19. Valenser Frühlingssymposium 04. Mai 2017 Infekte und Wundmanagement nach Operationen an peripheren Gelenken Dr. Thomas Lindenfeld Leitender Arzt Orthopädie / Traumatologie Spital Walenstadt Epidemiologie und Ätiologie Historische Infektraten (2001 – 2009) und projizierte (2010 – 2020) Knie- und Hüft-Tp Infekte USA Risiko für Protheseninfekt nach Kunstgelenk Wie hoch ist das Risiko für einen Infekt nach einer primären Prothesenoperation ? <5% >5% Risiko für Protheseninfekt nach Kunstgelenk - Hüftprothese 0.5 – 1 % - Knieprothese 0.5 – 2 % - OSG – Prothese 5 – 7 % - Ellenbogenprothese 5 – 10 % - Schulterprothese 3 – 7 % Warum bleibt das Infektionsrisiko trotz perioperativer Antibiotikaprophylaxe und elektiver Operation unter sterilsten Bedingungen (laminar-air-flow) erhalten ? Minimal abszess – bildende Dosis mit und ohne Fremdkörper Infektdosis ohne Fremdkörper : Infektdosis mit Fremdkörper : > 10 Mio Keime 100 Keime Keim : Staphylococcus aureus (Zimmerli 1982) Fazit : Fremdkörper potenziert Infektanfälligkeit um mehr als das 10‘000 fache ! Was ist wichtig zum Thema Protheseninfektionen …. 1. Immer mehr Patienten erhalten eine Gelenkprothese, da effektive und wirksame Therapie der Arthrose 2. Wundbeobachtung in den ersten 4 Wochen postoperativ sehr entscheidend - DRG, möglichst rasche Entlassung der Patienten 3. Manifestation perioperativ erworbener Infektionen bis zwei Jahre postoperativ möglich - der Patient wird als erstes zum Hausarzt kommen 4. Lebenslanges Risiko für hämatogene Infektionen - Triagefunktion des Hausarztes 5. Entscheidende Rolle des HA bei der Langzeit – Antibiotikatherapie der Protheseninfektion Pathogenese der Protheseninfektionen • exogene (perioperative) Infektion • intraoperative Kontamination • frühe postoperative Kontamination / Infektion (solange Wunde nicht trocken) • Punktionen / Traumata • hämatogene (endogene) Infektion • Bakteriämien im Rahmen anderer Infekte • Endokarditis W.Zimmerli//A.Trampuz 100 Keime genügen für einen Implantatinfekt (Wundrand) Lebenslang erhöhtes Infektionsrisiko ! Punktionen von Prothesengelenken nur unter streng aseptischen Bedingungen durchführen ! Risikogruppen für Protheseninfekte Hüft- und Kniegelenk nach McPherson (1999) • Beginn / Dauer I : Postoperativer Frühinfekt < 4 Wochen II : Akut hämatologischer Infekt III : Chronischer Spätinfekt • Systemerkrankungen (rheumatische Arthritis und immunsuppressive Therapie, Alkoholabusus , Immundefizit, Leberzirrhose, kardiale Insuffizienz, Diabetes mellitus, Malignome, Kortisontherapie) A : Keine systemischen Faktoren B : < 2 systemische Faktoren C : > 2 systemische Faktoren • Lokalstatus (Voroperationen, 3 – 4 Monate lokale Infektion, multiple Narben, Fistel, venöse Insuffzienz, Rituximab – MabThera Roche) 1 : Unauffällig 2 : < 2 Faktoren 3 : > 2 Faktoren Klassische Einteilung der Protheseninfekte • Frühinfektion 0 – 2 Monate postoperativ • virulente Erreger (z.b. S. aureus) exogene Infektion • Verzögerte Infektion 3 – 24 Monate postop. • wenig virulente Erreger (z.b. Propionibact) • häufig „low-grade“ Infekt genannt • Spätinfektion > 2 Jahre postop. • virulente Erreger (z.b. S. aureus, E. coli) www.guidelines.ch//Zimmerli et al.2004. hämatogene Infektion Einfache und klinisch relevante Einteilung von Protheseninfekten • akuter Protheseninfekt • Symptome < 4 Wochen nach Operation • Symptome < 3 Wochen unabhängig von Op • chronischer Protheseninfekt • alle anderen Infektionen www.guidelines.ch//Mandell2015 Warum ist die Einteilung in akute und chronische Protheseninfektionen klinisch relevant ? • akuter Protheseninfekt • Symptome < 4 Wochen nach Operation • Symptome < 3 Wochen unabhängig von Op Prothese kann in der Regel erhalten werden • chronischer Protheseninfekt • alle anderen Infektionen Prothese muss gewechselt werden Mandell 8th Edition 2015 Häufigste Erreger von Protheseninfektionen ( aus 5 Studien mit 11230 Episoden von PJI) • Staphylococcus aureus 21 – 43 % • Koagulase negative Staphylokokken 17 – 39 % • Streptokokken 12 – 17 % • Gramneg. Stäbchen 7 – 12 % • Enterokokken 1 – 8 % • Anaerobier 2 – 6 % (z.b. Proprionibacterium acnes – 14 Tage Bebrütung) • Vielfalt von verschiedenen Keimen • Erregerdiagnostik ist für die Therapie entscheidend • nie empirische Therapie vor Diagnostik beginnen ! Mandell 8th Edition 2015 Klinische Präsentation von akuten Infektionen Akute exogene Infektion • • • Lokale Infektzeichen (Wundheilungsstörung, Rötung, Überwärmung, Schwellung, Sezernieren der Wunde) Wiederaufgehen der Wunde postop. Klinisch keine Unterscheidung von oberflächlichem und ProthesenInfekt möglich Akute hämatogene Infektion neu aufgetretene Gelenk-Schmerzen, ev. Rötung, Schwellung, Überwärmung, Erguss functio laesa ; Narben meist unauffällig syst. Infektzeichen, Fieber, Schüttelfrost ev. fassbarer Primärinfekt (Haut, Darm, Atemwege, Harnwege,…) - Ablenkung Klinische Präsentation von chronischen Infektionen • Persistierende postoperative Schmerzen („Brückensymptome“ und Ruheschmerzen) • Persistierende Abhängigkeit von Gehhilfen • Chronischer / intermittierender Gelenkerguss • Fistel • Persistierend erhöhtes CRP (Sens. 88 % und Spez. 74 %) • Frühlockerung (< 2 Jahre) (DD aseptische Lockerung) Wie hoch ist das Risiko für einen Protheseninfekt nach Staphylococcus aureus Bakteriämie ? 11 % ? 35 % Wie hoch ist das Risiko für einen Protheseninfekt nach Staphylococcus aureus Bakteriämie ? 34 – 39 % Hautinfekt Unbekannt Katheter Osteomyelitis Chir. Wundinfekt Respirationstrakt PJI in anderem Gelenk 29 % 26 % 19 % 13 % 6% 3% 3% • Bei Staphylococcus aureus Bakteriämie muss ein Protheseninfekt gesucht und nachkontrolliert werden • Bei rechtzeitiger Therapie (innerhalb von 3 Wochen) kann die Prothese erhalten werden (kein Difficult-to-treat-Erreger, z.b. Rifampicin resist. Staph.) Murdoch et al. CID 2001 // Sendi et al. 2011 // Lalani et.al.2008 Antibiotische Therapie ohne Chirurgie… Heilungsrate 9% • Heilungschancen sind minimal • wertvolle Zeit wird vergeudet • Diagnostik wird verschleiert • das Problem wird verharmlost Johnson et al. J Bone Joint Surg Br 1986 Therapie: Teamwork : Hausarzt – Orthopäde - Infektiologe Therapieziel : Elimination der Infektion mit schmerzfreier und funktioneller Prothese Wie kann dieses Ziel erreicht werden ? • Rasches Erkennen der TP-Infektion (akute Infekte) • Immer mikrobiologische Diagnostik vor Antibiotikagabe • Immer Rücksprache und Beurteilung durch den Operateur • Immer kombinierte chirurgische und antibiotische Therapie Zimmerli. Der Internist 2005 Orthopädische Sicht : Therapieoptionen Gelenkerhaltend : • Débridement - Tp-Erhalt und resistenzgerechte antibiotische Behandlung (6 Proben + Histologie, 14 Tage Bebrütung) Prothesenwechsel : • Einzeitig / Zweizeitig mit Spacer (kurzes – langes Intervall) „Salvage Procedure“ : • Entfernen der Tp ohne Ersatz (Girdlestone – Hüfte) • Arthrodese Kniegelenk • Dauersuppressive Antibiotikatherapie, Anlage einer chronischen Fistel • Amputation Zimmerli 2005 Orthopädische Sicht : Therapieoptionen Therapie abhängig von : • Dauer der Infektion / Symptome • Weichteilsituation (Abszess, Fistel) • Zustand des Implantates (stabil integriert, gelockert) • Erreger und Resistenzen • Patientenfaktoren - Risikoprofil 80 – 90 % erfolgreiche Heilung möglich Take home messages • Insgesamt Tp Infekte selten • Klinik ernst nehmen (Wundheilungsstörung, Schmerzen) • Frühinfekt rasch behandeln (3 Wochen) (Débridement – Spülung – Abstriche / lieber einmal zu viel als zu wenig) • Keine Antibiotika vor mikrobiologischer Diagnostik • Risiko für Tp-Infekt bleibt lebenslang bestehen (Infektfoci ernst nehmen und konsequent behandeln) • Eine begonnene antibiotische Therapie sollte nie ohne Rücksprache geändert oder frühzeitig gestoppt werden • Hausärzte haben eine entscheidende Funktion bei 1. Triage von möglichen Protheseninfekten 2. Therapieüberwachung und Motivation von Patienten bei Protheseninfekten Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !