Oszillation nur mit Salz oder Zucker und Wasser

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Osmotische Oszillationen
Oszillation nur mit Salz
oder Zucker und Wasser
Erklärungsversuch, Modellbildung und Simulation eines interessanten Phänomens
Peter Bützer, St. Gallen, Schweiz
Abbildung 1: Eingefärbte gesättigte Kochsalzlösung tritt periodisch aus einer Spritze in Trinkwasser aus. Die Kupferdrähte dienen nur dazu, die
Potentialveränderungen abzugreifen.
Es ist verwunderlich, dass zum Beispiel mit Salz
oder Zucker und einem Gefäß mit einer engen
Düse periodische Reaktionen beobachtet werden
können. Viele Interpretationen sind bekannt, die
dieses Phänomen erklären wollen, aber die meisten
lassen sich experimentell widerlegen. Hier wird nun
der Versuch gewagt eine Erklärung zu finden, ein
Modell dazu aufzustellen und mit einer Simulation
die Gültigkeit aufzuzeigen – ein Wechselspiel
von hydrodynamischem und osmotischem Druck,
verbunden mit einer Verzögerung durch notwendige
Turbulenzen.
Dr. dipl. sc. nat. Peter Bützer ist Chemiker und Molekularbiologe, em. Professor der Pädagogischen Hochschule St.Gallen/
Schweiz; Dozent für Risikomanagement und Sicherheitsökonomik der Universität St.Gallen und für Nachdiplomstudien an der
ETHZ: heute tätig als Consultant tätig für Gefahrstoff- und Risikomanagement für Schulen, Behörden, Armee und Industrie.
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Die überraschenden Oszillationen
Durch Zufall entdeckte der Meeresforscher
Seeyle Martin 1970 „A Hydrodynamic Curiosity:
the Salt Oscillator“ [1]. Für eine Demonstration
füllte er eine Spritze mit Nadel mit gesättigter
Kochsalzlösung und fixierte diese in einem 1 Liter Zylinder mit Trinkwasser. Zu seiner großen
Überraschung floss das Salzwasser am Anfang
aus, aber nach einer gewissen Zeit kehrte sich
der Flüssigkeitsstrom um und Wasser strömte
zurück in die Spritze. Diese beiden Strömungen
wechselten sich in regelmäßigen Abständen ab
und wurden so zu einer Oszillation (Abbildungen
1 und 2).
Eine Interpretation dieser Dynamik gab Martin
mit den Dichte-Unterschieden, dem hydrostatischen Druck, dem kritischen Mischungsverhalten in der Nadel und dem Wechsel zwischen
zwei Gleichgewichten auf Grund von Konzentrations-Turbulenzen in der Nadel (Abbildungen 3
und 4). Ist der Durchmesser der Nadel zu dick,
dann tritt ein kontinuierlicher Doppelstrom-Austausch statt, indem Salzwasser permanent ausströmt und gleichzeitig Trinkwasser einströmt.
Damit ist der kritischste Teil des Experiments
angesprochen, die Geometrie der Düse (Nadel,
Kapillare, Loch etc.).
Die dichtere, braune Flüssigkeit sinkt nach
unten und durchmischt sich nur ganz wenig mit
dem Trinkwasser. Das nach oben aufsteigende
Osmotische Oszillationen
Abbildung 2: Änderung des elektrischen Potentials an der Ausströmdüse verursacht durch die Konzentrationsdifferenz der
gesättigten NaCl-Lösung und des Trinkwassers.
Trinkwasser überschichtet die Kochsalzlösung.
Auf diese Weise bleiben die Konzentrationsverhältnisse bei entsprechend grossen Volumina
über langen Zeit ziemlich konstant.
Publiziert wurde das Phänomen in der Originalpublikation unter dem Namen „Salt Oscillator“
und es erhielt bei den Physikern schon bald die
Namen „Salzwasser Oszillator“, „Saline Oscillator“, „Density Oscillator [2]“ oder „Hydrodynamic Oscillator [3]“– aber keiner dieser Begriffe
Abbildung 3: Links: Aus dem kleinen oberen Gefäß ausströmende dichte Flüssigkeit (grau), Rechts: einströmende
weniger dichte Flüssigkeit (weiß).
ist wirklich allgemein zutreffend. Das kann mit
vielen unterschiedlichen Systemen belegt werden, die experimentell teilweise Oszillationen
zeigen. So erzeugt Glycerin mit einer Dichte
von 1,26 g/cm3 im oberen Gefäß zeigt keine Oszillation, weil die Strömung praktisch laminar ist.
Damit ist z. B. die Bezeichnung Dichte-Oszillator
allgemein nicht zutreffend.
Erklärungsversuche
mit entsprechenden Experimenten
Es ist unbestritten, dass die Kontinuitätsgleichung (Euler, Navier-Stokes, Hagen-Poiseuille)
erfüllt sein müssen, aber diese liefern alleine
keine Begründungen für die Oszillationen. Auch
die Rayleigh- und Teorell-Gleichungen bilden
das Wechselspiel der Oszillationen ohne Erweiterungen nicht ab. Eine Zusammenstellung von
Abbildung 4: Oberes Gefäß mit konzentrierter Saccharose-Lösung (Kristallzucker), eingefärbt mit Methylenblau. Das Loch in das Plastikgefäß wurde
mit einer Nadel gemacht. Der Durchmesser beträgt ca. 1 mm. Das Becherglas ist mit Trinkwasser gefüllt.
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Osmotische Oszillationen
Tabelle 1: Erklärungsversuche der Oszillationen mit Modellen.
Erklärungsversuchen für die Oszillationen mit
Modellen liefert Tabelle 1 (siehe nächste Seite).
Folgerung:
Es muss kein Salz sein, auch andere lösliche
Substanzen wie z.B. Zucker, Harnstoff, Säuren es ist also nicht nur ein Salz-Oszillator.
Als Flüssigkeiten mit kleiner Dichte wurden
verwendet: Wasser, Ethanol, Benzin – nicht
alle oszillieren. Das Phänomen ist also generell kein Dichte-Oszillator.
Folgende Fakten müssen für die Erklärung der
Oszillation berücksichtigt werden (siehe auch
Abbildung 5):
1. Die dichte Flüssigkeit muss oben sein. Ist die
weniger dichte Flüssigkeit oben, dann unterschichtet diese beim Einströmen die weniger
dichte Flüssigkeit.
2. Die dichten Flüssigkeiten können mit Salzen,
Säuren, Basen und Nichtelektrolyten als Lösungen hergestellt werden (elektrische Potentiale sind nicht notwendig).
3. Nur genügend kleine Öffnungen führen zu
Oszillationen. Mit zu großen Öffnungen findet ein kontinuierlicher Austausch eine Doppelströmung statt (gleichzeitiges aus- und
einströmen).
4. Hat die dichtere Lösung eine hohe Viskosität,
dann ist der Austausch kontinuierlich.
5. Je kleiner die Öffnung und je länger die Kapillare, desto kleiner die Oszillations-Frequenz.
6. Das Einströmen erfolgt so rasch, dass an der
Oberfläche der dichten Lösung eine Überströmung festgestellt werden kann.
7. Ist das obere Gefäß geschlossen (z. B. Spritze
mit dem Kolben), dann findet auch bei einer
korrekten Öffnung für Oszillationen kein kontinuierlicher Austausch statt.
8. Die Öffnung muss sich an der Unterseite des
kleinen Gefäßes befinden, denn nur senkrechte Strömungen können zu Oszillationen
führen.
9. Die Eintauchtiefe ist wichtig. Bei zu grossen
Eintauchtiefen bilden sich kontinuierliche
Strömungen aus.
10. Die Oszillationen können Stunden andauern.
Ein Wasserpendel, auch bekannt als schwingende
Wassersäule, kommt als Erklärung nicht in Frage,
da die Dämpfung, die durch die kleine Öffnung bestimmt wird, viel zu groß ist. Der Beweis für diese
Aussage lässt sich leicht liefern, indem man oben
und unten Flüssigkeiten derselben Dichte, aber
mit unterschiedlichem Pegelstand, verwendet.
