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Fachtagung “Lasermethoden in der Strömungsmesstechnik”
5. – 7. September 2006, Braunschweig
MULTI-PLANE PARTICLE IMAGE VELOCIMETRY
IM EMBRYONALEN HÜHNERHERZEN
Peter Vennemann, Ralph Lindken, Jerry Westerweel
Delft Technical University
Lab. for Aero- and Hydrodynamics
Leeghwaterstraat 21
NL-2628 CA Delft
Abstract
Strömungsmechanische Reize spielen eine wichtige Rolle während der Genese und in der
Pathologie des Blutgefäßsystems. Eine eindeutige Beziehung zwischen strömungsmechanischer Ursache und molekularbiologischer Wirkung lässt sich oft nur erkennen, wenn die
Strömungsverhältnisse in vivo vermessen werden können. In diesem Artikel werden erste
Particle Image Velocimetry (PIV) Messungen in mehreren, parallelen Ebenen des embryonalen Hühnerembryos vorgestellt. Ziel der Messungen ist die Identifikation von Gebieten hoher
und Gebieten niedriger Wandschubspannung.
Einleitung
In der biomedizinischen Forschung stellt sich vermehrt die Frage wie strömungsmechanische Reize das kardiovaskuläre System beeinflussen. le Noble et al, 2005, zeigen dass
Strömungsverhältnisse die Differenzierung von Kapillaren in Arterien und Venen während
der Angiogenese maßgeblich beeinflussen. Hove et al, 2003, identifizieren strömungsinduzierte Wandschubspannungen als signifikanten Einflussfaktor während der Kardiogenese.
Gnasso et al, 1997, finden eine Beziehung zwischen erniedrigter Wandschubspannung und
Atherosklerose.
Strömungsmechanische Ursachen und biomedizinische Effekte lassen sich oft nur dann
eindeutig einander zuordnen, wenn die Strömungsverhältnisse in vivo hinlänglich vermessen
werden können. Bei der Bestimmung der Wandschubspannung beinhaltet das die Messung
der räumlichen Geschwindigkeitsverteilung. Die Wandschubspannung τ entspricht dem Produkt aus dynamischer Viskostität η und dem aus dem Geschwindigkeitsfeld gewonnenen
und zur Wand senkrechten Geschwindigkeitsgradienten ∂u/∂z│r=R .
Zur Blutgeschwindigkeitsbestimmung verbreitet eingesetzte Ganz-Feld-Messmethoden wie
Scanning Laser Doppler Anemometrie, Laser Speckle Interferometrie oder Kernspintomographie liefern in der Regel keine Information über die Richtung der Geschwindigkeit. Particle Image Velocimetry (PIV) ermöglicht die Bestimmung zweier Geschwindigkeitskomponenten in einer zwei-dimensionalen Messebene. Wenn die Messebene parallel zur
Strömungsrichtung ausgerichtet wird, kann mit Hilfe der PIV die Schubspannung auf der Gefäßwand ermittelt werden. Bei nicht paralleler Strömung kann die fehlende, dritte Geschwindigkeitskomponente – unter bestimmten Randvorraussetzungen – aus der zwei-dimensionalen Messung in parallelen Ebenen ermittelt werden (Robinson und Rockwell, 1993).
Das langfristige Ziel der in diesem Beitrag vorgestellten Messungen ist die Identifikation von
Gebieten niedriger oder hoher Wandschubspannungen im embryonalen Herzen. Die Ergeb-
41.2
Abb. 1: Lokalisierung der wandschubspannungsabhängig regulierten Faktoren KLF-2, ET-1
und NOS-3 im embryonalen Hühnerherzen nach Groenendijk et al, 2004 (im embryonalen
Entwicklungsstadium HH 18, nach Hamburger und Hamilton, 1951).
nisse werden mit der drei-dimensionalen Visualisierung schubspannungsabhängig auf- und
abregulierten Genexpressionen verglichen (Abbildung 1). Auf diese Weise könnten charakteristische Strömungsmuster bestimmten Genexpressionen zugeordnet werden.
