Die Quadratur des Kreises Kritische Fragen zur

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Die Quadratur des Kreises
Kritische Fragen zur Astrologie
© 2008 Nils Chr. Hesberg
2
Die Präzession und das
Wassermannzeitalter
Einführung
Historisch: HIPPARCH VON NIKAIA (um 150 v. Chr.) gilt allgemein als der Entdecker der Präzession, wie leicht einem
beliebigen Lexikon zu entnehmen ist, z. B. dem Fachlexikon
Wörterbuch zur Astronomie von JOACHIM HERRMANN1.
Tatsächlich aber war das Phänomen der Präzession schon um
320 v. Chr. bekannt, und zwar unterschied der babylonische
Astronom KIDINNU, der, wie andere babylonische Astronomen
auch, unter anderem bereits den Mond als Kugel mit einer
Eigenrotation von der Dauer des synodischen Monats beschrieb,
2
zwischen tropischem und siderischem Jahr (SCHNABEL nach
3
GREßMANN , S. 5 f). Seine Schriften waren auch noch zur Zeit
PTOLEMÄUS’ (um 120 n. Chr.) bekannt (GREßMANN, ebenda), zu
vermuten ist, daß auch HIPPARCH sie gekannt hat. Bedenkt man,
daß diese Information schon seit geraumer Zeit vorliegt,
SCHNABEL nicht der einzige ist, der auf KIDINNU als Entdecker der
4
Präzession hinweist (GREßMANN verweist auch auf MEISSNER ,
ebenda), erstaunt es, wie hartnäckig sich falsche Kenntnisse
halten können.
Mit ISAAK NEWTON war es dann möglich, das Phänomen der
Verschiebung der Äquinoxialpunkte gegenüber dem Fixsternhimmel naturwissenschaftlich zu erklären. Nach NEWTON sind es
die Anziehungskräfte der Sonne, aber auch des Mondes - und zu
einem sehr geringen Teil die der Planeten - die auf den
Äquatorwulst der Erde, dessen Zustandekommen ebenso von
NEWTON durch die Fliehkraft erklärt wird, wirken. Da die Ebene
des Erdäquators nicht mit der Ebene der Ekliptik zusammenfällt,
entsteht eine Kreiselbewegung der Erdachse mit einer vollen
Drehung in etwa 26000 Jahren. Diese Zeitspanne wird
1
Bearb. Ausgabe, München, 1996; Titel der Originalausgabe: Bertelsman Lexikon
Astronomie; Gütersloh, 1993.
2
SCHNABEL; Beressos und die babylonisch-hellenistische Literatur, Leipzig-Berlin
1923, S. 227 ff.
3
HUGO GREßMANN; Die hellenistische Gestirnsreligion - Beihefte zum alten Orient;
Hrsg. Prof. Dr. W ILHELM SCHUBART, Heft 5, Leipzig, 1926.
4
MEISSNER; Babylonien und Assyrien II, Heidelberg 1925, S. 418.
3
,platonisches Jahr’ genannt. Um nun die wissenschaftstheoretische Diskussion, die ja nebenher auch geführt werden
muß, nicht aus den Augen zu verlieren, sei hier angemerkt, daß
NEWTONS Erklärungen lediglich eine gute Annäherung sind,
streng genommen aber falsch, legt man Maßstäbe wie
,Übereinstimmung mit Beobachtungen’ (Empirismus) und
Einfachheit an. Die Vorschläge EINSTEINS sind zum einen
genauer, zum anderen in der Konzeption einsehbarer (so geht es
5
jedenfalls mir) . Allerdings können auch sie nur als bessere
Alternative gelten, so sind nicht alle Reststörungen der
Periheldrehung des Merkur durch EINSTEIN erklärt, geschweige
denn die der Abweichungen der Knotenbewegungen von Venus
und Mars; auch bei der Ablenkung des Lichtstrahls in einem
Gravitationsfeld ergeben sich Unterschiede zwischen Theorie und
6
Beobachtung . Diese äußerst geraffte Darstellung einiger
theoretischer Schwierigkeiten innerhalb der modernen Physik will
lediglich besagen, daß die Welt noch nicht erklärt ist, daß der
Empirismus eine sehr untergeordnete Rolle spielt, denn man
arbeitet - mangels Alternativen - mit dem, was man hat, so
unvollkommen es auch sein mag. Nach NEWTON wäre die Welt
determiniert, wie man zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts
zu glauben geneigt war - und das käme der Astrologie sogar
entgegen! Nun stellt sich aber heraus, daß man noch nichts
7
Genaues weiß. Unter diesem Gesichtspunkt ist in der
Wissenschaft eventuell auch Platz für die Astrologie, ob sie nun
empirisch vorgeht oder nicht.
Die Ekliptik als astronomischer Meßkreis
Die skizzierten Schwierigkeiten der Physik sind aber nichts im
Vergleich zu den Schwierigkeiten derjenigen, die sich mit dem
Problem der Präzession im Zusammenhang mit der Astrologie
auseinandersetzen. Dabei handelt es sich eigentlich um einen
verhältnismäßig leicht zu begreifenden Vorgang: Die Tierkreiszeichen verschieben sich gegenüber dem Fixsternhimmel, der von
5
Gravitation als Kraft ist für mich schwerer einsehbar als Gravitation als Feld, obwohl
man ,newtonisch’ aufwächst und lernt.
6
FEYERABEND beruft sich auf Rechnungen von CHAZY und DICKE (vgl.: PAUL K.
FEYERABEND; Ausgewählte Schriften Bd. 1: Der wissenschafts-theoretische
Realismus und die Autorität der Wissenschaften; Übs. Dr. HERMANN VETTER u. PAUL
K. FEYERABEND, 1. Aufl., Braunschweig, 1978, S. 216), bzw. auf die Untersuchungen
FREUNDLICHS im Jahr 1952 (vgl.: FEYERABEND, ebenda, S. 215).
7
Damit ist natürlich noch nicht das Ideal des Empirismus oder gar die Berechtigung
seines Anspruchs ausgehebelt. Es ist lediglich angedeutet, daß die Wissenschaft
diesem Ideal nicht immer entspricht.
4
der Astronomie dergestalt eingeteilt wurde, daß die zwölf
Tierkreisbilder etwa in der gleichen Ebene liegen, wie der
Zeichentierkreis auch. Diese gemeinsame Ebene definiert sich
durch die Bahn der Erde um die Sonne. Wenn man nun in dieser
Ebene einen Kreis beschreibt, in dessen Mittelpunkt die Erde
steht, ihn in 360° einteilt und den Beginn der Zählung auf den
Frühlingspunkt setzt, das ist der Punkt, in dem die Sonne steht,
wenn auf der Nordhalbkugel das Frühjahr beginnt, dann kann man
auf diesen Kreis Gestirnspositionen projizieren. Dieser Kreis heißt
Ekliptik und die erhaltenen Positionen heißen die ekliptikalen Örter
der Gestirne mit ekliptikaler Länge und Breite. Dabei spielt die
Entfernung des Objekts keine Rolle, denn die Positionsangaben
dienen lediglich zum Auffinden eines Ortes auf der Himmelskugel,
der Radius der Ekliptik ist also beliebig. Theoretisch kann man
auch eine andere Einteilung als die oben aufgeführten Altgrad
nehmen, aus traditionellen Gründen hält man allerdings an der
alten Einteilung fest.
Das hier dargestellte System ist in der Astronomie nur noch sehr
wenig gebräuchlich, es bildet aber nach wie vor noch die
Grundlage zur Berechnung der Planetenpositionen, die
Koordinaten werden erst später in eines der äquatorialen Systeme
8
oder in das horizontale System transformiert. Wenn nun die
Ekliptik in zwölf gleich große Abschnitte eingeteilt wird, dann
geschieht dies aus Gründen der Übersichtlichkeit, Winkelabstände
von Gestirnen lassen sich schnell erkennen, beispielsweise eine
Position im ersten Abschnitt auf 7° bildet einen rechten Winkel zu
einer Position auf 7° im vierten Abschnitt. Wenn es sich hier um
die Positionen von Sonne und Mond handeln würde, könnte man
9
erkennen, daß Halbmond ist. Bei einer anderen Teilung,
beispielsweise in zehn Abschnitte, würde man diese Übersicht
verlieren, die Position von 7° im ersten Abschnitt bildet einen
rechten Winkel zu einer Position auf 25° im dritten Abschnitt,
behält man die Teilung in Altgrad bei; eine Teilung in Neugrad
würde nicht viel ändern: eine Position auf 7° im ersten Abschnitt
bildet einen rechten Winkel zu einer Position auf 27° im dritten
Abschnitt.
8
Auch galaktische Koordinatenangaben sind möglich, die verschiedenen Bezugssysteme haben gegenüber anderen Vor- und Nachteile, deren Einzelheiten zu
erörtern hier zu weit führen würde.
9
Den Sonderfall vorausgesetzt, die ekliptikale Breite des Mondes sei Null. Wären die
Längen auf ein äquatoriales System umgerechnet, ließe sich die Mondphase nicht
erkennen. Die Einteilung des Mondlaufs in synodische, siderische, drakonische usf.
Monate ist lediglich an einer subjektiv empfundenen Auffälligkeit orientiert. Nichts
zwingt dazu, eine solche Einteilung vorzunehmen oder an ihr festzuhalten,
abgesehen davon, daß wohl die allerwenigsten in der Lage sind, die Dauer eines
drakonischen Monats - beispielsweise - auf die Stunde genau anzugeben. Der
drakonische Monat definiert sich durch den Lauf des Mondes durch die Ekliptikebene
von Süd nach Nord und dauert 27 Tage und wenig mehr als fünf Stunden.
5
Für astronomisch nicht Versierte möchte ich anhand der
Kalendermonate demonstrieren, wie eine weitere Teilung der
Ekliptik die Übersicht erhöht. Angenommen, man teilt das Jahr
nicht in Monate ein, dann hätte man bei Datumsangaben vielleicht
etwas wie: heute ist der 273. 1998. Ist jetzt Herbst? Beginnen die
Ferien? Ist das der erste Advent (wenn es ein Sonntag wäre)?
Sicherlich könnte man sich daran gewöhnen, aber schön ist das
nicht. Die zwölf Kalendermonate finden in der Astronomie ihre
Entsprechung in den zwölf sogenannten Sonnenmonaten, das
sind die Zeiträume, die die mittlere Sonne für den Durchlauf der
einzelnen gleich großen Ekliptikabschnitte benötigt, und sie sind
jeweils etwas mehr als dreißig Tage lang. Dabei ist der
Anfangspunkt der Zählung gegenüber dem bürgerlichen Kalender
versetzt, da das bürgerliche Jahr nicht im März, sondern im Januar
beginnt.
Bei dem hier dargestellten ekliptikalen System handelt es sich
um eine Konvention, deren Zweckmäßigkeit zuletzt auch darin
besteht, daß die Projektionen der großen Körper des
Sonnensystems im Normalfall kürzere sind, als bei anderen
Systemen, und somit als zweidimensionale Darstellung dem
dreidimensionalen Sachverhalt am ehesten entsprechen.
