Primäre Endoprothetik am Kniegelenk Primäre Endoprothetik am Kniegelenk S. Kirschner, J. Lützner Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden Der künstliche Ersatz des Kniegelenkes hat sich nach dem Hüftgelenkersatz ebenfalls zu einem erfolgreichen Stan− dardverfahren entwickelt. Da die Inzidenz der Gonarthrose die der Koxarthrose mit zunehmendem Lebensalter deut− lich übersteigt, ist mit weiter steigenden Implantations− zahlen von Knieendprothesen zu rechnen. In der Routineversorgung werden heute im Wesentlichen bikondyläre Oberflächenprothesen eingesetzt. Hiermit werden für gemischte Indikationsgruppen von Patienten gute Behandlungsergebnisse mit einer Standzeit der Pro− these > 90 % im 10−Jahres−Zeitraum erreicht. Daneben kommt für einen Teil der Patienten mit umschriebenem Gelenkverschleiß (anteromedialer Arthrose) die Versor− gung mit unikondylären Schlittenprothesen infrage (Al− dinger et al. 2004). Bei Patienten mit hochgradigen Achs− abweichungen und kontrakten Weichteilen kommen teilgekoppelte oder gekoppelte Knieprothesen mit intra− medullärer Verankerung zum Einsatz. Durch Anwendung von Navigationssystemen in der Knie− endoprothetik kann die Implantationsgenauigkeit der Endoprothesen für die frontale Beinachse im Stand ver− bessert werden. Die Navigation wird vom überwiegenden Teil der Hersteller als bildfreie Lösung mit intraoperativer Registrierung der Landmarken und Ermittlung der not− wendigen Achsen realisiert. Der zusätzliche Zeitbedarf Einleitung Epidemiologie und Ätiologie der Gonarthrose Die Arthroseentstehung ist im Beitrag ¹Kniegelenk ± Arthrose und Arthritis“ im gleichen Heft ausführlich dargestellt. Die Abb. 1 ± 6 zeigen verschiedene Beispiele für primäre und sekundäre Gonarthrosen. Eine Sonder− stellung nimmt die posttraumatische Gonarthrose ein, bei der es im Rahmen des Unfalles häufig auch zu Weichteilschäden kommt, die in der weiteren Behand− lung berücksichtigt werden müssen. Daneben kommen noch eine Reihe seltener Erkrankungen infrage (Tab. 1). bei navigierten Knieendoprothesenimplantationen be− trägt zwischen 10 und 20 Minuten. Der langfristige Effekt navigationsunterstützter Knieprothesenimplantationen auf die Überlebensrate und das klinische Ergebnis ist Gegenstand der klinischen Forschung (Lüring et al. 2005). Durch Weiterentwicklungen der chirurgischen Techniken und Verwendung von weniger invasiven Zugängen soll das chirurgische Ergebnis verbessert und die Rehabilitations− phase verkürzt werden. Neben positiven Berichten aus Fallserien zeigen die wenigen randomisierten Studien einen zeitlich begrenzten positiven Effekt auf die Rehabili− tation. Eine abschließende Bewertung auf das langfristige Behandlungsergebnis muss mangels ausreichenden Da− tenmaterials gegenwärtig ausbleiben. Die wesentlichen Versagensursachen von Knieendopro− thesen stellen die Lockerung und der Polyethylenabrieb dar. Darüber hinaus spielen jedoch die Instabilität, die pe− riprothetische Infektion, die Arthrofibrose, das Malaligne− ment und periprothetische Frakturen eine relevante Rolle (Sharkey et al. 2002). Damit sind die möglichen Versa− gensursachen breiter gestreut als bei der Hüftendopro− thetik und zeigen die notwendigen Entwicklungen für die eingesetzten Materialien und operativen Techniken sowie bei der Forschung der Erkrankungsverläufe an. Am Kniegelenk überwiegt nach gegenwärtigem Stand der Literatur die primäre gegenüber der sekundären Arthrose (66,6 % vs. 33,4 %). Hierbei ist weiterhin zu be− achten, dass die Gonarthrose zwei unterschiedliche Ge− lenke mit drei Gelenkkompartimenten betrifft (Duncan et al. 2006). Die Arthrosen der großen Gelenke der un− teren Extremität nehmen mit steigendem Lebensalter stetig zu, wobei die Inzidenz der Gonarthrose die der Koxarthrose ab dem 6. Lebensjahrzehnt deutlich über− steigt. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 êDOI 10.1055/s−2008−1077373 177 Beckengürtel und untere Extremität Abb. 1 n Sekundäre Gon− arthrose bei Achsfehler. Einbeinstandauf− nahme a.±p. (a) und Detailansicht (b). Abb. 2 n Primäre osteoproliferative Gonarthrose. Abb. 3 n Sekundäre Gonarthrose bei Morbus Ahlbäck. Diagnostik Klinik n Symptome/Anamnese Der belastungsabhängige Knieschmerz stellt meist das erste Symptom der beginnenden Gonarthrose dar und ist dem Patienten über längere Zeit bekannt. Im weite− ren Erkrankungsverlauf kommt es zur Verminderung der Belastbarkeit und zur Ausweitung der Schmerz− symptomatik mit Ruhe−, Anlauf− und Nachtschmerz. Die schmerzfreie Gehstrecke vermindert sich und kniegelenkbelastende Tätigkeiten werden von dem Patienten zunehmend vermieden. Dies führt zu einer Abnahme der Lebensqualität und Einschränkung der Teilnahme am sozialen Leben. Für die weitere Therapieentscheidung ist die bishe− rige Behandlung von Interesse. In der Anamnese ist ge− zielt nach einer konservativen Therapie mit Kranken− gymnastik und medikamentöser Schmerztherapie (z. B. mit nichtsteroidalen Antiphlogistika) und den hiermit erzielten Behandlungseffekten zu fragen. Eventuell vor− genommene invasive Maßnahmen wie Gelenkinjektio− nen oder Voroperationen sollten erhoben werden. Alternative Ursachen für Knieschmerz, wie z. B. Me− niskuserkrankungen, entzündliche Gelenkerkrankun− gen, mögliche Wirbelsäulenerkrankungen oder auch eine mögliche Polyneuropathie im Rahmen eines Dia− betes mellitus sind abzufragen. Bei entzündlichen Ge− lenkerkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist zunächst eine gute Einstellung der Grunderkrankung 178 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 anzustreben und danach die Indikation zum Gelenker− satz erneut zu prüfen. " Vor einer Endoprothesenimplantation ist die Erwar− tung des Patienten an den Behandlungseffekt gezielt zu erfassen. Der Zeithorizont von etwa 9 Monaten bis zum vollen Eintreten des Behandlungseffektes und der zu erreichenden Leistungsfähigkeit sollte dem Patienten verdeutlicht werden. Das Erlangen der vollen Leistungs− fähigkeit des Kunstgelenkes am Knie benötigt längere Zeit als am Hüftgelenk. Primäre Endoprothetik am Kniegelenk Tabelle 1 Ursachen sekundärer Gonarthrosen nach Buckwalter JA, 2004. Komorbidität Mechanismus der Gelenkschädigung Trauma n n n n Abb. 4 sicht. n dysplastische Gelenkanlage unphysiologische, nicht den mechanischen Anforderungen entsprechende Gelenkanlage (knöcherne Formgebung, ligamentäre Stabilität und/oder Qualität des Knorpels) aseptische Nekrose Nekrose des periartikulären Knochens führt zum Einbruch der Gelenkflächen und einer sekundären Gelenkinkongruenz Akromegalie n Sekundäre Gonarthrose bei Ochronose, intraoperative An− n Morbus Paget n n Abb. 5 n Sekundäre Gonarthrose mit Innenbandverkalkung und Patella baja. Röntgen a.±p. (a) und seitlich (b). direktes Knorpeltrauma mit Überschreitung der Regenerationsfähigkeit der Chondrozyten artikuläre Fraktur mit verbleibender Gelenkinkongruenz extraartikuläre Fraktur mit relevanter Fehlstellung oder Fehlbelastung Weichteilverletzung mit verbleibender Instabilität und/oder Verlust der Propiozeption fortschreitendes Knorpelwachstum kann zu Gelenk− inkongruenzen führen Ausbildung mechanisch vermindert belastbaren Knorpels fortschreitendes Knochenwachstum oder Knochen− remodeling führt zu mechanischen Achsabweichungen periartikuläres Knochenwachstum führt zu Gelenk− inkongruenz Ehlers−Danlos−Syndrom Gelenkinstabilität Infektion direkte Knorpelschädigung im Rahmen der Infektion Hämophilie Mangelversorgung des Knorpels im Rahmen des Hämarthros Ochronose Anreicherung von Homogenitinsäure im Gelenk und Knorpel Gicht Harnsäureablagerungen im Gelenk CPPD−(calcium pyro− phosphate dihydrate−) Kristallarthropathie Ablagerung von Kalziumpyrophosphat in Knorpel, Menisken und Bändern neuropathisch (Charcot−Gelenk, Syphilis, Diabetes mellitus oder Syringomyelie) fehlende Propiozeption des Gelenkes mit Überbeanspruchung und Instabilität Abb. 6 n Valgusgonarthrose mit Patella alta. Röntgen a.±p. (a) und seitlich (b). Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 179 Beckengürtel und untere Extremität n Klinische Untersuchung Die körperliche Untersuchung umfasst eine normale Gelenkdiagnostik mit n Bewegungsausmaß nach der Neutral−Null−Methode, n Stabilitätsprüfung, n Erfassung von Kapselschwellung oder Ergussbildung, n mögliche intraartikuläre Blockierungen, n Patellalauf. Die angrenzenden Gelenke werden mit untersucht. Der Stand und das Gangbild des Patienten werden begut− achtet und mögliche mechanische Schwachpunkte, wie z. B. eine Valgusfehlstellung im Fuß mit Gangunsicher− heit, erfasst. Die Durchblutung der Extremität sowie eine neurologische Statuserhebung schließen die Unter− suchung des Kniegelenkes ab. Vor einer möglichen Operation müssen mögliche Kontraindikationen oder Risikofaktoren erfasst werden. Hierbei ist nach Hinweisen auf stattgehabte Thrombo− sen, Unterschenkelerysipel oder chronischen Nagel− bettinfektionen zu suchen. Hautverletzungen in der direkten Umgebung des Kniegelenkes stellen meist eine temporäre Kontraindikation dar. Bei Vorliegen eines Ulcus cruris ist zunächst die Ausheilung vor Implanta− tion einer Knieendoprothese abzuwarten. Eine Gelenk− infektion stellt eine Kontraindikation dar. Bei anamnes− tischen Hinweisen auf Gelenkinfekte sollte präoperativ eine Gelenkpunktion mit Synoviaanalyse (Zellzahl und mikrobiologische Untersuchung) zum Ausschluss einer fortbestehenden Infektion durchgeführt werden. die Achsverhältnisse zur Operationsplanung und das Ausmaß der Deformität am Knie sowie mögliche ex− traartikuläre Deformitäten zuverlässig erfasst werden (Eike u. König 2000). Hiermit ist für den überwiegenden Teil der Patienten die apparative Diagnostik abge− schlossen. Bei deutlichen klinischen Beschwerden und wenig ausgeprägter Gonarthrose im Röntgenbild sollte die apparative Diagnostik erweitert werden. MRT. Frühe Formen der avaskulären Nekrose können sicher mit dem MRT dargestellt werden. Dies gilt eben− so für Ermüdungsfrakturen, die sich erst im Verlauf sicher im Röntgenbild darstellen lassen, aber direkt im MRT erkannt werden. Bei einer posttraumatischen Osteomyelitis der Tibia muss die Indikationsstellung besonders kritisch abgewogen werden. Um Hinweise auf die Aktivität und Ausdehnung der Osteomyelitis zu erhalten, ist ebenfalls eine MRT−Untersuchung des Unterschenkels und Kniegelenkes anzuraten. Indikationen Die Indikation zur Implantation einer Knieendoprothe− se liegt bei einer Gonarthrose mit erheblichen Schmer− zen, die nicht ausreichend durch konservative Therapie gebessert werden können, vor. Neben der schmerz− haften Bewegungsprüfung und einer Bewegungsein− schränkung finden sich oft lokale Druckschmerzen. Die radiologische Darstellung zeigt einen eindeutigen Arthrosenachweis mit Gelenkspaltverschmälerung und degenerativen Gelenkveränderungen (Eike u. König 2000). Risikofaktoren/Kontraindikationen " Wie auch am Hüftgelenk ist eine operative Versor− Knieendoprothetik gung ohne Beschwerden des Patienten auch bei radio− logischem Arthrosenachweis abzulehnen. n Z.n. Thrombose n Z.n. Unterschenkelerysipel n chronische Nagelbettinfektionen n Hautverletzungen im Bereich des Kniegelenkes n Ulcus cruris n Gelenkinfektion Therapie Bildgebende Diagnostik Röntgen. Zur Sicherung der Diagnose dienen Röntgen− aufnahmen des Kniegelenkes in 2 Ebenen und eine Patella−Tangentialaufnahme (Duncan et al. 2006). Die Belastungsaufnahme zur Abbildung der tatsächlichen Gelenkspaltweite wird im p.±a. Strahlengang in leichter Beugung empfohlen (nach Rosenberg). Zur Operations− vorbereitung ist eine korrekt eingestellte Einbeinstand− aufnahme zwingend erforderlich. Nur hiermit können 180 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 Bei Nachweis von relevanten Knochenverlusten ist die Beschwerdesymptomatik erneut zu überprüfen. Der Patient muss in dieser besonderen Behandlungssitua− tion ausführlich und verständlich über die möglichen Folgen aufgeklärt werden. ê2008 ê177 ± 194 Operationsvorbereitung Nachdem in der Ambulanz die Indikation zu einer elek− tiven Operation gestellt wurde, muss der Patient sorg− fältig darauf vorbereitet werden. Die Vorstellung in einer Anästhesieambulanz kann hilfreich bei der Ein− schätzung der Begleiterkrankungen und deren medizi− nischer Behandlungsnotwendigkeit sein. Die Koordi− Primäre Endoprothetik am Kniegelenk nierung für besondere Maßnahmen, wie z. B. das tem− poräre Abschalten eines Herzschrittmachers mit Defi− brillatorfunktion, kann übernommen werden. Für die Operation ist ein aktuelles Labor mit Entzün− dungsparametern erforderlich. Aufklärung Die Implantation einer Knieprothese stellt eine zuver− lässige und sichere Behandlung der fortgeschrittenen Arthrose dar (NIH 2004). Auch bei optimaler Vorberei− tung und sorgfältiger Durchführung der Operation kommt es bei einem geringen Anteil der Patienten zu unerwünschten Behandlungsfolgen. Aufgrund des elek− tiven Charakters der Operation muss der Patient über die direkten perioperativen Risiken und den voraussicht− lichen Verlauf nach der Operation aufgeklärt werden. Für den Patienten ist insbesondere der zeitliche Hori− zont, in dem ein Gewinn an Funktionalität erreicht wird, interessant: n Die Patienten, bei denen eine Knieprothese implan− tiert worden ist, verbessern sich in der direkten postoperativen Phase deutlich langsamer als Patien− ten mit Hüftendoprothesen. n Nach 3 Monaten ist bei den Patienten weiterhin mit einer kontinuierlichen Verbesserung zu rechnen und erst jenseits des 1. postoperativen Jahres hat der Patient die volle Funktionalität des Kunstgelenkes erreicht. Für die eigentliche Operationsaufklärung gelten die all− gemeinen rechtlichen Grundlagen, die einen Abstand von mindestens 24 h zwischen der Aufklärung und der Operation vorsehen. Bei der Aufklärung ist neben der Beschreibung der Operationsdurchführung auf folgende Risiken hinzuweisen: n Knochenbruch. Im Rahmen der operativen Versor− gung kann eine Fraktur auftreten, die eine Erweite− rung der Operation zur Stabilisierung der Fraktur oder eine veränderte Implantatwahl und zumeist auch eine verzögerte Nachbehandlung zur Folge hat. n Nachblutung. Bei Blutungen mit deutlicher Häma− tombildung besteht die Notwendigkeit zur operati− ven Hämatomentfernung (Folgeeingriff) und in sel− tenen Fällen einer Gefäßrekonstruktion sowie die mögliche Gabe von Fremdblut. n periprothetische Infektion. Bei Eintreten einer Infek− tion der Endoprothese ist eine weitere Operation (Folgeoperation) erforderlich. Zumeist sind die Ent− fernung der Endoprothese und eine antibiotische Behandlung erforderlich. Bei schwierigen und lang− wierigen Verläufen kann als definitive Behandlung die Anlage einer Kniegelenkarthrodese mit deutli− cher Einschränkung der Funktion erforderlich sein. n n n n n n Lockerung. Endoprothesenlockerungen treten in der Regel erst nach längerer Zeit auf. Die Lockerung kann in Frühlockerungen bis zu 2 Jahren nach Implanta− tion und Spätlockerungen unterschieden werden. Die Lockerung einer Knieprothese erfordert die En− doprothesenwechseloperation. Verletzungen des Streckapparates. Patellaluxation, Ruptur des Lig. patellae oder der Quadrizepssehne oder auch Patellafrakturen treten selten auf, stellen jedoch eine schwerwiegende Komplikation dar. Das Kniegelenk kann bei Verletzungen des Streck− apparates seine Funktionalität verlieren. Nervenschaden. Es kann zu Beeinträchtigung des N. femoralis oder des N. ischiadicus kommen mit Gefühlsstörungen im Bein, Ausfall von Muskelfunk− tionen und der Notwendigkeit einer Orthesenver− sorgung. heterotope Ossifikationen. Bei Verknöcherungen kann es zu einer Beeinträchtigung des Streckappa− rates mit Bewegungseinschränkung kommen. Arthrofibrose. Zunächst zeigt sich lediglich eine postoperative Bewegungseinschränkung mit der Notwendigkeit zu einer Narkosemobilisation. Bei tatsächlich eingetretener Arthrofibrose sind eine medikamentöse Behandlung und in Einzelfällen auch weitere operative Maßnahmen erforderlich. Bei diesen Patienten werden selten die gewünsch− ten funktionellen Verbesserungen erreicht. Thrombose und Lungenembolie. Planung der Operation Die sorgfältige Planung der Operation (Abb. 7) gehört bei der Implantation einer bikondylären Knieprothese zum Standardvorgehen (Eike u. König 2000). Die prä− operativen Röntgenbilder des Kniegelenkes in 2 Ebenen, Patella−Tangentialaufnahme und die korrekt eingestell− te Einbeinstandaufnahme erlauben eine zuverlässige Einschätzung der knöchernen Ausgangssituation. Gemeinsam mit dem klinischen Untersuchungsbefund und dem Bewegungsausmaß des Kniegelenkes kann eine sichere Planung des intraoperativen Vorgehens Hintergrund A.±p. Röntgenaufnahme im Einbeinstand n n n Die Patella projiziert sich frontal über das distale Femur. Circa ein Drittel des Fibulaköpfchens wird von der Tibia überlagert. Stärkere Überlagerungen des Fibula− köpfchens werden durch eine Auf− nahme in Außenrotation und eine parallele Darstellung von Fibula und Tibia durch eine Aufnahme in Innen− rotationsabweichung verursacht. In diesen Fällen ist eine zuverlässige Bestimmung des femoralen Valgus− winkels anhand dieser Röntgenauf− nahmen nicht möglich. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 181 Beckengürtel und untere Extremität Abb. 7 n Beinachsen. Eingezeichnet am Schema (a) und im Planungsbei− spiel am Rönt− genbild (b; Aus− schnitt Einbein− standaufnahme). 1: Mikulicz−Linie. 2: Kniebasislinie und äußere Win− kel (Beschreibung des Deformitä− tenausmaßes). 3: intramedulläre Femurachse. 4: femorale Trag− achse. 5: femorale Resektionslinie. 6: tibiale Trag− achse. 7: tibiale Resek− tionsebene. 3 1 1 81° 87° 2 90° 8 4° C 93° 6 6 a Abb. 8 n Sekundäre Gonarthrose bei tibialer Osteo− nekrose. a Röntgen a.±p. b Röntgen seit− lich. c u. d Postopera− tive Röntgenauf− nahme nach medialem Defekt− aufbau seitlich (c) und Einbeinstand− aufnahme (d). für die meisten Patienten erstellt werden. In Einzel− fällen kann ein abweichendes Vorgehen erforderlich werden. " Ergebnis der Planung ist die Auswahl des zu verwen− denden Prothesenmodells und der Prothesengröße, des Kopplungsgrades sowie evtl. notwendige Schaftverlän− gerungen und Augmentationen bei Knochendefekten (Abb. 8). 182 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 In besonderen Situationen kann eine alternative Instru− mentationstechnik (extramedullär vs. intramedullär) oder die Anwendung eines Navigationssystems zur Im− plantation der bikondylären Knieprothese ausgewählt werden. Dies kann z. B. bei ausgeprägten knöchernen Deformitäten erforderlich sein (Abb. 9). Der präoperative Patellastand hat ebenfalls relevante Auswirkungen auf das operative Vorgehen: Eine extre− me Patella baja erschwert die Eversion der Patella wäh− Primäre Endoprothetik am Kniegelenk rend der Operation erheblich und kann postoperativ an die Tibiakomponente oder das Inlay in Beugung an− schlagen. Basierend auf der Planung kann die Entschei− dung zur Durchführung einer Tuberositasosteotomie zur Korrektur des Patellastandes erwogen und mit dem Patienten besprochen werden. Die Einschätzung der präoperativen Deformität und des femoralen Valguswinkels hängt von einer korrekt eingestellten a.±p. Röntgenaufnahme im Einbeinstand ab. Ziel der Planung ist eine neutrale Beinachse in der Frontalebene, bei der die Lastlinie des Beines (Mikulicz− Linie) zentral durch das Kniegelenk läuft. In der klassi− schen Planung wird jeweils ein Winkel von 908 von dis− talem Femur− und Tibiaschnitt zur Lastachse geplant. Dies ergibt einen Knieaußenwinkel zwischen Femur− schaftachse und Tibiaachse von 1748 (bei 68 femoralem Valguswinkel; Abb. 7). Präoperativ zeigt ein größerer Wert des Knieaußenwinkels eine Varusfehlstellung und ein kleinerer Wert eine Valgusfehlstellung an. Der Ab− gleich der Winkel zwischen der präoperativen Defor− mität und der neutralen Beinachse in der Frontalebene gibt einen Hinweis auf das erforderliche Weichteil− release. Für die distale Femurresektion wird der Valguswin− kel zwischen der intramedullären Achse und der Last− achse zwischen Hüftkopfzentrum und Kniezentrum bestimmt. Der femorale Valguswinkel beträgt meist 68. Durch zeichnerische Planung der Resektionsebenen erhält man einen intraoperativ gut nachvollziehbaren Hinweis auf das Ausmaß der erforderlichen Knochen− resektion. Die Größenbestimmung der femoralen Komponente wird im seitlichen Bild anhand des sagittalen Durch− messers der Femurkondylen ermittelt. Die Tibiakompo− nente wird anhand des a.±p. Röntgenbildes geplant (Abb. 10). Für die tatsächlich zu verwendenden Kompo− Abb. 9 n Knieendoprothe− se bei Morbus Paget. a Röntgen a.±p. b Röntgen seitlich. c Einbeinstand− aufnahme. Abb. 10 n Pausen der knöchernen Aus− gangssituation. a Zeichnerische Distraktion von Femur und Tibia. Übertragung der einzelnen Beinachsen. b Einpassen der Prothesenkomponenten nach sagittalem (Femur) und a.±p. (Tibia) Durchmesser. Berücksichtigung knöcher− ner Defekte. x, y = geplante Prothesengröße. x y a b Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 183 Beckengürtel und untere Extremität nenten müssen das verwendete Implantatsystem und dessen mögliche Kombinationsmöglichkeiten der Kom− ponentengrößen berücksichtigt werden. Neben der Verwendung der gleichen Implantatgröße für Femur und Tibia (¹Match“) erlauben die meisten Systeme auch die Kombination mit einer Größe darüber oder darunter (¹Mismatch“). Besonderheiten der Planung können sich bei ausge− prägten extraartikulären Deformitäten ergeben. Je wei− ter die Deformität vom Knie entfernt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese im Kniegelenk selbst korrigiert werden kann. Nichtkontrakte Varusgonarthrose Zugang Die Operation wird unter perioperativer Antibiotika− prophylaxe (single shot) in Blutsperre durchgeführt. Routinezugang über einen ventralen geraden Haut− schnitt über dem Kniegelenk. Es ist vorteilhaft, den Hautschnitt distal leicht medial neben die Tuberositas tibiae zu legen, da die meisten Patienten das Knien auf der Operationsnarbe als unangenehm empfinden. Er− öffnung des Gelenkes durch eine mediale parapatellare Inzision. Hierbei wird die Quadrizepssehne in Faser− richtung eingeschnitten. Die Kapsel wird mit einem Abstand von einigen Millimetern zur Patella durch− trennt und die Inzision dann gerade zum Tibiakopf ver− längert, ohne das Lig. patellae zu tangieren. Subperi− ostale Ablösung der medialen Kapselanteile von der Tibiavorderkante. Auf Höhe des Gelenkes kann die Kapsel bis nach dorsal vom Tibiakopf gelöst werden, um die Außenrotationsstellung und Subluxationsstellung des Gelenkes für den weiteren Operationsablauf zu be− günstigen. Die Insertion vom Lig. collaterale mediale liegt weiter distal an der Tibia und wird von diesem Zu− gang nicht tangiert (Whiteside 2004). Zur besseren Ge− lenkexposition bietet sich die Resektion oder Reduktion des Hoffa−Körpers sowie die Lösung der lateralen patel− lofemoralen Ligamente an. Sofern das vordere Kreuz− band noch vorhanden ist, wird es nun reseziert. Nun− mehr sollte die Umwendung der Patella gelingen und das Kniegelenk in Beugung aufgestellt werden können. Dieses Manöver kann auch durch eine schmale Resek− tion des lateralen Patellarandes erleichtert werden. Knochenresektionen Grundsätzlich kann mit der Resektion der Tibia (¹Tibia first“) in einer weichteilorientierten Technik oder mit der Femurresektion (¹Femur first“) in traditioneller Technik begonnen werden. Zunächst wird die traditionelle Resektionstechnik mit Beginn am Femur dargestellt (Kohn u. Rupp 2000): 184 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 lat eral m e d ial AP 2 3 Operationsablauf n 1 ê2008 ê177 ± 194 Abb. 11 n Anatomische Landmarken zur Rotationspositionierung der Femurkomponente. 1: Whiteside−Linie (steht senkrecht zur transepikondylären Achse). 2: transepikondyläre Achse. 3: posteriore Kondylentangente. Bei gebeugtem Knie wird der Eintrittspunkt zum femoralen Markraum leicht medial ca. 1 cm ventral des Ursprungs des hinteren Kreuzbandes aufgesucht. Am intramedullären Führungsstab wird die distale Femur− resektion ausgerichtet. Die Kenntnis des Femurvalgus− winkels und seine Übertragung auf das Instrumenta− rium sind für die korrekte Ausrichtung erforderlich. Das Ausmaß der Knochenresektion richtet sich nach der Implantatdicke und beträgt in der Regel 8 ± 9 mm. Eine vermehrte distale Femurresektion kann bei erheb− lichem Streckdefizit notwendig sein, stellt aber eine Ausnahme dar. Ein verstärktes Aufkanten beim Sägen kann zur Flexionsstellung der Femurkomponente füh− ren. Wird das Sägeblatt durch sklerotischen Knochen abgedrängt, kann es zur Hyperextensionsstellung der Femurkomponente und zum Einkerben (¹Notching“) der ventralen Femurkortikalis kommen. Bei der Rotationsausrichtung der Femurkomponente werden mehrere Landmarken beachtet (Abb. 11). Häu− fig ist die Ausrichtung zur posterioren Kondylenebene berücksichtigt, deren Tangente steigt in normalen Knie− gelenken etwa um 38 nach lateral an. Daneben kann an der Whiteside−Linie als Verbindung des jeweils tiefsten Punktes der femoralen Trochlea und der Notch und den Epikondylen ausgerichtet werden (Abb. 11). Die Wahr− scheinlichkeit einer Fehlausrichtung steigt z. B. bei Val− gusgonarthrosen mit Hypoplasie der lateralen Femur− kondyle und Osteonekrosen mit Substanzdefekten. Anbringen der definitiven Resektionsschablone und zuverlässige Fixierung am Femur. Vor Osteotomie Überprüfung der ventralen Resektion mit Tiefenfühler. Nach Durchführung der Abkantschnitte Entfernung der Knochenteile mit dem Meißel. Dorsale Osteophyten sind vom Femur zu entfernen. Primäre Endoprothetik am Kniegelenk Tabelle 2 Balancierung von St reck- und Beugelücke nach Fert igst ellung der Knochenschnit t e Flexionslücke normal zu klein Flexionslücke normal Extensionslücke normal Inlay passt in Beugung und Streckung zu groß Flexionslücke zu klein Extensionslücke normal 1. ggfs. Release/Resektion PCL 2. Tibiaresektion 5° 3. kleinere Femurkomponente Extensionslücke normal Flexionslücke normal Extensionslücke zu klein 1. dorsale Arthrolyse 2. distale Femurresektion Flexionslücke zu klein Extensionslücke zu klein Tibiaresektion distale Femurresektion und ggf. größere Femurkomponente m it Augm entation der dorsalen Femurkondylen zu klein zu groß Augmentation distales Femur Subluxation der Tibia durch Außenrotation, tiefe Beu− gung und Einsetzen eines Hohmann−Hakens zentral vor dem hinteren Kreuzband. Extramedulläre Ausrichtung des Instrumentariums parallel zur Tibiavorderkante und dem oberen Sprunggelenk. Das anatomische Zen− trum wird von der inneren Begrenzung der Gelenk− konturen bestimmt und liegt meist leicht medial der äußerlich tastbaren Mitte der Sprunggelenkgabel. Pro− ximal Fixierung am medialen Rand der lateralen Emi− nentia intercondylaris. Ausrichtung der Rotation der Tibia zum medialen Drittel der Tuberositas tibiae und der Insertion des hinteren Kreuzbandes. Für die Ein− stellung des tibialen Neigungswinkels gibt es keine allgemeingültigen Angaben. Einstellung des individuel− len Neigungswinkels oder eines standardisierten Nei− gungswinkels (z. B. 58). Berücksichtigung möglicher zu− sätzlicher Neigungswinkel im Inlay. Die Resektionshöhe richtet sich nach der Implantatdicke. Vermeidung einer vermehrten Tibiaresektion, da eine Schwächung der Ansätze des hinteren Kreuzbandes oder des lateral ansetzenden Tractus ileotibialis möglich ist. Nach Re− sektion Größenwahl anhand des mediolateralen Durch− messers der Tibia und der bereits gewählten Femur− komponentengröße. Abschließende Bearbeitung der Tibia mit Schaffung einer Vertiefung zur Aufnahme des größere Femurkomponente m it Augm entation der dorsalen Femurkondylen Verkleinerung der Femurkomponente m it Resektion der dorsalen Femurkondylen und ggf. distaler Femuraugm entation dickeres Inlay tibialen Kiels. Sorgfältige Rotationsausrichtung auf das mediale Drittel der Tuberositas tibiae. Balancierung der Weichteile Überprüfung ausreichender Lücken und der Weichteil− spannung mit Distanzblock oder Probekomponenten (Whiteside 2004). Die Stabilität in Streckstellung des Kniegelenkes ist von großer Bedeutung. Vor eine Lösung der Weichteile (Release) sind ver− bliebene Osteophyten zu entfernen. Unterscheidet sich bei jeweils parallelem Spalt die Beuge− und Strecklücke, wird zunächst eine Weichteillösung der dorsalen Kapsel und der Gastrocnemiusansätze vorgenommen. Kann danach keine ausreichende Strecklücke erreicht wer− den, wird das distale Femur nachreseziert. Diese Kno− chenresektion hat lediglich Einfluss auf die Strecklücke. Primäre Überresektionen sind abzulehnen und können zu einer Verschiebung der Gelenklinie führen. Die möglichen sekundären Maßnahmen zum Erreichen gleichmäßiger Streck− und Beugelücken sind in Tab. 2 aufgeführt. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 185 Beckengürtel und untere Extremität Fixierung der Endoprothese Die zementierte Fixierung beider Prothesenkomponen− ten ist nach Registerdaten am zuverlässigsten (Lidgren et al. 2004). Für die Hybrid− oder zementfreie Veranke− rung sind die Revisionsraten gegenüber der zementier− ten Verankerung erhöht. In den Händen spezialisierter Zentren können jedoch auch diese Versorgungsformen gute Behandlungsergebnisse erzielen. Behandlung der Patella Mit den Probekomponenten wird der Lauf der Patella geprüft. Hierzu sind einzelne Adaptationsnähte in der Kapsel zu legen. Unterschiedliche Faktoren haben Einfluss auf den Lauf der Patella: n Position der Gelenklinie n Größenwahl der Komponenten n Komponentenposition (mediolateral und Rotations− ausrichtung Femur) n Weichteilverhältnisse n Q−Winkel n Höhe des patellaren Gleitlagers in der Trochlea Die Störung des Patellalaufs kann sich durch Anstoßen am Inlay in tiefer Beugung, durch Luxations− oder Sub− luxationsneigung nach lateral oder durch eine Kippnei− gung zeigen. In diesen Fällen sollten intraoperative Röntgenbilder der Position und Größe der Komponen− ten angefertigt werden und auf keinen Fall die OP bei einem nicht zufrieden stellenden Lauf der Patella been− det werden. Zur Zentrierung kann z. B. ein laterales Release in ausgewählten Fällen erforderlich sein. Alter− native Maßnahmen stellen die dosierte Verkleinerung der lateralen Patellafacette oder die Mobilisation des Tractus ileotibialis vom peripatellaren Halteapparat dar. Die Frage des Retropatellarersatzes ist unverändert Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Aus dem schwedischen Register kann sowohl für den Retro− patellarersatz als auch für die Belassung der Patella eine Revisionswahrscheinlichkeit von etwa 2 % entnommen werden. Das Risiko einer Revision ist für die Patienten ohne Retropatellarersatz gering erhöht. Der Retropatellarersatz sollte mehrere periphere Verankerungszapfen aufweisen, um die Blutversorgung der Patella nicht zu schädigen. Die Knochenresektion an der Patella ist so zu wählen, dass die Patella mit Im− plantat der Ausgangshöhe entspricht. Die Indikation ist bei sehr dünner Patella kritisch zu prüfen, da bei gerin− ger Resthöhe (unter 13 mm) eine erhöhte Bruchgefahr besteht. Das Patellaimplantat sollte eher leicht nach medial versetzt vorgenommen werden. Eine parapatel− lare Denervierung kann durchgeführt werden. Bei Be− lassung der Patella scheint ein Trimmen der Patella mit vollständiger Abtragung von Randosteophyten Vorteile zu haben. Nach der Bearbeitung sollte die Patella locker 186 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 in der Trochlea liegen und bei zunehmender Beugung dort zuverlässig geführt werden. n Valgusgonarthrose Die Versorgung dieser Patienten stellt erhöhte Anforde− rungen an die operative Technik und sollte erst mit ausreichender Erfahrung operiert werden. Bei nichtkontrakter Valgusfehlstellung ist eine passive Korrigierbarkeit vorhanden und die Versorgung kann mit einem Oberflächenersatz erfolgen. Bei kontrakten Fehlstellungen kann die Versorgung mit einem Ober− flächenersatz erwogen werden, jedoch erfordern länger bestehende Deformitäten über 208 häufig die Nutzung einer gekoppelten Knieendoprothese zu Stabilisierung des überdehnten Innenbandes. Zugang Medianer Hautschnitt und parapatellare mediale Ar− throtomie mit sparsamer Lösung der Kapsel von der anteromedialen Tibia. Die sichere Führung der Patella ist bei der Valgusgonarthrose von besonderer Bedeu− tung. Die Lösung der patellofemoralen Bänder oder die schmale laterale Randresektion sollte daher vorgenom− men werden, auch wenn die Evertierung der Patella direkt möglich ist. Knochenresektionen Die Instrumentation für den distalen Femurschnitt wird in gewohnter Weise vorgenommen. Die Rotationsaus− richtung und Größenbestimmung der Femurkompo− nente an den dorsalen Kondylen birgt bei der Valgus− gonarthrose die Gefahr einer Innenrotationsabwei− chung durch den hypoplastischen lateralen Kondylus. Zur Orientierung sollten die Whiteside−Linie sowie die Epikondylen herangezogen werden. Das Resektionsaus− maß der Tibia ist bei Oberflächenendoprothese sparsam zu wählen, um später eine gute Spannung des Innen− bandes erreichen zu können. " Eine alternative Möglichkeit zur funktionellen Einstel− lung der femoralen Rotation stellt die Knochenresektion in der ¹Tibia first“−Abfolge dar (s. u.). Nach Balancierung der Strecklücke wird die femorale Rotation anhand der funktionellen Beugelücke bestimmt. Die Valgusfehlstellung wird häufig vom hinteren Kreuzband, der lateral verkürzten Gelenkkapsel und dem Tractus ileotibialis verursacht, daher bietet sich die Versorgung mit einer ¹posterior stabilisierten“ Knieendoprothese an. In einigen Zentren wird die late− rale Arthrotomie und routinemäßige Osteotomie der Tuberositas durchgeführt. Die Weichteilbalancierung lateral ist bei dem ortständigen Zugang einfacher. Nach Primäre Endoprothetik am Kniegelenk Endoprothesenimplantation wird die Tuberositas ein− falzt und mit Cerclagen fixiert. Hochgradig kontrakte Valgusgonarthrosen erfordern die Versorgung mit einem gekoppelten Knieendopro− thesenmodell. Die Beschreibung des Operationsablau− fes geht über den vorliegenden Artikel hinaus. Behandlung der Patella Bei hypoplastischer Patella mit rein konkaver lateraler Facette kann die Implantation eines Retropatellarersat− zes evtl. die Zentrierung der Patella verbessern. n Alternative operative Vorgehensweisen ¹Tibia first“ (weichteilorientierte Operationstechnik) Nach dem Zugang zum Kniegelenk werden die proxi− male Tibia und das distale Femur reseziert. Nach voll− ständiger Abtragung aller erreichbaren Osteophyten Release der Weichteile, bis ein ausgeglichener Streck− spalt von ca. 2,5 ± 3 cm Höhe erreicht wird. Überprüfung des Streckspaltes mit Spacern oder Balancern. Einstel− lung des Kniegelenkes in 908 Beugung und Übertragung der Resektion auf die dorsalen Femurkondylen. Durch Bestimmung der a.±p. Ausdehnung zur ventralen Fe− murkortikalis Größenwahl der femoralen Komponente. Die Rotationsausrichtung der Femurkomponente wird dabei von der ligamentären Führung bestimmt und kann deutlich von den sonst gebräuchlichen 38 Außen− rotation abweichen. Die Abtragung der dorsalen Osteo− phyten ist auch bei diesem Vorgehen erst nach Durch− führung aller Knochenresektionen sinnvoll. Navigierte Knieendoprothetik Es verändert sich lediglich die Referenzierung der Kno− chenschnitte, die vom Instrumentarium auf die Naviga− tion übergeht. Das operative Vorgehen ist traditionell resektionsorientiert ¹Femur first“ oder weichteilorien− tiert ¹Tibia first“ möglich. Nach Zugang ist die Befesti− gung sog. Tracker erforderlich. Mit deren Hilfe werden die Landmarken und Achsen registriert. Die Ausrich− tung der Schnittblöcke erfolgt nach Angaben des Navi− gationssytemes. Üblicherweise kann nach Durchfüh− rung der Knochenschnitte deren Präzision überprüft und ggf. verbessert werden. Nach Fertigstellung aller Knochenschnitte und Einbringen der Probeimplantate kann das Navigationssystem die erreichte Achsausrich− tung in der Regel angeben. Je nach Hersteller können weitere Angaben wie die Bandspannung in bestimmten Gelenkstellungen oder auch über den gesamten Bewe− gungsumfang ermittelt werden. Durch die Anwendung von Navigationssystemen kann die Anzahl sog. Ausreißer von der idealen Achs− position in Streckstellung vermindert, jedoch nicht vollständig eliminiert werden. Der Stellenwert der Na− vigation in der Knieendoprothetik wird gegenwärtig noch wissenschaftlich diskutiert und kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Minimalinvasive Knieendoprothetik Wie im Bereich der Hüftendoprothetik wird auch bei der Implantation von Knieendoprothesen versucht, mit weniger invasiven Operationstechniken die Rehabilita− tion der Patienten zu beschleunigen. Die Bewertung der gegenwärtig angewandten Methoden wird durch ver− schiedene Faktoren erschwert: n fehlende Definition minimalinvasiver Operations− techniken n simultane Modifikation des Behandlungsablaufes in verschiedenen Bereichen (Narkoseverfahren, Patien− teninformation, weniger invasive Operationstechni− ken, Modifikation der verwendeten Implantate) n geringe Zahl an randomisierten Studien Der Zugang zum Kniegelenk wird verkleinert und als sog. Midvastus−, Mini−Midvastus−, Subvastus− oder Vas− tus−medialis−Splitting ausgeführt. Auf eine Eversion der Patella wird häufig verzichtet und ein Teil der Säge− schnitte wird von der Seite mit speziellen Instrumen− tarien ausgeführt. Die Operation wird zu größeren Anteilen in strecknaher Stellung ausgeführt und der vorhandene Schnitt als sog. mobiles Fenster in eine günstige Position zu dem aktuellen Operationsschritt gebracht. Eine Subluxation des Gelenkes wird nach Möglichkeit vermieden. Die Nutzung der Blutsperre wird unterschiedlich gehandhabt und z. T. wird auf die Blutsperre ganz verzichtet. Bei eingeschränkter Sicht in den Operationssitus wird von einigen die gleichzeitige Verwendung von Navigationssystemen propagiert. Neben einer Reihe optimistischer Fallbeschreibun− gen existieren wenige randomisierte Vergleichsstudien. In diesen wurde ein Effekt auf die Geschwindigkeit der Rehabilitation gefunden, der jedoch häufig 6 Wochen postoperativ keinen statistisch signifikanten Vorteil gegenüber dem konventionellen Verfahren mehr auf− wies. Weitere Untersuchungen über einen längeren Be− obachtungszeitraum stehen noch aus. Gegenwärtig ist eine abschließende Bewertung weniger invasiver Ope− rationstechniken nicht möglich. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 187 Beckengürtel und untere Extremität Hintergrund Implantatspezifische Hinweise Unikondyläre Knieendoprothetik Schon vor der Entwicklung von bikondylären Ober− flächenprothesen wurden unikompartimentale Knie− endoprothesen eingesetzt. Die Indikation zur erfolg− reichen unikondylären Knieendoprothese ist an eine langfristige persönliche Erfahrung und an eine stren− ge Einhaltung der Indikationskriterien geknüpft. In spezialisierten Behandlungszentren sind mit unikon− dylären Knieprothesen gute mittel− bis langfristige Behandlungsergebnisse erreicht worden. Die Knie− gelenkfunktion bleibt nach unikondylärer Endopro− thetik fast vollständig erhalten. Indikationen zur unikondylären Knieendoprothese sind: n Arthrose begrenzt auf ein Kompartiment, vorwiegend medial, intakte Kreuzbänder, kein Streck− oder stärkeres Beugedefizit mit medialer Kapsel−Band−Kontraktur. In der radiologischen Diagnostik kann durch eine Stressaufnahme eine kontrakte mediale Gonarthrose ausgeschlossen werden (Abb. 12; Aldinger et al. 2004). Entzündliche Gelenkerkrankungen mit einge− schränkter Knochenqualität stellen eine Kontraindi− kation zu dieser Maßnahme dar. Die Behandlungs− erwartungen und Akzeptanz des Patienten sind wie beim bikondylären Gelenkersatz differenziert zu berücksichtigen. n n Die Weiterentwicklung der Operationstechniken für die unikondyläre Knieendoprothetik zielt insbeson− dere auf die Bereitstellung von Instrumentarien, die eine weniger invasive Implantation zulassen. Auf das Evertieren der Patella und einen ausgedehnten para− patellaren Zugang kann in der Regel verzichtet wer− den. Unter Berücksichtigung dieser Vorraussetzun− gen sind mit unikondylärer Knieendoprothetik gute Ergebnisse zu erreichen. Eine Verbesserung der Tribologie ist durch Verwen− dung hochvernetzter Polyethylene zu erwarten. Komplikationen Intraoperative Komplikationen n Verletzung des Streckapparates Ein Abriss des Streckapparates stellte eine gefürchtete Komplikation mit meist deutlicher Einschränkung des funktionellen Ergebnisses dar. Ein erhöhtes Risiko be− steht bei multipel voroperierten Kniegelenken mit Ver− narbungen des Streckapparates oder bei Vorliegen einer ausgeprägten Patella baja. Bei erschwerter Gelenkexpo− sition oder Evertierung der Patella sollten Maßnahmen zur Sicherung des Streckapparates getroffen werden. Dies kann z. B. durch Einbohren eines K−Drahtes am proximalen Ende der Tuberositas erfolgen. Ein ausgerissenes Lig. patella aus der Patella oder der Tuberositas tibiae wird transossär genäht. Zur Siche− rung der Heilung hat sich die Anlage einer zirkulären Naht zwischen Patella und Tuberositas, z. B. als McLau− glin−Schlinge, bewährt. Nach Rekonstruktion des dista− len Streckapparates sollte die Patellaposition durch seitliche Durchleuchtungsaufnahmen überprüft und mit dem präoperativen Ausgangszustand verglichen werden. " Cave: Patella baja! Eine ausgerissene Quadrizepssehne wird ebenfalls transossär refixiert. Die Verwendung von Fadenankern kann vorteilhaft sein. Abb. 12 n Unikondyläre Knieendoprothese. a u. b Röntgen präoperativ a.±p. und Stress− aufnahme. c u. d Röntgen postoperativ a.±p. und seitlich. 188 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 Primäre Endoprothetik am Kniegelenk n Patellafraktur Beim Zubereiten der Patella kann es zur Fraktur kom− men. Funktionell weniger bedeutend sind Randab− sprengungen der Patella oder Lösungen vorbestehender Knochenfragmente bei Patella bipartita. Diese Frag− mente können entweder entfernt oder durch transossä− re Nähte gemeinsam mit der Kapsel ausreichend fixiert werden. Bei Patellaquerfrakturen ist die Funktion des Streck− apparates gefährdet. Es existieren unterschiedliche Möglichkeiten der Osteosynthese. Entscheidend ist ein Zuggurtungseffekt auf der Ventralseite der Patella. Die Adaptation der Fragmente gewährleisten Kirschner− Drähte oder Schrauben. n Ligamentäre Instabilität Eine solche Instabilität tritt zumeist nach Verletzung des medialen Kollateralbandes auf. Ursachen können eine unachtsame Resektion der Innenmeniskusanteile oder ein nicht ausreichender Schutz bei der Femur− resektion sein. Bei Einbringen der Probekomponenten zeigt sich eine vermehrte mediale Aufklappbarkeit, die auch nach Vorlegen einzelner Kapselnähte fortbesteht. Um das weitere operative Vorgehen entscheiden zu können, ist eine sorgfältige Bestandsaufnahme erfor− derlich. Bei intraligamentären Verletzungen kann eine operative Rekonstruktion erwogen werden. Gemeinsam mit einer postoperativen Bandschonung durch eine Orthese kann eine Ausheilung erreicht werden. Ein knöcherner Bandausriss kann durch eine Schraube fixiert werden. Ist die Gelenkstabilität nach der Bandrekonstruktion ungenügend, so ist die Versorgung mit einem Prothe− senmodell mit höherem Kopplungsgrad erforderlich. n Patellaluxation Valgusfehlstellungen des Kniegelenkes, eine Patella alta und dysplastische Patellaanlagen haben ein erhöhtes Risiko für Subluxationen und Luxationen. Neben diesen ungünstigen Voraussetzungen kann der Lauf der Patella intraoperativ durch eine Fehlrotation der Femurkom− ponente und eine mediale Positionierung verschlech− tert werden. Die Problematik muss bei der intraopera− tiven Bewegungsprüfung mit den Probekomponenten erkannt werden. Die mediale Positionierung kann leicht korrigiert werden und der Lauf der Patella sollte sich dann normalisieren. Eine Fehlrotation in Innenrota− tionsrichtung ist intraoperativ schwieriger festzustellen und zu korrigieren. Nach Resektion der Abkantschnitte sind die Landmarken der hinteren Kondylenlinie und der Whiteside−Linie nicht mehr vorhanden. Die Über− prüfung muss sich daher auf die Epikondylenachse stützen. Sofern sich eine gravierende Fehlrotation be− stätigt, ist die Korrektur durch korrigierende Abkant− schnitte erforderlich. Bei einer Innenrotationsfehlstel− lung wird zur Korrektur eine weitere Knochenresektion an der dorsalen medialen Kondyle sowie ventral−lateral und an den schrägen Abkantschnitten erforderlich. Mit einer Augmentation dorsolateral an der Femurkompo− nente kann die korrekte Rotationsstellung sichergestellt werden. Je nach Knochenqualität ist zudem die Ver− wendung eines Stieles zur sicheren Verankerung der Komponente zu erwägen. Eine vermehrte Innenrotationsstellung der Tibia− komponente erhöht den Q−Winkel künstlich und ver− schlechtert ebenfalls den Lauf der Patella. Die Rota− tionskorrektur der Tibiakomponente erfolgt durch erneutes Aufarbeiten der Vertiefung für den tibialen Kiel in der korrekten Position. Verbleibt eine schlechte Patellaführung nach Sicher− stellung der korrekten Komponentenposition, können verschiedene Weichteileingriffe schrittweise zur Ver− besserung der Patellaführung durchgeführt werden. Zunächst bietet sich die Durchführung eines lateralen Releases von intraartikulär an. Auf die Schonung der Blutversorgung am oberen lateralen Patellapol sollte geachtet werden. Zusätzlich kann eine Dopplung der medialen Kapsel vorgenommen werden, um so eine dynamische Zügelung der Patella sicherzustellen. n Frakturen des Femurs und der Tibia Beim Abmeißeln von Osteophyten, grobem Einschlagen von Probekomponenten oder der Reposition des Gelen− kes mit Probekomponenten bei zu engen Lücken kön− nen periprothetische Frakturen auftreten. Sie stellen bei sorgfältiger Operationstechnik eine Seltenheit dar und treten eher bei älteren Patienten mit Osteoporose auf. Kleinere knöcherne Absprengungen der Epikondylen am Femur und Randfrakuren des Tibiaplateaus werden von schwerwiegenden intraoperativen Frakturen un− terschieden. Zur Planung der notwendigen Stabilisie− rung ist bei intraoperativen Frakturen eine Durchleuch− tung zumindest in 2 Ebenen erforderlich. Zur Versorgung der knöchernen Absprengungen rei− chen in der Regel reine Schraubenosteosynthesen aus. Bei der Refixation eines Epikondylus ist eine sichere rotationsstabile Fixierung durch 2 Schrauben anzura− ten, um die Kräfte der ansetzenden Kollateralbänder auszugleichen. Frakturen mit Beteiligung der Kondylen bzw. des femoralen oder tibialen Schaftes erfordern eine grundsätzliche Modifikation des operativen Vor− gehens. Eine stabile Prothesenverankerung wird in der Regel mit primären Komponenten nicht mehr erreicht. Durch Verwendung von Revisionsimplantaten mit Stielführung, die über die Fraktur hinausgehen, wird sowohl eine zuverlässige Implantatfixierung als auch Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 189 Beckengürtel und untere Extremität die Voraussetzung für die Osteosynthese sichergestellt. Die Versorgung kann dann mit Schraubenosteosynthe− sen, Abstützplatten und gelegentlich Cerclagen kom− plettiert werden. Postoperative Komplikationen n Nervenläsion Nervenläsionen stellen eine seltene Komplikation nach Implantation einer Knieprothese dar. Gefährdet sind Patienten mit hochgradigen kontrakten Valgusgonar− throsen, bei denen es durch die operative Versorgung zu einer Dehnung der lateralen Strukturen und des N. pe− ronaeus kommt. In der Behandlung ist die frühzeitige Diagnosestellung wesentlich. Daneben können Nervenläsionen auch bei metaboli− schen Polyneuropathien oder im Rahmen einer Spinal− kanalstenose zufällig postoperativ auftreten und stellen keine Folge der Operation dar. Bei der zunehmenden Nutzung von peripheren Katheterverfahren ist eine enge Abstimmung mit den behandelnden Anästhesisten erforderlich, um einen Zeitpunkt in der frühen postoperativen Phase abzu− stimmen, an dem die Nervenfunktion zuverlässig beur− teilt werden kann. Bei Verdacht auf eine Nervenläsion ist ein MRT erforderlich, um Hämatome oder sonstige Raumforderungen mit komprimierender Wirkung dar− zustellen und die operative Revision einzuleiten. n Infektion Neben den klassischen Infektionszeichen mit Rötung und Schwellung sind eine starke Schmerzhaftigkeit und fortgesetzte Wundsekretion suspekt. Bei ausbleiben− dem Rückgang der Entzündungsparameter im postope− rativen Verlauf ist die Indikation zu einer operativen Revision großzügig und frühzeitig zu stellen. Die Revi− sion beinhaltet ein radikales DØbridement von avitalem Gewebe, eine ausführliche Spülung des Gelenkes und den Austausch des Polyethyleninlays. Nur mit einem konsequenten Vorgehen kann bei Frühinfektionen eine Ausheilung unter Belassung der Prothesenkomponen− ten erreicht werden. Ein verspätetes Eingreifen zieht meist die Notwendigkeit einer Knieprothesenentfer− nung nach sich. n Eingeschränkte postoperative Beweglichkeit " Zunächst ist eine Infektion auszuschließen! Bei schlechter Beweglichkeit aus anderer Ursache kann dem Patienten eine Narkosemobilisation angeboten werden. Durch periphere Katheterverfahren und eine verlängerte stationäre Behandlung mit gut geleiteter 190 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 Physiotherapie kann häufig die Beweglichkeit verbes− sert werden. n Instabilität Direkt postoperativ auftretende Instabilitäten sind in der Regel bereits intraoperativ vorhanden. Nach Aus− maß der Instabilität muss abgeschätzt werden, ob eine Stabilität durch temporären Orthesenschutz und im weiteren Verlauf vom Gelenk selbst erreicht werden kann. Andernfalls ist eine operative Revision erforder− lich. Später auftretende Instabilitäten bedürfen fast im− mer einer operativen Revision. Durch Röntgenaufnah− men unter Belastung kann das Ausmaß der Instabilität eingeschätzt und die operative Konsequenz vorbereitet werden. Zumeist ist ein Prothesenwechsel auf ein Mo− dell mit höherem Kopplungsgrad indiziert. Der alleinige Wechsel auf ein höheres Inlay genügt selten. n Heterotope Ossifikationen Heterotope Ossifikationen treten seltener nach der Im− plantation von Knieendoprothese als nach Hüftendo− prothesen auf. Sofern Ossifikationen auftreten, werden sie am ventralen distalen Femur und im Streckapparat beobachtet. Die Beweglichkeit des Kniegelenkes kann bei ausgedehnten Ossifikationen eingeschränkt werden. In diesem Fall ist die operative Entfernung zur Verbes− serung der Beweglichkeit eine Behandlungsmöglich− keit. Postoperativ sollte eine Bestrahlung zur Prävention erneuter Ossifikationen durchgeführt werden. Nachbehandlung Ziel der operativen Versorgung ist ein vollbelastbares Kniegelenk. Aufgrund der Naht des Streckapparates ist zunächst die Nutzung von 2 Unterarmgehstützen zu empfehlen. Eine frühzeitige Mobilisation ist unbedingt anzustreben. Eine niedermolekulare Heparinisierung bis zum Erreichen der Vollbelastung und einer weitge− hend normalen Mobilisierung ist obligatorisch. Zur postoperativen Schmerztherapie eignen sich be− sonders periphere kontinuierliche Katheterverfahren. Eine enge Zusammenarbeit mit der Anästhesie ist er− forderlich. Durch diese Kathetertechniken in der frühen postoperativen Phase können eine vollständige motori− sche Blockade und damit ein Kontrollverlust eintreten. In diesem Fall sollte die Mobilisierung ausgesetzt wer− den, um Stürzen vorzubeugen. Der hohe Stellenwert der Mobilisation legt dann den Umstieg auf eine andere Schmerztherapie, z. B. mit NSAR, nahe. Die physiothera− peutische Behandlung wird durch Kühlung des Gelen− kes und einer begleitenden passiven Mobilisierung auf Primäre Endoprothetik am Kniegelenk der Motorschiene komplettiert. Nach Erreichen von Meilensteinen der Selbstständigkeit (Treppensteigen, selbstständiges Ankleiden, Einnahme der Mahlzeiten am Tisch) kann der Patient aus der Klinik entlassen werden. Im weiteren Verlauf ist eine Rehabilitationsbe− handlung zur weiteren Verbesserung der Kniefunktion anzuraten. Diese kann stationär oder auch ambulant durchgeführt werden. Es ist entsprechend den Fortschritten des Muskel− aufbaues und der Verbesserung der Koordination mit einer kontinuierlichen Verbesserung der Gelenkfunk− tion zu rechnen. Zur Verbesserung der Beweglichkeit bietet sich Radfahren an. Literatur Aldinger PR, Clarius M, Murray DW, Goodfellow JW, Breusch SJ. [Medial unicompartmental knee replacement using the “Oxford Uni” menis− cal bearing knee]. Orthopäde 2004; 33: 1277 ± 1283 Buckwalter JA, Saltzman C, Brown T. The impact of osteoarthritis: impli− cations for research. Clin Orthop Relat Res 2004 Oct; 45 (427 Suppl): 6 ± 15 Duncan RC, Hay EM, Saklatvala J, Croft PR. Prevalence of radiographic osteoarthritis ± it all depends on your point of view. Rheumatology 2006; 45: 757 ± 760 Eike R, König A. Präoperative Planung der Knietotalprothese. In: Eulert J, Hassenpflug J, Hrsg. Praxis der Knieendoprothetik. Berlin: Springer Verlag, 2000: 33 ± 43 Kohn D, Rupp S. Knieendoprothetik Operationstechnische Aspekte. Technische Orthopädie n Pufferabsätze n mediale oder laterale Absatzverbreiterungen zur Achsunterstellung (bei Achsfehlern) n Gehhilfen (Gehstützen, Gehstock) n Orthesen (Hartrahmen oder Bandagen) (nur bei rezidivierenden Ergüssen, Instabilitäten) Orthopäde 2000; 29: 697 ± 707 Lidgren L, Knutson K, Robertsson O. The Swedish Knee Arthroplasty Register. Annual report 2004. http://www.ort.lu.se/knee/pdf/ skar2004engl.pdf Lüring C, Bäthis H, Tingart M, Perlick L, Grifka J. Die navigationsgestützte Knieendoprothetik. Eine Standortbestimmung unter evidenzbasier− ten Kriterien. Dtsch Ärztebl 2005; 102A : 2320 ± 2325 NIH. Consensus Statement on Total Knee Replacement December 8 ± 10 2003. J Bone Joint Surg 2004; 86A : 1328 ± 1335 Sharkey PF, Hozack WJ, Rothmann RH. Why are total knee arthroplasties failing today. Clin Orthop Relat Res 2002; 404: 7 ± 13 Whiteside L. Ligament Balancing Weichteilmanagement in der Knie− Körperliche Aktivität nach Knieendoprothese endoprothetik. Berlin: Springer Verlag, 2004 Korrespondenzadresse Durch die Implantation einer Knieprothese werden funktionelle Beeinträchtigungen des Patienten verrin− gert und häufig eine stärkere Teilnahme am gesell− schaftlichen Leben und sportlichen Aktivitäten möglich. Der erreichbare Aktivitätsgrad ist multifaktoriell be− stimmt, kann jedoch anhand der präoperativen Leis− tungsfähigkeit abgeschätzt werden. Patienten mit stär− kerer präoperativer Beeinträchtigung erreichen zwar die größte absolute Verbesserung, erreichen jedoch nicht eine gleich hohes Niveau wie Patienten, die bei einer weniger ausgeprägten Beeinträchtigung operiert worden sind. Die körperliche Aktivität ist günstig für die Kno− chenstruktur der Patienten und den Zustand der Mus− kulatur. Der Polyethylenabrieb ist stark von der Aktivi− tät des Patienten abhängig. Nach experimentellen Daten scheint die Versorgung mit mobilen Plattformen eine relevante Reduktion des Abriebes zu gewährleis− ten. Einschränkungen sollten für besonders kniebelas− tende Aktivitäten wie z. B. Joggen, alpines Skifahren oder Sprungsportarten ausgesprochen werden. Emp− fehlenswert sind dagegen Sportarten wie Walken und Radfahren. Für weitere Bereiche von breitensporttaug− lichen Sportarten wie z. B. Skilanglauf existieren keine gesicherten Untersuchungen über die tatsächliche Be− lastung des Inlays. Dr. med. Stephan Kirschner Klinik und Poliklinik für Orthopädie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Technische Universität Dresden Fetscherstr. 