Beweis zum Gleichdick

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Figuren mit konstanter Breite
Edzard Salow
Satz: f sei eine integrierbare Funktion von R in [−1 ; 1] mit f(α + π) = − f(α) für alle α∈ R. Es
π
gelte außerdem
π
∫ f (α ) ⋅ sin(α )dα = 0 und ∫ f (α ) ⋅ cos(α )dα = 0 . Dann ist die Kurve
0
0
α
α


P: α → 1 − ∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ )dϕ , ∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ )dϕ , α ∈ R eine geschlossene Kurve
0
 0

mit der Periode 2π, deren konvexe Hülle H ein Gleichdick mit der Breite 2 ist.
Für alle β ∈ R haben die Punkte P(β) und P(β+π) den Abstand 2. Die Gerade g(β) durch P(β)
und P(β+π) hat den Richtungswinkel β. Die konvexe Hülle H liegt vollständig zwischen den
Senkrechten zu g(β) durch die Punkte P(β) und P(β+π).
Wenn f an der Stelle β stetig ist, existieren in den Punkten P(β) und P(β+π) eindeutige
Tangentenvektoren P'(β) bzw. P'(β+π) senkrecht zu g(β), und es gilt P ′( β ) = 1 − f ( β ) und
P ′( β + π ) = 1 + f ( β ) .
Wenn f im Intervall[0 ; π] differenzierbar ist, dann hat die Kurve
α
α



D: α →  f (0) + ∫ cos(ϕ ) f ′(ϕ )dϕ ; ∫ sin(ϕ ) f ′(ϕ )dϕ  , α∈ R folgende Eigenschaften:
0
0


D ist periodisch mit der Periode π. Für alle β existiert ein eindeutiger Tangentenvektor D'(β)
mit der Länge f ′( β ) und dem Richtungswinkel β, und D(β) teilt die Strecke P(β)P(β+π) im
Verhältnis (1−f(β)) : (1+f(β)).
Beweis: Wir benutzen die Abkürzungen
b
s(a,b) =
b
∫ f (ϕ ) ⋅ sin(ϕ )dϕ
und c(a,b) =
a
∫ f (ϕ ) ⋅ cos(ϕ )dϕ . β sei ein beliebiger Winkel.
a
Aus f(ϕ+π) sin(ϕ+π) = (− f(ϕ))(− sin(ϕ)) = f(ϕ) sin(ϕ) folgt s(β , β+π) = s(0 , π) = 0.
Aus f(ϕ+π) cos(ϕ+π) = (− f(ϕ))(− cos(ϕ)) = f(ϕ) cos(ϕ) folgt c(β , β+π) = c(0 , π) = 0.
β +π
β +π
∫β (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ )dϕ
∫β sin(ϕ )dϕ − s( β , β + π )
=
π
∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ )dϕ
= 2 und
∫β (1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ )dϕ
∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ )dϕ
∫β sin(ϕ )dϕ , also
= −2.
π
β +π
β +π
∫β cos(ϕ )dϕ − c( β , β + π )
=
∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ )dϕ =
0
=
2π
0
π
β +π
β +π
=
∫β cos(ϕ )dϕ , also ist
2π
∫π (1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ )dϕ
= 0.
Darum ist P(2π) = (−1 ; 0) und P(2π) = P(0) = (1 ; 0), also P eine geschlossene Kurve.
Zu δ > 0 sei der Verbindungsvektor P (β+δ) − P (β) von den beiden Punkte P(β) und P(β+δ)
betrachtet. u(β) = (cos(β) ; sin(β)) sei der Richtungsvektor zum Winkel β. Das Skalarprodukt
( P(β + δ ) − P( β )) ⋅ u(β ) sei hβ(δ) genannt. Der Betrag von hβ(δ) gibt den Abstand des
Punktes P(β+δ) von der Geraden durch P(β) an, die senkrecht zum Vektor u(β) steht. Er ist
Null für δ = 0. Es soll gezeigt werden, dass er mit wachsendem δ zunimmt bis er für δ = π den
Wert 2 erreicht und dann wieder abnimmt bis er für δ = 2π wieder Null wird. Damit ist dann
gezeigt, dass die Breite der konvexen Hülle in Richtung β gleich 2 ist.
β +δ
 β +δ


hβ(δ) = ∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ (− sin(ϕ )dϕ ; ∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ )dϕ  ⋅ (cos( β ); sin( β )) =


β
 β

β +δ
∫β (1 − f (ϕ )) ⋅ (− sin(ϕ ) cos(β ) + cos(ϕ ) sin(β ))dϕ
=−
β +δ
∫β (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ − β )dϕ
Da (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ − β ) ≥ 0 ist für alle ϕ ∈ [ β ; β + π ] ist hβ monoton fallend im Intervall
[β ; β + π] . Entsprechend zeigt man, dass hβ im Intervall [β + π ; β + 2π] monoton steigend
ist.
β +π
 β +π


P(β+π) − P(β) = − ∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ )dϕ ; ∫ (1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ )dϕ  =


β
 β

β +π
 β +π

 − sin(ϕ )dϕ − s ( β , β + π ); cos(ϕ )dϕ − c( β , β + π )  =
∫β
 ∫

 β

(cos(β+π) − cos(β) ; sin(β+π) − sin(β)) = −2(cos(β) ; sin(β)) = −2u(β). Darum hat die Gerade
g(β) durch P(β+π) und P(β) den Richtungswinkel β und ( P ( β + π ) − P( β )) ⋅ u ( β ) = − 2.
Wenn f an der Stelle β stetig ist, existiert nach dem Hauptsatz der Differential- und
Integralrechnung ein eindeutiger Tangentenvektor P '(β) = (1 − f(β))(−sin(β) ; cos(β)). Er hat
die Länge 1 − f(β) und steht senkrecht zu u(β). Wegen f(β+π) = − f(β) existiert auch der
Tangentenvektor P '(β+π) = (1 − f(β+π))(− sin(β+π) ; cos(β+π)) =
(1 + f(β))(sin(β) ; −cos(β)) mit der Länge 1 + f(β), ebenfalls senkrecht zu u(β).
Wegen f(ϕ+π) sin(ϕ+π) = f(ϕ) sin(ϕ) und f(ϕ+π) cos(ϕ+π) = f(ϕ) cos(ϕ) hat D die Periode π.
Wenn f differenzierbar ist, gilt nach dem Hauptsatz D '(β) = (cos( β ); sin( β )) ⋅ f ′( β ) . Für die
Differenz P(β) − D(β) ergibt sich
β
β


1 − f (0) + (−(1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ ) − cos(ϕ ) ⋅ f ′(ϕ ))dϕ ; ((1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ ) − sin(ϕ ) ⋅ f ′(ϕ ))dϕ 
∫
∫


0
0


β
β


= 1 − f (0) + ∫ ((1 − f (ϕ )) ⋅ cos(ϕ ))' dϕ ; ∫ ((1 − f (ϕ )) ⋅ sin(ϕ ))' dϕ  = (1 − f(β)) u(β). Es folgt
0
0


P(β+π) − D(β+π) = P(β+π) − D(β) = (1 − f(β+π)) u(β+π) = − (1 + f(β)) u(β). Deshalb teilt
D(β) die Strecke P(β)P(β+π) im Verhältnis (1−f(β)) : (1+f(β)).
Q.e.d.
Aus dem Satz folgt, dass die Drehpunktkurve D die Hüllkurve der Schar der Normalen der
Randkurve P des Gleichdicks ist. D ist also die Evolute von P und P die Evolvente von D. Da
D in dem Satz nur für eine differenzierbare Drehpunktfunktion definiert ist, wird z. B. der
wichtige Fall des Reuleaux-Dreiecks nicht erfasst. Diesen Nachteil kann man durch
Verwendung von Stieltjes-Integralen in folgender Weise beheben:
Wenn f im Intervall[0 ; π] beschränkt variiert, dann hat die Kurve
α
α


D: α →  f (0) + ∫ cos(ϕ )df (ϕ ); ∫ sin(ϕ )df (ϕ ) , α ∈ R folgende Eigenschaft: D(β) teilt die
0
0


Strecke P(β)P(β+π) im Verhältnis (1−f(β)) : (1+f(β)).
Zum Beweis benutzt man die Regel zur partiellen Integration für Stieltjes-Integrale:
P(β) − D(β) =
β
β
β
β


1 − f (0) + (1 − f (ϕ ))d cos(ϕ ) + cos(ϕ ) ⋅ d (1 − f (ϕ )), (1 − f (ϕ ))d sin(ϕ ) + sin(ϕ ) ⋅ d (1 − f (ϕ )) 
∫0
∫0
∫0
∫0




= (1 − f (0) + (1 − f ( β )) cos( β ) − (1 − f (0)) cos(0); (1 − f ( β )) sin( β ) − (1 − f (0)) sin(0) )
= (1 − f(β)) u(β).
Der oben angegebene Satz gibt ein Konstruktionsverfahren für Figuren mit konstanter Breite
an. Es ist aber nicht klar, ob es nicht noch weitere derartige Figuren gibt, die durch dieses
Konstruktionsverfahren nicht erfasst werden. Darum ist es sinnvoll, bei Beweisen von Sätzen
über Figuren mit konstanter Breite diesen Satz nicht zu benutzen. Als Beispiel betrachten wir
den
Satz von Barbier: Jedes Gleichdick mit der Breite b hat die Umfangslänge πb.
Beweis: Unter der Summe A + B zweier Punkte A(xA ; yA) und B(xB ; yb) verstehen wir den
Punkt (xA + xB; yA + yB) . Unter der Summe K+L zweier Punktmengen K und L verstehen wir
nach Minkowski die Menge {A + B ; A∈K und B∈L}. Entsprechend definieren wir die
Summe von zwei Mengen reeller Zahlen.
Wenn u(β) =(cos(β) ; sin(β)) der Einheitsvektor in Richtung β ist, dann soll A ⋅ u ( β ) das
Skalarprodukt x A ⋅ cos( β ) + y A ⋅ sin( β ) des Ortsvektors von A mit dem Vektor u(β) bedeuten.
Die Breite einer beschränkten konvexen Punktmenge K ist dann durch die Breite des
Intervalls { A ⋅ u ( β ) ; A∈K } gegeben. Die Breite der Summe K+L zweier derartiger
Punktmengen ist die Breite des Intervalls
{ ( A + B ) ⋅ u ( β ) ; A∈K und B∈L }= { A ⋅ u ( β ) + B ⋅ u ( β ) ; A∈K und B∈L }=
{ A ⋅ u ( β ) ; A∈K }+{ A ⋅ u ( β ) ; A∈K }. Dies ist aber die Summe der Breiten von K und L in
Richtung β.
Sei nun K ein Gleichdick und L das Gleichdick, das durch Spiegelung von K an irgendeinem
Punkt U entsteht. K+L ist dann ein Gleichdick mit der Breite 2b, das punktsymmetrisch zu U
ist. Es soll gezeigt werden, dass K+L eine Kreisscheibe ist.
Dazu betrachten wir das Intervall { ( A + B ) ⋅ u ( β ) ; A∈K und B∈L }. Die kleinste Zahl in
diesem Intervall sei e, die größte f. Die parallelen Geraden mit den Gleichungen
x ⋅ cos( β ) + y ⋅ sin( β ) = e und x ⋅ cos( β ) + y ⋅ sin( β ) = f haben den Abstand 2b, da e und f
den Abstand 2b haben. Die Geraden enthalten Randpunkte E bzw. F von K+L. Der Abstand
dieser Punkte kann höchstens 2b sein, da sie zu K+L gehören. Da die beiden Geraden selbst
den Abstand 2b haben, muss der Abstand von E und F gleich 2b sein. Die beiden Geraden
enthalten neben E bzw. F keine weiteren Punkte von K+L, da es sonst Punkte in K+L gäbe,
die einen größeren Abstand als 2b haben. Da K+L punktsymmetrisch zu U ist, liegt darum U
in der Mitte der Strecke EF. Alle Randpunkte von K+L haben also den Abstand b von U. K+L
ist darum ein Kreis mit der Umfangslänge 2πb. Da K und L dieselbe Umfangslänge haben,
muss die Umfangslänge von K und von L halb so groß sein, also πb. Dabei benutzen wir den
Satz, dass die Umfangslänge der Summe zweier beschränkter konvexer Mengen K und L
gleich der Summe der Umgangslängen von K und von L ist.
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