Durchaus könnte man auch die Äquatorebene der Sonne als
Projektionsebene verwenden, man kann die Daten von dem einen
in das andere System transformieren und es spielt keine große
Rolle, für was man sich entscheidet, die astronomischen Vorteile
des ekliptikalen Systems konnten, glaube ich, hinreichend
dargestellt werden. Um ein Fernrohr auf ein bestimmtes Objekt
auszurichten, ist dieses System nicht sonderlich gut geeignet, man
müßte schon für jeden Zeitpunkt für den entsprechenden
Beobachtungsstandpunkt die Lage der Ekliptik kennen, was
innerhalb der Polarkreise bisweilen Schwierigkeiten provoziert.
Damit sind zwar schon einige, aber noch nicht alle für das
Folgende notwendigen astronomischen Begriffe erklärt, ich
entscheide mich dafür, das im jeweiligen Zusammenhang
nachzuholen. Im Prinzip stehen aber diese astronomischen
Informationen im Buchhandel oder in den Bibliotheken in mehr
oder
weniger
ausführlicher
Weise
in
Form
von
populärastronomischen oder fachspezifischen Werken zur
Verfügung. Offensichtlich aber wird dieses Angebot viel zu selten
wahrgenommen, denn mir bliebe einige Mühe erspart.
Wenn EDGAR WUNDER also fragt, warum es zwölf
Tierkreiszeichen gebe (vgl. Einleitung), dann habe ich diese Frage
hier, glaube ich, so weit wie möglich beantwortet, wenn ich
ergänze, die oben beschriebene Einteilung der Ekliptik in zwölf
gleich große Abschnitte ab Frühlingspunkt definiert die Tierkreisoder Sternzeichen. Die Frage ist allerdings, ob er das gemeint hat,
denn er ist der Auffassung, es gebe dafür in der Astronomie keine
6
Entsprechung. Man kann noch anführen, daß eine astronomische
Entsprechung in den zwölf Tierkreisbildern, den Sternbildern des
Tierkreises gegeben ist, und auf den Einwand, die Lage der
beiden Kreise würde in Folge der Präzession nicht mehr
übereinstimmen, erwidern, daß es dennoch einen astronomischen
Sachverhalt darstellt, weil es mal einen Zeitpunkt gab, an dem die
Kreise übereingestimmt haben - und zu diesem Zeitpunkt war der
Fixsternhimmel noch nicht in der Weise eingeteilt, auf die man sich
in diesem Jahrhundert geeinigt hat.
Aber all das ist nicht zwingend, was meint oder will EDGAR
WUNDER? Eine Einteilung, gleich welcher Art, gleich welchen
Gegenstandes, ist immer eine Frage des Kalküls, eine Frage, was
man sich von einer Einteilung verspricht. Die Frage zeigt nur
eines, nämlich daß WUNDER nicht überlegt hat, als er sie
formulierte, es läßt sich keine Antwort in der aus der Formulierung
provozierten Weise auf sie finden - anders ausgedrückt: die Frage
ist nicht beantwortbar. Wenn EDGAR WUNDER, bzw. die GWUP,
deren Mitglied er ist, Wissenschaft definiert in der Weise, daß nur
Theorien oder Hypothesen zulässig sind, die sich empirisch prüfen
10
lassen , dann hat er bei der Formulierung seiner Frage
vergessen, daß Wissenschaft auch bedeutet, nur theoretisch
beantwortbare Fragen zu stellen.
10
Vgl.: http://www.gwup.org/br_begriffe.html (Stand: 1. Januar 1998). GWUP steht
für:
GESELLSCHAFT
ZUR
W ISSENSCHAFTLICHEN
UNTERSUCHUNG
VON
PARAWISSENSCHAFTEN. Wir würden immer noch auf den Bäumen sitzen, wenn der
Mensch so vorgegangen wäre, wie es die GWUP auf ihre Fahnen schreibt: „Skeptiker
in unserem Sinne sind keine Nihilisten, die grundsätzlich jede Aussage über die Welt
anzweifeln. Vielmehr akzeptieren Skeptiker Hypothesen, die sich in vielen Prüfungen
bewährt haben.“ (ebenda). Grade KOPERNIKUS als der Meilenstein in der
Wissenschaft ist beredtes Zeugnis, daß Wissenschaft vor allem bedeutet, an
Hypothesen festzuhalten, die sich nicht bewährt haben. Ihm war beispielsweise
bewußt, daß es ein Beweis für sein System sei, wenn die Venus Phasen bilden würde
wie der Mond. Nun lassen sich die Venusphasen erst mit optischen Hilfsmitteln
auflösen, von denen KOPERNIKUS noch nicht einmal geträumt hat, und dennoch war
er stets von seiner Theorie überzeugt, die angesichts des damaligem
Hintergrundwissens erhebliche Mängel aufwies und rechnerisch zu schlechteren
Resultaten führte, als die derzeit gebräuchliche Methode nach PTOLEMÄUS. Die
Schwierigkeiten der kopernikanikanischen Theorie zu ihrer Zeit und auch noch zur
Zeit KEPLERS und GALILEIS werden ausführlich behandelt und erläutert bei HANS
BLUMENBERG, Die Genesis der kopernikanischen Welt und PAUL K. FEYERABEND,
Wider den Methodenzwang sowie bei KURT HÜBNER, Kritik der wissenschaftlichen
Vernunft.
W UNDER begründet seine Frage mit der Feststellung, es gäbe zu der astrologischen
Zwölferteilung der Ekliptik keine astronomische Entsprechung. Das setzt voraus, bzw.
postuliert, daß, sollte die Astrologie, oder ihre Grundlagen, in irgendeiner Weise
berechtigt sein, eine Verbindung zur Wissenschaft herstellbar sein müsse, also die
Astrologie Wissenschaft zu sein hätte. Folgt man aber meiner provokanten These,
Wissenschaft sei eine verkümmerte Form der Astrologie, wird W UNDERS Begründung
seiner Frage hinfällig. Tatsächlich findet man in den astronomischen Sonnenmonaten
eine Entsprechung zur Zwölfereinteilung der Ekliptik, die aus den astrologischen
Grundlagen abgeleitet wurde. Einteilungen, die die Wissenschaft vornimmt, erhalten
also erst eine Berechtigung, wenn sich dafür eine astrologische Entsprechung finden
läßt. Das braucht die Astronomen aber nicht zu beunruhigen, die Astrologie ist in der
Lage, für jede Absonderlichkeit eine Zuordnung zu finden.
7
Astronomisch dient eine Zwölferteilung der Ekliptik also lediglich
Meßzwecken:
Eine Teilung der Ekliptik in zwölf gleich große Abschnitte wurde schon im
zweiten vorchristlichen Jahrtausend in Babylon eingeführt. Diese Abschnitte
heißen Tierkreiszeichen; sie wurden gebraucht, um die Positionen und
Bewegungen von Sonne, Mond und Planeten durch Zahlenangaben zu
kennzeichnen. Beispiel: der Mond sei gestern abend an der Stelle 27° im
Zeichen Jungfrau gestanden, heute steht er um die gleiche Zeit 10° in der
Waage; dann hat er sich also an einem Tag um 13° in ekliptikaler Länge
bewegt.11
All das erhellt, daß die Sternzeichen nicht allein vor dem
„Hintergrund der astrologischen Ideologie verstehbar sind“, wie
12
Wunder meint.
Die Ekliptik als Anordnung von
Fixsterngruppen
Betrachtet man den nächtlichen Himmel, so gewinnt man den
Eindruck einer Kuppel, die mit leuchtenden Punkten besetzt ist.
Diese Punkte, meist Fixsterne, lassen sich zu Gruppen, den
Sternbildern, willkürlich zusammenfügen. Im Laufe der Zeit einigte
man sich auf bestimmte Anordnungen, denen man Namen gab.
Zwölf dieser Sterngruppen, die sogenannten Tierkreisbilder,
zeichnen sich durch eine Besonderheit aus: Im Laufe eines Jahres
überdeckt die Sonne nacheinander jedes dieser Sternbilder. Im
Gegensatz zu den Sternzeichen lassen sich die Sternbilder je
nach Jahreszeit und Beobachterposition tatsächlich beobachten.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts teilte die ASTRONOMISCHE
13
UNION (AU) den Fixsternhimmel in 88 Sternbilder so ein, daß
auch der Schlangenträger einen Teil der Ekliptik ausmacht. Das
bedeutet aber nicht, daß nun der Schlangenträger den
Tierkreisbildern zugerechnet werden muß:
Bei den Bildern [Anm.: graphische Veranschaulichungen] sieht man, daß
die Ekliptik auch durch einen Teil des Sternbildes Schlangenträger (Ophicus,
Oph) geht. Dieses Sternbild wird nicht zu den Tierkreisbildern gerechnet. Es
11
FRIEDRICH GONDOLATSCH, GOTTFRIED GROSCHOPF, OTTO ZIMMERMANN;
Astronomie I - Die Sonne und ihre Planeten; Stuttgart, 1977, S. 54 f.
12
EDGAR W UNDER; Astronomie und Astrologie;
http://www1.arcs.ac.at/baa/alrukaba/02/01.htm (Stand 28.12.1997).
13
Einige Werke geben auch 89 Bilder an, dort wird das Sternbild Schlange noch
einmal unterteilt in den Kopf und den Schwanz der Schlange.
8
bekam Anteil an
Sternbildgrenzen.14
der
Ekliptik
durch
eine
spätere
Änderung
der
Anschließend wird in einer Tabelle, die die unterschiedliche
Verteilung der Sternbilder, die von der Ekliptikebene durchdrungen
werden, veranschaulicht, die Ausdehnung des Tierkreisbildes
15
Skorpion auf dem ekliptischen Meßkreis mit 25° angegeben.
Nach der neuen Einteilung hat der Skorpion nur noch 5° Anteil, der
Schlangenträger die restlichen 20°. Die Jungfrau hat mit 44° den
größten, und - wenn man die Skorpion-SchlangenträgerProblematik vernachlässigt - der Krebs mit 20° den kleinsten Anteil
auf der Ekliptik. Es ist also ungenau formuliert, wenn
WIECHOCZEK schreibt, der Ekliptikabschnitt des Skorpion sei
16
besonders kurz.
Zusammenfassend will ich den Unterschied zwischen
Tierkreisbildern und Tierkreiszeichen so formulieren: Die
Tierkreisbilder sind Sternbilder am Nachthimmel und lassen sich
beobachten, die Tierkreiszeichen sind Bezeichnungen von
Abschnitten auf dem ekliptischen Großkreis, man kann sie nicht
sehen.
Dann möchte ich noch betonen: Alles bisher dargestellte hatte
noch nichts mit Astrologie zu tun. Einige der bisher erörterten
astronomischen Gegebenheiten bilden lediglich die Grundlage für
bestimmte astrologische Annahmen, die noch zu besprechen sein
werden.
Im weiteren Verlauf werde ich konsequent die Bezeichnungen
,Tierkreisbilder’ (für die sichtbaren Sternbilder von Widder bis
Fische) und ,Sternzeichen’ (für die nicht sichtbaren
Tierkreiszeichen von Widder bis Fische) verwenden, um den
Unterschied auch optisch hervorzuheben, obwohl der Begriff
,Sternzeichen’ ungenau ist (der Orion ist ein Sternbild, es gibt aber
17
für ihn kein Zeichen).
Weil sich nun die Anfangspunkte für die Zählung von
Tierkreisbildern und Sternzeichen in Folge der Präzession
verschieben, wird auf Sternkarten oder in Sternkatalogen immer
angegeben, auf welches Äquinoktium, d. h. auf welchen Zeitpunkt,
sich die Daten beziehen. Man kann dann mit Hilfe dieser Angabe
frühere oder spätere Zustände errechnen. Zum Schluß dieses
14
GONDOLATSCH, GROSCHOPF, ZIMMERMANN, ebenda, S. 55.
Die Formulierung ,ekliptischer Meßkreis’ ist zwar ungewöhnlich, stellt aber meiner
Meinung nach den Sachverhalt deutlich dar.
16
REINHARD W IECHOCZEK; Uranus lächelt über Hiroshima - die horoskopierte
Gesellschaft; Hrsg. Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen,
München, 1992, S. 9.
17
Die Alternative wäre gewesen, die sichtbaren Fixsterngruppen ,Sternbilder' zu
nennen und die astrologischen Zeichen ,Tierkreiszeichen'. Aber da wäre dann nicht
deutlich geworden, daß es sich bei den Tierkreisbildern um Sterngruppen aus der
Ebene der Ekliptik handelt.
15
9
Abschnitts sei der Unterschied zwischen Tierkreisbildern und
Sternzeichen noch einmal veranschaulicht:
Wenn die Sonne in ihrem scheinbaren Lauf den Ekliptikabschnitt
erreicht, der das Sternzeichen Widder beschreibt, beginnt auf der
Nordhalbkugel der Erde das Frühjahr. Daran wird sich über die
Jahrtausende nichts ändern, das ist eine astronomische Tatsache. Würde sich beim Eintritt der Sonne in das Sternzeichen
Widder eine totale Sonnenfinsternis ereignen, dann könnte man
von dem Ort, von dem aus die Sonnenfinsternis beobachtbar ist,
diese gegenwärtig vor dem Hintergrund des Tierkreisbildes
Fische sehen, d. h. in der Himmelsgegend, in der sich Sonne und
Mond befinden, sind auch einige Fixsterne zu sehen, die dem
Tierkreisbild Fische zugerechnet werden. Verlegt man nun dieses
hypothetische Ereignis in eine andere Zeit, etwa in den Beginn
unserer Zeitrechnung, dann würde sich die Sonnenfinsternis vor
dem Tierkreisbild Widder ereignen.
Nun will ich anhand einiger anschaulicher Beispiele
demonstrieren, daß obige Ausführlichkeit und Umständlichkeit
notwendig war.
„Der ursprüngliche Sinn der Sternzeichen“
Die Überschrift ist ein Zitat, unter demselben Titel erscheint
unter
http://www1.arcs.ac.at/baa/alrukaba/02/01.htm,
Stand
01.01.1998, ein Artikel von HANSJÖRG KAMMERER, in dem es wild
zugeht. Zunächst gebraucht er die Begriffe ,Sternbilder’ und
,Sternzeichen’ synonym zur Beschreibung ein und desselben
Vorganges, nämlich der Erklärung, was die „Sternbilder“ als
Fixsterngruppierungen für die Kalenderrechnung bedeuteten. Er
betrachtet es als einen weiteren „Grund, astrologischen Aussagen
18
mit Zurückhaltung zu begegnen“ , daß z. B. alle, die zwischen 22.
März und 20. April geboren sind, nicht, wie die Astrologie
19
behaupte, dem Sternzeichen des Widders zuzurechnen sind,
sondern den Fischen. Er setzt hinzu, daß sich der Sachverhalt in
etwa hundert Jahren ändert; alle, die nach astrologischer Meinung
18
Was der erste Grund ist, wird nicht deutlich. Vielleicht meint er damit, die Aussage,
zu einem bestimmten Sternzeichen zu gehören, sei eine „höchst subjektive Deutung“
(ebenda), daß aber bei den Fixsternen zunächst doch einmal an Objekte zu denken
sei, die größer als unsere Sonne sind. Es zeigt sich, daß er den Unterschied
zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen nicht kennt.
19
Das Problem KAMMERERS läßt sich wohl am ehesten begreifen, wenn man hier den
Begriff ,Tierkreisbild’ einsetzt und feststellt, daß die Sonne tatsächlich nicht
gleichzeitig in zwei Tierkreisbildern stehen kann, also hier dem Widder und dem
Fisch. Aber das behauptet die Astrologie ja auch gar nicht.
10
dem Widder zugeordnet werden, müßten dann eigentlich dem
Wassermann zugehören. Hinter diesem Einwand verbirgt sich die
Unkenntnis, was die astrologische Aussage, jemand sei Widder,
bedeutet. Sie bedeutet zunächst nichts anderes, als daß der
Betreffende in einer bestimmten Jahreszeit geboren wurde. Was
die Astrologie daraus für Aussagen ableitet, spielt in diesem
Zusammenhang keine Rolle. Dann macht KAMMERER noch etwas
sehr schönes: Er behauptet, den Sternkundigen früherer Zeiten sei
die Präzession unheimlich gewesen, sie hätten sie nicht erklären
können und daher Mythen entwickelt, die den Vorgang der
Präzession beschreiben. Er verweist auf die Argonautensage, auf
das alte Testament.
Zu der Zeit, als diese Sagen entstanden, war die Präzession
aber noch nicht entdeckt! Sicher, man kann diese Mythen,
Legenden oder Sagen so deuten, daß sie eine Beschreibung der
Präzession darstellen, aber das bleibt rein spekulativ.
KAMMERER ist deswegen ein Extrembeispiel, weil er durchgängig Tierkreisbilder und Sternzeichen verwechselt, wohl weil er
nicht weiß, was Sternzeichen überhaupt sind. Es gibt andere, die
das wissen, dann aber wieder vergessen. Das gilt nicht nur für
Astrologiegegner, sondern auch und vor allem für Astrologen. Fast
durch die Bank kommen letztere früher oder später ins
Schleudern, wenn sie sich mit der Präzession beschäftigen.
EYSENCK und NIAS brauchen nur zwei Sätze, um die Schwierigkeiten zu demonstrieren: „Zur Zeit des Ptolemäus stand die Sonne
am Tag des Frühlingsäquinoktiums (21. März) im Sternbild des
Widders [...]. (Als nächstes Zeichen ist der Wassermann an der
Reihe [...])“20 [meine Hervorhebung]. Was hier möglicherweise als
Übersetzungsfehler gedeutet werden kann, schafft PETER
NIEHENKE sogar in nur einem Satz: Er begründet seine
Auffassung, der Frühlingspunkt befinde sich im Tierkreisbild
Wassermann, damit, daß die Tierkreisbilder in der Ebene der
Sonnenbahn nicht klar voneinander trennbar seien, es sei „nicht
klar entscheidbar, ob die Sonne sich noch in dem vorherigen oder
schon im nachfolgenden Zeichen aufhält, da die Bilder sich
21
[meine Hervorhebung]. Aus dem
gegenseitig überlappen“
Zusammenhang wird aber deutlich, daß es sich bei NIEHENKE
lediglich um einen Flüchtigkeits- und nicht um einen Denkfehler
handelt, die astronomischen Zusammenhänge stellt er verständlich und richtig dar - und er meinte hier, daß die Projektionen
22
der (vertikalen)
Tierkreisbildergrenzen auf die Ekliptik sich
20
HANS JÜRGEN EYSENCK, DAVID NIAS; Astrologie - Wissenschaft oder Aberglaube?;
Übs. W ILHELM HÖCK, München, 1982, S. 60.
21
PETER NIEHENKE; Kritische Astrologie - Zur erkenntnistheoretischen und empirisch
psychologischen Überprüfung ihres Anspruchs; Diss., Freiburg i. Br., 1987.
22
Genaugenommen ist das aber Quatsch, denn die vertikalen Sternbildergrenzen
bilden zur Ekliptik einen Winkel von ca. 23°, man müßte, folgt man NIEHENKE, auch
die horizontalen Sternbildergrenzen projizieren. Dann entsteht aber ein wirkliches
11
gegenseitig überschneiden. So betrachtet hat er recht: die Sonne
oder der Frühlingspunkt kann in zwei Tierkreisbildern gleichzeitig
stehen. Zunächst dient dieses Beispiel aber nur der
Demonstration, wie schnell man Tierkreisbilder und Sternzeichen
durcheinander zu mischen in der Lage sein kann; eine kleine
Unaufmerksamkeit - und hoppla! - ist es passiert. Schlimmer ist es
aber, wenn eine Denkungenauigkeit zugrunde liegt, wie etwa bei
ARTHUR SCHULT, der zwar auf Seite 615 genau zwischen
Tierkreisbildern und Sternzeichen zu unterscheiden imstande ist,
dann aber wieder von einer 30°- Ausdehnung des Fixsterntierkreises (Tierkreisbilder) spricht und diese Bilder später
23
durchgehend zu (Stern-)Zeichen werden läßt. Dabei bleibt er
dann konsequent, wenn man ihm folgt, dann teilt er den Fixsternhimmel nach seinem Gutdünken, gegen die astronomische
Konvention, die aber ebenso willkürlich ist, ein und deutet darauf
los.
Die letzten vier Beispiele (Unkenntnis - Ungenauigkeit Flüchtigkeit - der Wunsch, äußere Bedingungen der eigenen
Auffassung anzupassen) sind aber noch nichts im Vergleich zu
den echten Denkverstößen, derer sich REINHARD WIECHOCZECK
schuldig macht, zumal er auch die anderen Fehlerquellen bemüht.
Ich werde nun die astrologische Konstruktion des Wassermannzeitalters besprechen und danach letzte Behauptung auf ein
Fundament stellen.
Das Wassermannzeitalter
Irgendein unseeliger Mensch hat, vermutlich, weil er nicht
nachdenken konnte, oder es nicht wollte, oder aus böser Absicht,
die astrologische Zeitalterlehre ,entdeckt’. Deswegen leben wir
jetzt im beginnenden Wassermannzeitalter - heißt es. Um die
Problematik mit der ihr gebührenden Ausführlichkeit zu behandeln,
seien zunächst die Auffassungen dreier Verfechter der
astrologischen Zeitalterlehre, die stellvertretend für viele andere
gelten können, besprochen. Es handelt sich dabei um die
Ausführungen der Autoren BODO STEIN, ARTHUR SCHULT und
PETER NIEHENKE. Alle drei unterscheiden sich nicht nur in der
Interpretation der gegenwärtigen Lage des Frühlingspunktes
Durcheinander auf der Ekliptik. Möglicherweise ließen sich so Positionen finden, wo
die Sonne in sogar drei Tierkreisbildern gleichzeitig steht. Das Problem ändert sich
nicht grundsätzlich, wenn man entsprechend dem 23°-Winkel projiziert.
23
ARTHUR SCHULT; Astrosophie als kosmische Signaturenlehre des Menschenbildes
- Umfassende Tiefenschau und Lehre der klassischen Astrologie; 3. Aufl.,
Bietigheim/Württ., 1982, Bd. 2, S. 605 ff.
12
voneinander, sondern auch in der Bestimmung dieser Position.
Für NIEHENKE stellt sich die Frage nach einer möglichen
Interpretation nicht, ohne dem Wassermannzeitalter das Wort zu
24
reden, wie ihm von WIECHOCZEK unterstellt wird, stellt er fest,
der Frühlingspunkt befände sich im Tierkreisbild Wassermann.25
ARTHUR SCHULT ist der gleichen Auffassung, nach ihm hat das
26
Wassermannzeitalter 1950 begonnen, hingegen vertritt BODO
STEIN die Meinung, der Frühlingspunkt befinde sich auf zwei Grad
27
Fische und wandere etwa im Jahre 2154 in den Wassermann.
Aus dieser einfachen Zusammenstellung geht nicht hervor,
welche zum Teil ungeheuer aufwendigen Plausibilisierungsversuche unternommen worden sind, um die vertretene Meinung
zu stützen. Am ehesten ist noch NIEHENKE nachvollziehbar, er
verschont seine Leser mit historischen Ausdeutungen und
beschränkt sich auf den Hinweis, die Sternbilder seien auf der
Ekliptik nicht klar voneinander trennbar (s. o.). WIECHOCZEK
kritisiert nun NIEHENKES Aussage bezüglich der Lage des
Frühlingspunktes im Wassermann. Dabei ist ihm durchaus
bewußt, daß die Frage nach den Sternbildergrenzen lediglich eine
Frage der Auslegung, eine Frage individueller Auffassung ist: „Als
Sternbilder sind die Himmelsfiguren der menschlichen Phantasie
28
entsprungen...“ An anderer Stelle führt er aus, daß die nun
bestehende Einteilung des Fixsternhimmels in 88 Sternbilder auf
den Beschluß der Astronomischen Union im Jahre 1925 gründet.
Bis dahin seien die Sternbilder regional verschieden oder auch
29
mehrdeutig betrachtet worden. Dann vergißt er das wieder und
benutzt subjektive Auffassungen als Argumente in der Diskussion:
„Die symbolischen Kraftfelder [Anm.: Sternzeichen] haben
keinerlei Verbindung zu den wissenschaftlichen Sternbildern und
30
sind durch kein nachprüfbares Verfahren zu beweisen“ oder: „Ein
Blick in einen beliebigen Himmelsatlas könnte den Astrologen
überzeugen, daß der Frühlingspunkt sich noch 600 (!) weitere
Jahre in den Fischen aufhält.“31
Bei den Sternkarten, die WIECHOCZECK in seinem Buch
32
abbildet, fehlen die Angaben des Äquinoktiums, und wenn die
Frage nach einem Beweis für die Sternzeichen gestellt wird, dann
24
Ebenda, S. 182.
Ebenda, S. 35.
26
Ebenda, S. 669.
27
BODO STEIN; „Tierkreisgrad und Zeitalter als Deutungsfaktor"; Meridian – Fachzeitschrift für alle Gebiete der Astrologie 3/87, S. 20-24.
28
Ebenda, S. 11.
29
Ebenda, S. 8 f.
30
Ebenda, S. 9.
31
REINHARD W IECHOCZEK; Presseerklärung vom 26. April 1988; zit in: REINHARD
W IECHOCZEK; Uranus lächelt über Hiroshima - die horoskopierte Gesellschaft; Hrsg.
Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, München, 1992, S.
182.
32
Ebenda, S. 7 ff.
25
13
wäre es ja auch erlaubt, die Frage nach einem Beweis für die
Tierkreisbilder, ja sogar für die Sternbilder, die ja der
„menschlichen Phantasie entsprungen [sind]“, zu stellen.
Akzeptiert man die von der Astronomischen Union (AU) definierten
Sternbildgrenzen, dann hat WIECHOCZECK allerdings in dem
Punkt recht, daß es noch bis ins Jahr 2600 dauern wird, bis der
Frühlingspunkt in das Sternbild des Wassermann übergeht.
Am Rande sei hier angemerkt, daß der Beschluß der
Astronomischen Union in verschiedenen Werken unterschiedlich
33
datiert wird, viele geben 1925 an, einige aber 1928.
Was aber
auch wann in den zwanziger Jahren passiert sein mag, es ändert
nichts daran, daß man sich auch von der von der Astronomie
vorgeschlagenen Einteilung freimachen darf. Warum man das
allerdings sollte, ist wieder eine ganz andere Frage. BODO STEIN
und ARTHUR SCHULT versuchen sie zu beantworten, indem sie
historische Zeitabschnitte so deuten, daß sie mit einer
astrologischen Symbolik, die sich dann in einem astronomischen
Geschehen wiederfinden läßt, in Einklang zu bringen sind.
Die Geschichte der Menschheit wird in verschiedene Epochen
eingeteilt. Weitere Einteilungen dieser Epochen in Zeitabschnitte
mit unterschiedlicher Charakteristik sind gebräuchlich und zur
historischen Orientierung sinnvoll. Es ist natürlich naheliegend,
daß sich auch die Astrologen den Vorgängen in der Entwicklung
des Menschen widmen und versuchen, die einzelnen Phasen der
Geschichte in Übereinstimmung mit Phasen im astronomischen
Geschehen zu bringen. Tatsächlich ist es durchaus möglich, die
jüngere Menschheitsgeschichte in 2000-Jahresabschnitte einzuteilen, also etwa die ägyptisch-babylonische, die griechisch34
römische und die christlich-abendländische Kultur. Dies ist aber
nur ein möglicher Ansatz unter vielen anderen, doch zufällig deckt
sich die Bewegung des Frühlingspunktes durch die Tierkreisbilder
zeitlich ungefähr mit diesen Abschnitten menschlicher Kulturgeschichte. Was liegt also näher, als darin einen irgendwie
gearteten Zusammenhang zu sehen? Dieser Zusammenhang muß
ja nicht ein kausaler sein, er könnte sich ja als paralleles
Geschehen darstellen, als ,zufällige’ Übereinstimmung.
So weit ist auch alles in Ordnung und legitim. Auch kann man es
durchgehen
lassen,
wenn
einzelne
Astrologen
die
Tierkreisbilderausdehnung auf der Ekliptik mit dreißig Grad
bemessen, so groß sind sie nämlich auf einmal bei STEIN und
33
Vgl.: ROBERT H. BAKER u. LAURENCE W. FREDERICK; Astronomy; New York,
1930/1970, S. 18, oder Technik und exakte Naturwissenschaften; Lexikon;
Lizenzausgabe, Frankfurt/M., 1972. KLAUS HEMPE und JÜRGEN MOLT geben sogar
1930 als Jahreszahl an (Sterne im Computer – Berechnungsprogramme für den
Hobby-Astronomen, Köln, 1986, S. 67).
34
Mit gutem Willen wären für letztere aber erst maximal 1500 Jahre zu zählen, was ja
sogar zu den Definitionen der Astronomischen Union und den entsprechenden
Berechnungen passen würde!
14
SCHULT. Auch daß bezüglich der Lage der Tierkreisbildergrenzen
Uneinigkeit herrscht, ist nicht schlimm, es zeigt eher das
ernsthafte Ringen um die richtigen Zuordnungen und das
Bemühen, die Diskussion in Gang zu halten. Anerkennenswert ist
auch, daß SCHULT seinen Lesern Freiraum läßt, daß er durch die
Blume die Möglichkeit einräumt, sich betreffs der genauen
Datierung vielleicht zu irren: „Erinnern möchte ich noch einmal
daran, daß der Frühlingsanfangspunkt in 150 Jahren sich nur um
zwei Grad im Tierkreis verschiebt. Die Übergänge der Weltenjahre
[Anm.: Zeitalter] sind als lebendige und nicht nur rechnerische
Einheiten selbstverständlich fließend.“35 Zählt man diese 150
Jahre zu 1950 hinzu, so gibt es zwischen SCHULTS und STEINS
Datierung des Beginns des Wassermannzeitalters nur noch eine
Differenz von ca. 50 Jahren, bezogen auf die Präzession ist das
weniger als ein Grad.
Das Problem ist nicht in der Art der astronomischen Einteilung
zu sehen, auch nicht in der Deutung der historischen Vorgänge,
die astrologischer Symbolik angepaßt wird, z. B. wird die christlichabendländische Epoche als Fischezeitalter betrachtet, in der sich
besonders viele Fische-typische Merkmale wiederfinden lassen.
Das Problem ist darin zu sehen, daß die Deutung mit
Sternzeichensymbolik mit Ereignissen in den entsprechend gleichnamigen Tierkreisbildern begründet wird - und das zeugt von einer
Dummheit, die nicht von alleine kommen kann, die muß man sich
erarbeiten. Also: Weil sich der Frühlingspunkt im Tierkreisbild
Fische befindet, wird die entsprechende Epoche so gedeutet, als
befände er sich im Sternzeichen Fische, wo er allerdings nie
hingelangen kann, denn er definiert immer den Beginn des
36
Sternzeichens Widder.
Noch dümmer - und das kommt dann wohl wieder von alleine ist es allerdings, wenn diese Ungereimtheit, derer sich die
Vertreter einer astrologischen Zeitalterlehre befleißigen, erkannt
und kritisiert wird, und im Rahmen dieser Kritik derselbe Fehler
gemacht wird:
Kehren wir aber noch einmal zurück zum Ursprung des astrologischen
Tierkreises. Es besteht keinerlei nachprüfbare Basis für die Gedankenkette,
aus bestimmten Sternpunkten etwa einen ,Wassermann’ zu ersinnen - jede
andere Figur stände denselben Sternen auch zu Gesichte -, [sic] einen
Menschen als ,Wassermann’ zu typisieren - wir werden noch erfahren,
wodurch das geschieht [Anm.: wir erfahren es nicht] - und ihm
wassermanntypische Eigenschaften anzuheften... 37
35
Ebenda, S. 616.
Nicht alle Astrologen machen diesen Quatsch mit, SIGRID STRAUß-KLOEBE z. B.
widmet dem Thema ein Kapitel und spricht sich gegen die Zeitalterlehre aus, vgl.:
Das kosmopsychische Phänomen - Geburtkonstellation und Psychodynamik;
Freiburg i. Br., 1977.
37
W IECHOCZEK, ebenda, S. 12.
36
15
Der Ursprung des astrologischen Tierkreises liegt weiter zurück
als der Erscheinungstermin des für die heutige Astrologie
maßgeblichen Werkes Tetrabiblos von PTOLEMÄUS (87-165 n.
Chr.), dem das Phänomen der Präzession bekannt war, denn 250
Jahre zuvor hatte HIPPARCH diesen schon den Babyloniern
bekannten Vorgang berechnet. PTOLEMÄUS übernahm lediglich
die damals übliche Namensgebung, die sich bis heute erhalten
hat. Der Ursprung des Tierkreises ist auf etwa 2000 Jahre vorher
zu datieren. All dies hätte WIECHOCZEK dem Astrologiegegner
JÜRGEN HAMEL,38 den er an anderer Stelle zitiert, entnehmen
können, wenn er ihn aufmerksam gelesen hätte. Es ist ja so, daß
eben nicht die Sternpunkte typisiert werden, sondern Abschnitte
des astrologischen Tierkreises [Sternzeichen], zumal es sich oben
schwerlich um eine ,Gedankenkette’ handelt.
Einen beachtenswerten - und auch berechtigten - Einwand
gegen die Zeitalterlehre bringt WIECHOCZEK allerdings doch: „Ist
den Sterndeutern nicht bewußt, daß zu allen hier zitierten Kulturen
gleichzeitig weitere Kulturen - und keineswegs geringere - in
39
anderen Erdteilen existierten und existieren?“ Wäre ich ein
Verfechter der Zeitalterlehre, dann würde ich entweder diese
Kulturen in mein Schema einbeziehen und Merkmale suchen - und
finden - die eine Globalisierung erlauben, oder ich würde die
Deutungsvoraussetzungen den regionalen Gegebenheiten anpassen, so daß sich die Deutungsinhalte den jeweiligen Voraussetzungen entsprechend ändern. Kurz: die anderen Kulturen
würden unter die gleiche Symbolik fallen.
In der Tat, beschäftigt man sich mit der Literatur zur
Zeitalterlehre, dann gewinnt man den Eindruck, als sei alles
möglich. Damit ist allerdings noch nicht ausgeschlossen, daß es
tatsächlich eine Symbolik gibt, die der historischen Entwicklung
entspricht. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang eine
Passage aus den Lehr- und Übungsbüchern des Astrologen
40
WOLFGANG DÖBEREINER:
K[ursteilnehmer]: Deswegen sind wir im Wassermannzeitalter, weil der
Frühlingspunkt jetzt effektiv im Wassermann steht?
A[ntwort des Kursleiters]: Ja, die Erklärung ist mir halt zu einfach, gell.
K: Ja, ich meine, das sind halt die Berechnungen.
A: Ja, und das Andere, das ist dann die Deutung.
K: Aber der Umstand ist doch jetzt so, daß tatsächlich der Widderpunkt im
Wassermann ist.
38
JÜRGEN HAMEL; Astrologie - Tochter der Astronomie?; Lizenzausgabe, Rastatt, S.
13-39.
39
Ebenda, S. 12.
40
W OLFGANG DÖBEREINER; Astrologisches Lehr- und Übungsbuch - Astrologischer
Lehr- und Übungskurs nach protokolarischen Aufzeichnungen eines Abendkurses,
basierend auf dem System der Münchner Rhytmenlehre; München, Bd. 2, S. 40.
16
A: Ja, aber inhaltlich dürfte es dann keine Kollektive geben und was weiß
ich noch alles, keine Herdenbildungen, keine Sozial-Organisationen, denn die
mag der Wassermann nicht, - höchstens ideel, aber nicht de facto.
K. Kann man denn die Tierkreisentwicklung ohne weiteres auf ein Zeitalter
übertragen?
A: Ohne weiteres, ja. Analogiemäßig.
K: Aber die Sicherheit hat man nicht, wie bei Horoskopen zum Beispiel.
A: Die Sicherheit haben sie natürlich nicht, nein, das ist natürlich immer
spekulativ, das ist ganz klar.
Demnach befinden wir uns nicht im Wassermannzeitalter, wenn
überhaupt, dann in einem anderen, was aber nicht mit der Position
des Frühlingspunktes zu begründen wäre. Interessant ist dabei,
daß die Auffassung, in einer Wassermann-Epoche zu sein, nicht
mit Hinweis auf die astronomische Diskrepanz zurückgewiesen
wird, sondern daß astrologisch-inhaltliche Gründe genannt werden
- so geht es also auch.
Um die astronomische Diskrepanz noch einmal in einer anderen
Formulierung zu veranschaulichen, möchte ich gegen Ende des
Abschnitts auf GÜNTER PÖSSIGER hinweisen, der mit JOACHIM
HERRMANN darüber verblüfft ist, daß der Charakter der
Zeitabschnitte plötzlich von den Tierkreisbildern abgeleitet wird,
während in der auf Menschen bezogenen Horoskopdeutung der
41
Charakter von den Sternzeichen herrührt.
Es gibt aber auch astrologische Schulen (MARIA u. MATHIAS
THUN), die als Deutungsgrundlage den Fixsterntierkreis
(Tierkreisbilder) verwenden. Dabei versteht sich von selbst, daß
andere Deutungsinhalte zugrundegelegt werden müssen. Vertreter
einer solchen Schule können durchaus aus der Lage des
Frühlingspunktes Schlüsse ziehen und von einem Wassermannoder Fische-Zeitalter sprechen. Damit werden sie aber sicherlich
etwas ganz anderes meinen, als Vertreter der klassischen
Astrologie.42
41
JOACHIM HERRMANN; Das falsche Weltbild - Astronomie und Aberglaube;
München, in GÜNTER PÖSSIGER; Taschenbuch der Astrologie - Zur Theorie und
Praxis astrologischer Voraussagen und Berechnungen; München, 1977, S. 39 f.
42
Mit ,klassischer Astrologie’ meine ich die astrologische Richtung - in allen
Spielarten - für die der tropische Tierkreis (Sternzeichen) Deutungsgrundlage ist.
17
Sternbilder oder Sternzeichen?
Welche Schwierigkeiten die Präzession der Astrologie und ihren
Gegnern zu bereiten imstande ist, wurde bisher lediglich
angedeutet. Will man die Problematik wirklich umfassend erörtern,
ist eine Auseinandersetzung mit dem ersten Kapitel von Uranus
43
lächelt über Hiroshima notwendig. Dort kommt so ziemlich alles
vor, was sich in diesem Zusammenhang erdenken läßt. Bisweilen
werde ich mich wiederholen, weil ich hoffe, daß dadurch das
Verständnis für die Zusammenhänge erleichtert wird.
Zunächst führt REINHARD WIECHOCZEK in die Materie ein,
indem er die Ekliptik, den Frühlingspunkt und die Präzession
erklärt. Der Frühlingspunkt befinde sich aber nicht im Widder,
44
sondern im ,Grenzgebiet’ von Fische zu Wassermann. „Die
Astrologen vernachlässigen zunächst einmal die Präzessionsbewegung und sehen nach wie vor, daß die Sonne vom 21. 2
[sic!][sic!] bis 20. 4. im Widder steht, obwohl sie tatsächlich den
Widder erst vom 19. 4. bis zum 13. 5. durchläuft“ (S. 8).
Auch wenn es zunächst so aussieht (und wohl auch so gedacht
war), als sei dies ein Einwand gegen die Astrologie, ist es wohl
eher eine Erklärung, nämlich daß der astronomische
Frühlingsanfang (Nordhalbkugel) den astrologischen Widder
definiert. In diesem Sinne ist die Erklärung etwas unvollständig,
denn WIECHOCZEK vergißt hinzuzufügen, daß seine Angabe, die
Sonne befinde sich vom 19. 4. - 13. 5. im Widder, infolge der
Präzession nur für den begrenzten Zeitraum von 70 Jahren
Gültigkeit hat. Es sind also nicht die Astrologen, sondern es ist
REINHARD WIECHOCZEK, der die Präzession ,vernachlässigt’ (vgl.
dazu auch den Hinweis oben, bei den von WIECHOCZEK
abgebildeten Sternkarten fehle die Angabe des Äquinoktiums).
Man müsse streng zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen
unterscheiden, erklärt WIECHOCZEK, aber die Astrologen würden
in Wahrheit gar keine Zeichen und Bilder mehr ,erkennen’,
sondern von ,Energie- und Symbolfeldern am Himmel’ sprechen.
Wie, um diese Aussage belegen zu wollen, wird der Astrologe
GENUIT zitiert. In dem Zitat ist aber von ,Energie- und
Symbolfeldern’ überhaupt nicht die Rede, GENUIT setzt die zwölf
43
Ebenda, S. 6-13.
Vgl. oben, dort sind es noch sechshundert Jahre bis zum Wassermann, i.e. 9° oder
nahezu ein Viertel des Tierkreisbildes Fische, die Verständnisbereitschaft für den
Begriff ,Grenzgebiet’ wird hier doch arg strapaziert.
44
18
45
Tierkreisabschnitte zu etwas in ,Entsprechung’ . Die Feststellung
des Kritikers, daß Sternzeichen sich nicht beweisen lassen, wurde
schon oben erörtert - es wurde ergänzt, daß sich die Sternbilder oder auch nur die Tierkreisbilder - auch nicht beweisen lassen.
Doch nun geschieht Merkwürdiges:
Es läßt sich einwenden, warum nur die Zeichen des Tierkreises und nicht
die Sterne entlang des Äquators oder vielleicht die Zirkumpolarsterne das
menschliche Schicksal beeinflussen sollen, ja nicht einmal Alpha Centauri, der
nächste Fixstern!46
Man sieht es nicht immer auf den ersten Blick, aber meinte er
nicht vielleicht die Bilder des Tierkreises? Der Einwand macht ja
47
keinen Sinn, wenn plötzlich von Sternzeichen zu Fixsternen
gewechselt wird.
Aus dem vorhergehenden Text läßt sich auch nicht erschließen,
wie WIECHOCZEK plötzlich auf ,Einfluß’ kommt, denn bisher war
lediglich von ,Energie- und Symbolfeldern’ die Rede, wo es sich nach GENUIT - lediglich um ,Entsprechungen’ handelte. Dies nur
am Rande. Mir ist es zwischendurch auch passiert, sogar beim
Abschreiben(!) von Zitaten, daß aus Bildern Zeichen wurden - und
umgekehrt. Ich möchte nun versuchen zu ergründen, was
WIECHOCZEK meinte, als er seinen Einwand formulierte.
Gewiß ist, daß er nicht meinte, warum nur die Zeichen des
Tierkreises (Sternzeichen), und nicht auch die Zeichen entlang
des Äquators oder andere gedeutet werden’, weil es nämlich keine
Sternzeichen entlang des Äquators oder Zirkumpolarzeichen gibt.
Er spricht ja auch ausdrücklich von Sternen und erwähnt
namentlich Alpha Centauri.
Hat er vielleicht gemeint: ,Warum werden nur die Sterne des
Tierkreises [Tierkreisbilder] gedeutet und nicht auch andere?
Diese Frage ist sinnvoll, wenn man sie aus dem Zusammenhang
löst. Der Zusammenhang gestaltet sich aber so, daß
WIECHOCZEK mehrmals betont, die Astrologen nähmen keinen
Bezug zum Fixsternhimmel, für sie würden ,Energie- und
Symbolfelder gelten’. Man muß seine Fragestellung deswegen im
zuvor gegebenen und unmittelbar nachfolgenden Zusammenhang
sehen, weil er ja einen Einwand bringen wollte.
45
H. GENUIT; „Horoskope sagen die Wahrheit“; HÖR ZU Nr. 47/82; zit. in:
W IECHOCZEK S. 9.
46
Für die Grammatik des Deutschlehrers kann ich nichts. Alle weiteren Zitate sind bis
auf jene mit Quellenangabe besagtem Kapitel entnommen (siehe Fußnote 42).
47
Wenn man jetzt hier ergänzt ,die Fixsterne der Tierkreisbilder’, dann gerät man in
einen wunderbaren logischen Zirkel. Es handelt sich dabei um einen, den man auch
mittels Meta-Logik nicht verlassen kann. Der Witz ist der, daß die Bilder des
Tierkreises naturgemäß aus den Fixsternen der Bilder des Tierkreises
zusammengesetzt werden.
19
Sollte daher der Einwand nicht besser so aussehen: ,Warum
werden die Sternzeichen gedeutet und nicht die Sternbilder oder
Sterne längs der Ekliptik [Tierkreisbilder]? Man sollte doch
eigentlich diese deuten. Wenn man aber diese deutet, dann ist es
unlogisch, nicht auch die Sterne längs des Äquators, oder die
Zirkumpolarsterne, oder Alpha Centauri, den nächstgelegenen
Fixstern, zu deuten.’
Dies scheint die Lösung zu sein. Die Frage, warum man
Zeichen deutet und nicht Bilder, ist, wie oben schon angemerkt,
berechtigt. Dennoch hat die Geschichte einen Haken, nämlich im
zweiten Teil des Einwandes: Warum sollte man die Sterne oder
Sternbilder deuten? Es wird nicht explizit erklärt, warum es
unberechtigt ist, die Sternzeichen zu deuten. Das ließe sich noch
aus dem Wort ,Einfluß’ implizieren. Deutlich wird das, wenn man
den
Einwand
folgendermaßen
formuliert
(und
damit
WIECHOCZEKS Syntax entspricht): ,Warum
sollen die
Sternzeichen das menschliche Schicksal beeinflussen und nicht
die Tierkreisbilder, bzw. die Sterne der Tierkreisbilder?
Naheliegender ist doch, daß diese einen Einfluß ausüben,
schließlich handelt es sich hierbei um physikalische Objekte.
Wenn aber diese einen Einfluß ausüben, dann aber doch die
anderen Sterne auch, grade der uns am nächsten liegende Alpha
Centauri’.
So ließe sich der Einwand nachvollziehen, wenn nicht der Punkt
wäre, daß vorher von Einfluß überhaupt nicht die Rede war. Selbst
wenn dem so gewesen wäre, bleibt noch die Frage, warum die
Sterne plötzlich einen Einfluß ausüben können, wo dieser doch
bisher auf physikalischem Wege nicht nachgewiesen werden
konnte, wie WIECHOCZEK mehrmals betont (ebenda, S. 94, S. 103
u. a.). Warum sollte es dann naheliegender sein, daß die Sterne
einen Einfluß ausüben? Der Einwand ist also nur deswegen einer,
weil am Anfang steht: ,Es läßt sich einwenden...’. Was
WIECHOCZEK wirklich sagen wollte, bleibt verborgen.
Angenommen, der ,Einwand’ fragt lediglich, warum die Tierkreisbilder (oder auch Sternzeichen, das macht hier
ausnahmsweise keinen Unterschied!48), die längs der Ekliptik
angeordnet sind, und nicht alle Sternbilder gedeutet werden. Dann
handelt es sich um eine neutrale Fragestellung. Für WIECHOCZEK
ist es aber eindeutig ein Einwand, wie sein nächster Absatz zeigt:
Sicher ist es richtig, daß sich die Planeten (mit Ausnahme des Pluto) und
der Mond in enger Nachbarschaft zur Ekliptik bewegen, doch kann das kein
überzeugender Grund sein, den Tierkreiszeichen jene enorme Wirksamkeit
zuzuschreiben und dominante Sternbilder wie etwa Orion, Schwan, Adler,
Leier, Großer Bär, Fuhrmann etc. nicht zu deuten.
48
Vielleicht macht es doch einen Unterschied, vielleicht müßte korrekterweise
,Sternzeichen' eingesetzt werden. Das ist mir aber zu kompliziert.
20
Hier passiert es schon wieder, der siderische Tierkreis
(Tierkreisbilder) und der tropische (Sternzeichen) werden bunt
49
durcheinandergewürfelt.
Vermutlich meinte er aber hier
tatsächlich die Tierkreisbilder. Für diese spricht ihre Anordnung
längs der Ekliptik, für die anderen der aufgezählten Sternbilder
(man achte auf das ,etc.’) ihre Dominanz. Worin liegen die
Kriterien für die Dominanz? Ist die Dominanz einiger Sternbilder
(dann aber doch gegenüber anderen Sternbildern) ein
überzeugenderer Grund als der, daß die Planeten immer in der
Nähe der Ekliptik zu finden sind? Wenn man will, ist beides
einleuchtend...
So wie WIECHOCZEK die Frage behandelt, scheint er zu wollen,
daß Sterne oder Sternbilder gedeutet werden, es sieht so aus, als
erscheine ihm solches plausibler. Eine solche Interpretation seiner
Ausführungen ist zumindest naheliegender als eine solche, die
ihm eine Favorisierung der Sternzeichen unterstellt. Im weiteren
Verlauf seiner Ausführungen zitiert er auch Astrologen, die sich mit
dem gleichen Thema auseinandergesetzt haben und erklären, daß
durchaus manche Fixsterne in Horoskopen Bedeutung haben.
Auch in diesen Zitaten ist von ,Einfluß’ nie die Rede, lediglich eine
50
zitierte Äußerung des Astrologen GADOW , der Fixstern Algol
habe eine „teuflische Wirkung“, darf man in diese Richtung
interpretieren. Allerdings muß man auch berücksichtigen, daß in
der astrologischen Literatur oft von ,Wirkung’ gesprochen wird,
ohne physikalischen ,Einfluß’ zu meinen. Wesentlich ist aber hier,
daß es auch astrologische Schulen gibt, die Fixsternpositionen im
Horoskop berücksichtigen.
49
Auf Seite 12 bezichtigt W IECHOCZEK LÖHLEIN desselben Vergehens. Er zitiert
LÖHLEINS Beschreibung der Präzession [Handbuch der Astrologie], in der
ausschließlich von Tierkreisbildern die Rede ist, macht drei Auslassungspunkte und
zitiert dann einen Satz, in dem vom "Zeiger der Weltenuhr" im Sternzeichen
Wassermann die Rede ist. Er merkt an, daß es Sternbild [Tierkreisbild] Wassermann
heißen müsse. Hinter den drei Auslassungspunkten verbirgt sich eine ganze Seite
Text in ein neues Kapitel hinein, in dem die Zeitalterzuordnungen astrologisch
begründet werden, wo auf den astronomischen Vorgang keinerlei Bezug mehr
genommen wird (die "Weltuhr" ist eine historische, keine astronomische Dimension).
Berücksichtigt man das, dann ist LÖHLEINS Formulierung nicht nur zulässig, sondern
sogar korrekt, das einzige, was man ihm vielleicht vorwerfen könnte, ist eine
gewissen Nahtlosigkeit des Übergangs von der astronomischen Darstellung zu
astrologischen Überlegungen, die dazu verleiten kann, einen Widerspruch zu sehen.
In der Tat gelingt es LÖHLEIN aber doch noch, WIECHOCZEK zu rehabilitieren: Drei
Seiten weiter spricht er vom Vorrücken des Frühlingspunktes in das Sternzeichen des
Wassermanns. [Ich zitiere LÖHLEIN nach der Lizenzausgabe (Goldmann) von 1976 S.
570 ff., WIECHOCZEK verwendet eine Ausgabe von 1968, seiner Angabe nach bei
Lichtenberg erschienen, die Originalausgabe erschien im Kindler Verlag unter dem
Titel: Löhleins Handbuch der Astrologie. Alle genannten Ausgaben erschienen in
München].
50
G. GADOW; Die Feen an der Wiege. Bestimmen Gestirne unser Leben?; Fischer,
Frankfurt, 1979; zit. in W IECHOCZEK.
21
Damit sei soweit alles gut, sollte man nun meinen. Die
Sternzeichen spielen eine gleichwertige Rolle wie die Fixsterne.
Die zuvor gegebene Fragestellung, ob Sternzeichen oder
Sternbilder zu deuten seien, wurde von manchen Astrologen so
gelöst, daß beides berücksichtigt wird. Welche Argumente könnte
man gegen eine solche Astrologie vorbringen? Ist die Präzession
eines, nämlich daß die Fixsterne im Laufe der Jahrhunderte in
einem auf Sternzeichen gründenden Horoskop ihre Position
verändern, Algol also nicht wie gegenwärtig im Stier, sondern
früher in den Zwillingen war und demnächst im Widder sein wird?
Nein, die Planeten verändern ihre Lage ja auch. Man könnte doch
an die ,Fixsternastrologen’ die Frage stellen, warum nur manche
51
Fixsterne Bedeutung haben und nicht alle? WIECHOCZEK macht
es aber ganz anders:
Bleibt zu erwähnen, daß Algol keineswegs am Himmel im Stier (26°)
gefunden werden kann, denn Algol ist Mitglied des Sternbildes Perseus,
weitab von der Ekliptik (mehr als 40°, das sind mehr als 80!
Vollmonddurchmesser). Die Astrologen konstruieren die „Konjunktion“, indem
sie die Verbindungslinie Nordpol - Algol gen Süden verlängern, bis die Ekliptik
in „26° Stier“ geschnitten wird.
Er ist Leiter der Volksternwarte Paderborn e.V., wir können ihm
hier nichts zugute halten. Wie Ironie mögen nun die Worte aus
seiner Einleitung wirken: „..., dem astronomisch vorgebildeten
Leser offeriere ich eine umfangreiche Argumentationsgrundlage“
(S. 5). Der astronomisch vorgebildete Leser muß umformulieren:
Bleibt zu erwähnen, daß Algol gegenwärtig nicht in unmittelbare
Nähe desjenigen Himmelsabschnittes, an dem der Ekliptikabschnitt des Sternzeichens Stier liegt, zu finden ist - er wäre
nämlich dann ein Stern des Sternbildes Zwilling, Stier oder
Widder. Er ist ein Stern des Sternbildes Perseus, um genau zu
sein: der Beta-Stern. Er hat die Äquatorkoordinaten (1971) von 3h
6,3min Rektaszension und 40,84° Deklination (Angaben nach:
Schülkes Tafeln - Funktionswerte, Zahlenwerte, Formeln; Bearb.
