Von Amphibien und Reptilien auf den Menschen über

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HERPETOZOA 1 (1/2): 47-53
Wien, 30. September 1988
REVIEW
Von Amphibien und Reptilien auf den Menschen übertragbare Parasitosen
On parasites of amphibians and reptiles infectious to man
ANDREAS HASSL & DORA HASSL
KURZFASSUNG: Terrarientiere, speziell Amphibien und Reptilien, können einige potentiell humanpathogene Parasitenarten beherbergen. Als gesundheitsgefährdend für den
Tierhalter werden im wesentlichen nur jene wenigen Parasitengruppen angesehen, die
fäko-oral übertragbar sind, wie Entamöben, Giardien, Kryptosporidien und Pentastomiden. Die tatsächliche Gefährdung des Menschen durch solche Zooanthroponosen ist jedoch umstritten, da einerseits große Unsicherheiten bei der Bewertung bekannter epidemiologischer Daten bestehen, und andererseits eine hohe Zahl unentdeckter Fälle angenommen wird. Da neuerworbene Terrarientiere aber als potentiell infektiös für den Menschen angesehen werden müssen, ist auf eine hygienisch einwandfreie Tierhaltung
größter Wert zu legen.
ABSTRACT: Amphibians and reptiles kept as pet animals rnay house a number of parasites which are potentially pathogenic to man. A transmission of these parasites to the
animal keeper seems to be realizable by the feco-oral way of infection only; examples are
Entamoeba, Giardia, Cryptosporidia, and Pentastomida. The actual hazards caused by
these zooanthroponoses are vehemently disputed because of insufficient statistical and
epidemiological data. Newly acquired animals have, however, to be taken as infectious,
thus adequate hygienic animal keeping is demanded firmly.
KEYWORDS: amphibian parasites, reptile parasites, zooanthroponosis, Entamoeba,
Giardia, Cryptosporida, Pentastomida
EINLEITUNG
Immer wieder wird in der Öffentlichkeit die Frage der Gefährlichkeit "exotischer"
Haustiere - gemeint sind meist Amphibien und Reptilien - aufgeworfen. Dabei werden
nicht nur die Probleme im Zusammenhang mit der Haltung von Gifttieren diskutiert, sondern es wird auch argumentiert, daß der unkontrollierte Import von Niederen Wirbeltieren
zur Einschleppung von gefährlichen Infektionskrankheiten führen kann.
Über die Möglichkeit und Auswirkung eines derartigen Importes von Infektionskrankheiten sind die Meinungen von Fachleuten allerdings geteilt: verweisen die einen
auf eine stattliche Anzahl potentiell humanpathogener Parasitenarten, die in Amphibien
und Reptilien gefunden wurden ( » 40), so streichen die anderen die Tatsache heraus, daß
nur für einige ganz wenige Erregerspezies (Salmonellen, Schlangenmilbe, Entamoeba sp.
< histolytica ?>) eine Übertragung auf den Tierhalter nachgewiesen wurde (FRANK
1986). Das Hauptproblem bei der Abwägung der Bedeutung von Amphibien und Reptilien als Krankheitsüberträger besteht darin, daß diese Tiere nur sehr selten zweifelsfrei als
Infektionsquelle ermittelt werden können. Daher existieren beträchtliche Unsicherheiten
über die tatsächliche Anzahl von Erkrankungen, die von Terrarientieren übertragen
werden. Es gibt Hinweise, daß die Dunkelziffer unerkannter Fälle hoch ist. Die kontroversen Ansichten von Fachleuten begründen sich zum größten Teil in der unterschiedlichen Bewertung epidemiologischer Parameter der theoretisch von Amphibien und Reptilien übertragbaren Erkrankungen.
REVIEW
Die potentiell humanpathogenen Keime, die in Amphibien und Reptilien nachgewiesen
werden konnten, umfassen das gesamte Spektrum bekannter Erregergruppen: Viren,
Bakterien, Pilze, tierische Einzeller, "Würmer" und Arthropoden. Aus historischen und
technischen Gründen werden die drei letzten Gruppen als "Parasiten" (s. str.) bezeichnet;
nur die von ihnen hervor-gerufenen Erkrankungen sind daher definitionsgemäß Parasitosen. Von den zahlreichen Parasiten der Amphibien und Reptilien können folgende Formen auch den Menschen befallen:
Protozoen:
Giardia lamblia (Lamblia intestinalis - Gruppe)
Entamoeba histolytica = E. invadens ?
Limax- Amoeben (Naegleria spp. und Acanthamoeba spp.)
Cryptosporidium sp.
Helminthen: Sparganum (Spirometra spp.) *
Gnathostoma spinigerum *
Acanthocephala *
Ascariden (Larva migrans)
Arthropoden: Ophionyssus natricis
Pentastomiden (Porocephalus spp. und Armillifer spp.)
Eine Infestation des Menschen durch die mit * gekennzeichneten Gruppen kann nur
durch den Verzehr roher Amphibien oder durch in Europa unübliche medizinische Praktiken (Kühlen entzündeter Augen durch Auflegen von rohem Froschfleisch) erfolgen
(FRANK 1976). Die anderen aufgelisteten Formen sind zwar biologisch eine überaus
heterogene Gruppe, haben jedoch gemeinsam, daß ihre Anwesenheit in einem
Tierbestand potentiell eine Gefahr für die Gesundheit des Pflegers darstellt.
Giardia lamblia, ein Dünndarmparasit, ist kosmopolitisch verbreitet und relativ
häufig (Durchseuchungsrate der mitteleuropäischen Bevölkerung: ca. 2 %) (PIEKARSKI 1987). Die mit dem Stuhl ausgeschiedenen, sehr widerstandsfähigen
Zysten werden oral aufgenommen. Rezidivierende Durchfälle und Leibschmerzen
sind die Folgen eines akuten Befalls, jedoch wurden viele Menschen und auch
eine Reihe von Tieren als offenbar gesunde Zystenausscheider gefunden. Giardien treten in verschiedenen morphologischen Formen (Stämme ?, Arten ?) auf;
eine dieser Formen parasitiert in Vögeln, Reptilien und Säugetieren, einschließlich
Menschen (Abb. 1). Innerhalb dieser Parasitengruppe, die keine sexuelle Vermehrung besitzt, ist die Abgrenzung von Arten außerordentlich schwierig. Zusätzlich
kompliziert wird die Systematik noch dadurch, daß dieser Parasit nur eine geringe
und vermutlich stammabhängige Wirtsspezifität aufweist. Diese geringe Vorliebe
für eine Wirtsart und die hohe Durchseuchungsrate der Bevölkerung werfen allerdings die Frage auf, ob nicht Pfleger ihre Terrarientiere häufiger infizieren als umgekehrt. Das Phänomen der "Keimangleichung" bei längerem Zusammenleben von
Haustieren und Pflegern wurde beschrieben.
Epidemiologisch Ähnliches gilt auch für die Gattung Entamoeba. Durch das Fehlen
der sexuellen Vermehrung haben sich diese Tiere in eine Vielzahl von Stämmen
und Subpopulationen aufgespalten. E. histolytica, der Erreger der menschlichen
Amöbenruhr und des Amöbenleberabszesses, kann morphologisch nicht von E.
invadens, dem Erreger ähnlicher Erkrankungen bei Reptilien, unterschieden werden.
Nur die optimalen Vermehrungstemperaturen sind verschieden: E. histolytica: 37
°C, E. invadens: 28 °C (FRANK 1976). Allerdings lassen sich durch langsames Absenken der Kulturtemperatur manche E. histolytica - Stämme auf 28 °C Wachstumstemperaturpräferendum adaptieren; sie verlieren dabei ihre Humanpathogenität.
Die Befähigung zur Penetration der Darmwand (Ausbildung von Magnaformen,
Abb. 2) ist in beiden Arten an eine charakteristische Veränderung der Isoenzymmuster gekoppelt. Diese Isoenzymmuster galten, da sie genetisch determiniert
sind, bis vor einiger Zeit als geeignetes Mittel zur Stamm- bzw. Arttrennung. Es
konnte allerdings gezeigt werden, daß der Isoenzymsatz in einem Stamm abhängig
von den Umweltbedingungen Veränderungen unterworfen ist. Mögliche Zusammenhänge (auch phylogenetische) zwischen den beiden Arten sind daher sehr schwierig
aufdeckbar. Bekannt geworden ist ein Fall aus den USA, wo der Schildkrötenpfleger
und dessen Schildkröte am gleichen Entamöben-Stamm litten.
Limax - Amöben (so bezeichnet nach der schneckenähnlichen Fortbewegungsart) sind
primär freilebende, ubiquitär vorkommende Amöben des Bodens und der Süßwässer,
die über den Riechnerv in das Gehirn von Menschen eindringen können und dort akute,
bisher fast immer tödlich verlaufende Meningoencephalitiden hervorrufen. Die Zahl der
bekannten Fälle ist zwar nicht sehr groß (< 120; weltweite Verbreitung) (PIEKARSKI
1987), die Dunkelziffer wird allerdings sehr hoch geschätzt. Diese fakultativ parasitischen
Amöben wurden wiederholt von und aus in Terrarien gehaltenen Amphibien isoliert.
Kryptosporidien (Abb. 3) sind obligatorisch im Darm parasitierende Apikomplexa (früher: Sporozoa), die als opportunistische Erreger bei immungeschwächten Personen
(Kinder, Transplantat-Empfänger, Krebs- und Aids-Patienten) zu schweren, in manchen
Fällen tödlichen Durchfallserkrankungen führen. Die Infektion erfolgt ebenso wie bei
den Giardien und den Entamöben über Zystenstadien fäko-oral. Die Parasiten sind
weltweit verbreitet und in der Kälberaufzucht gefürchtet. Aber auch andere Tiere, Säugetiere, Vögel, Schlangen und selbst Fische, wurden infiziert gefunden. Solange die
Frage der Wirtsspezifität dieser Einzeller, über die es äußerst widersprüchliche Ansichten gibt, nicht geklärt ist und keine wirklich durchschlagende Therapie zur Verfügung
steht, muß dem betroffenen Personenkreis von der Haltung von Schlangen dringend
abgeraten werden.
Abb. 1: Giardia lamblia, Zyste (Balkenlänge 5 µm)
Fig. 1: Giardia lamblia, cyst (bar represents 5 µm)
Abb. 2: Entamoeba histolytica, Magnaform (Balkenlänge 5 µrn)
Fig. 2: Entamoeba histolytica, magna-phase (bar represents 5 µtm)
Abb. 3: Cryptosporidium sp., (Balkenlänge 5 µm, Foto Dr. K. HERMENTIN)
Fig. 3: Cryptosporidium sp., (bar represents 5 µm, photograph by Dr. K. HERMENTIN)
Abb. 4: Armillifer armillatus (Zungenwurm)
Fig. 4: Armillifer armillatus (Pentastomid)
Abb. 5: Röntgenaufnahme eines Abdomens mit verkalkten Pentastomiden-Larven
Fig. 5: Radiograph of abdomen showing calcified larvae of pentastomids
Alle Ascariden (Spulwürmer) haben in ihrer Entwicklung obligatorisch ein im Körper des
Wirtes wanderndes Larvenstadium. Nach der Invasion eines ungeeigneten Wirtes (z. B.
Menschen für Tierascariden) können diese Wurmlarven gelegentlich eine zeitlang im
Gewebe "umherirren" und dabei das Krankheitsbild der Larva migrans hervorrufen. Diese Fähigkeit wird auch manchen Ascariden von Terrarientieren nachgesagt, obwohl dafür bisher keine Beweise vorliegen.
Ophionyssus natricis, die Schlangenmilbe, kann bei intensivem Körperkontakt zwischen
Menschen und Schlangen auf den Pfleger überwechseln und bei ihm durch ihre Stichversuche Exantheme verursachen (MUMCUOGLU & RUFLI 1983). Da die Stiche
schmerzhaft sind, wird ein Befall fast immer rasch entdeckt und bekämpft. Eine Übertragung von Blutparasiten (s. l.) zwischen Schlangen und Menschen durch diese blutsaugende Milbe ist nicht bekannt, der Milbenbefall daher zwar lästig, aber harmlos.
Die gefährlichste und zugleich unbekannteste Erkrankung in dieser Reihe ist die Pentastomiden-Infektion. Die systematische Einordnung der Pentastomiden (Zungenwürmer)
bereitet nach wie vor Schwierigkeiten; gegenwärtig werden sie in die Nähe der Tausendfüßer gestellt. Die erwachsenen Tiere sind wurmförmige Parasiten im Respirationstrakt von Wirbeltieren, speziell von Schlangen (Abb. 4) (MEHLHORN & al. 1986;
ISENBÜGEL & FRANK 1985). Die Eier werden mit dem Kot ausgeschieden. Im
Dünndarm eines geeigneten Zwischenwirtes schlüpft aus dem Ei eine Larve, die sich in
die Darmwand einbohrt, vom Blutstrom verschleppt wird, und sich in fast allen Organen, besonders aber in der Leber, Milz, Niere und Lunge ansiedeln kann. Das Gefressenwerden des Zwischenwirtes durch einen Endwirt (Schlangen) schließt den Kreislauf.
Im Menschen, der als Fehl-Zwischenwirt fungieren kann, verkalken die von den Larven
gebildeten Zysten (Abb. 5). Dies kann zu sehr schweren, manchmal tödlichen Erkrankungen führen. Diese Erkrankung ist in Teilen Afrikas und Asiens, wo Schlangen als
Nahrungsmittel genutzt werden, nicht selten. Therapie gegen den Larvenbefall gibt es
keine; die Expositionsprophylaxe ist daher der einzige Schutz vor der Erkrankung. Frisch
gefangene oder frisch importierte Schlangen sind solange als infektiös und damit gefährlich zu betrachten, bis eine Kotuntersuchung das Fehlen der sehr charakteristischen Eier bewiesen hat.
Diese Zusammenfassung von Terrarientieren auf den Menschen übertragbarer Infektionskrankheiten (Zooanthroponosen) soll zeigen, daß die Haltung von importierten Tieren nicht als völlig unbedenklich für die Gesundheit des Pflegers angesehen werden kann. Der geringe Stellenwert, der dieser Form von "Zivilisationskrankheit" zugemessen wird, hat wohl mehrere Ursachen: erstens ist nur eine relativ kleine Gruppe von Menschen betroffen. Zweitens ist der Bekanntheitsgrad
mancher "exotischer" Infektionskrankheit auch in der Ärzteschaft gering, die klinischen Symptome solcher Erkrankungen sind auf Grund des allgemein guten Gesundheitszustandes von Mitteleuropäern häufig uncharakteristisch; beides kann zu
falschen Diagnosen führen. Drittens sind diese Erkrankungen in den meisten Staaten nicht meldepflichtig, sodaß kein Überblick über die Zahl der tatsächlichen
Erkrankungen und deren Herkunft zu erlangen ist. Für uns bestehen jedoch kaum
Zweifel, daß wesentlich mehr als die wenigen bekannt gewordenen Zooanthroponosen von Terrarientieren ausgehen. Die Forderung nach einer sauberen, hygienisch einwandfreien Tierhaltung muß daher nicht nur im Sinne des Tierschutzes,
sondern auch im Interesse der Mitmenschen erhoben werden. Die Pflege von
Reptilien und Amphibien, wie die Heimtierhaltung insgesamt, schenkt dem Tierfreund viel Freude und seelisches Wohlbefinden; ein unsachgemäßer Umgang mit
diesen Tieren kann jedoch von körperlichem Unbehagen bis zu ernsthaften Erkrankungen führen.
LITERATUR
FRANK, W. (1976): Parasitologie; Stuttgart (Ulmer).
FRANK, W. (1986): Hygienische Probleme bei der Heimtierhaltung in der Bundesrepublik Deutschland.- Zbl. Bakt. Hyg.; (B) 183: 274-303.
ISENBÜGEL, E. & FRANK, W. (1985): Heimtierkrankheiten; Stuttgart (Ulmer).
MEHLHORN, H. & DUWEL, D. & RÄTHER, W. (1986): Diagnose und Therapie der
Parasiten von Haus-, Nutz-, und Heimtieren;. Stuttgart, New York (Fischer).
MUMCUOGLU, Y. & RUFLI, T. (1983): Dermatologische Entomologie; Erlangen (Perimed).
PIEKARSKI, G. (1987): Medizinische Parasitologie in Tafeln; Berlin, Heidelberg (Springer).
EINGANGSDATUM: 31. Jänner 1988
AUTOREN: Dr. Andreas HASSL, Dora HASSL, Ameisgasse 63/4/12, A-1140 Wien,
Österreich.
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