Die Quadratur des Kreises Kritische Fragen zur Astrologie © 2008 Nils Chr. Hesberg 2 Die Präzession und das Wassermannzeitalter Einführung Historisch: HIPPARCH VON NIKAIA (um 150 v. Chr.) gilt allgemein als der Entdecker der Präzession, wie leicht einem beliebigen Lexikon zu entnehmen ist, z. B. dem Fachlexikon Wörterbuch zur Astronomie von JOACHIM HERRMANN1. Tatsächlich aber war das Phänomen der Präzession schon um 320 v. Chr. bekannt, und zwar unterschied der babylonische Astronom KIDINNU, der, wie andere babylonische Astronomen auch, unter anderem bereits den Mond als Kugel mit einer Eigenrotation von der Dauer des synodischen Monats beschrieb, 2 zwischen tropischem und siderischem Jahr (SCHNABEL nach 3 GREßMANN , S. 5 f). Seine Schriften waren auch noch zur Zeit PTOLEMÄUS’ (um 120 n. Chr.) bekannt (GREßMANN, ebenda), zu vermuten ist, daß auch HIPPARCH sie gekannt hat. Bedenkt man, daß diese Information schon seit geraumer Zeit vorliegt, SCHNABEL nicht der einzige ist, der auf KIDINNU als Entdecker der 4 Präzession hinweist (GREßMANN verweist auch auf MEISSNER , ebenda), erstaunt es, wie hartnäckig sich falsche Kenntnisse halten können. Mit ISAAK NEWTON war es dann möglich, das Phänomen der Verschiebung der Äquinoxialpunkte gegenüber dem Fixsternhimmel naturwissenschaftlich zu erklären. Nach NEWTON sind es die Anziehungskräfte der Sonne, aber auch des Mondes - und zu einem sehr geringen Teil die der Planeten - die auf den Äquatorwulst der Erde, dessen Zustandekommen ebenso von NEWTON durch die Fliehkraft erklärt wird, wirken. Da die Ebene des Erdäquators nicht mit der Ebene der Ekliptik zusammenfällt, entsteht eine Kreiselbewegung der Erdachse mit einer vollen Drehung in etwa 26000 Jahren. Diese Zeitspanne wird 1 Bearb. Ausgabe, München, 1996; Titel der Originalausgabe: Bertelsman Lexikon Astronomie; Gütersloh, 1993. 2 SCHNABEL; Beressos und die babylonisch-hellenistische Literatur, Leipzig-Berlin 1923, S. 227 ff. 3 HUGO GREßMANN; Die hellenistische Gestirnsreligion - Beihefte zum alten Orient; Hrsg. Prof. Dr. W ILHELM SCHUBART, Heft 5, Leipzig, 1926. 4 MEISSNER; Babylonien und Assyrien II, Heidelberg 1925, S. 418. 3 ,platonisches Jahr’ genannt. Um nun die wissenschaftstheoretische Diskussion, die ja nebenher auch geführt werden muß, nicht aus den Augen zu verlieren, sei hier angemerkt, daß NEWTONS Erklärungen lediglich eine gute Annäherung sind, streng genommen aber falsch, legt man Maßstäbe wie ,Übereinstimmung mit Beobachtungen’ (Empirismus) und Einfachheit an. Die Vorschläge EINSTEINS sind zum einen genauer, zum anderen in der Konzeption einsehbarer (so geht es 5 jedenfalls mir) . Allerdings können auch sie nur als bessere Alternative gelten, so sind nicht alle Reststörungen der Periheldrehung des Merkur durch EINSTEIN erklärt, geschweige denn die der Abweichungen der Knotenbewegungen von Venus und Mars; auch bei der Ablenkung des Lichtstrahls in einem Gravitationsfeld ergeben sich Unterschiede zwischen Theorie und 6 Beobachtung . Diese äußerst geraffte Darstellung einiger theoretischer Schwierigkeiten innerhalb der modernen Physik will lediglich besagen, daß die Welt noch nicht erklärt ist, daß der Empirismus eine sehr untergeordnete Rolle spielt, denn man arbeitet - mangels Alternativen - mit dem, was man hat, so unvollkommen es auch sein mag. Nach NEWTON wäre die Welt determiniert, wie man zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zu glauben geneigt war - und das käme der Astrologie sogar entgegen! Nun stellt sich aber heraus, daß man noch nichts 7 Genaues weiß. Unter diesem Gesichtspunkt ist in der Wissenschaft eventuell auch Platz für die Astrologie, ob sie nun empirisch vorgeht oder nicht. Die Ekliptik als astronomischer Meßkreis Die skizzierten Schwierigkeiten der Physik sind aber nichts im Vergleich zu den Schwierigkeiten derjenigen, die sich mit dem Problem der Präzession im Zusammenhang mit der Astrologie auseinandersetzen. Dabei handelt es sich eigentlich um einen verhältnismäßig leicht zu begreifenden Vorgang: Die Tierkreiszeichen verschieben sich gegenüber dem Fixsternhimmel, der von 5 Gravitation als Kraft ist für mich schwerer einsehbar als Gravitation als Feld, obwohl man ,newtonisch’ aufwächst und lernt. 6 FEYERABEND beruft sich auf Rechnungen von CHAZY und DICKE (vgl.: PAUL K. FEYERABEND; Ausgewählte Schriften Bd. 1: Der wissenschafts-theoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften; Übs. Dr. HERMANN VETTER u. PAUL K. FEYERABEND, 1. Aufl., Braunschweig, 1978, S. 216), bzw. auf die Untersuchungen FREUNDLICHS im Jahr 1952 (vgl.: FEYERABEND, ebenda, S. 215). 7 Damit ist natürlich noch nicht das Ideal des Empirismus oder gar die Berechtigung seines Anspruchs ausgehebelt. Es ist lediglich angedeutet, daß die Wissenschaft diesem Ideal nicht immer entspricht. 4 der Astronomie dergestalt eingeteilt wurde, daß die zwölf Tierkreisbilder etwa in der gleichen Ebene liegen, wie der Zeichentierkreis auch. Diese gemeinsame Ebene definiert sich durch die Bahn der Erde um die Sonne. Wenn man nun in dieser Ebene einen Kreis beschreibt, in dessen Mittelpunkt die Erde steht, ihn in 360° einteilt und den Beginn der Zählung auf den Frühlingspunkt setzt, das ist der Punkt, in dem die Sonne steht, wenn auf der Nordhalbkugel das Frühjahr beginnt, dann kann man auf diesen Kreis Gestirnspositionen projizieren. Dieser Kreis heißt Ekliptik und die erhaltenen Positionen heißen die ekliptikalen Örter der Gestirne mit ekliptikaler Länge und Breite. Dabei spielt die Entfernung des Objekts keine Rolle, denn die Positionsangaben dienen lediglich zum Auffinden eines Ortes auf der Himmelskugel, der Radius der Ekliptik ist also beliebig. Theoretisch kann man auch eine andere Einteilung als die oben aufgeführten Altgrad nehmen, aus traditionellen Gründen hält man allerdings an der alten Einteilung fest. Das hier dargestellte System ist in der Astronomie nur noch sehr wenig gebräuchlich, es bildet aber nach wie vor noch die Grundlage zur Berechnung der Planetenpositionen, die Koordinaten werden erst später in eines der äquatorialen Systeme 8 oder in das horizontale System transformiert. Wenn nun die Ekliptik in zwölf gleich große Abschnitte eingeteilt wird, dann geschieht dies aus Gründen der Übersichtlichkeit, Winkelabstände von Gestirnen lassen sich schnell erkennen, beispielsweise eine Position im ersten Abschnitt auf 7° bildet einen rechten Winkel zu einer Position auf 7° im vierten Abschnitt. Wenn es sich hier um die Positionen von Sonne und Mond handeln würde, könnte man 9 erkennen, daß Halbmond ist. Bei einer anderen Teilung, beispielsweise in zehn Abschnitte, würde man diese Übersicht verlieren, die Position von 7° im ersten Abschnitt bildet einen rechten Winkel zu einer Position auf 25° im dritten Abschnitt, behält man die Teilung in Altgrad bei; eine Teilung in Neugrad würde nicht viel ändern: eine Position auf 7° im ersten Abschnitt bildet einen rechten Winkel zu einer Position auf 27° im dritten Abschnitt. 8 Auch galaktische Koordinatenangaben sind möglich, die verschiedenen Bezugssysteme haben gegenüber anderen Vor- und Nachteile, deren Einzelheiten zu erörtern hier zu weit führen würde. 9 Den Sonderfall vorausgesetzt, die ekliptikale Breite des Mondes sei Null. Wären die Längen auf ein äquatoriales System umgerechnet, ließe sich die Mondphase nicht erkennen. Die Einteilung des Mondlaufs in synodische, siderische, drakonische usf. Monate ist lediglich an einer subjektiv empfundenen Auffälligkeit orientiert. Nichts zwingt dazu, eine solche Einteilung vorzunehmen oder an ihr festzuhalten, abgesehen davon, daß wohl die allerwenigsten in der Lage sind, die Dauer eines drakonischen Monats - beispielsweise - auf die Stunde genau anzugeben. Der drakonische Monat definiert sich durch den Lauf des Mondes durch die Ekliptikebene von Süd nach Nord und dauert 27 Tage und wenig mehr als fünf Stunden. 5 Für astronomisch nicht Versierte möchte ich anhand der Kalendermonate demonstrieren, wie eine weitere Teilung der Ekliptik die Übersicht erhöht. Angenommen, man teilt das Jahr nicht in Monate ein, dann hätte man bei Datumsangaben vielleicht etwas wie: heute ist der 273. 1998. Ist jetzt Herbst? Beginnen die Ferien? Ist das der erste Advent (wenn es ein Sonntag wäre)? Sicherlich könnte man sich daran gewöhnen, aber schön ist das nicht. Die zwölf Kalendermonate finden in der Astronomie ihre Entsprechung in den zwölf sogenannten Sonnenmonaten, das sind die Zeiträume, die die mittlere Sonne für den Durchlauf der einzelnen gleich großen Ekliptikabschnitte benötigt, und sie sind jeweils etwas mehr als dreißig Tage lang. Dabei ist der Anfangspunkt der Zählung gegenüber dem bürgerlichen Kalender versetzt, da das bürgerliche Jahr nicht im März, sondern im Januar beginnt. Bei dem hier dargestellten ekliptikalen System handelt es sich um eine Konvention, deren Zweckmäßigkeit zuletzt auch darin besteht, daß die Projektionen der großen Körper des Sonnensystems im Normalfall kürzere sind, als bei anderen Systemen, und somit als zweidimensionale Darstellung dem dreidimensionalen Sachverhalt am ehesten entsprechen. Durchaus könnte man auch die Äquatorebene der Sonne als Projektionsebene verwenden, man kann die Daten von dem einen in das andere System transformieren und es spielt keine große Rolle, für was man sich entscheidet, die astronomischen Vorteile des ekliptikalen Systems konnten, glaube ich, hinreichend dargestellt werden. Um ein Fernrohr auf ein bestimmtes Objekt auszurichten, ist dieses System nicht sonderlich gut geeignet, man müßte schon für jeden Zeitpunkt für den entsprechenden Beobachtungsstandpunkt die Lage der Ekliptik kennen, was innerhalb der Polarkreise bisweilen Schwierigkeiten provoziert. Damit sind zwar schon einige, aber noch nicht alle für das Folgende notwendigen astronomischen Begriffe erklärt, ich entscheide mich dafür, das im jeweiligen Zusammenhang nachzuholen. Im Prinzip stehen aber diese astronomischen Informationen im Buchhandel oder in den Bibliotheken in mehr oder weniger ausführlicher Weise in Form von populärastronomischen oder fachspezifischen Werken zur Verfügung. Offensichtlich aber wird dieses Angebot viel zu selten wahrgenommen, denn mir bliebe einige Mühe erspart. Wenn EDGAR WUNDER also fragt, warum es zwölf Tierkreiszeichen gebe (vgl. Einleitung), dann habe ich diese Frage hier, glaube ich, so weit wie möglich beantwortet, wenn ich ergänze, die oben beschriebene Einteilung der Ekliptik in zwölf gleich große Abschnitte ab Frühlingspunkt definiert die Tierkreisoder Sternzeichen. Die Frage ist allerdings, ob er das gemeint hat, denn er ist der Auffassung, es gebe dafür in der Astronomie keine 6 Entsprechung. Man kann noch anführen, daß eine astronomische Entsprechung in den zwölf Tierkreisbildern, den Sternbildern des Tierkreises gegeben ist, und auf den Einwand, die Lage der beiden Kreise würde in Folge der Präzession nicht mehr übereinstimmen, erwidern, daß es dennoch einen astronomischen Sachverhalt darstellt, weil es mal einen Zeitpunkt gab, an dem die Kreise übereingestimmt haben - und zu diesem Zeitpunkt war der Fixsternhimmel noch nicht in der Weise eingeteilt, auf die man sich in diesem Jahrhundert geeinigt hat. Aber all das ist nicht zwingend, was meint oder will EDGAR WUNDER? Eine Einteilung, gleich welcher Art, gleich welchen Gegenstandes, ist immer eine Frage des Kalküls, eine Frage, was man sich von einer Einteilung verspricht. Die Frage zeigt nur eines, nämlich daß WUNDER nicht überlegt hat, als er sie formulierte, es läßt sich keine Antwort in der aus der Formulierung provozierten Weise auf sie finden - anders ausgedrückt: die Frage ist nicht beantwortbar. Wenn EDGAR WUNDER, bzw. die GWUP, deren Mitglied er ist, Wissenschaft definiert in der Weise, daß nur Theorien oder Hypothesen zulässig sind, die sich empirisch prüfen 10 lassen , dann hat er bei der Formulierung seiner Frage vergessen, daß Wissenschaft auch bedeutet, nur theoretisch beantwortbare Fragen zu stellen. 10 Vgl.: http://www.gwup.org/br_begriffe.html (Stand: 1. Januar 1998). GWUP steht für: GESELLSCHAFT ZUR W ISSENSCHAFTLICHEN UNTERSUCHUNG VON PARAWISSENSCHAFTEN. Wir würden immer noch auf den Bäumen sitzen, wenn der Mensch so vorgegangen wäre, wie es die GWUP auf ihre Fahnen schreibt: „Skeptiker in unserem Sinne sind keine Nihilisten, die grundsätzlich jede Aussage über die Welt anzweifeln. Vielmehr akzeptieren Skeptiker Hypothesen, die sich in vielen Prüfungen bewährt haben.“ (ebenda). Grade KOPERNIKUS als der Meilenstein in der Wissenschaft ist beredtes Zeugnis, daß Wissenschaft vor allem bedeutet, an Hypothesen festzuhalten, die sich nicht bewährt haben. Ihm war beispielsweise bewußt, daß es ein Beweis für sein System sei, wenn die Venus Phasen bilden würde wie der Mond. Nun lassen sich die Venusphasen erst mit optischen Hilfsmitteln auflösen, von denen KOPERNIKUS noch nicht einmal geträumt hat, und dennoch war er stets von seiner Theorie überzeugt, die angesichts des damaligem Hintergrundwissens erhebliche Mängel aufwies und rechnerisch zu schlechteren Resultaten führte, als die derzeit gebräuchliche Methode nach PTOLEMÄUS. Die Schwierigkeiten der kopernikanikanischen Theorie zu ihrer Zeit und auch noch zur Zeit KEPLERS und GALILEIS werden ausführlich behandelt und erläutert bei HANS BLUMENBERG, Die Genesis der kopernikanischen Welt und PAUL K. FEYERABEND, Wider den Methodenzwang sowie bei KURT HÜBNER, Kritik der wissenschaftlichen Vernunft. W UNDER begründet seine Frage mit der Feststellung, es gäbe zu der astrologischen Zwölferteilung der Ekliptik keine astronomische Entsprechung. Das setzt voraus, bzw. postuliert, daß, sollte die Astrologie, oder ihre Grundlagen, in irgendeiner Weise berechtigt sein, eine Verbindung zur Wissenschaft herstellbar sein müsse, also die Astrologie Wissenschaft zu sein hätte. Folgt man aber meiner provokanten These, Wissenschaft sei eine verkümmerte Form der Astrologie, wird W UNDERS Begründung seiner Frage hinfällig. Tatsächlich findet man in den astronomischen Sonnenmonaten eine Entsprechung zur Zwölfereinteilung der Ekliptik, die aus den astrologischen Grundlagen abgeleitet wurde. Einteilungen, die die Wissenschaft vornimmt, erhalten also erst eine Berechtigung, wenn sich dafür eine astrologische Entsprechung finden läßt. Das braucht die Astronomen aber nicht zu beunruhigen, die Astrologie ist in der Lage, für jede Absonderlichkeit eine Zuordnung zu finden. 7 Astronomisch dient eine Zwölferteilung der Ekliptik also lediglich Meßzwecken: Eine Teilung der Ekliptik in zwölf gleich große Abschnitte wurde schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend in Babylon eingeführt. Diese Abschnitte heißen Tierkreiszeichen; sie wurden gebraucht, um die Positionen und Bewegungen von Sonne, Mond und Planeten durch Zahlenangaben zu kennzeichnen. Beispiel: der Mond sei gestern abend an der Stelle 27° im Zeichen Jungfrau gestanden, heute steht er um die gleiche Zeit 10° in der Waage; dann hat er sich also an einem Tag um 13° in ekliptikaler Länge bewegt.11 All das erhellt, daß die Sternzeichen nicht allein vor dem „Hintergrund der astrologischen Ideologie verstehbar sind“, wie 12 Wunder meint. Die Ekliptik als Anordnung von Fixsterngruppen Betrachtet man den nächtlichen Himmel, so gewinnt man den Eindruck einer Kuppel, die mit leuchtenden Punkten besetzt ist. Diese Punkte, meist Fixsterne, lassen sich zu Gruppen, den Sternbildern, willkürlich zusammenfügen. Im Laufe der Zeit einigte man sich auf bestimmte Anordnungen, denen man Namen gab. Zwölf dieser Sterngruppen, die sogenannten Tierkreisbilder, zeichnen sich durch eine Besonderheit aus: Im Laufe eines Jahres überdeckt die Sonne nacheinander jedes dieser Sternbilder. Im Gegensatz zu den Sternzeichen lassen sich die Sternbilder je nach Jahreszeit und Beobachterposition tatsächlich beobachten. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts teilte die ASTRONOMISCHE 13 UNION (AU) den Fixsternhimmel in 88 Sternbilder so ein, daß auch der Schlangenträger einen Teil der Ekliptik ausmacht. Das bedeutet aber nicht, daß nun der Schlangenträger den Tierkreisbildern zugerechnet werden muß: Bei den Bildern [Anm.: graphische Veranschaulichungen] sieht man, daß die Ekliptik auch durch einen Teil des Sternbildes Schlangenträger (Ophicus, Oph) geht. Dieses Sternbild wird nicht zu den Tierkreisbildern gerechnet. Es 11 FRIEDRICH GONDOLATSCH, GOTTFRIED GROSCHOPF, OTTO ZIMMERMANN; Astronomie I - Die Sonne und ihre Planeten; Stuttgart, 1977, S. 54 f. 12 EDGAR W UNDER; Astronomie und Astrologie; http://www1.arcs.ac.at/baa/alrukaba/02/01.htm (Stand 28.12.1997). 13 Einige Werke geben auch 89 Bilder an, dort wird das Sternbild Schlange noch einmal unterteilt in den Kopf und den Schwanz der Schlange. 8 bekam Anteil an Sternbildgrenzen.14 der Ekliptik durch eine spätere Änderung der Anschließend wird in einer Tabelle, die die unterschiedliche Verteilung der Sternbilder, die von der Ekliptikebene durchdrungen werden, veranschaulicht, die Ausdehnung des Tierkreisbildes 15 Skorpion auf dem ekliptischen Meßkreis mit 25° angegeben. Nach der neuen Einteilung hat der Skorpion nur noch 5° Anteil, der Schlangenträger die restlichen 20°. Die Jungfrau hat mit 44° den größten, und - wenn man die Skorpion-SchlangenträgerProblematik vernachlässigt - der Krebs mit 20° den kleinsten Anteil auf der Ekliptik. Es ist also ungenau formuliert, wenn WIECHOCZEK schreibt, der Ekliptikabschnitt des Skorpion sei 16 besonders kurz. Zusammenfassend will ich den Unterschied zwischen Tierkreisbildern und Tierkreiszeichen so formulieren: Die Tierkreisbilder sind Sternbilder am Nachthimmel und lassen sich beobachten, die Tierkreiszeichen sind Bezeichnungen von Abschnitten auf dem ekliptischen Großkreis, man kann sie nicht sehen. Dann möchte ich noch betonen: Alles bisher dargestellte hatte noch nichts mit Astrologie zu tun. Einige der bisher erörterten astronomischen Gegebenheiten bilden lediglich die Grundlage für bestimmte astrologische Annahmen, die noch zu besprechen sein werden. Im weiteren Verlauf werde ich konsequent die Bezeichnungen ,Tierkreisbilder’ (für die sichtbaren Sternbilder von Widder bis Fische) und ,Sternzeichen’ (für die nicht sichtbaren Tierkreiszeichen von Widder bis Fische) verwenden, um den Unterschied auch optisch hervorzuheben, obwohl der Begriff ,Sternzeichen’ ungenau ist (der Orion ist ein Sternbild, es gibt aber 17 für ihn kein Zeichen). Weil sich nun die Anfangspunkte für die Zählung von Tierkreisbildern und Sternzeichen in Folge der Präzession verschieben, wird auf Sternkarten oder in Sternkatalogen immer angegeben, auf welches Äquinoktium, d. h. auf welchen Zeitpunkt, sich die Daten beziehen. Man kann dann mit Hilfe dieser Angabe frühere oder spätere Zustände errechnen. Zum Schluß dieses 14 GONDOLATSCH, GROSCHOPF, ZIMMERMANN, ebenda, S. 55. Die Formulierung ,ekliptischer Meßkreis’ ist zwar ungewöhnlich, stellt aber meiner Meinung nach den Sachverhalt deutlich dar. 16 REINHARD W IECHOCZEK; Uranus lächelt über Hiroshima - die horoskopierte Gesellschaft; Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München, 1992, S. 9. 17 Die Alternative wäre gewesen, die sichtbaren Fixsterngruppen ,Sternbilder' zu nennen und die astrologischen Zeichen ,Tierkreiszeichen'. Aber da wäre dann nicht deutlich geworden, daß es sich bei den Tierkreisbildern um Sterngruppen aus der Ebene der Ekliptik handelt. 15 9 Abschnitts sei der Unterschied zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen noch einmal veranschaulicht: Wenn die Sonne in ihrem scheinbaren Lauf den Ekliptikabschnitt erreicht, der das Sternzeichen Widder beschreibt, beginnt auf der Nordhalbkugel der Erde das Frühjahr. Daran wird sich über die Jahrtausende nichts ändern, das ist eine astronomische Tatsache. Würde sich beim Eintritt der Sonne in das Sternzeichen Widder eine totale Sonnenfinsternis ereignen, dann könnte man von dem Ort, von dem aus die Sonnenfinsternis beobachtbar ist, diese gegenwärtig vor dem Hintergrund des Tierkreisbildes Fische sehen, d. h. in der Himmelsgegend, in der sich Sonne und Mond befinden, sind auch einige Fixsterne zu sehen, die dem Tierkreisbild Fische zugerechnet werden. Verlegt man nun dieses hypothetische Ereignis in eine andere Zeit, etwa in den Beginn unserer Zeitrechnung, dann würde sich die Sonnenfinsternis vor dem Tierkreisbild Widder ereignen. Nun will ich anhand einiger anschaulicher Beispiele demonstrieren, daß obige Ausführlichkeit und Umständlichkeit notwendig war. „Der ursprüngliche Sinn der Sternzeichen“ Die Überschrift ist ein Zitat, unter demselben Titel erscheint unter http://www1.arcs.ac.at/baa/alrukaba/02/01.htm, Stand 01.01.1998, ein Artikel von HANSJÖRG KAMMERER, in dem es wild zugeht. Zunächst gebraucht er die Begriffe ,Sternbilder’ und ,Sternzeichen’ synonym zur Beschreibung ein und desselben Vorganges, nämlich der Erklärung, was die „Sternbilder“ als Fixsterngruppierungen für die Kalenderrechnung bedeuteten. Er betrachtet es als einen weiteren „Grund, astrologischen Aussagen 18 mit Zurückhaltung zu begegnen“ , daß z. B. alle, die zwischen 22. März und 20. April geboren sind, nicht, wie die Astrologie 19 behaupte, dem Sternzeichen des Widders zuzurechnen sind, sondern den Fischen. Er setzt hinzu, daß sich der Sachverhalt in etwa hundert Jahren ändert; alle, die nach astrologischer Meinung 18 Was der erste Grund ist, wird nicht deutlich. Vielleicht meint er damit, die Aussage, zu einem bestimmten Sternzeichen zu gehören, sei eine „höchst subjektive Deutung“ (ebenda), daß aber bei den Fixsternen zunächst doch einmal an Objekte zu denken sei, die größer als unsere Sonne sind. Es zeigt sich, daß er den Unterschied zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen nicht kennt. 19 Das Problem KAMMERERS läßt sich wohl am ehesten begreifen, wenn man hier den Begriff ,Tierkreisbild’ einsetzt und feststellt, daß die Sonne tatsächlich nicht gleichzeitig in zwei Tierkreisbildern stehen kann, also hier dem Widder und dem Fisch. Aber das behauptet die Astrologie ja auch gar nicht. 10 dem Widder zugeordnet werden, müßten dann eigentlich dem Wassermann zugehören. Hinter diesem Einwand verbirgt sich die Unkenntnis, was die astrologische Aussage, jemand sei Widder, bedeutet. Sie bedeutet zunächst nichts anderes, als daß der Betreffende in einer bestimmten Jahreszeit geboren wurde. Was die Astrologie daraus für Aussagen ableitet, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Dann macht KAMMERER noch etwas sehr schönes: Er behauptet, den Sternkundigen früherer Zeiten sei die Präzession unheimlich gewesen, sie hätten sie nicht erklären können und daher Mythen entwickelt, die den Vorgang der Präzession beschreiben. Er verweist auf die Argonautensage, auf das alte Testament. Zu der Zeit, als diese Sagen entstanden, war die Präzession aber noch nicht entdeckt! Sicher, man kann diese Mythen, Legenden oder Sagen so deuten, daß sie eine Beschreibung der Präzession darstellen, aber das bleibt rein spekulativ. KAMMERER ist deswegen ein Extrembeispiel, weil er durchgängig Tierkreisbilder und Sternzeichen verwechselt, wohl weil er nicht weiß, was Sternzeichen überhaupt sind. Es gibt andere, die das wissen, dann aber wieder vergessen. Das gilt nicht nur für Astrologiegegner, sondern auch und vor allem für Astrologen. Fast durch die Bank kommen letztere früher oder später ins Schleudern, wenn sie sich mit der Präzession beschäftigen. EYSENCK und NIAS brauchen nur zwei Sätze, um die Schwierigkeiten zu demonstrieren: „Zur Zeit des Ptolemäus stand die Sonne am Tag des Frühlingsäquinoktiums (21. März) im Sternbild des Widders [...]. (Als nächstes Zeichen ist der Wassermann an der Reihe [...])“20 [meine Hervorhebung]. Was hier möglicherweise als Übersetzungsfehler gedeutet werden kann, schafft PETER NIEHENKE sogar in nur einem Satz: Er begründet seine Auffassung, der Frühlingspunkt befinde sich im Tierkreisbild Wassermann, damit, daß die Tierkreisbilder in der Ebene der Sonnenbahn nicht klar voneinander trennbar seien, es sei „nicht klar entscheidbar, ob die Sonne sich noch in dem vorherigen oder schon im nachfolgenden Zeichen aufhält, da die Bilder sich 21 [meine Hervorhebung]. Aus dem gegenseitig überlappen“ Zusammenhang wird aber deutlich, daß es sich bei NIEHENKE lediglich um einen Flüchtigkeits- und nicht um einen Denkfehler handelt, die astronomischen Zusammenhänge stellt er verständlich und richtig dar - und er meinte hier, daß die Projektionen 22 der (vertikalen) Tierkreisbildergrenzen auf die Ekliptik sich 20 HANS JÜRGEN EYSENCK, DAVID NIAS; Astrologie - Wissenschaft oder Aberglaube?; Übs. W ILHELM HÖCK, München, 1982, S. 60. 21 PETER NIEHENKE; Kritische Astrologie - Zur erkenntnistheoretischen und empirisch psychologischen Überprüfung ihres Anspruchs; Diss., Freiburg i. Br., 1987. 22 Genaugenommen ist das aber Quatsch, denn die vertikalen Sternbildergrenzen bilden zur Ekliptik einen Winkel von ca. 23°, man müßte, folgt man NIEHENKE, auch die horizontalen Sternbildergrenzen projizieren. Dann entsteht aber ein wirkliches 11 gegenseitig überschneiden. So betrachtet hat er recht: die Sonne oder der Frühlingspunkt kann in zwei Tierkreisbildern gleichzeitig stehen. Zunächst dient dieses Beispiel aber nur der Demonstration, wie schnell man Tierkreisbilder und Sternzeichen durcheinander zu mischen in der Lage sein kann; eine kleine Unaufmerksamkeit - und hoppla! - ist es passiert. Schlimmer ist es aber, wenn eine Denkungenauigkeit zugrunde liegt, wie etwa bei ARTHUR SCHULT, der zwar auf Seite 615 genau zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen zu unterscheiden imstande ist, dann aber wieder von einer 30°- Ausdehnung des Fixsterntierkreises (Tierkreisbilder) spricht und diese Bilder später 23 durchgehend zu (Stern-)Zeichen werden läßt. Dabei bleibt er dann konsequent, wenn man ihm folgt, dann teilt er den Fixsternhimmel nach seinem Gutdünken, gegen die astronomische Konvention, die aber ebenso willkürlich ist, ein und deutet darauf los. Die letzten vier Beispiele (Unkenntnis - Ungenauigkeit Flüchtigkeit - der Wunsch, äußere Bedingungen der eigenen Auffassung anzupassen) sind aber noch nichts im Vergleich zu den echten Denkverstößen, derer sich REINHARD WIECHOCZECK schuldig macht, zumal er auch die anderen Fehlerquellen bemüht. Ich werde nun die astrologische Konstruktion des Wassermannzeitalters besprechen und danach letzte Behauptung auf ein Fundament stellen. Das Wassermannzeitalter Irgendein unseeliger Mensch hat, vermutlich, weil er nicht nachdenken konnte, oder es nicht wollte, oder aus böser Absicht, die astrologische Zeitalterlehre ,entdeckt’. Deswegen leben wir jetzt im beginnenden Wassermannzeitalter - heißt es. Um die Problematik mit der ihr gebührenden Ausführlichkeit zu behandeln, seien zunächst die Auffassungen dreier Verfechter der astrologischen Zeitalterlehre, die stellvertretend für viele andere gelten können, besprochen. Es handelt sich dabei um die Ausführungen der Autoren BODO STEIN, ARTHUR SCHULT und PETER NIEHENKE. Alle drei unterscheiden sich nicht nur in der Interpretation der gegenwärtigen Lage des Frühlingspunktes Durcheinander auf der Ekliptik. Möglicherweise ließen sich so Positionen finden, wo die Sonne in sogar drei Tierkreisbildern gleichzeitig steht. Das Problem ändert sich nicht grundsätzlich, wenn man entsprechend dem 23°-Winkel projiziert. 23 ARTHUR SCHULT; Astrosophie als kosmische Signaturenlehre des Menschenbildes - Umfassende Tiefenschau und Lehre der klassischen Astrologie; 3. Aufl., Bietigheim/Württ., 1982, Bd. 2, S. 605 ff. 12 voneinander, sondern auch in der Bestimmung dieser Position. Für NIEHENKE stellt sich die Frage nach einer möglichen Interpretation nicht, ohne dem Wassermannzeitalter das Wort zu 24 reden, wie ihm von WIECHOCZEK unterstellt wird, stellt er fest, der Frühlingspunkt befände sich im Tierkreisbild Wassermann.25 ARTHUR SCHULT ist der gleichen Auffassung, nach ihm hat das 26 Wassermannzeitalter 1950 begonnen, hingegen vertritt BODO STEIN die Meinung, der Frühlingspunkt befinde sich auf zwei Grad 27 Fische und wandere etwa im Jahre 2154 in den Wassermann. Aus dieser einfachen Zusammenstellung geht nicht hervor, welche zum Teil ungeheuer aufwendigen Plausibilisierungsversuche unternommen worden sind, um die vertretene Meinung zu stützen. Am ehesten ist noch NIEHENKE nachvollziehbar, er verschont seine Leser mit historischen Ausdeutungen und beschränkt sich auf den Hinweis, die Sternbilder seien auf der Ekliptik nicht klar voneinander trennbar (s. o.). WIECHOCZEK kritisiert nun NIEHENKES Aussage bezüglich der Lage des Frühlingspunktes im Wassermann. Dabei ist ihm durchaus bewußt, daß die Frage nach den Sternbildergrenzen lediglich eine Frage der Auslegung, eine Frage individueller Auffassung ist: „Als Sternbilder sind die Himmelsfiguren der menschlichen Phantasie 28 entsprungen...“ An anderer Stelle führt er aus, daß die nun bestehende Einteilung des Fixsternhimmels in 88 Sternbilder auf den Beschluß der Astronomischen Union im Jahre 1925 gründet. Bis dahin seien die Sternbilder regional verschieden oder auch 29 mehrdeutig betrachtet worden. Dann vergißt er das wieder und benutzt subjektive Auffassungen als Argumente in der Diskussion: „Die symbolischen Kraftfelder [Anm.: Sternzeichen] haben keinerlei Verbindung zu den wissenschaftlichen Sternbildern und 30 sind durch kein nachprüfbares Verfahren zu beweisen“ oder: „Ein Blick in einen beliebigen Himmelsatlas könnte den Astrologen überzeugen, daß der Frühlingspunkt sich noch 600 (!) weitere Jahre in den Fischen aufhält.“31 Bei den Sternkarten, die WIECHOCZECK in seinem Buch 32 abbildet, fehlen die Angaben des Äquinoktiums, und wenn die Frage nach einem Beweis für die Sternzeichen gestellt wird, dann 24 Ebenda, S. 182. Ebenda, S. 35. 26 Ebenda, S. 669. 27 BODO STEIN; „Tierkreisgrad und Zeitalter als Deutungsfaktor"; Meridian – Fachzeitschrift für alle Gebiete der Astrologie 3/87, S. 20-24. 28 Ebenda, S. 11. 29 Ebenda, S. 8 f. 30 Ebenda, S. 9. 31 REINHARD W IECHOCZEK; Presseerklärung vom 26. April 1988; zit in: REINHARD W IECHOCZEK; Uranus lächelt über Hiroshima - die horoskopierte Gesellschaft; Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München, 1992, S. 182. 32 Ebenda, S. 7 ff. 25 13 wäre es ja auch erlaubt, die Frage nach einem Beweis für die Tierkreisbilder, ja sogar für die Sternbilder, die ja der „menschlichen Phantasie entsprungen [sind]“, zu stellen. Akzeptiert man die von der Astronomischen Union (AU) definierten Sternbildgrenzen, dann hat WIECHOCZECK allerdings in dem Punkt recht, daß es noch bis ins Jahr 2600 dauern wird, bis der Frühlingspunkt in das Sternbild des Wassermann übergeht. Am Rande sei hier angemerkt, daß der Beschluß der Astronomischen Union in verschiedenen Werken unterschiedlich 33 datiert wird, viele geben 1925 an, einige aber 1928. Was aber auch wann in den zwanziger Jahren passiert sein mag, es ändert nichts daran, daß man sich auch von der von der Astronomie vorgeschlagenen Einteilung freimachen darf. Warum man das allerdings sollte, ist wieder eine ganz andere Frage. BODO STEIN und ARTHUR SCHULT versuchen sie zu beantworten, indem sie historische Zeitabschnitte so deuten, daß sie mit einer astrologischen Symbolik, die sich dann in einem astronomischen Geschehen wiederfinden läßt, in Einklang zu bringen sind. Die Geschichte der Menschheit wird in verschiedene Epochen eingeteilt. Weitere Einteilungen dieser Epochen in Zeitabschnitte mit unterschiedlicher Charakteristik sind gebräuchlich und zur historischen Orientierung sinnvoll. Es ist natürlich naheliegend, daß sich auch die Astrologen den Vorgängen in der Entwicklung des Menschen widmen und versuchen, die einzelnen Phasen der Geschichte in Übereinstimmung mit Phasen im astronomischen Geschehen zu bringen. Tatsächlich ist es durchaus möglich, die jüngere Menschheitsgeschichte in 2000-Jahresabschnitte einzuteilen, also etwa die ägyptisch-babylonische, die griechisch34 römische und die christlich-abendländische Kultur. Dies ist aber nur ein möglicher Ansatz unter vielen anderen, doch zufällig deckt sich die Bewegung des Frühlingspunktes durch die Tierkreisbilder zeitlich ungefähr mit diesen Abschnitten menschlicher Kulturgeschichte. Was liegt also näher, als darin einen irgendwie gearteten Zusammenhang zu sehen? Dieser Zusammenhang muß ja nicht ein kausaler sein, er könnte sich ja als paralleles Geschehen darstellen, als ,zufällige’ Übereinstimmung. So weit ist auch alles in Ordnung und legitim. Auch kann man es durchgehen lassen, wenn einzelne Astrologen die Tierkreisbilderausdehnung auf der Ekliptik mit dreißig Grad bemessen, so groß sind sie nämlich auf einmal bei STEIN und 33 Vgl.: ROBERT H. BAKER u. LAURENCE W. FREDERICK; Astronomy; New York, 1930/1970, S. 18, oder Technik und exakte Naturwissenschaften; Lexikon; Lizenzausgabe, Frankfurt/M., 1972. KLAUS HEMPE und JÜRGEN MOLT geben sogar 1930 als Jahreszahl an (Sterne im Computer – Berechnungsprogramme für den Hobby-Astronomen, Köln, 1986, S. 67). 34 Mit gutem Willen wären für letztere aber erst maximal 1500 Jahre zu zählen, was ja sogar zu den Definitionen der Astronomischen Union und den entsprechenden Berechnungen passen würde! 14 SCHULT. Auch daß bezüglich der Lage der Tierkreisbildergrenzen Uneinigkeit herrscht, ist nicht schlimm, es zeigt eher das ernsthafte Ringen um die richtigen Zuordnungen und das Bemühen, die Diskussion in Gang zu halten. Anerkennenswert ist auch, daß SCHULT seinen Lesern Freiraum läßt, daß er durch die Blume die Möglichkeit einräumt, sich betreffs der genauen Datierung vielleicht zu irren: „Erinnern möchte ich noch einmal daran, daß der Frühlingsanfangspunkt in 150 Jahren sich nur um zwei Grad im Tierkreis verschiebt. Die Übergänge der Weltenjahre [Anm.: Zeitalter] sind als lebendige und nicht nur rechnerische Einheiten selbstverständlich fließend.“35 Zählt man diese 150 Jahre zu 1950 hinzu, so gibt es zwischen SCHULTS und STEINS Datierung des Beginns des Wassermannzeitalters nur noch eine Differenz von ca. 50 Jahren, bezogen auf die Präzession ist das weniger als ein Grad. Das Problem ist nicht in der Art der astronomischen Einteilung zu sehen, auch nicht in der Deutung der historischen Vorgänge, die astrologischer Symbolik angepaßt wird, z. B. wird die christlichabendländische Epoche als Fischezeitalter betrachtet, in der sich besonders viele Fische-typische Merkmale wiederfinden lassen. Das Problem ist darin zu sehen, daß die Deutung mit Sternzeichensymbolik mit Ereignissen in den entsprechend gleichnamigen Tierkreisbildern begründet wird - und das zeugt von einer Dummheit, die nicht von alleine kommen kann, die muß man sich erarbeiten. Also: Weil sich der Frühlingspunkt im Tierkreisbild Fische befindet, wird die entsprechende Epoche so gedeutet, als befände er sich im Sternzeichen Fische, wo er allerdings nie hingelangen kann, denn er definiert immer den Beginn des 36 Sternzeichens Widder. Noch dümmer - und das kommt dann wohl wieder von alleine ist es allerdings, wenn diese Ungereimtheit, derer sich die Vertreter einer astrologischen Zeitalterlehre befleißigen, erkannt und kritisiert wird, und im Rahmen dieser Kritik derselbe Fehler gemacht wird: Kehren wir aber noch einmal zurück zum Ursprung des astrologischen Tierkreises. Es besteht keinerlei nachprüfbare Basis für die Gedankenkette, aus bestimmten Sternpunkten etwa einen ,Wassermann’ zu ersinnen - jede andere Figur stände denselben Sternen auch zu Gesichte -, [sic] einen Menschen als ,Wassermann’ zu typisieren - wir werden noch erfahren, wodurch das geschieht [Anm.: wir erfahren es nicht] - und ihm wassermanntypische Eigenschaften anzuheften... 37 35 Ebenda, S. 616. Nicht alle Astrologen machen diesen Quatsch mit, SIGRID STRAUß-KLOEBE z. B. widmet dem Thema ein Kapitel und spricht sich gegen die Zeitalterlehre aus, vgl.: Das kosmopsychische Phänomen - Geburtkonstellation und Psychodynamik; Freiburg i. Br., 1977. 37 W IECHOCZEK, ebenda, S. 12. 36 15 Der Ursprung des astrologischen Tierkreises liegt weiter zurück als der Erscheinungstermin des für die heutige Astrologie maßgeblichen Werkes Tetrabiblos von PTOLEMÄUS (87-165 n. Chr.), dem das Phänomen der Präzession bekannt war, denn 250 Jahre zuvor hatte HIPPARCH diesen schon den Babyloniern bekannten Vorgang berechnet. PTOLEMÄUS übernahm lediglich die damals übliche Namensgebung, die sich bis heute erhalten hat. Der Ursprung des Tierkreises ist auf etwa 2000 Jahre vorher zu datieren. All dies hätte WIECHOCZEK dem Astrologiegegner JÜRGEN HAMEL,38 den er an anderer Stelle zitiert, entnehmen können, wenn er ihn aufmerksam gelesen hätte. Es ist ja so, daß eben nicht die Sternpunkte typisiert werden, sondern Abschnitte des astrologischen Tierkreises [Sternzeichen], zumal es sich oben schwerlich um eine ,Gedankenkette’ handelt. Einen beachtenswerten - und auch berechtigten - Einwand gegen die Zeitalterlehre bringt WIECHOCZEK allerdings doch: „Ist den Sterndeutern nicht bewußt, daß zu allen hier zitierten Kulturen gleichzeitig weitere Kulturen - und keineswegs geringere - in 39 anderen Erdteilen existierten und existieren?“ Wäre ich ein Verfechter der Zeitalterlehre, dann würde ich entweder diese Kulturen in mein Schema einbeziehen und Merkmale suchen - und finden - die eine Globalisierung erlauben, oder ich würde die Deutungsvoraussetzungen den regionalen Gegebenheiten anpassen, so daß sich die Deutungsinhalte den jeweiligen Voraussetzungen entsprechend ändern. Kurz: die anderen Kulturen würden unter die gleiche Symbolik fallen. In der Tat, beschäftigt man sich mit der Literatur zur Zeitalterlehre, dann gewinnt man den Eindruck, als sei alles möglich. Damit ist allerdings noch nicht ausgeschlossen, daß es tatsächlich eine Symbolik gibt, die der historischen Entwicklung entspricht. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang eine Passage aus den Lehr- und Übungsbüchern des Astrologen 40 WOLFGANG DÖBEREINER: K[ursteilnehmer]: Deswegen sind wir im Wassermannzeitalter, weil der Frühlingspunkt jetzt effektiv im Wassermann steht? A[ntwort des Kursleiters]: Ja, die Erklärung ist mir halt zu einfach, gell. K: Ja, ich meine, das sind halt die Berechnungen. A: Ja, und das Andere, das ist dann die Deutung. K: Aber der Umstand ist doch jetzt so, daß tatsächlich der Widderpunkt im Wassermann ist. 38 JÜRGEN HAMEL; Astrologie - Tochter der Astronomie?; Lizenzausgabe, Rastatt, S. 13-39. 39 Ebenda, S. 12. 40 W OLFGANG DÖBEREINER; Astrologisches Lehr- und Übungsbuch - Astrologischer Lehr- und Übungskurs nach protokolarischen Aufzeichnungen eines Abendkurses, basierend auf dem System der Münchner Rhytmenlehre; München, Bd. 2, S. 40. 16 A: Ja, aber inhaltlich dürfte es dann keine Kollektive geben und was weiß ich noch alles, keine Herdenbildungen, keine Sozial-Organisationen, denn die mag der Wassermann nicht, - höchstens ideel, aber nicht de facto. K. Kann man denn die Tierkreisentwicklung ohne weiteres auf ein Zeitalter übertragen? A: Ohne weiteres, ja. Analogiemäßig. K: Aber die Sicherheit hat man nicht, wie bei Horoskopen zum Beispiel. A: Die Sicherheit haben sie natürlich nicht, nein, das ist natürlich immer spekulativ, das ist ganz klar. Demnach befinden wir uns nicht im Wassermannzeitalter, wenn überhaupt, dann in einem anderen, was aber nicht mit der Position des Frühlingspunktes zu begründen wäre. Interessant ist dabei, daß die Auffassung, in einer Wassermann-Epoche zu sein, nicht mit Hinweis auf die astronomische Diskrepanz zurückgewiesen wird, sondern daß astrologisch-inhaltliche Gründe genannt werden - so geht es also auch. Um die astronomische Diskrepanz noch einmal in einer anderen Formulierung zu veranschaulichen, möchte ich gegen Ende des Abschnitts auf GÜNTER PÖSSIGER hinweisen, der mit JOACHIM HERRMANN darüber verblüfft ist, daß der Charakter der Zeitabschnitte plötzlich von den Tierkreisbildern abgeleitet wird, während in der auf Menschen bezogenen Horoskopdeutung der 41 Charakter von den Sternzeichen herrührt. Es gibt aber auch astrologische Schulen (MARIA u. MATHIAS THUN), die als Deutungsgrundlage den Fixsterntierkreis (Tierkreisbilder) verwenden. Dabei versteht sich von selbst, daß andere Deutungsinhalte zugrundegelegt werden müssen. Vertreter einer solchen Schule können durchaus aus der Lage des Frühlingspunktes Schlüsse ziehen und von einem Wassermannoder Fische-Zeitalter sprechen. Damit werden sie aber sicherlich etwas ganz anderes meinen, als Vertreter der klassischen Astrologie.42 41 JOACHIM HERRMANN; Das falsche Weltbild - Astronomie und Aberglaube; München, in GÜNTER PÖSSIGER; Taschenbuch der Astrologie - Zur Theorie und Praxis astrologischer Voraussagen und Berechnungen; München, 1977, S. 39 f. 42 Mit ,klassischer Astrologie’ meine ich die astrologische Richtung - in allen Spielarten - für die der tropische Tierkreis (Sternzeichen) Deutungsgrundlage ist. 17 Sternbilder oder Sternzeichen? Welche Schwierigkeiten die Präzession der Astrologie und ihren Gegnern zu bereiten imstande ist, wurde bisher lediglich angedeutet. Will man die Problematik wirklich umfassend erörtern, ist eine Auseinandersetzung mit dem ersten Kapitel von Uranus 43 lächelt über Hiroshima notwendig. Dort kommt so ziemlich alles vor, was sich in diesem Zusammenhang erdenken läßt. Bisweilen werde ich mich wiederholen, weil ich hoffe, daß dadurch das Verständnis für die Zusammenhänge erleichtert wird. Zunächst führt REINHARD WIECHOCZEK in die Materie ein, indem er die Ekliptik, den Frühlingspunkt und die Präzession erklärt. Der Frühlingspunkt befinde sich aber nicht im Widder, 44 sondern im ,Grenzgebiet’ von Fische zu Wassermann. „Die Astrologen vernachlässigen zunächst einmal die Präzessionsbewegung und sehen nach wie vor, daß die Sonne vom 21. 2 [sic!][sic!] bis 20. 4. im Widder steht, obwohl sie tatsächlich den Widder erst vom 19. 4. bis zum 13. 5. durchläuft“ (S. 8). Auch wenn es zunächst so aussieht (und wohl auch so gedacht war), als sei dies ein Einwand gegen die Astrologie, ist es wohl eher eine Erklärung, nämlich daß der astronomische Frühlingsanfang (Nordhalbkugel) den astrologischen Widder definiert. In diesem Sinne ist die Erklärung etwas unvollständig, denn WIECHOCZEK vergißt hinzuzufügen, daß seine Angabe, die Sonne befinde sich vom 19. 4. - 13. 5. im Widder, infolge der Präzession nur für den begrenzten Zeitraum von 70 Jahren Gültigkeit hat. Es sind also nicht die Astrologen, sondern es ist REINHARD WIECHOCZEK, der die Präzession ,vernachlässigt’ (vgl. dazu auch den Hinweis oben, bei den von WIECHOCZEK abgebildeten Sternkarten fehle die Angabe des Äquinoktiums). Man müsse streng zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen unterscheiden, erklärt WIECHOCZEK, aber die Astrologen würden in Wahrheit gar keine Zeichen und Bilder mehr ,erkennen’, sondern von ,Energie- und Symbolfeldern am Himmel’ sprechen. Wie, um diese Aussage belegen zu wollen, wird der Astrologe GENUIT zitiert. In dem Zitat ist aber von ,Energie- und Symbolfeldern’ überhaupt nicht die Rede, GENUIT setzt die zwölf 43 Ebenda, S. 6-13. Vgl. oben, dort sind es noch sechshundert Jahre bis zum Wassermann, i.e. 9° oder nahezu ein Viertel des Tierkreisbildes Fische, die Verständnisbereitschaft für den Begriff ,Grenzgebiet’ wird hier doch arg strapaziert. 44 18 45 Tierkreisabschnitte zu etwas in ,Entsprechung’ . Die Feststellung des Kritikers, daß Sternzeichen sich nicht beweisen lassen, wurde schon oben erörtert - es wurde ergänzt, daß sich die Sternbilder oder auch nur die Tierkreisbilder - auch nicht beweisen lassen. Doch nun geschieht Merkwürdiges: Es läßt sich einwenden, warum nur die Zeichen des Tierkreises und nicht die Sterne entlang des Äquators oder vielleicht die Zirkumpolarsterne das menschliche Schicksal beeinflussen sollen, ja nicht einmal Alpha Centauri, der nächste Fixstern!46 Man sieht es nicht immer auf den ersten Blick, aber meinte er nicht vielleicht die Bilder des Tierkreises? Der Einwand macht ja 47 keinen Sinn, wenn plötzlich von Sternzeichen zu Fixsternen gewechselt wird. Aus dem vorhergehenden Text läßt sich auch nicht erschließen, wie WIECHOCZEK plötzlich auf ,Einfluß’ kommt, denn bisher war lediglich von ,Energie- und Symbolfeldern’ die Rede, wo es sich nach GENUIT - lediglich um ,Entsprechungen’ handelte. Dies nur am Rande. Mir ist es zwischendurch auch passiert, sogar beim Abschreiben(!) von Zitaten, daß aus Bildern Zeichen wurden - und umgekehrt. Ich möchte nun versuchen zu ergründen, was WIECHOCZEK meinte, als er seinen Einwand formulierte. Gewiß ist, daß er nicht meinte, warum nur die Zeichen des Tierkreises (Sternzeichen), und nicht auch die Zeichen entlang des Äquators oder andere gedeutet werden’, weil es nämlich keine Sternzeichen entlang des Äquators oder Zirkumpolarzeichen gibt. Er spricht ja auch ausdrücklich von Sternen und erwähnt namentlich Alpha Centauri. Hat er vielleicht gemeint: ,Warum werden nur die Sterne des Tierkreises [Tierkreisbilder] gedeutet und nicht auch andere? Diese Frage ist sinnvoll, wenn man sie aus dem Zusammenhang löst. Der Zusammenhang gestaltet sich aber so, daß WIECHOCZEK mehrmals betont, die Astrologen nähmen keinen Bezug zum Fixsternhimmel, für sie würden ,Energie- und Symbolfelder gelten’. Man muß seine Fragestellung deswegen im zuvor gegebenen und unmittelbar nachfolgenden Zusammenhang sehen, weil er ja einen Einwand bringen wollte. 45 H. GENUIT; „Horoskope sagen die Wahrheit“; HÖR ZU Nr. 47/82; zit. in: W IECHOCZEK S. 9. 46 Für die Grammatik des Deutschlehrers kann ich nichts. Alle weiteren Zitate sind bis auf jene mit Quellenangabe besagtem Kapitel entnommen (siehe Fußnote 42). 47 Wenn man jetzt hier ergänzt ,die Fixsterne der Tierkreisbilder’, dann gerät man in einen wunderbaren logischen Zirkel. Es handelt sich dabei um einen, den man auch mittels Meta-Logik nicht verlassen kann. Der Witz ist der, daß die Bilder des Tierkreises naturgemäß aus den Fixsternen der Bilder des Tierkreises zusammengesetzt werden. 19 Sollte daher der Einwand nicht besser so aussehen: ,Warum werden die Sternzeichen gedeutet und nicht die Sternbilder oder Sterne längs der Ekliptik [Tierkreisbilder]? Man sollte doch eigentlich diese deuten. Wenn man aber diese deutet, dann ist es unlogisch, nicht auch die Sterne längs des Äquators, oder die Zirkumpolarsterne, oder Alpha Centauri, den nächstgelegenen Fixstern, zu deuten.’ Dies scheint die Lösung zu sein. Die Frage, warum man Zeichen deutet und nicht Bilder, ist, wie oben schon angemerkt, berechtigt. Dennoch hat die Geschichte einen Haken, nämlich im zweiten Teil des Einwandes: Warum sollte man die Sterne oder Sternbilder deuten? Es wird nicht explizit erklärt, warum es unberechtigt ist, die Sternzeichen zu deuten. Das ließe sich noch aus dem Wort ,Einfluß’ implizieren. Deutlich wird das, wenn man den Einwand folgendermaßen formuliert (und damit WIECHOCZEKS Syntax entspricht): ,Warum sollen die Sternzeichen das menschliche Schicksal beeinflussen und nicht die Tierkreisbilder, bzw. die Sterne der Tierkreisbilder? Naheliegender ist doch, daß diese einen Einfluß ausüben, schließlich handelt es sich hierbei um physikalische Objekte. Wenn aber diese einen Einfluß ausüben, dann aber doch die anderen Sterne auch, grade der uns am nächsten liegende Alpha Centauri’. So ließe sich der Einwand nachvollziehen, wenn nicht der Punkt wäre, daß vorher von Einfluß überhaupt nicht die Rede war. Selbst wenn dem so gewesen wäre, bleibt noch die Frage, warum die Sterne plötzlich einen Einfluß ausüben können, wo dieser doch bisher auf physikalischem Wege nicht nachgewiesen werden konnte, wie WIECHOCZEK mehrmals betont (ebenda, S. 94, S. 103 u. a.). Warum sollte es dann naheliegender sein, daß die Sterne einen Einfluß ausüben? Der Einwand ist also nur deswegen einer, weil am Anfang steht: ,Es läßt sich einwenden...’. Was WIECHOCZEK wirklich sagen wollte, bleibt verborgen. Angenommen, der ,Einwand’ fragt lediglich, warum die Tierkreisbilder (oder auch Sternzeichen, das macht hier ausnahmsweise keinen Unterschied!48), die längs der Ekliptik angeordnet sind, und nicht alle Sternbilder gedeutet werden. Dann handelt es sich um eine neutrale Fragestellung. Für WIECHOCZEK ist es aber eindeutig ein Einwand, wie sein nächster Absatz zeigt: Sicher ist es richtig, daß sich die Planeten (mit Ausnahme des Pluto) und der Mond in enger Nachbarschaft zur Ekliptik bewegen, doch kann das kein überzeugender Grund sein, den Tierkreiszeichen jene enorme Wirksamkeit zuzuschreiben und dominante Sternbilder wie etwa Orion, Schwan, Adler, Leier, Großer Bär, Fuhrmann etc. nicht zu deuten. 48 Vielleicht macht es doch einen Unterschied, vielleicht müßte korrekterweise ,Sternzeichen' eingesetzt werden. Das ist mir aber zu kompliziert. 20 Hier passiert es schon wieder, der siderische Tierkreis (Tierkreisbilder) und der tropische (Sternzeichen) werden bunt 49 durcheinandergewürfelt. Vermutlich meinte er aber hier tatsächlich die Tierkreisbilder. Für diese spricht ihre Anordnung längs der Ekliptik, für die anderen der aufgezählten Sternbilder (man achte auf das ,etc.’) ihre Dominanz. Worin liegen die Kriterien für die Dominanz? Ist die Dominanz einiger Sternbilder (dann aber doch gegenüber anderen Sternbildern) ein überzeugenderer Grund als der, daß die Planeten immer in der Nähe der Ekliptik zu finden sind? Wenn man will, ist beides einleuchtend... So wie WIECHOCZEK die Frage behandelt, scheint er zu wollen, daß Sterne oder Sternbilder gedeutet werden, es sieht so aus, als erscheine ihm solches plausibler. Eine solche Interpretation seiner Ausführungen ist zumindest naheliegender als eine solche, die ihm eine Favorisierung der Sternzeichen unterstellt. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen zitiert er auch Astrologen, die sich mit dem gleichen Thema auseinandergesetzt haben und erklären, daß durchaus manche Fixsterne in Horoskopen Bedeutung haben. Auch in diesen Zitaten ist von ,Einfluß’ nie die Rede, lediglich eine 50 zitierte Äußerung des Astrologen GADOW , der Fixstern Algol habe eine „teuflische Wirkung“, darf man in diese Richtung interpretieren. Allerdings muß man auch berücksichtigen, daß in der astrologischen Literatur oft von ,Wirkung’ gesprochen wird, ohne physikalischen ,Einfluß’ zu meinen. Wesentlich ist aber hier, daß es auch astrologische Schulen gibt, die Fixsternpositionen im Horoskop berücksichtigen. 49 Auf Seite 12 bezichtigt W IECHOCZEK LÖHLEIN desselben Vergehens. Er zitiert LÖHLEINS Beschreibung der Präzession [Handbuch der Astrologie], in der ausschließlich von Tierkreisbildern die Rede ist, macht drei Auslassungspunkte und zitiert dann einen Satz, in dem vom "Zeiger der Weltenuhr" im Sternzeichen Wassermann die Rede ist. Er merkt an, daß es Sternbild [Tierkreisbild] Wassermann heißen müsse. Hinter den drei Auslassungspunkten verbirgt sich eine ganze Seite Text in ein neues Kapitel hinein, in dem die Zeitalterzuordnungen astrologisch begründet werden, wo auf den astronomischen Vorgang keinerlei Bezug mehr genommen wird (die "Weltuhr" ist eine historische, keine astronomische Dimension). Berücksichtigt man das, dann ist LÖHLEINS Formulierung nicht nur zulässig, sondern sogar korrekt, das einzige, was man ihm vielleicht vorwerfen könnte, ist eine gewissen Nahtlosigkeit des Übergangs von der astronomischen Darstellung zu astrologischen Überlegungen, die dazu verleiten kann, einen Widerspruch zu sehen. In der Tat gelingt es LÖHLEIN aber doch noch, WIECHOCZEK zu rehabilitieren: Drei Seiten weiter spricht er vom Vorrücken des Frühlingspunktes in das Sternzeichen des Wassermanns. [Ich zitiere LÖHLEIN nach der Lizenzausgabe (Goldmann) von 1976 S. 570 ff., WIECHOCZEK verwendet eine Ausgabe von 1968, seiner Angabe nach bei Lichtenberg erschienen, die Originalausgabe erschien im Kindler Verlag unter dem Titel: Löhleins Handbuch der Astrologie. Alle genannten Ausgaben erschienen in München]. 50 G. GADOW; Die Feen an der Wiege. Bestimmen Gestirne unser Leben?; Fischer, Frankfurt, 1979; zit. in W IECHOCZEK. 21 Damit sei soweit alles gut, sollte man nun meinen. Die Sternzeichen spielen eine gleichwertige Rolle wie die Fixsterne. Die zuvor gegebene Fragestellung, ob Sternzeichen oder Sternbilder zu deuten seien, wurde von manchen Astrologen so gelöst, daß beides berücksichtigt wird. Welche Argumente könnte man gegen eine solche Astrologie vorbringen? Ist die Präzession eines, nämlich daß die Fixsterne im Laufe der Jahrhunderte in einem auf Sternzeichen gründenden Horoskop ihre Position verändern, Algol also nicht wie gegenwärtig im Stier, sondern früher in den Zwillingen war und demnächst im Widder sein wird? Nein, die Planeten verändern ihre Lage ja auch. Man könnte doch an die ,Fixsternastrologen’ die Frage stellen, warum nur manche 51 Fixsterne Bedeutung haben und nicht alle? WIECHOCZEK macht es aber ganz anders: Bleibt zu erwähnen, daß Algol keineswegs am Himmel im Stier (26°) gefunden werden kann, denn Algol ist Mitglied des Sternbildes Perseus, weitab von der Ekliptik (mehr als 40°, das sind mehr als 80! Vollmonddurchmesser). Die Astrologen konstruieren die „Konjunktion“, indem sie die Verbindungslinie Nordpol - Algol gen Süden verlängern, bis die Ekliptik in „26° Stier“ geschnitten wird. Er ist Leiter der Volksternwarte Paderborn e.V., wir können ihm hier nichts zugute halten. Wie Ironie mögen nun die Worte aus seiner Einleitung wirken: „..., dem astronomisch vorgebildeten Leser offeriere ich eine umfangreiche Argumentationsgrundlage“ (S. 5). Der astronomisch vorgebildete Leser muß umformulieren: Bleibt zu erwähnen, daß Algol gegenwärtig nicht in unmittelbare Nähe desjenigen Himmelsabschnittes, an dem der Ekliptikabschnitt des Sternzeichens Stier liegt, zu finden ist - er wäre nämlich dann ein Stern des Sternbildes Zwilling, Stier oder Widder. Er ist ein Stern des Sternbildes Perseus, um genau zu sein: der Beta-Stern. Er hat die Äquatorkoordinaten (1971) von 3h 6,3min Rektaszension und 40,84° Deklination (Angaben nach: Schülkes Tafeln - Funktionswerte, Zahlenwerte, Formeln; Bearb. H. Heise, 51. Aufl., Stuttgart, 1971). Somit entspricht sein Abstand zum Himmelsäquator etwa 80 Vollmonddurchmessern. Zieht man eine Linie durch den Himmelsnordpol und Algol und verlängert sie bis zur Ekliptik, so berührt sie diese auf einer Länge von 48°, also dem 18. Grad des Sternzeichens Stier. Man erhält die ekliptikalen Koordinaten von Algol, indem man die Verbindungslinie nördlicher Pol der Ekliptik - Algol zum südlichen Pol der Ekliptik verlängert. Diese Linie schneidet die Ekliptik in 26° Stier (56° ekliptikaler Länge). Die ekliptikale Breite beträgt rund 23°, sein kürzester Abstand zur Ekliptik entspricht also etwa 46 Vollmonddurchmessern. 51 Die Astrologen könnten sich mit dem Hinweis rechtfertigen, angesichts der Fülle der mittlerweile bekannten Fixsterne müsse man eine vernünftige Auswahl treffen. 22 Das sind mindestens zehn Fehler (logische, inhaltliche, astronomische) in zwei Sätzen, man könnte dem Guinness-Buch eine weitere Erbärmlichkeit hinzufügen. Manches davon muß genauer betrachtet werden. Kann man hinsichtlich der Verwechslung von Sternzeichen und Tierkreisbildern noch Milde walten lassen, da dies ein durchweg gängiger Fehler ist, so ist für einen Astronomen die Verwechselung von äquatorialen und ekliptikalen Koordinaten eine beachtliche Leistung. Ein Schüler der Oberstufe würde, „wenn er sonst alles richtig hat, immer noch eine drei kriegen“ (habe mich bei einem Astronomielehrer erkundigt). Was meint nun aber die Einleitung ,bleibt zu erwähnen’? Läßt sich aus nachfolgenden Ausführungen eine Kritik daran ableiten, daß so weit von der Ekliptik entfernte Objekte wie Algol in die Horoskopdeutung einbezogen werden? Sollen also Fixsternpositionen außerhalb der Ekliptik doch nicht berücksichtigt werden? Ist es doch naheliegender, nur die Positionen von in der Nähe der Ekliptik befindlichen Positionen zu verwenden? Wie verhält es sich dann aber mit den Fixsternen der Tierkreisbilder, die ja zum Teil auch schon verhältnismäßig weit entfernt sind? Befinden wir uns nicht schon längst in einem circulus vitiosus? Gibt es daraus einen Ausweg? Sehen wir uns ungeschnitten an, wie WIECHOCZEK versucht, die Kurve zu kriegen. Der bereits zitierte Astrologe Genuit konstatiert jedoch: „Für alle Zeiten sind und bleiben die 30° umfassenden ,Tierkreiszeichen’ Bezugsebene der Astrologie ...“ Nun, wir werden uns noch mit einer neueren astrologischen Strömung auseinanderzusetzen haben, die den Tierkreis nicht nur rundherum verwirft, sondern ihn sogar widerlegt [Anm.: in WIECHOCZEKS Sinne wäre wohl besser formuliert: sondern sogar von sich glaubt, ihn zu widerlegen]. Nicht zuletzt bleibt astrologisch unbeantwortet, warum nicht auch dem Äquator unserer Milchstraße Aussagen abverlangt werden können. Also zusätzlich zur Ekliptik auch noch der Äquator der Milchstraße... Tatsächlich gibt es Astrologen, die das Zentrum der Milchstraße in der Deutung berücksichtigen. Von da ist es bis zum Äquator nicht mehr weit. Kopfzerbrechen bereitet mir die Vokabel ,jedoch’. Wenn vorhergehender Abschnitt wirklich eine Kritik an der Verwendung von ekliptikal entfernten Objekten in der Deutung sein sollte, dann ist GENUITS Statement eine Richtigstellung zugunsten der Astrologie und die Vokabel ,ja auch’ wäre besser plaziert. Ist WIECHOCZEKS Erwähnung aber keine Kritik, dann stellt sich die Frage, was sie in dem Zusammenhang zu suchen hat. Ich fasse kurz zusammen: Dominante Sternbilder wie Orion etc. sollten eigentlich gedeutet werden. Aber sie sind von der Ekliptik weit entfernt. Jedoch die Ekliptik bleibt Bezugsebene der Astrologie. Hier läßt sich sehen, daß der mittlere Satz für die Katz’ ist - und dann wird plötzlich der Äquator der Milchstraße aus dem Hut gezaubert. Völlig unklar bleibt, ob denn nun die Fixsternpositionen gedeutet werden sollen oder nicht. Ich mache zunächst weiter, ohne aus den Augen zu verlieren, daß manches noch offen ist. 23 Die Sterne im Tierkreis entsprechen in ihrem physikalisch-chemischen Aufbau all den anderen Sternen in unserer Milchstraße, d.h. es sind alle Sterntypen und -klassen vertreten. Als Sternbilder sind die Sternfiguren der menschlichen Phantasie entsprungen, kein Sternbild findet in Wirklichkeit seinen Zusammenhalt: Sterne eines Sternbildes stehen in immensen Entfernungsunterschieden gestaffelt am Firmament und haben untereinander meist nicht die geringste Gemeinsamkeit [Anm.: wo bleibt die Dominanz???]. Weitaus die größte Anzahl verfolgt ihre eigenen, ganz spezifischen Bewegungsrichtungen und löst dadurch allmä[h]lich die gegenwärtigen Sternbilder auf. Ist dies ein Einwand gegen die Verwendung von Fixsternpositionen in der Astrologie? Eher doch einer gegen die Verwendung von Sternbildern, also so dominanten wie dem Orion etc. Was soll man sonst daraus schließen? Es ist aber ganz gewiß kein Einwand gegen die Verwendung von Sternzeichen (tropischer Tierkreis). Oder? Doch, es ist einer. Der nächste Satz beweist es: Das wären nun keine stichhaltigen Argumente gegen die Sterndeutung, hätte diese sich nicht konsequent und endgültig vom astronomischen Tierkreis gelöst und sich, wie zuvor beschrieben, allein auf die symbolischen Energiefelder gestützt. Die letzten vier Zitate sind ungekürzt, jedes reiht sich im Text direkt an das nächste. Jeder - und auch dieser - Versuch, alles in ein stimmiges Argumentationssystem gegen die Astrologie zu bringen, muß scheitern. Andererseits wird es dadurch beinahe ebenso unmöglich, Anhaltspunkte zugunsten der Astrologie anzubringen. Man kann lediglich sagen: mit so etwas ist die Astrologie auf jeden Fall noch in keiner Weise in irgendeiner Bedrängnis, erlauben wir ihr also, so weiterzumachen wie bisher. Der hermeneutischen Gerechtigkeit halber aber muß ich auch noch den nächsten Satz zitieren, der zumindest ein wenig entschädigt. Doch stattdessen offenbart sich eine unvertretbare Widersprüchlichkeit, denn bei den globalen sogenannten Mundialhoroskopen (die gesamte Menschheit betreffend) kehrt die Sterndeutung zu den faktischen, physikalischen Sternen zurück: Das präzessionsbedingte Vorrücken des Frühlingspunktes vom Sternbild Fische in das des Wassermanns wird herangezogen, das bestehende „ZEITALTER DES WASSERMANNS“ zu proklamieren. Dem muß man entnehmen, daß es unzulässig und unlogisch ist, die beiden Tierkreise auf einmal zu verwenden. Damit ist zwar noch immer nicht Stellung bezogen, ob in einer den tropischen Tierkreis verwendenden Astrologie Fixsternpositionen herangezogen werden können oder nicht, aber es zeigt zumindest, daß WIECHOCZEK in der Lage ist, Widersprüche zu erkennen. 24 Hat es tatsächlich zweitausend Jahre gedauert? Nach allem, was bisher erörtert wurde, möchte ich noch einmal kurz das Problem darstellen: Tierkreisbilder und Sternzeichen verschieben sich gegeneinander, dieser Vorgang heißt Präzession. Ist es nicht unglaublich, unbegreifbar, phantastisch, was man daraus alles machen kann? Dabei ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, einiges ist noch offen und es gibt noch weitere beachtenswerte Gesichtspunkte. Ich fasse zur besseren Orientierung stichwortartig zusammen, was WIECHOCZEK, bisher Erarbeitetem gemäß, in seinem ersten Kapitel für Hinweise zur und Einwände gegen die Astrologie vorbringt. 1.) Man muß zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen unterscheiden. 2.) Astrologen erkennen keine Zeichen, sie sprechen von Energie- und Symbolfeldern. 3.) Sternzeichen lassen sich nicht beweisen. 4.) Warum sollen Sternzeichen einen Einfluß menschliche Leben haben, und nicht alle Fixsterne? auf das 5.) Zwar bewegen sich die Planeten in der Nähe der Ekliptik, aber es ist plausibler, dominante Sternbilder zu deuten. 6.) Einige Fixsterne werden von Astrologen berücksichtigt, z. B. Algol. 7.) Algol ist von der Ekliptik weit entfernt. 8.) (Jedoch) die Ekliptik bleibt Bezugsebene der Astrologie. 9.) Es gibt auch eine astrologische Strömung, die [von sich glaubt] den Tierkreis widerlegt [zu haben]. 10.) Warum werden nicht auch dem Äquator der Milchstraße Aussagen abverlangt? 11.) Sternbilder sind der menschlichen Phantasie entsprungen. Durch die Eigenbewegung der Sterne lösen sie sich mit der Zeit auf. 12.) Daher ist es ungerechtfertigt, Sternbilder zu deuten. 25 13.) Es entsteht eine unvertretbare Widersprüchlichkeit: bei den globalen Aussagen kehrt die Sterndeutung, die sich zuvor konsequent vom astronomische Tierkreis löste, zum Sternbildertierkreis zurück. Dies ist nur ein mögliches Sinngeflecht verschiedener Varianten. Dabei will ich es bewenden lassen und mich der Frage widmen, warum Astrologen nun, abgesehen von dem Hinweis, ein physikalischer Einfluß der Fixsterne auf den Menschen sei nicht nachweisbar, bzw. vernachlässigbar gering, keine Fixsternpositionen für die Deutung verwenden sollen. - Die Fixsterne sind zum Teil weit von der Ekliptik entfernt, diese aber ist Bezugsebene der Astrologie. - Warum darf nun die Ekliptik nicht in Sternzeichen eingeteilt werden? - Sternzeichen lassen sich nicht beweisen und wurden sogar astrologisch widerlegt[?]. - Also sollen die Tierkreisbilder gedeutet werden? - Nein, es gibt auch andere dominante Sternbilder. - Dann werden also besser alle Sternbilder in ein astrologisches System einbezogen? - Nein, die Sternbilder sind lediglich ein Produkt der menschlichen Phantasie, sie verändern sich darüber hinaus bis zu ihrer Auflösung. - Dann ist es vielleicht doch besser, sich nur auf die Ekliptik zu beschränken? - Man könnte genausogut dem Äquator der Milchstraße Aussagen abverlangen. - Wie soll das geschehen? - Man wählt ihn als Bezugsebene. - Wodurch wird der Äquator der Milchstraße definiert? - Die Milchstraße besteht aus etwa einhundert Milliarden Fixsternen, diese drehen sich um ein Zentrum. Durch die Drehung um dieses Zentrum wird der Äquator der Milchstraße definiert. - Sollte man dann nicht auch die Fixsterne in die Deutung einbeziehen? - Nein, diese sind zum Teil sehr weit vom Äquator der Milchstraße entfernt, außerdem könnte man genausogut der Ekliptik Aussagen abverlangen. 26 Ganz offensichtlich liegt das Problem darin, daß ein räumlicher Sachverhalt nicht in der Ebene dargestellt werden kann, es ist nicht möglich, eine ,Bezugsebene’ zu wählen, die stellvertretend für den Raum in irgendeiner Weise eingeteilt wird. WIECHOCZEKS Schwierigkeit, nachzuvollziehen, was mathematisch senkrechte Projektionen sind, wird eklatant offenbar - das zeigt sich auch darin, daß er die Deklination Algols für die ekliptikale Breite Algols hielt, oder den Unterschied nicht kannte, oder nicht wußte, wie man die Koordinaten transformiert, oder nicht wußte, daß sie überhaupt transformiert werden können, oder dachte, es merke sowieso keiner und nur zu faul war, seinen Taschenrechner einzuschalten oder an geeigneter Stelle nachzulesen. Wenn es aber so sein sollte, daß eine Teilung der Ekliptik nicht eine Teilung des Raumes ist, dann ist ein Widerspruch zu seiner Behauptung, die Häuser seien eine weitere Teilung des Himmels, gegeben (ebenda, S. 21, vgl.: Die astrologischen Häuser). Nun ist ja die Frage nach der Verwendung von Fixsternpositionen in der Astrologie, solange es nicht eine Frage der Verwendung der Tierkreisbilder ist, eine eher nebensächliche Angelegenheit. Immer spielen die Planetenpositionen in der Deutung eine erheblichere Rolle. Allerdings sind die Bahnen im Raum so angeordnet, daß sie keine gemeinsame Ebene bilden. Um die Position dieser (und anderer) Himmelskörper zu einem gegebenen Zeitpunkt (unter Vernachlässigung ihrer wahren Entfernung) darzustellen, bieten sich mehrere Koordinaten52 systeme an. Ich wiederhole mich: Bezüglich der Planetenpositionen bietet sich das ekliptikale System deswegen an, weil hier die erforderlichen Projektionen die kürzesten sind, also eine zweidimensionale Darstellung den räumlichen Gegebenheiten am ehesten entspricht. Zur Koordinatenangabe bedarf es einer Einteilung, hier gibt es zwei Möglichkeiten: eine mathematische oder eine optische Einteilung. Abgesehen davon, daß zur Bestimmung der Position der mathematischen Einteilung der Ekliptik (oder des Himmelsäquators oder des Äquators der Milchstraße) immer der Vorzug gegeben werden muß, ist die optische Einteilung in Sternbildregionen bei einer graphischen Darstellung der Planetenpositionen ebenso plausibel. Ich betone: Hier geht es nicht um die Frage einer möglichen Deutung, sondern lediglich um die Frage, wie räumliche Gegebenheiten darzustellen sind. Nun hat man sich in der Astrologie, aus was für Gründen auch immer, für das ekliptikale System entschieden und verwendet es für die Deutung als Grundlage. Ich halte es weder für eine berechtigte, noch für eine vernünftige Frage, gebe aber zu, daß sie mir Schwierigkeiten bereitet: 52 Vgl.: FRIEDRICH GONDOLATSCH, GOTTFRIED GROSCHOPF, OTTO ZIMMERMANN; Astronomie I - Die Sonne und ihre Planeten; Stuttgart, 1977, S. 20 f. 27 Von einer "Deutung räumlicher Verhältnisse“ bleibt beschämend wenig übrig, kann doch kein Astrologe sagen, in welcher Entfernung zu uns sich der Tierkreis und der Häuserkreis befinden [sic!] (W IECHOCZEK, S. 104). Aber grade über die Entfernung des symbolischen Tierkreises (wie auch des Häuserkreises) können uns die Astrologen nichts sagen (WIECHOCZEK, S. 182).53 Ich muß ja jetzt begründen, warum das Blödsinn ist, und will mich nicht mit WIECHOCZEK auf die von ihm vorgeschlagenen 36.000 km (ebenda, S. 22) einigen. Vielleicht hilft ein Vergleich: Betrachtet man eine Photographie, so kann man das Objekt auch erkennen, ohne daß man weiß, wie weit es zum Zeitpunkt der Auslösung vom Objektiv entfernt war. Man ,deutet’ die zweidimensionale Darstellung eines räumlichen Sachverhaltes. Dieser Vergleich macht lediglich plausibel, daß die Entfernung keine Rolle spielt, bei einer Fotographie kann man allerdings, wenn man die Daten des Objektivs und den Winkel kennt, die Entfernung im Nachhinein ermitteln. Den Hinweis, daß in Wirklichkeit nicht ,räumliche Verhältnisse’, sondern ,Bewegungsverhältnisse’ gedeutet werden, darf man durchaus als etwas lahme Ausrede betrachten, obwohl ich mich hier (auch wenn ich es gar nicht möchte) auf das Grundsatzpapier zur Astrologie (bei WIECHOCZEK als Fotokopie, S 105 f.) stützen kann, das von verschiedenen astrologischen Vereinigungen, u. a. dem DEUTSCHEN ASTROLOGENVERBAND, unterzeichnet wurde. Das obere Zitat ist ein Einwand zur These 1, in der es heißt: "[Astrologie] ist die Deutung räumlicher Verhältnisse und zeitlicher Abläufe in unserem Sonnensystem" (meine Hervorhebung). WIECHOCZEK pflückt die Erklärung auseinander und versteht das ,und' trennend. Versteht man es hingegen verbindend, dann kann die Aussage in meinem Sinne interpretiert werden. Damit ist die Auseinandersetzung mit den Infragestellungen des Großinquisitors zu diesem Thema beinahe beendet. Ich habe nun stets so getan, als sei der Hinweis auf die Entfernung Algols von der Ekliptik ein Einwand gewesen. Aus der Formulierung und dem Zusammenhang ergibt sich das, wie schon dargestellt, nicht zwangsläufig. Dieser Hinweis kann auch als Information am 53 Ganz offensichtlich weiß W IECHOCZEK darüber besser Bescheid: Auf Seite 23 ff. behandelt er das Thema der Planetenregentschaft, das ist die Zuordnung der Planeten zu den Sternzeichen, beispielsweise Sonne-Löwe. Die Zuordnungen würden nun mit der Lage des Perihels gerechtfertigt, auf diese Erklärung sei er wiederholt gestoßen. Dabei gibt er nicht einen einzigen Hinweis auf eine Quelle und bei allen von ihm zitierten Astrologen, soweit sie mir vorlagen, fand ich diese Erklärung nicht (auch nicht bei anderen). Nun konstruiert er ein Argument gegen die Zuordnungen, das sich auf die dubios vorgetragene Erklärung stützt: Sonne und Mond haben kein Perihel, die Lage des Perihels der Planeten verändert sich im Laufe der Zeit und - das ist nun der Witz - in Sonnennähe ist der Planet ja gerade am weitesten vom "imaginären Tierkreis" entfernt, vielmehr sei doch eher eine Regentschaft bei Sonnenferne anzunehmen. 28 Rande aufgefaßt werden, der für die Diskussion ohne Belang, wenn nicht gar störend ist, eben weil er dazu verleitet, ihn als Einwand zu betrachten. Dann ließe sich das Resumé ziehen, beachtenswert seien für die Deutung neben den Positionen der Planeten eventuell auch die Positionen der Fixsterne, ohne daß die Frage nach einem geeigneten Bezugssystem gelöst ist. Man darf aber bei alledem nicht vergessen, daß sich dem Kritiker vor allem zwei grundlegende Hindernisse in den Weg stellen. Das eine ist in der Natur der Sache begründet: In der Astrologie gibt es eine derartige Fülle von Ansätzen und Systemen, daß man auf beinahe jeden Einwand eine entsprechende Antwort finden kann, verschiedene astrologische Schulen widersprechen einander, so daß man zunächst nicht weiß, wogegen man sich zuerst wenden soll. Das zweite Hindernis ist psychologischer Natur: Wenn man nicht das geringste Verständnis für eine astrologische Denkweise aufbringt (das möchte ich an dieser Stelle nicht als Mangel verstanden wissen!), dann fällt es naturgemäß schwer, einen einigermaßen plausiblen Ansatz herauszukristalisieren und sich darauf einzuschießen. Man könnte dann die Nebenkriegsschauplätze en passant erledigen. Was aber ist der Gedanke, der der Diskussion in diesem Kapitel zugrunde liegt? Warum wird überhaupt die Präzession als ,Argument’ gegen die Astrologie vorgebracht? Der Tenor ist ja in etwa der: Die Astrologie legt Kriterien zugrunde, die seit zweitausend Jahren nicht mehr berechtigt sind, Widdergeborene sind mittlerweile Fischegeborene. Nun darf man den Kritikern folgende Frage stellen: Hat denn die Astrologie vor zweitausend Jahren gestimmt, als 54 eine Übereinstimmung der beiden Tierkreise noch gegeben war? Damit erübrigt sich der Hinweis auf die Präzession als Einwand gegen die Astrologie. Er taugt lediglich als Einwand gegen das eine oder andere astrologische System. Es müssen andere Gründe gegen die Astrologie vorgebracht werden. Ich glaube, es war AUGUSTINUS (354-430 n. Chr.), der zuerst die Präzession gegen die Astrologie ins Spiel brachte, und hoffe, nun einen endgültigen Schlußpunkt gesetzt zu haben. 54 Man könnte einwenden, auch damals habe es keine vollständige Übereinstimmung gegeben, weil die Tierkreisbilder unterschiedlich groß sind. Die unterschiedliche Größe wurde aber erst im 20. Jahrhundert festgelegt. 29