Theresienstadt oder eines der Ghettos im besetzten Polen deportiert. 7 Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung II: Die jüdische Wiener Kultusgemeinde • Wurde vom Organisator der Nazimorde A. Eichmann in ein Organ der nationalsozialistischen Judenverfolgung umfunktioniert. Es mussten zunächst bestimmte Auswanderungsquoten erfüllt werden. • Aufgaben: Einreisevisa beschaffen , die Existenz mittelloser Emigranten absichern, bot Schulungen in Fremdsprachen und für bestimmte berufliche Fähigkeiten an, die im Einwanderungsland verlangt wurden. • ,,Wiener Modell" (= Methode Eichmanns) wurde auch in Berlin und Prag angewendet. • Zur Zeit der endgültigen Grenzschließung Ende November 1941 waren 128.500 Juden vertrieben worden („ausgewandert“). 8 Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung III: • Unternehmen von Juden wurden „arisiert“ 1938 ca. 25.000-36.000 Betriebe • Bis April 1945 wurden „ mehr als 59.000 Wohnungen aus jüdischem Besitz „arisiert“ • Hausrat und Kunstgegenstände wurden beschlagnahmt und versteigert. • Erhebung von Steuern: Reichsfluchtsteuer (25%) , Judenvermögensabgabe (25% des angemeldetes Vermögens) • Entziehung der Staatsbürgerschaft. • Berufsverbote ( nach „Nürnberger Gesetze“) 9 Verbrechen an Sinti und Roma: • 1938 lebten 11.000 bis 12.000 Roma und Sinti in Österreich. (ca. 8000 im Burgenland – Deportation von 5000 Sinti/Roma in das Ghetto Lodz) • Juli 1938 Einführung der Zwangsarbeit für »Zigeuner« im Burgenland • Verhaftungsaktionen: 1938 und 1939: mind. 1.142 arbeitsfähige Männer und Frauen wurden in die KZ Dachau, Buchenwald, Mauthausen und Ravensbrück eingewiesen. • 17.10.1939 »Festsetzungserlass« = verbot »Zigeunern und Zigeunermischlingen« das Verlassen ihres Aufenthalts. • Lager Lackenbach: das größte Lager, wurde am 23. November 1940 eingerichtet. (blieb bis April 1945 10 best.) Euthanasieverbrechen • Beginn: Sommer 1939: Tötung von »missgebildeten und idiotischen Kindern« in »Kinderfachabteilungen« (KinderEuthanasie). • Oktober 1939 : Ermordung der erwachsenen Patienten in Euthanasieanstalten (Aktion »T4«), u. a. in Schloss Hartheim bei Linz. • Schloss Hartheim wurde ab 1940 die Hinrichtungsstätte für Behinderte der „Alpen- und Donaugaue“. • Beseitigung von KZ-Häftlingen (Aktion »14f13«) + arbeitsunfähigen »OstarbeiterInnen«. Auch ca. 400 österreichische Juden wurden Opfer der Hartheimer Gaskammern. • Hartheim - ca. 18.000 Opfer der Aktion - „T 4“ + ca. 12.000 Opfer der Aktion „T 4 f 13“. 11 Homosexuelle: • Verfolgung auch im „Austrofaschismus“, aber im NS verstärkt. (Ähnlich § 175 in Deutschland) • Schrittweise Legalisierung der Sterilisation und Kastration. Ab 1940 „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ Zwangsweise: zwischen 5.000 und 10.000 Männer • 5.000 bis 15.000 Männer wurden verfolgt und teilweise ermordet. 12 KZ Mauthausen: • Entstehung ab Herbst 1938. Hohe Todesrate: NS-Kategorie III. „schwerste Arbeit.“ • Steinbruch, Rüstungsindustrie und Stollenbau • 46 Nebenlager im Zeitraum von 1943-1945. • Mörderische Bedingungen: Tod von Häftlingen durch brutalste Arbeit, von Abhängen heruntergestoßen, erfrieren lassen, Häftlinge von Hunden zerrissen usw. • Todesrate war so hoch, dass ab Mai 1940 die erste Krematoriumsanlage in Mauthausen in Betrieb genommen. • Dez. 1943 in Mauthausen & Gusen 26.000 Häftlinge, im Frühjahr 1945 waren es 45.000. Höchststand: Ende Februar 1945 mit insgesamt 83.399 Häftlingen. Ermordet wurden ca. 30 000 Häftlinge, mit Nebenlagern 120.000 13 Widerstand • Slowenische Partisanen: einzig nachhaltig erfolgreicher Widerstand, verhinderte und erschwerte Nachschub an die Front und band Wehrmachtssoldaten. • Bündische Jugend: verteilte Flugblätter. • Kommunisten: In Österreich gab es 364 Todesurteile. zwischen 1938 - 1943 ca. 10.000 Verhaftete. Bis Februar 1944 war der Apparat der KPÖ zerschlagen. • Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstandes schätzt die Zahl der am Widerstand Beteiligten auf 100.000. 14 Entschädigungen: • „Wiedergutmachungsgesetz“ stockte, undurchsichtig und erschwert für Antragssteller. • Organisation „Conference on Jewish Material Claims against Austria“ sammelte Klagen gegen Österreich. • Erst das von Deutschland unterschriebene Luxemburger Abkommen (1952) zwang Österreich wirksam zu handeln. • Vertriebene Juden erhielten zunächst kleine Entschädigung. Unter Kanzler Bruno Kreisky (1970) folgten erst weitere Zahlungen. • Sinti und Roma erst 1988 Entschädigungen gezahlt. • Homosexuelle erst 2005 rehabilitiert und ins Opferfürsorgegesetz aufgenommen. 15 Erinnerungskultur: • 50er Jahre: (vor allem in ländlichen Gebieten) Kriegerdenkmäler zur Erinnerung an gefallene Wehrmachtssoldaten. Diese Aufstellung von Denkmälern wurde meist mit Verbindung der Ortsgruppen des Österreichischen Kameradschaftsbundes (Altnazis) vollzogen. • Renovierung des KZ Mauthausen wurde erschwert. („Das KZ sei unösterreichisch“). • Gedenkstätte Mauthausen • In Wien Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstandes 16 Gedenktage: • 5. Mai: Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. • 9./10. Novemberpogrom • 27. Jänner: Internationaler HolocaustGedenktag. 17 Literatur Hamann, Brigitte: Österreich: Ein historisches Porträt, München 2009. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.):Bewahren - Erforschen - Vermitteln. Wien 2008. DÖW (Hrsg.): Katalog zur permanenten Ausstellung. Wien 2006. Jabloner, Clemens (Hg.): Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich, Wien 1999. Zenker, Tibor: Österreich 1938: Hintergründe, Vorgeschichte und Folgen des "Anschlusses", Wien 2008. www.erinnern.at www.doew.at 18