H. Heise, 51. Aufl., Stuttgart, 1971). Somit entspricht sein Abstand
zum Himmelsäquator etwa 80 Vollmonddurchmessern. Zieht man
eine Linie durch den Himmelsnordpol und Algol und verlängert sie
bis zur Ekliptik, so berührt sie diese auf einer Länge von 48°, also
dem 18. Grad des Sternzeichens Stier. Man erhält die ekliptikalen
Koordinaten von Algol, indem man die Verbindungslinie nördlicher
Pol der Ekliptik - Algol zum südlichen Pol der Ekliptik verlängert.
Diese Linie schneidet die Ekliptik in 26° Stier (56° ekliptikaler
Länge). Die ekliptikale Breite beträgt rund 23°, sein kürzester Abstand zur Ekliptik entspricht also etwa 46 Vollmonddurchmessern.
51
Die Astrologen könnten sich mit dem Hinweis rechtfertigen, angesichts der Fülle
der mittlerweile bekannten Fixsterne müsse man eine vernünftige Auswahl treffen.
22
Das sind mindestens zehn Fehler (logische, inhaltliche,
astronomische) in zwei Sätzen, man könnte dem Guinness-Buch
eine weitere Erbärmlichkeit hinzufügen. Manches davon muß
genauer betrachtet werden. Kann man hinsichtlich der
Verwechslung von Sternzeichen und Tierkreisbildern noch Milde
walten lassen, da dies ein durchweg gängiger Fehler ist, so ist für
einen Astronomen die Verwechselung von äquatorialen und
ekliptikalen Koordinaten eine beachtliche Leistung. Ein Schüler der
Oberstufe würde, „wenn er sonst alles richtig hat, immer noch eine
drei kriegen“ (habe mich bei einem Astronomielehrer erkundigt).
Was meint nun aber die Einleitung ,bleibt zu erwähnen’? Läßt sich
aus nachfolgenden Ausführungen eine Kritik daran ableiten, daß
so weit von der Ekliptik entfernte Objekte wie Algol in die
Horoskopdeutung
einbezogen
werden?
Sollen
also
Fixsternpositionen außerhalb der Ekliptik doch nicht berücksichtigt
werden? Ist es doch naheliegender, nur die Positionen von in der
Nähe der Ekliptik befindlichen Positionen zu verwenden? Wie
verhält es sich dann aber mit den Fixsternen der Tierkreisbilder,
die ja zum Teil auch schon verhältnismäßig weit entfernt sind?
Befinden wir uns nicht schon längst in einem circulus vitiosus?
Gibt es daraus einen Ausweg? Sehen wir uns ungeschnitten an,
wie WIECHOCZEK versucht, die Kurve zu kriegen.
Der bereits zitierte Astrologe Genuit konstatiert jedoch: „Für alle Zeiten sind
und bleiben die 30° umfassenden ,Tierkreiszeichen’ Bezugsebene der
Astrologie ...“ Nun, wir werden uns noch mit einer neueren astrologischen
Strömung auseinanderzusetzen haben, die den Tierkreis nicht nur rundherum
verwirft, sondern ihn sogar widerlegt [Anm.: in WIECHOCZEKS Sinne wäre
wohl besser formuliert: sondern sogar von sich glaubt, ihn zu widerlegen].
Nicht zuletzt bleibt astrologisch unbeantwortet, warum nicht auch dem Äquator
unserer Milchstraße Aussagen abverlangt werden können.
Also zusätzlich zur Ekliptik auch noch der Äquator der
Milchstraße... Tatsächlich gibt es Astrologen, die das Zentrum der
Milchstraße in der Deutung berücksichtigen. Von da ist es bis zum
Äquator nicht mehr weit. Kopfzerbrechen bereitet mir die Vokabel
,jedoch’. Wenn vorhergehender Abschnitt wirklich eine Kritik an
der Verwendung von ekliptikal entfernten Objekten in der Deutung
sein sollte, dann ist GENUITS Statement eine Richtigstellung
zugunsten der Astrologie und die Vokabel ,ja auch’ wäre besser
plaziert. Ist WIECHOCZEKS Erwähnung aber keine Kritik, dann
stellt sich die Frage, was sie in dem Zusammenhang zu suchen
hat. Ich fasse kurz zusammen: Dominante Sternbilder wie Orion
etc. sollten eigentlich gedeutet werden. Aber sie sind von der
Ekliptik weit entfernt. Jedoch die Ekliptik bleibt Bezugsebene der
Astrologie. Hier läßt sich sehen, daß der mittlere Satz für die Katz’
ist - und dann wird plötzlich der Äquator der Milchstraße aus dem
Hut gezaubert. Völlig unklar bleibt, ob denn nun die
Fixsternpositionen gedeutet werden sollen oder nicht. Ich mache
zunächst weiter, ohne aus den Augen zu verlieren, daß manches
noch offen ist.
23
Die Sterne im Tierkreis entsprechen in ihrem physikalisch-chemischen
Aufbau all den anderen Sternen in unserer Milchstraße, d.h. es sind alle
Sterntypen und -klassen vertreten. Als Sternbilder sind die Sternfiguren der
menschlichen Phantasie entsprungen, kein Sternbild findet in Wirklichkeit
seinen Zusammenhalt: Sterne eines Sternbildes stehen in immensen
Entfernungsunterschieden gestaffelt am Firmament und haben untereinander
meist nicht die geringste Gemeinsamkeit [Anm.: wo bleibt die Dominanz???].
Weitaus die größte Anzahl verfolgt ihre eigenen, ganz spezifischen
Bewegungsrichtungen und löst dadurch allmä[h]lich die gegenwärtigen
Sternbilder auf.
Ist dies ein Einwand gegen die Verwendung von Fixsternpositionen in der Astrologie? Eher doch einer gegen die
Verwendung von Sternbildern, also so dominanten wie dem Orion
etc. Was soll man sonst daraus schließen? Es ist aber ganz gewiß
kein Einwand gegen die Verwendung von Sternzeichen (tropischer
Tierkreis). Oder? Doch, es ist einer. Der nächste Satz beweist es:
Das wären nun keine stichhaltigen Argumente gegen die Sterndeutung,
hätte diese sich nicht konsequent und endgültig vom astronomischen Tierkreis
gelöst und sich, wie zuvor beschrieben, allein auf die symbolischen
Energiefelder gestützt.
Die letzten vier Zitate sind ungekürzt, jedes reiht sich im Text
direkt an das nächste. Jeder - und auch dieser - Versuch, alles in
ein stimmiges Argumentationssystem gegen die Astrologie zu
bringen, muß scheitern. Andererseits wird es dadurch beinahe
ebenso unmöglich, Anhaltspunkte zugunsten der Astrologie
anzubringen. Man kann lediglich sagen: mit so etwas ist die
Astrologie auf jeden Fall noch in keiner Weise in irgendeiner
Bedrängnis, erlauben wir ihr also, so weiterzumachen wie bisher.
Der hermeneutischen Gerechtigkeit halber aber muß ich auch
noch den nächsten Satz zitieren, der zumindest ein wenig
entschädigt.
Doch stattdessen offenbart sich eine unvertretbare Widersprüchlichkeit,
denn bei den globalen sogenannten Mundialhoroskopen (die gesamte
Menschheit betreffend) kehrt die Sterndeutung zu den faktischen,
physikalischen Sternen zurück: Das präzessionsbedingte Vorrücken des
Frühlingspunktes vom Sternbild Fische in das des Wassermanns wird
herangezogen, das bestehende „ZEITALTER DES WASSERMANNS“ zu
proklamieren.
Dem muß man entnehmen, daß es unzulässig und unlogisch ist,
die beiden Tierkreise auf einmal zu verwenden. Damit ist zwar
noch immer nicht Stellung bezogen, ob in einer den tropischen
Tierkreis verwendenden Astrologie Fixsternpositionen herangezogen werden können oder nicht, aber es zeigt zumindest, daß
WIECHOCZEK in der Lage ist, Widersprüche zu erkennen.
24
Hat es tatsächlich zweitausend Jahre
gedauert?
Nach allem, was bisher erörtert wurde, möchte ich noch einmal
kurz das Problem darstellen: Tierkreisbilder und Sternzeichen
verschieben sich gegeneinander, dieser Vorgang heißt
Präzession.
Ist es nicht unglaublich, unbegreifbar, phantastisch, was man
daraus alles machen kann? Dabei ist das Ende der Fahnenstange
noch nicht erreicht, einiges ist noch offen und es gibt noch weitere
beachtenswerte Gesichtspunkte. Ich fasse zur besseren
Orientierung stichwortartig zusammen, was WIECHOCZEK, bisher
Erarbeitetem gemäß, in seinem ersten Kapitel für Hinweise zur und Einwände gegen die Astrologie vorbringt.
1.) Man muß zwischen Tierkreisbildern und Sternzeichen
unterscheiden.
2.) Astrologen erkennen keine Zeichen, sie sprechen von
Energie- und Symbolfeldern.
3.) Sternzeichen lassen sich nicht beweisen.
4.) Warum sollen Sternzeichen einen Einfluß
menschliche Leben haben, und nicht alle Fixsterne?
auf
das
5.) Zwar bewegen sich die Planeten in der Nähe der Ekliptik,
aber es ist plausibler, dominante Sternbilder zu deuten.
6.) Einige Fixsterne werden von Astrologen berücksichtigt, z. B.
Algol.
7.) Algol ist von der Ekliptik weit entfernt.
8.) (Jedoch) die Ekliptik bleibt Bezugsebene der Astrologie.
9.) Es gibt auch eine astrologische Strömung, die [von sich
glaubt] den Tierkreis widerlegt [zu haben].
10.) Warum werden nicht auch dem Äquator der Milchstraße
Aussagen abverlangt?
11.) Sternbilder sind der menschlichen Phantasie entsprungen.
Durch die Eigenbewegung der Sterne lösen sie sich mit der Zeit
auf.
12.) Daher ist es ungerechtfertigt, Sternbilder zu deuten.
25
13.) Es entsteht eine unvertretbare Widersprüchlichkeit: bei den
globalen Aussagen kehrt die Sterndeutung, die sich zuvor
konsequent
vom
astronomische
Tierkreis
löste,
zum
Sternbildertierkreis zurück.
Dies ist nur ein mögliches Sinngeflecht verschiedener Varianten.
Dabei will ich es bewenden lassen und mich der Frage widmen,
warum Astrologen nun, abgesehen von dem Hinweis, ein
physikalischer Einfluß der Fixsterne auf den Menschen sei nicht
nachweisbar, bzw. vernachlässigbar gering, keine Fixsternpositionen für die Deutung verwenden sollen.
- Die Fixsterne sind zum Teil weit von der Ekliptik entfernt, diese
aber ist Bezugsebene der Astrologie.
- Warum darf nun die Ekliptik nicht in Sternzeichen eingeteilt
werden?
- Sternzeichen lassen sich nicht beweisen und wurden sogar
astrologisch widerlegt[?].