Mögliche Modelle
Aufgrund der Konzentrationsunterschiede der
beiden Flüssigkeiten tritt eine Diffusion auf. Di108 CLB 66. Jahrgang, Heft 03 - 04/2015
Osmotische Oszillationen
Abbildung 5: Einige mögliche unterschiedliche Gefäße und Flüssigkeiten.
a) Die gesättigte, eingefärbte Kochsalzlösung oben, Ethanol unten. Es zeigt
sich eine Oszillation.
b) Wasser mit Kochsalz und Methylenblau oben, Benzin unten. Die
Blaue Flüssigkeit tropft aus, es findet
keine Rückströmung und damit keine
Oszillation statt.
a)
c) Wasser mit konzentrierter Saccharoselösung und Methylenblau. Wie mit
Glycerin führt die hohe Viskosität zu
einer Doppelströmung.
b)
c)
d) Doppelströmung: Die gesättigte,
eingefärbte Kochsalzlösung tritt aus
und gleichzeitig tritt von unten reines
Wasser ein, welches die Kochsalzlösung
überschichtet. Die zu große Öffnung
der Spritze verhindert Oszillationen.
d)
ese Konzentrationsunterschiede müssen hinreichend groß sein.
Die periodische Variation des Pegelstandes der
beiden Flüssigkeiten wird maßgeblich vom hydrostatischen Druck verursacht.
Der osmotische Druck einer gesättigten Kochsalzlösung [Dichte ca. 1,2 g/cm3 (20 °C) [21], Löslichkeit: 359 g/l = 6,14 mol/l (M = 58,44 g/mol)]
gegenüber reinem Wasser ist ca. 14,96·106 Pa.
Elektrische Potentiale von zwei Elektrolyten
mit unterschiedlichen Konzentrationen können abgegriffen werden. Sie lassen sich mit der
Nernst-Gleichung erklären. Diese Gleichung gilt
nur bei kleinen Konzentrationsdifferenzen.
Eine einseitige Diffusion kann durch eine poröse
Wand, Membran oder eine gerichtete Strömung
hindurch erfolgen und spielt bei der Osmose eine wichtige Rolle.
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Osmotische Oszillationen
Falls ck ungefähr konstant ist, dann ergibt sich
für Ionen aus Formel 3 und 4: Spannung und
Druck:
Das bedeutet, dass der osmotische Druck von
Elektrolyten immer auch ein elektrisches Potential zur Folge hat, das bei Membranen mit
der Goldman-Hodgkin-Katz-Gleichung berechnet werden kann. Nun liegt beim vorliegenden
Oszillator keine Membrane, aber stattdessen
eine Strömung vor, welche die kleinen und die
großen Konzentrationen trennen. (Der Zusammenhang zwischen dem osmotischen Druck und
dem elektrischen Potential wurde schon 1893
von Walter Nernst aufgezeigt (1. Ausgabe) [22].
Dieses elektrische Potential kann immer dann
bei diesem Experiment gemessen werden, wenn
die gelösten Substanzen Elektrolyten sind (siehe
Elektroden bei Abbildung 1 und Messung bei
Abbildung 2).
Fakten:
Es muss kein Salz sein, auch andere lösliche
Substanzen wie z.B. Zucker, Harnstoff, Säuren
oder Basen sind geeignet um Flüssigkeiten
höherer Dichte herzustellen.
Als Flüssigkeiten mit kleiner Dichte wurden
verwendet: Wasser, Ethanol, Benzin.
Osmose tritt zwischen zwei mischbaren Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Konzentration
an gelösten Stoffen auf. Enthält eine Flüssigkeit
nur sehr wenig gelöste Teilchen, dann hat sie ein
hohes chemisches Potential. Hat sie viel gelöste
Stoffe, dann weist sie ein niedriges chemisches
Potential auf. Nun findet ein Potentialausgleich statt, indem Flüssigkeit mit wenig gelösten Stoffen in die Flüssigkeit mit viel gelösten
Stoffen einströmt.
Ist Wasser als Flüssigkeit mit höherer Dichte
im oberen Gefäß mit der kleinen Öffnung und
das mit Wasser nicht mischbare Benzin im unteren Gefäß, dann treten Tropfen aus, wie man
es von einem tropfenden Wasserhahn kennt. Es
handelt sich hier um eine einfache Strömung
ohne Rückfluss. Ist der Druck zu klein, strömt
lediglich das Benzin in das obere Gefäß, bis zum
Zusammenfassung
Druckausgleich, da keine Osmose wirksam ist.
der verschiedenen
Kochsalz, Säuren oder Saccharose als obere
verwendeten Theorien
dichte Flüssigkeiten und Ethanol als untere, weniger dichte Flüssigkeiten zeigen Oszillationen.
Das Gesetz von Hagen-Poiseuille beschreibt den
Glycerin (Dichte: 1,26 g/cm3, 20 °C) im obeVolumenstrom einer laminaren stationären Strö- ren Gefäß zeigt bei einer Geometrie der Düse,
mung einer homogenen newtonschen Flüssigkeit die mit Salzwasser zur Oszillation führt, sonst
durch ein Rohr. Eine newtonsche Flüssigkeit hat in allen untersuchten Fällen eine kontinuierliche
ein lineares, unelastisches Fließverhalten, bei Strömung.
welchem die Schergeschwindigkeit proportioDie Temperatur hat den Einfluss den man vom
nal zur Scherspannung ist (Bespiel: Wasser). Ihr osmotischen Druck p, abgeleitet von der allgeFluss gehorcht den Gleichungen von Navier- meinen Gasgleichung, erwartet:
Stokes.
Die Navier-Stokes-Gleichungen sind eine Erweiterung der Euler-Gleichungen um die innere Reibung oder Viskosität und beschreiben die
Strömung von newtonschen Flüssigkeiten und
Gasen.
Die Rayleigh-Gleichung beschreibt mit einem
nicht-linearen Differential-Gleichungs-System
ein Verhalten von Mischungen, das auch Autoos- Eine Temperaturerhöhung von 10 °C hat eine
zillationen zulässt. Sie ist von den Navier- Stokes- Geschwindigkeitserhöhung von ca. 3 % zur Folge
Gleichungen abgeleitet.
(c: Konzentration).
Die Teorell-Gleichung beschreibt eine Mehrkomponenten-Diffusion aufgrund der KonzentraModell und Simulation
tionsdifferenzen (Potentialdifferenzen) und dabei
speziell die passive Diffusion von Ionen durch • Die Oszillationen sind ein Pendeln zwischen
Membranen.
zwei Gleichgewichtszuständen, ein bistabiles
System [23].
• Falls der Fluss positiv ist, dann wirkt der hydroEigene Interpertation
statische Druck als Antrieb.
Letztlich sind die Oszillationen Graviation- und • Falls der Fluss Null oder nicht positiv ist, wirkt
Entropie-getriebene Reaktionen.
der osmotische Druck als Antrieb.
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Osmotische Oszillationen
• Wenn Flüssigkeit austritt, kann gleichzeitig keine Flüssigkeit eintreten. Die zu verhindernden
Doppelströmungen werden durch Turbulenzen
bei der Düse unterdrückt. Diese Turbulenzen
bewirken die für die Oszillation notwendige
Zeitverzögerung [24].
Das in die Salzlösung eintretende weniger dichte Wasser überschichtet die Salzlösung, weshalb
sich deren Dichte am Austrittsort über lange
Zeit nur unwesentlich ändert. Die ausfließende
dichtere Lösung strömt ganz nach unten, womit
bei der Düse die Konzentration praktisch nicht
zunimmt. Der osmotische Druck pO wird daher
für die betrachtete Zeitspanne als konstant angenommen (Abbildungen 6 und 7).
Die Dokumentation zu der Modellierung des
Modells im Computer (Definition der Variablen
und verwendete Funktionen) ist im Anhang niedergelegt.
Abbildung 6: Simulationsdiagramm (Modell).
A: Kleines Gefäß mit dem Lösungsmittel mit gelösten Stoffen.
Interpretation
B: Großes Gefäß mit dem reinen Lösungsmittel.
Wie mit einem einfachen Experiment gezeigt VA: Volumen von A am Anfang
werden konnte, können die Oszillationen durch VB: Volumen von B am Anfang
ein Wasserpendel nicht erklärt werden, da die pH: Hydrostatischer Druck
pO: Osmotischer Druck
Dämpfung durch die sehr kleine Öffnung des obePegel: Niveau der Oberfläche von A
ren Behälters viel zu groß ist. Daher ist ausser Die Einheiten aller Parameter des Modells sind überprüft. Extremwerte von
dem hydrostatischen Druck ein weiterer „Antrieb“ Parametern führen zu korrekten Resultaten. Sensitivitäten sind interpretierbar,
notwendig. Das ist hier die seit 1748 bekannte kurz, das Modell ist validiert.
und von van’t Hoff formulierte Osmose [25]. Jede
Osmose setzt eine chemische Verbindung zwischen der gelösten Substanz und dem Lösungsmittel, eine Lösung, voraus. Da das untersuchte
System jedoch keine semipermeable Membran
besitzt, ist die Osmose trotzdem nicht offensichtlich. Eine einseitige Strömung reicht jedoch aus
[26], weil sie, wie eine Membran die Rückströmung verhindert. In unserem Experiment ist die
strömende Flüssigkeit für die Trennung der unterschiedlichen Konzentrationen verantwortlich.
Das Wasser tritt rasch in die Salzlösung ein und
durch die Turbulenzen in der genügend kleinen
Öffnung mit entsprechenden Kanten wird der
gleichzeitige Austritt der Salzlösung verhindert.
Es ist nicht nur der Dichteunterschied, der die
Oszillationen verursacht. Der wichtige Unterschied zur kontinuierlichen Strömung besteht
in der Verzögerung, verursacht durch die Turbulenzen in der engen Öffnung, die eine Doppelströmung verhindert. Laminare Strömungen
durch entsprechende Öffnungen oder genügend
Abbildung 7:
hohe Viskosität führen zu Doppelströmungen.
Zeitdiagramme.
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Osmotische Oszillationen
Abbildung 8: Bewegungen der Seitenfiedern der Seitenfiederpflanze oder Telegraphen-Pflanze. Bei 20 °C etwa alle 4 Minuten
eine volle Umdrehung.
Bewegungen bei Pflanzen, gen lässt. Wasser strömt nach und verformt die
Schließzellen welche den Gas- und Wasserausverursacht durch Osmose tauch ermöglichen (Abbildung 9).
Abbildung 9: Das periodische Schließen
und Öffnen der Stomata durch Osmose.
a) Begonie mit Blättern. Die Stomata
sind auf der Unterseite;
b) Stoma geschlossen [30];
c) Stoma etwas offen
d) Stoma ganz offen.
a)
b)
c)
d)
Womöglich lässt sich das Prinzip, dass sich hinter dem Salzoszillator verbirgt, auch für die
Erklärung anderer Phänomene
in der Natur nutzen. So gibt es
die Telegraphen-Pflanze, auch
Semaphor-Pflanze, SeitenfiederPflanze, Desmodium motorium,
Desmodium gyrans. genannt.
Bei ihr bewegen sich sie Seitenfiedern bei 20 °C etwa alle
4 Minuten periodisch um eine
volle Umdrehung (Abbildung 8).
Die Bewegungen von Desmodium gyrans wurden schon
1827 von Ludwig Heinrich
Palm beschrieben [27] und von
Charles Darwin im Buch „Das
Bewegungsvermögen der Pflanzen“ erwähnt [28]: Die beiden
gegenüberliegenden Seitenfiedern bewegen sich in entgegengesetzter Richtung. Der Antrieb
erfolgt über die Osmose [29].
Alleine schon die Zeitverzögerung führt zu
Oszillationen, wie die folgende Simulation zeigt
(Abbildungen 10 und 11).
Die Zeitverzögerung, auch als Phasendifferenz
zwischen Wasserzufluss und Wasseraustritt aus
dem Blatt bezeichnet, ist für die Oszillation der
Transpiration entscheidend [32].
In der Biochemie sind die glykolytischen Oszillationen bekannt, auch sie könnten nicht nur
durch Rückkopplung [33], sondern auch durch
blosse Verzögerung verursacht sein.
Es gibt auch Überlegungen, mit dem Prinzip
des Salzoszillators Klimaveränderungen zu begründen. Dabei geht es um den periodischen
Austausch von Gletschereiswasser aus Grönland
mit dem Salzwasser des umgebenden Ozeans
[34, 35].
Quintessenz
Mit einem Gefäß mit einer kleinen Öffnung am
Boden, gefüllt mit einer konzentrierten im Lösungsmittel gelösten Substanz und einem grossen Gefäß mit Lösungsmittel (meist Wasser) lässt
sich ein periodisches Ein- und Ausfließen zeigen.
Diese
Oszillationen werden verzögert von zwei
Stoma, Spaltöffnung
Kräften angetrieben, dem hydraulischen und
Die Oszillationen der Schließ- dem osmotischen Druck. CLB
zellen von Blättern sind bekannt.
Die biochemischen Reaktionen,
die mit den Spaltöffnungsappa- Anhang
rat oder stomatären Komplex Die Dokumentation zu der Simulation
betreffen sind so komplex, dass
es sich aufdrängt, sich auf mög- A= INTEG (ein-aus, VA)
liche einfache Mechanismen zu Units: m*m*m
konzentrieren. Statt der Gravi- Volumen Spritze 2 ml = 2*1e-6 m3
tation von unserem Beispiel aus= DELAY FIXED (k*fH, Verzögerung ,k*fH) Units: m*m*m/
wird bei den Stomata Wasser Second
verdunstet, was die Konzen- Ausströmen und Verzögerung des Ausflusses gegenüber der eintration in den Zellen und damit strömenden Flüssigkeit. Die ausströmende Flüssigkeit verhindert
den osmotischen Druck anstei- das Einstromen.
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Osmotische Oszillationen
Abbildung 10: Wie Transpirationsschwingungen bei einem Haferblatt
entstehen: Schema des Rückkopplungskreises [31]. Dieses Modell ist nicht
konsistent, da z.B. der Wassergehalt
mit der Öffnung der Stomata und dem
Störsignal, der Zeitverzögerung und
der Wasseraufnahme bei den Flüssen
gleichgesetzt werden.
Abbildung 11: Einfachstes Simulations- diagramm der Oszillationen der
Stomata-Öffnungen. Entscheidend
sind die Geschwindigkeiten der
Wasseraufnahme und -abgabe sowie
die Verzögerung.
B= INTEG (aus-ein, VB)
Units: m*m*m
Unteres Gefäß; Volumen Gefäß: 200 ml =200*1e-6 m3 Es ist ein
Pendeln zwischen zwei Gleichgewichtszuständen. Falls der Fluss positiv ist, dann wirkt der hydrostatische Druck als Antrieb. Falls der
Fluss 0 oder nicht positiv ist, wirkt der osmotische Druck als Antrieb.
ds= 1200*1
Units: kg/(m*m*m) [800,1500] Dichte Salzwasser
dw= 1000*1
Units: kg/(m*m*m) [800,1300] Dichte Wasser
ein= k*fO
Units: m*m*m/Second
einströmen in die dichtere Flüssigkeit
fH= IF THEN ELSE(pH>0, (SQRT(pH/dw))*(rk*rk*3.14) , 0 )
Units: m*m*m/Second
Fluss bestimmt durch Hydrostatik: Fluss=SQRT(p/d)*Q
fO= (SQRT(pO/ds))*(rk*rk*3.14)
Units: m*m*m/Second
Fluss bestimmt durch Osmose; Fluss=SQRT(p/d)*Q
g= 9.81*1
Units: m/(Second*Second)
Graviationskonstante
k= 0.005
Units: Dmnl [0,?]
Kopplungskonstante; Hat einen Einfluss auf die Amplitude, ist jedoch in der Größe unbekannt.
Pegel= A/(ra*ra*3.14)
Units: m
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Osmotische Oszillationen
Pegel im oberen Gefäß mit der dichteren Lösung
pH= -((VA-A)/(ra*ra*3.14)*ds-(VB-B)/(rb*rb*3.14)*dw)*g
Units: kg/(Second*Second*m)
Hydrostatischer Druck: p = ro*g*h = 1000*9.81*0.3e-3 =
2.943 Pa
pO= 0.5
Units: kg/(Second*Second*m) [0,3]
Osmotischer Druck: Eintauchtiefe ca. 3 cm -> p=ro*g*h =
1000*9.81*3e-2 = 294.3 Pa ra= 0.005
Units: m [0.00499,0.00501]
Radius oberes Gefäß A: 0.5 cm = 5e-3 m
rb= 0.025
Units: m [0.008,0.06]
Radius unteres Gefäß B: 2.5 cm = 2.5e-2 m
rk= 0.005
Units: m [0.001,0.01]
Radius der Öffnung
VA= 2e-006
Units: m*m*m
Anfangsvolumen von A: In der Spritze 2 ml
VB= 0.0002
Units: m*m*m [0.0001,0.001]
Anfangsvolumen von B
Verzögerung= 1
Units: Second [0,3]
Verzögerung von aus(fließen) gegenüber ein(fließen)
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114 CLB 66. Jahrgang, Heft 03 - 04/2015
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