74 01307 Dresden Telefon: 0351/458±2613 Telefax: 0351/458±4376 E−Mail: stephan.kirschner@uniklinikum−dresden.de Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 191 Beckengürtel und untere Extremität CME−Fragen Die folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Sie können uns die entsprechenden Antworten entweder online unter http://cme.thieme.de oder durch das CME−Teilnahmeheft hinten in dieser Zeitschrift zukommen lassen. Jeweils eine Antwort ist richtig. Die Vergabe von CME−Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple−Choice−Fragen gebunden. Welche Aussage ist richtig? Die Inzidenz der Gonarthrose ab dem 40. Lebensjahr Welche Aussage ist richtig? Die Indikation zum endoprothetischen Ersatz des Kniegelenkes Welche Antwort ist falsch? Welche mögliche Kontraindikation muss vor Implantation einer Knieprothese ausge− schlossen werden? Welche Antwort ist richtig? Bei der Planung einer Knieendoprothese wird folgender Aspekt nicht berücksichtigt: 192 1 bleibt in jeder kommenden Altersdekade gleich. entspricht der Inzidenz der Koxarthrosen in den vergleichbaren Altersdekaden. wird im Wesentlichen durch die sekundären Arthroseursachen bestimmt. steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich an und übersteigt ab dem 60. Lebensjahr die Inzidenz der Koxarthrosen. E steigt mit zunehmendem Lebensalter langsam an und bleibt hinter der Inzidenz der Koxarthrosen immer zurück. 2 A besteht bei radiologischem Nachweis der Gonarthrose unabhängig von den Beschwerden des Patienten. B ist bei Knieschmerz des Patienten unabhängig vom radiologischen Status des Gelenkes gegeben. C ist bei Knieschmerz und radiologischem Arthrosenachweis unabhängig von der Einstellung einer entzündlichen Gelenkerkrankung gegeben. D ist bei Knieschmerz und radiologischem Arthrosenachweis nach Ausschluss einer Koxarthrose gegeben. E ist bei radiologischem Nachweis der Gonarthrose und gleichzeitig bestehenden Beschwerden des Patienten gegeben. 3 A B C D E Eine posttraumatische Gonarthrose. Eine chronisch−venöse Insuffizienz nach einer Unterschenkelvenenthrombose. Eine chronische Gichtarthropathie des Kniegelenkes. Ein chronisches Knieempyem. Eine diabetische Polyneuropathie. 4 A B C D E Der femorale Valguswinkel. Der Patellahöhenstand. Das Ausmaß möglicher knöcherner Defekte. Der Schenkelhalswinkel (CCD−Winkel). Diaphysäre Achsfehler des Femurs. A B C D Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 Primäre Endoprothetik am Kniegelenk Welche Aussage ist richtig? Beim distalen Femur− schnitt ist auf eine präzise Ausrichtung zu achten, da Welche Aussage ist richtig? Zur Bestimmung der Rotationsausrichtung der Femurkomponente ist zu beachten: Welche Antwort ist richtig? Welche Antwort ist richtig? 5 A ein vermehrtes Aufkanten des Sägeblattes zu einer Extensionsfehlstellung der Femurkomponente führen kann. B ein Abdrängen des Sägeblattes mit vermindertem Aufkanten zu einer Flexionsstellung mit der Gefahr des Einschneidens in die ventrale Femurkortikalis führt. C der femorale Valguswinkel Einfluss auf die Extensions−/Flexionsstellung der Femurkomponente hat. D ein Abdrängen des Sägeblattes mit vermindertem Aufkanten zu einer Extensionsstellung mit der Gefahr des Einschneidens in die ventrale Femurkortikalis führt. E ein vermehrtes Aufkanten des Sägeblattes zu einer Flexionsstellung mit der Gefahr des Einschneidens in die ventrale Femurkortikalis führen kann. 6 A Die Whiteside−Linie weicht um 38 von der Senkrechten zur epikondylären Achse in Innenrotation ab. B Es kann bei einer normalen Varusgonarthrose von einer parallelen Resektion zu den hinteren Kondylen ausgegangen werden. C Bei einer Valgusgonarthrose mit lateraler Hypoplasie des Femurkondylus ist besonders eine vermehrte Außenrotationsfehlstellung zu befürchten. D Die Tangente an den dorsalen Kondylen steigt bei der normalen Varusgonarthrose um etwa 38 nach lateral an. E Die Whiteside−Linie läuft vom höchsten Punkt der Trochlea zum tiefsten Punkt der Notch. 7 Nach Fertigstellung der Knochenschnitte an Femur und Tibia zeigt sich bei Einbringen der Probekomponenten mit dem kleinsten Probeinlay eine zu enge Strecklücke bei normaler Beugelücke. Zur Balancierung ist als nächstes erforderlich: A Eine Nachresektion der Tibia und die Verwendung eines höheren Inlays. B Eine Verkleinerung der Femurkomponente mit dorsaler Nachresektion. C Eine Erhöhung des posterioren Tibianeigungswinkels. D Die Arthrolyse der dorsalen Kapsel und Überprüfung der vollständigen dorsalen Osteophytenentfernung. E Eine Verringerung des tibialen Neigungswinkels. 8 Nach Fertigstellung der Knochenschnitte und adaptierender Naht des medialen Retinakulums zeigt sich eine Subluxationsstellung der Patella. Folgende Punkte sind zur Verbesserung des Patellalaufs zu überprüfen und ggf. zu korrigieren: A Eine möglichst mediale Position der Femurkomponente. B Die Verwendung eines höheren Inlays. C Die Rotationsposition der Femurkomponente. D Das Vorliegen einer Patella baja. E Eine vermehrte Innenrotationsstellung der Tibia. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194 193 Beckengürtel und untere Extremität Welche Antwort ist richtig? Welche Antwort ist richtig? 194 9 10 In der direkten postoperativen Phase ist die Versorgung der Patienten mit einer adäquaten Schmerztherapie erforderlich. Eine Möglichkeit stellt die kontinuierliche Therapie über periphere Schmerzkatheter nach Anlage durch einen Anästhesisten dar. Bei der Mobilisierung der Patienten ist zu beachten: A Die Dauer der Katheterbehandlung wird durch die Anästhesie festgelegt. B Es ist eine vollständige Schmerzausschaltung mit motorischer Parese anzustreben. C Überlappende orale Schmerzmedikation nach WHO−Stufenschema ist bei diesen Patienten nicht erforderlich. D Bei motorischer Beeinträchtigung muss die Mobilisierung zur Vermeidung von Stürzen ausgesetzt werden. E Eine Motorschienenbehandlung kann nur bei motorischer Parese erfolgen. Eine Woche nach Implantation einer Knieprothese weist ein Patient eine deutliche Schwellung, Rötung und fortgesetzter Sekretion des Kniegelenkes sowie erhebliche Schmerzen auf. Das Entzündungslabor zeigt erhöhte CRP−Werte an. Welche Behandlungsoptionen würden Sie ergreifen: A Anästhesiologisches Konsil mit der Frage einer erneuten Schmerzkatheteranlage. B Ungezielte Antibiotikatherapie und Kühlung des Gelenkes. C Operative Revision mit DØbridement und ausführlicher Spülung des Gelenkes. D Abstrichentnahme aus den Wundauflagen. E Erhöhung der oralen Schmerztherapie nach WHO−Stufenschema und kühlende Maßnahmen. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê177 ± 194