- Also sollen die Tierkreisbilder gedeutet werden?
- Nein, es gibt auch andere dominante Sternbilder.
- Dann werden also besser alle Sternbilder in ein astrologisches
System einbezogen?
- Nein, die Sternbilder sind lediglich ein Produkt der
menschlichen Phantasie, sie verändern sich darüber hinaus bis zu
ihrer Auflösung.
- Dann ist es vielleicht doch besser, sich nur auf die Ekliptik zu
beschränken?
- Man könnte genausogut dem Äquator der Milchstraße
Aussagen abverlangen.
- Wie soll das geschehen?
- Man wählt ihn als Bezugsebene.
- Wodurch wird der Äquator der Milchstraße definiert?
- Die Milchstraße besteht aus etwa einhundert Milliarden
Fixsternen, diese drehen sich um ein Zentrum. Durch die Drehung
um dieses Zentrum wird der Äquator der Milchstraße definiert.
- Sollte man dann nicht auch die Fixsterne in die Deutung
einbeziehen?
- Nein, diese sind zum Teil sehr weit vom Äquator der
Milchstraße entfernt, außerdem könnte man genausogut der
Ekliptik Aussagen abverlangen.
26
Ganz offensichtlich liegt das Problem darin, daß ein räumlicher
Sachverhalt nicht in der Ebene dargestellt werden kann, es ist
nicht möglich, eine ,Bezugsebene’ zu wählen, die stellvertretend
für den Raum in irgendeiner Weise eingeteilt wird. WIECHOCZEKS
Schwierigkeit, nachzuvollziehen, was mathematisch senkrechte
Projektionen sind, wird eklatant offenbar - das zeigt sich auch
darin, daß er die Deklination Algols für die ekliptikale Breite Algols
hielt, oder den Unterschied nicht kannte, oder nicht wußte, wie
man die Koordinaten transformiert, oder nicht wußte, daß sie
überhaupt transformiert werden können, oder dachte, es merke
sowieso keiner und nur zu faul war, seinen Taschenrechner
einzuschalten oder an geeigneter Stelle nachzulesen. Wenn es
aber so sein sollte, daß eine Teilung der Ekliptik nicht eine Teilung
des Raumes ist, dann ist ein Widerspruch zu seiner Behauptung,
die Häuser seien eine weitere Teilung des Himmels, gegeben
(ebenda, S. 21, vgl.: Die astrologischen Häuser).
Nun ist ja die Frage nach der Verwendung von
Fixsternpositionen in der Astrologie, solange es nicht eine Frage
der Verwendung der Tierkreisbilder ist, eine eher nebensächliche
Angelegenheit. Immer spielen die Planetenpositionen in der
Deutung eine erheblichere Rolle. Allerdings sind die Bahnen im
Raum so angeordnet, daß sie keine gemeinsame Ebene bilden.
Um die Position dieser (und anderer) Himmelskörper zu einem
gegebenen Zeitpunkt (unter Vernachlässigung ihrer wahren
Entfernung) darzustellen, bieten sich mehrere Koordinaten52
systeme an. Ich wiederhole mich: Bezüglich der Planetenpositionen bietet sich das ekliptikale System deswegen an, weil
hier die erforderlichen Projektionen die kürzesten sind, also eine
zweidimensionale Darstellung den räumlichen Gegebenheiten am
ehesten entspricht. Zur Koordinatenangabe bedarf es einer
Einteilung, hier gibt es zwei Möglichkeiten: eine mathematische
oder eine optische Einteilung. Abgesehen davon, daß zur
Bestimmung der Position der mathematischen Einteilung der
Ekliptik (oder des Himmelsäquators oder des Äquators der
Milchstraße) immer der Vorzug gegeben werden muß, ist die
optische Einteilung in Sternbildregionen bei einer graphischen
Darstellung der Planetenpositionen ebenso plausibel. Ich betone:
Hier geht es nicht um die Frage einer möglichen Deutung, sondern
lediglich um die Frage, wie räumliche Gegebenheiten darzustellen
sind. Nun hat man sich in der Astrologie, aus was für Gründen
auch immer, für das ekliptikale System entschieden und
verwendet es für die Deutung als Grundlage.
Ich halte es weder für eine berechtigte, noch für eine vernünftige
Frage, gebe aber zu, daß sie mir Schwierigkeiten bereitet:
52
Vgl.: FRIEDRICH GONDOLATSCH, GOTTFRIED GROSCHOPF, OTTO ZIMMERMANN;
Astronomie I - Die Sonne und ihre Planeten; Stuttgart, 1977, S. 20 f.
27
Von einer "Deutung räumlicher Verhältnisse“ bleibt beschämend wenig
übrig, kann doch kein Astrologe sagen, in welcher Entfernung zu uns sich der
Tierkreis und der Häuserkreis befinden [sic!] (W IECHOCZEK, S. 104).
Aber grade über die Entfernung des symbolischen Tierkreises (wie auch
des Häuserkreises) können uns die Astrologen nichts sagen (WIECHOCZEK, S.
182).53
Ich muß ja jetzt begründen, warum das Blödsinn ist, und will
mich nicht mit WIECHOCZEK auf die von ihm vorgeschlagenen
36.000 km (ebenda, S. 22) einigen. Vielleicht hilft ein Vergleich:
Betrachtet man eine Photographie, so kann man das Objekt auch
erkennen, ohne daß man weiß, wie weit es zum Zeitpunkt der
Auslösung vom Objektiv entfernt war. Man ,deutet’ die
zweidimensionale Darstellung eines räumlichen Sachverhaltes.
Dieser Vergleich macht lediglich plausibel, daß die Entfernung
keine Rolle spielt, bei einer Fotographie kann man allerdings,
wenn man die Daten des Objektivs und den Winkel kennt, die
Entfernung im Nachhinein ermitteln. Den Hinweis, daß in
Wirklichkeit
nicht
,räumliche
Verhältnisse’,
sondern
,Bewegungsverhältnisse’ gedeutet werden, darf man durchaus als
etwas lahme Ausrede betrachten, obwohl ich mich hier (auch
wenn ich es gar nicht möchte) auf das Grundsatzpapier zur
Astrologie (bei WIECHOCZEK als Fotokopie, S 105 f.) stützen kann,
das von verschiedenen astrologischen Vereinigungen, u. a. dem
DEUTSCHEN ASTROLOGENVERBAND, unterzeichnet wurde. Das
obere Zitat ist ein Einwand zur These 1, in der es heißt:
"[Astrologie] ist die Deutung räumlicher Verhältnisse und zeitlicher
Abläufe in unserem Sonnensystem" (meine Hervorhebung).
WIECHOCZEK pflückt die Erklärung auseinander und versteht das
,und' trennend. Versteht man es hingegen verbindend, dann kann
die Aussage in meinem Sinne interpretiert werden.
Damit ist die Auseinandersetzung mit den Infragestellungen des
Großinquisitors zu diesem Thema beinahe beendet. Ich habe nun
stets so getan, als sei der Hinweis auf die Entfernung Algols von
der Ekliptik ein Einwand gewesen. Aus der Formulierung und dem
Zusammenhang ergibt sich das, wie schon dargestellt, nicht
zwangsläufig. Dieser Hinweis kann auch als Information am
53
Ganz offensichtlich weiß W IECHOCZEK darüber besser Bescheid: Auf Seite 23 ff.
behandelt er das Thema der Planetenregentschaft, das ist die Zuordnung der
Planeten zu den Sternzeichen, beispielsweise Sonne-Löwe. Die Zuordnungen
würden nun mit der Lage des Perihels gerechtfertigt, auf diese Erklärung sei er
wiederholt gestoßen. Dabei gibt er nicht einen einzigen Hinweis auf eine Quelle und
bei allen von ihm zitierten Astrologen, soweit sie mir vorlagen, fand ich diese
Erklärung nicht (auch nicht bei anderen). Nun konstruiert er ein Argument gegen die
Zuordnungen, das sich auf die dubios vorgetragene Erklärung stützt: Sonne und
Mond haben kein Perihel, die Lage des Perihels der Planeten verändert sich im Laufe
der Zeit und - das ist nun der Witz - in Sonnennähe ist der Planet ja gerade am
weitesten vom "imaginären Tierkreis" entfernt, vielmehr sei doch eher eine
Regentschaft bei Sonnenferne anzunehmen.
28
Rande aufgefaßt werden, der für die Diskussion ohne Belang,
wenn nicht gar störend ist, eben weil er dazu verleitet, ihn als
Einwand zu betrachten. Dann ließe sich das Resumé ziehen,
beachtenswert seien für die Deutung neben den Positionen der
Planeten eventuell auch die Positionen der Fixsterne, ohne daß
die Frage nach einem geeigneten Bezugssystem gelöst ist.
Man darf aber bei alledem nicht vergessen, daß sich dem
Kritiker vor allem zwei grundlegende Hindernisse in den Weg
stellen. Das eine ist in der Natur der Sache begründet: In der
Astrologie gibt es eine derartige Fülle von Ansätzen und
Systemen, daß man auf beinahe jeden Einwand eine
entsprechende Antwort finden kann, verschiedene astrologische
Schulen widersprechen einander, so daß man zunächst nicht
weiß, wogegen man sich zuerst wenden soll. Das zweite Hindernis
ist psychologischer Natur: Wenn man nicht das geringste
Verständnis für eine astrologische Denkweise aufbringt (das
möchte ich an dieser Stelle nicht als Mangel verstanden wissen!),
dann fällt es naturgemäß schwer, einen einigermaßen plausiblen
Ansatz herauszukristalisieren und sich darauf einzuschießen. Man
könnte dann die Nebenkriegsschauplätze en passant erledigen.
Was aber ist der Gedanke, der der Diskussion in diesem Kapitel
zugrunde liegt? Warum wird überhaupt die Präzession als
,Argument’ gegen die Astrologie vorgebracht? Der Tenor ist ja in
etwa der: Die Astrologie legt Kriterien zugrunde, die seit
zweitausend Jahren nicht mehr berechtigt sind, Widdergeborene
sind mittlerweile Fischegeborene. Nun darf man den Kritikern
folgende Frage stellen:
Hat denn die Astrologie vor zweitausend Jahren gestimmt, als
54
eine Übereinstimmung der beiden Tierkreise noch gegeben war?
Damit erübrigt sich der Hinweis auf die Präzession als Einwand
gegen die Astrologie. Er taugt lediglich als Einwand gegen das
eine oder andere astrologische System. Es müssen andere
Gründe gegen die Astrologie vorgebracht werden.
Ich glaube, es war AUGUSTINUS (354-430 n. Chr.), der zuerst
die Präzession gegen die Astrologie ins Spiel brachte, und hoffe,
nun einen endgültigen Schlußpunkt gesetzt zu haben.
54
Man könnte einwenden, auch damals habe es keine vollständige Übereinstimmung
gegeben, weil die Tierkreisbilder unterschiedlich groß sind. Die unterschiedliche
Größe wurde aber erst im 20. Jahrhundert festgelegt.
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