Versuchsaufbau
Abbildung 2 zeigt ein Hühnerembryo, wie es für die Messungen verwendet wird. Die VitellinGefäße außerhalb des Embryos entsprechen in ihrer Funktion den embryonalen Gefäßen
der Plazenta von Säugetieren. Das Herz hat einen maximalen, inneren Durchmesser von
etwa 200 µm.
Aufgrund der geringen Abmessungen des Strömungsfeldes wird ein Mikro-PIV-Aufbau mit
Volumenbeleuchtung (Meinhart et al, 1999) verwendet. Abbildung 3 zeigt eine vereinfachte
Schemazeichnung des Versuchsaufbaus. Fluoreszierende Tracer Partikel und eine dichromatische Spiegel/Filter Kombination ermöglichen die weitgehende Trennung der
Partikelbilder vom Hintergrund. Polystyrol Tracer Partikel mit einem Durchmesser von 500
nm sind mit einer bio-kompatiblen Polyethylen-Glykol (PEG) Beschichtung versehen. Die
Partikel werden etwa eine halbe Stunde vor den Messungen mit Hilfe einer Mikropipette in
ein Vitellin-Gefäß injiziert. Im geöffneten Ei ist das Embryo durch ein aufgelegtes MikroskopDeckglas vor Feuchtigkeitsverlust geschützt. Ein Wasserbad temperiert das Embryo auf 38
Grad Celsius. Das Ei befindet sich in einem geschlossenen Behälter mit einer dem Sichtfeld
Kopf
Herz
Wirbelsäule
Vitellin Gefäße
100 µm
Abb. 2: Hühnerembryo im embryonalen Entwicklungsstadium HH 17. Die Inkubationszeit beträgt zu diesem Zeitpunkt etwa 70 Stunden. Die Elektronenmikroskop-Aufnahme von Männer, 2000, zeigt die Außenseite des primitiven Herzens. Die kleinere PIV-Aufnahme im
Vordergrund veranschaulicht die ungefähre Lage der Messebenen.
41.3
des Mikroskops angepassten Öffnung. Die Befeuchtung der das Ei umgebenen Luft durch
das Wasserbad verhindert zuätzlich das Absinken des Flüssigkeitsspiegels im Ei. Damit wird
die Translation des Embryos entlang der optischen Achse verhindert. Die Kamerafrequenz
von 10 Hz genügt zur Auflösung der Herzfrequenz von etwa 2 Hz. In früheren Messungen
(Vennemann et al, 2006) wurde das PIV System mit der Herzfrequenz synchronisiert. Um die
Messdauer zu minimieren, wird auf die Synchronisation in aktuellen Messungen verzichtet.
Wachstum limitiert die Zeit, während der das Herz als unverändert betrachtet werden kann,
auf wenige Stunden. Um in verschiedenen Ebenen messen zu können, wird das Mikroskop
relativ zum Embryo motorisch bewegt. Die Positionierung wird mit einer Auflösung von 1 µm
elektronisch abgefragt. Die ungefähre Position der Messebenen ist in Abbildung 2 illustriert.
Die Elektronenmikroskop-Aufnahme auf der rechten Seite zeigt die äußere Form des
Herzens. Die darüber liegende, kleinere PIV-Aufnahme zeigt die Tracer Partikel im inneren
des Herzens. Insgesamt wurde die Geschwindigkeitsverteilung in neun parallelen Ebenen in
einer 110 µm dicken Schicht vermessen.
Auswertung der Experimente
Pro Messebene wurden 1000 PIV-Bilder in jeweils 100 Sekunden aufgenommen. Da das
Messsystem, um die Messdauer zu minimieren, nicht mit dem Herzrhythmus synchronisiert
wurde, müssen die Daten nach der Messung einem Phasenwinkel des Herzzyklus zugeordnet werden. Dazu werden alle PIV Aufnahmen mit grober räumlicher Auflösung ausgewertet
und die mittlere Partikelverschiebung bestimmt. Danach werden die zeitlichen Geschwindigkeitsspitzen in der Reihe der Einzelauswertungen detektiert. Die Genauigkeit der Bestimmung der zeitlichen Positionen der Geschwindigkeitsmaxima wird durch eine parabolische
Fitfunktion erhöht. Auf Basis ihres zeitlichen Abstandes zwischen zwei Maxima werden die
Einzelmessungen ihrem Phasenwinkel zugeordnet. Abbildung 4 zeigt einen räumlichen Stapel PIV-Aufnahmen desselben Phasenwinkels. Der auf diese Weise rekonstruierte Herzzyklus wird durch eine dichte Folge von 1000 Einzelmessungen beschrieben. Die Einzelmessungen werden in 20 Zeitabschnitte mit jeweils etwa 50 Doppelbildern zusammengefasst
Abb. 3: PIV Versuchsaufbau. Das Wechselobjektiv des Mikroskops ermöglicht das schnelle
Umschalten zwischen Stereo- und Monoeinstellung. Stereosicht wird benötigt um eine
Mikropipette zur Injektion der Tracer Partikel zu positionieren. Die PIV Bilder werden mit dem
höher auflösenden Mono-Objektiv (numerische Apertur: 0,5) aufgenommen.
41.4
und gemeinsam bei einer Auflösung von 16x16 Pixeln (10x10 µm) ausgewertet. Dabei bestimmt die Summe der Korrelationsfunktionen der Einzelmessungen, die Partikelverschiebung während eines Zeischrittes (Meinhart et al, 2000).
Ergebnisse
Abbildung 5 zeigt erste in vivo Multi-Plane PIV Messungen im schlagenden Herzen eines
Hühnerembryos. Farbkodiert ist der Betrag der Geschwindigkeit in der x-y-Ebene. In
Wandnähe kann der Geschwindigkeitsgradient bei einer Korrelationsfenstergröße von 16x16
Pixeln (10x10 µm) bestimmt werden. Tiefer im Herzen verhindern optischen Störungen der
Blutzellen eine scharfe Abbildung der Tracer-Partikel. Abbildung 6 zeigt exemplarisch Details
der Messung 80 µm unter der obersten Ebene, bei einem Phasenwinkel von π/5. Die maximale, projizierte Geschwindigkeit in dieser Ebene erreicht beinahe 8 mm/s. Entlang des
eingezeichneten Geschwindigkeitsprofils wird die Strömungsrichtung als parallel zur
Messebene angenommen. Bei Annahme einer effektiven, dynamischen Viskosität von 4,2
mPa s (Chien, 1970) ergibt sich an der Wand eine Schubspannung von 560 mPa. Physiologisch sind Werte bis zu 7000 mPa (Malek et al, 1999).
Zusammenfassung und Ausblick
Mit Hilfe der Multi-Plane PIV konnte die Geschwindigkeitsverteilung parallel zur Messebene
in einer 110 µm dicken Schicht des embryonalen Hühnerherzens mit einer Auflösung von 10
µm bestimmt werden. Auf dem Weg zur Ableitung der räumlichen Wandschubspannungsverteilung ist als nächster Schritt die Rekonstruktion der dritten Geschwindigkeitskomponente
unter der Annahme des Massenerhalts (Robinson, 1993) geplant.
100 µm
φ = 2 π/10
z = 0 µm
z = -15 µm
z = -28 µm
z = -43 µm
z = -55 µm
z = -69 µm
z = -83 µm
z = -96 µm
z = -110 µm
Abb. 4: Beispiel für einen räumlichen Stapel PIV-Aufnahmen. Der Unschärfegrad des stationären, hellen Teilchens an der oberen Wand gibt einen intuitiven Eindruck der räumlichen
Position der jeweiligen Messebene.
41.5
φ=0
φ=π/10
φ=2π/10
Abb. 5: Multi-Plane PIV-Messungen im embryonalen Hühnerherzen (drei von zwanzig
Zeitschritten). Die Farbkodierung gibt den Betrag der Partikelverschiebung parallel zur
Messebene an. Die Auflösung (Größe der Auswertefenster) beträgt 10 µm. Tiefere Schichten konnten nur am Gefäßrand bei dieser Auflösung ausgewertet werden.
Abb. 6: Beispiel für die Geschwindigkeitsverteilung in einer Ebene des embryonalen Herzens
(Position: -80 µm, Phasenwinkel: π/5). Die Größe der Auswertefenster betägt 16x16 Pixel
oder etwa 10x10 µm.
41.6
Dankesworte
Dieses Forschungsprojekt wird von der Stichting Technische Wetenschapen (STW) der
Niederlande finanziert.
Literatur
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