Flusskrebse - unbekannte „Flussobjekte“ Dass in unseren Gewässern Krebse vorkommen, wissen heute viele Menschen nicht mehr. Dabei waren sie früher von großer Bedeutung für die Ernährung! Flusskrebs-Arten in Baden-Württemberg Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts besiedelten die heimischen Flusskrebs-Arten zahlreich die Gewässer. Diese Vorkommen waren so reich, dass viele Gewässer danach ihre Namen erhielten: z.B. Krebsbach, Krebsbrunnen. In Baden-Württemberg kommen heute drei einheimische (Edel-, Stein- und Dohlenkrebs) und mehrere eingeführte (Galizier-, Kamber-, Signal- und Roter Amerikanischer Sumpfkrebs) Flusskrebs-Arten vor. Vor kurzem wurde lokal im Raum Karlsruhe auch noch der Kalikokrebs aus Nordamerika nachgewiesen. Flusskrebse hatten für den Speiseplan der ärmeren Bevölkerung und die Fischerei ehemals eine große Bedeutung, dabei wurde vorwiegend der Edelkrebs genutzt. Die heimischen Flusskrebs-Arten im Kurzporträt 1 - Der Edelkrebs (Flusskrebs; Astacus astacus) Der Edelkrebs ist die größte und bekannteste heimische Art. Die Männchen werden bis zu 20 cm lang, die Weibchen bleiben etwas kleiner. Der typische Lebensraum sind größere Bäche bis kleine Flüsse, auch Seen und Weiher. Edelkrebse sind nur noch selten zu finden! Lebensraum und Lebensweise der Flusskrebse Nach der Literatur gehören die Flusskrebse zoologisch zum Stamm der Gliederfüßer (Arthropoda). Innerhalb der Ordnung der Crustacea (Krebse) bilden sie die Familie der Astacidae (Flusskrebse). Sie besiedeln unterschiedlichste Süßwasserbereiche - größere Bäche, kleinere Flüsse, stehende Gewässer - naturnahe, saubere Bäche mit überhängenden Ufern und steinigem Grund. Der Flusskrebs ist überwiegend nachtaktiv und versteckt sich tagsüber in selbst gegrabenen Höhlen. Krebse sind am Gewässerboden lebende Wasseratmer, d.h. sie müssen nicht an die Wasseroberfläche, um Atemluft zu schöpfen, sie nehmen den Sauerstoff im Wasser über Kiemen auf. Sie sind Aufwuchsfresser, die am Gewässerboden leben. Sie schwimmen stoßweise rückwärts durch ruckartige Schläge des Schwanzfächers und Einklappen des Hinterkörpers. Typisch für den Körperbau der Krebse ist ein Außenskelett, das aus kalkimprägniertem Chitin besteht und den Körper stützt und schützt. Kopf und Brust sind zu einem Kopfbruststück zusammengewachsen. Eine besonders harte Schale wölbt sich als Panzer darüber. Krebse sind „Zehnfüßer“: Die größten Gliedmaßen sind die Scheren zum Kämpfen und Zupacken, die nächsten vier Beinpaare dienen überwiegend der Fortbewegung. Daneben übernehmen bei den Flusskrebsen weitere (z.T. umgewandelte) Gliedmaßenpaare lebenswichtige Funktionen: Geruchs- und Gleichgewichtsorgan, Tastorgan, Kieferorgan, Schwimmfußpaare (am Hinterleib), Begattungsorgan, „Flossen“ und Schwanzfächer. Flusskrebse haben zahlreiche natürliche Feinde: Fische, Wasseramseln, Eisvögel, Otter. 2 - Der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) Der Steinkrebs ist die kleinste heimische Art. Er kann nur bis 8 cm Körperlänge erreichen. In den höher gelegenen Fließgewässern ist er noch relativ häufig. Er bevorzugt Gewässerabschnitte mit schnellerer Strömung. Seine Verstecke wählt er unter größeren Steinen. Die heimischen Flusskrebs-Arten sind in Bedrängnis! Starke Einbrüche der Bestandeszahlen gab es bei den heimischen Arten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ursache war und ist bis heute das Aussetzen nichtheimischer Krebsarten (weitere Einbrüche erfolgten in der Zeit der Gewässerverschmutzung und der Flussbegradigungen von 1950 bis 1990). Schon vor über 100 Jahren wurde damit begonnen, aus anderen Teilen der Welt stammende Flusskrebsarten in mitteleuropäischen Gewässern auszusetzen. Diese „Fremdlinge“ konnten sich in ihren neuen Lebensräumen oftmals erfolgreich behaupten und ausbreiten. Der in nahezu allen Arten von Flüssen und Kanälen lebende Kamberkrebs ist mittlerweile die häufigste Flusskrebsart. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat erstmalig in Europa eine bis dahin unbekannte Krankheit auf, die sich unaufhaltsam unter den Flusskrebsbeständen ausbreitete: die tödlich verlaufende Krebspest, hervorgerufen durch den Pilz Aphanomyces astaci. Noch vor Ende des 19. Jahrhunderts waren die Edelkrebsbestände Mitteleuropas vielerorts erloschen. Nur wenige Vorkommen in meist isolierten Gewässern blieben verschont. Träger des Erregers und damit indirekte Auslöser der Krebspest sind die amerikanischen Flusskrebsarten, die aus wirtschaftlichen Gründen bewusst durch den Menschen eingebracht worden sind! Von Natur aus resistent oder zumindest teilresistent gegen diesen Parasiten können amerikanische Krebse lebenslang Träger des Erregers sein. Die nicht heimischen Arten sind meist durch ihre höhere Vermehrungsrate, ihr aggressiveres Verhalten oder die höhere Toleranz gegenüber Umwelteinflüssen den heimischen Arten auch biologisch überlegen. Dadurch verdrängen sie diese auch ohne Übertragung der Krebspest. Die schon im 19. Jahrhundert begonnenen Ausbaumaßnahmen an den Gewässern und die sich verschlechternde Wasserqualität haben darüberhinaus zu einem Verlust an Lebensräumen geführt. Schutz und Förderung 3 - Der Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes) Der durch die Landesfischereiverordnung ganzjährig geschützte Dohlenkrebs ist bei uns nur noch sehr selten anzutreffen. Er kann bis 10 cm Länge erreichen. Dohlenkrebse verstecken sich im Uferbereich in Höhlen oder zwischen Baumwurzeln. Der Dohlenkrebs wurde erst in jüngerer Zeit in Baden-Württemberg entdeckt. Die Art besiedelt kleine Fließgewässer im Bereich des südlichen Oberrheins, des Hochrheins und der Vorbergzone des Schwarzwalds. Im Vergleich zum Steinkrebs scheint der Dohlenkrebs eher tiefer gelegene Bachabschnitte mit langsamerer Strömung zu bevorzugen. Gesetze und Verordnungen schützen die heimischen Krebsarten. Sie unterliegen dem Fischereirecht. Die Landesfischereiverordnung legt lange Schonzeiten und hohe Schonmaße fest (Dohlenkrebs: ganzjährig geschützt; Steinkrebs und Edelkrebs: Schonzeit w 1.10.-10.07. bzw. m 1.10.-31.12.; Schonmaße 8 cm bzw. 12 cm bei Edelkrebs männlich). Voraussetzungen für den Erhalt der heimischen Arten sind naturnahe Fließgewässer mit unbelasteter Wasserqualität, kein Vorhandensein exotischer Krebsarten, der Verzicht auf bestimmte Fischarten (z.B. Aale, Barsche), der Verzicht auf Elektrobefischungen, da diese die Krebse schädigen. Weiterhin muss das Gewässer vor Insektizideintrag geschützt sein. Unter diesen Voraussetzungen können Wiederansiedlungen erfolgreich durchgeführt werden. Wo diese Bedingungen nicht vorhanden sind, sollten entsprechende Renaturierungen unternommen werden. Text: Bauer Fotos: Hilligardt (Vorderseite), Michael Möhlenkamp (Edelkrebs), Christoph Leeb CC-BY-3.0 (Steinkrebs), David Gerke CC-BY-3.0 (Dohlenkrebs) Literatur zur Artenbestimmung: www.EdelkrebsprojektNRW.de, Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg