TELL ME WHERE IT IS ALESSANDRO SCHIATTARELLA Vorstellungen: SO 22., 18:00 Uhr (Premiere) MO 23. / DI 24. / DO 26., jeweils 20:00 Uhr FR 27. November 2015, 21:00 Uhr ROXY | Muttenzer Strasse 6 | Postfach 836 | CH-4127 Birsfelden | [email protected] | Tel +41 / (0)61 313 60 98 KURZBESCHREIBUNG DES STÜCKS Als junger Erwachsener erhielt der Tänzer und Choreograf Alessandro Schiattarella die Diagnose an einer neuromuskulären Krankheit zu leiden. Die Krankheit würde dafür sorgen, dass die Muskeln in den Händen langsam verkümmern. Dennoch verfolgte er seinen Traum und fand in verschiedenen renommierten internationalen Tanzgruppen Unterschlupf. Die ambivalenten persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse die er dabei gemacht hat, dienen ihm in seinem Tanzsolo als Ausgangspunkt, um grundsätzlicher über Begrenzungen in Kunst und Gesellschaft nachzudenken. Ihn treibt dabei die Einsicht an, die Begrenzung nicht als Einschränkung, sondern als Erweiterung für tänzerische und gesellschaftliche Zusammenhänge zu sehen. Alessandro Schiattarella war bis 2014 Ensemblemitglied am Ballett des Theater Basel. Davor war er u.a. Mitglied vom Béjart Ballet Lausanne, dem Ballet Du Grand Théâtre de Genève, dem Scapino Ballet etc. Seit einem guten Jahr realisiert er Projekte im Kontext der freien Basler Szene und war im Rahmen von MIXED PICKLES mit einem Kurzstück am ROXY zu sehen. Choreografie, Tanz und Video: Alessandro Schiattarella / Technik: Minna Heikkilä / Objektdesign: Veronika Gombert / Produktionsleitung: Yasemin Yilmaz Gefördert durch: Fachausschuss Tanz und Theater BS/BL ALESSANDRO SCHIATTARELLA ÜBER „TELL ME WHERE IT IS“ Motivation A man can face his problems in a better way if confronted with himself, and perhaps will find better solutions this way… considering that we are similar to one another, these solutions might be helpful for others as well. Fabrizio de André, Ed avevamo gli occhi troppo belli, 2001. Erfahrungen zu teilen, dient mir als kreative Inspiration. Deswegen versuche ich eine intime und leicht zugängliche Sprache für mein Publikum zu entwickeln. Indem ich geläufige Momente der Angst, Träume oder persönliche Schwächen zeige, versuche ich Erlebnisse, die meinen Lebensweg geebnet haben, an die Oberfläche zu bringen. Das Hauptaugenmerk meiner aktuellen Arbeit liegt auf dem Thema “Limits – Begrenzungen”. Grundlage meines Bestrebens sind Fragen, auf die ich noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden habe. Wie kann man Begrenzungen akzeptieren? Wie kann man sie erweitern und ausbauen? Wie kann man sich nicht von ihnen überwältigen lassen und sie beseitigen? Diese Fragen stehen im Zentrum wiederkehrender Themen, die mich seit meiner Jugend begleiten. Mit meinem Körper, dessen Interaktion zur Musik und Videoprojektionen versuche ich die ungeklärten Fragen meiner Biografie freizulegen, zu verstehen und zu analysieren. ROXY | Muttenzer Strasse 6 | Postfach 836 | CH-4127 Birsfelden | [email protected] | Tel +41 / (0)61 313 60 98 Das Hirayama-Syndrom ist meine persönliche Beeinträchtigung, die mich seit meinem sechzehnten Lebensjahr begleitet. Die Krankheit verringert die Kraft in den Händen. Mein letztes Stück Altrove, zuletzt am 20. und 21. November 2014 im Theater Roxy aufgeführt, befasst sich mit dieser Krankheit. Als Typ zervicaler Myelopathie wird die Beugefähigkeit im Nacken beeinträchtigt. Nach einer progressiven Anfangsphase schwindet die Kraft in den Händen. Betroffen sind Jungen und Männer im Alter von 15 – 25 Jahren. Am Häufigsten tritt die Krankheit in Japan in Erscheinung. Die Amyotrophie ist bei den meisten Patienten unilateral, asymmetrisch bilateral und dabei in den seltensten Fällen symmetrisch. Teilen macht es einfacher schwierige Situationen zu akzeptieren. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr ist diese Krankheit der Grund für Schwierigkeiten und Frustration. Ich fühlte mich selbst als Hybrid zwischen “benachteiligt” und “normal“, was einige Identitätskrisen mit sich führte. Ein Zustand, indem man seine eigenen Fähigkeiten permanent anzweifelt oder gar hinterfragt. In den meisten Lebenssituationen fühle ich mich “normal”. Manchmal werde ich jedoch in alltäglichen Momenten mit meiner Beeinträchtigung konfrontiert, z.B. beim Nägel schneiden oder beim Hose öffnen. Weil man seine Hand nicht ignorieren kann, werde ich jeden Tag daran erinnert. Diese Erfahrungen zu teilen, macht es einfacher für mich die Beeinträchtigung zu akzeptieren und bietet mir eine mögliche Antwort auf die erste Diskussionsfrage. Diese Tatsache erhöht meine Motivation die Forschung zu vertiefen und neue Fragen aufzuwerfen, um nach Antworten zu suchen. Ich versuche in mir danach zu suchen, was für jeden zutrifft und umgekehrt. Das ausgearbeitete Stück TELL ME WHERE IT IS strebt nach den Tiefen; Aufgreifen, Diskutieren, Transformieren und neu Zusammensetzen des vorherigen choreografischen Materials. Meine Intention ist es nicht komplette und definitive Antworten zu finden, die ohnehin nicht zu finden sind, sondern eine zarte Verbindung zwischen zwei Welten, dem Publikum und der Szene zu kreieren. So kann ich meine persönliche Lösung zu spezifischen Situationen anbieten. Während des kreativen Arbeitsprozess zu Altrove, verstand ich, dass echte Beeinträchtigungen, die hohen Mauern sind, die man sich selbst in den Weg baut und dass man selbst die einzige Person ist, die davon befreien kann. In TELL ME WHERE IT IS werde ich diese Botschaft ins Zentrum meiner Auseinandersetzung stellen und deutlich präsentieren. Sich eingeschränkt zu fühlen, ist eine Erfahrung, die viele Menschen kennen. Das Teilen meiner persönlichen Erfahrungen, kann als Brücke zum Publikum verstanden werden. Mit meinem Stück möchte ich eine Verbindung zwischen dem Publikum und mir als Tänzer schaffen. Nicht durch das Aufzeigen von Lösungen oder einer ästhetischen Präsentation des Egos, sondern einer Einladung an die Öffentlichkeit mich auf meinem persönlichen Weg zu begleiten – dorthin, wo das Leben der Kunst begegnet. Konzept Die Idee, die mich dazu brachte meine vorherige choreografische Arbeit Altrove weiter auszubauen, ist das ich ein ausgereifteres, abendfüllendes und in sich geschlossenes Stück produzieren möchte. Die Thematik Beeinträchtigungen setzt sich in beiden Arbeiten fort. Der Grundgedanke, der letztlich dazu führte mein vorheriges Stück Altrove, weiter auszuarbeiten, ist der Wunsch aus dieser Thematik eine ausgereifte und abendfüllende Veranstaltung zu machen. ROXY | Muttenzer Strasse 6 | Postfach 836 | CH-4127 Birsfelden | [email protected] | Tel +41 / (0)61 313 60 98 Recherche Die erste Phase der Recherche baute ganz auf Improvisationen als kreative Schöpfungsquelle, um völlig neue Bewegungen zu kreieren und neuen Input zu bekommen. Improvisation hat sich weltweit als hilfreiches Werkzeug für choreografische Arbeiten erwiesen. Ein Mittel für Spontanität, das oft unerwartete und überraschende Bewegungen und Situationen hervorruft. Als weitere Recherchequelle dienten Bücher, wie “Making an Entrance” von Benjamin Adam. Das 2001 erschienene Buch setzt sich mit der Theorie und Praxis des Lebens als behinderter Tänzer auseinander. Die verschiedenen Erfahrungen von Menschen mit ähnlichen Handicaps haben meinen Horizont für ungewohnte Perspektiven erweitert und sollen TELL ME WHERE IT IS zu mehr Tiefe verhelfen. Körpersprache Bei Altrove baute die Choreografie auf einem Schema von systematischen körperlichen Einschränkungen auf. Dabei wird zunächst mit einer sehr detaillierten und technischen Phase begonnen, in der weder Arme noch Beine benutzt werden. Darauf folgt ein Abschnitt, in dem bestimmte Körperteile isoliert werden. Eine Umkehrung der ursprünglichen Funktionen der Gliedmassen, lässt eine ungewöhnliche Bewegungsqualität entstehen. Das Konzept sieht für mich als Tänzer vor, dass ich mich den Einschränkungen und sich daraus ergebenen Bewegungen unterordne und annehme was passiert und dadurch einen neuen und eigenen Weg gehen kann. Die Kombination aus körperlicher Beeinträchtigung und innerem Optimismus generieren eine konträre Atmosphäre: Einschränkungen werden als neue Möglichkeiten gesehen. Während Altrove sich darauf konzentrierte zu zeigen, was ich trotz Einschränkungen tun kann, will TELL ME WHERE IT IS einen expliziten Ansatz darstellen, der die körperlichen Einschränkungen tiefer gehend herauskehrt und Dinge zeigt, die ich nicht tun kann. Konsequenterweise werde ich den Nacken als Objekt der Einschränkungen hinzuziehen und versuchen dessen Einfluss auf die Asymmetrie des Körpers darzustellen. Musik Die Hirayama-Erkrankung (HirD) ist eine seltene juvenile spinale Muskelatrophie der distalen oberen Extremität, die selbstlimitierend verläuft. Die Ursache ist umstritten. Sie wurde 1959 von Herrn Dr. Keizo Hirayama entdeckt. Da die Krankheit in Japan am Häufigsten in Erscheinung tritt, hatte ich schon früh eine besondere Bindung zu diesem Land. In TELL ME WHERE IT IS werde ich diese spezielle Beziehung durch die Musik transportiern. Die sieben ästhetischen Prinzipien der Zen Philosophie Asymetrie, Einfachheit, Abwesenehit von Vorwänden, Naturalismus, Unvorhersehbarkeit, Freiheit und Ruhe werden in der Musik reflektiert werden. Zusätzlich wir eine japanische Frauenstimme, ursprünglich von der kanadischen Band Godspeed You! Black Emperor stammend, die Auswirkungen von HirD erklären. ROXY | Muttenzer Strasse 6 | Postfach 836 | CH-4127 Birsfelden | [email protected] | Tel +41 / (0)61 313 60 98 ALESSANDRO SCHIATTARELLA: CHOREOGRAF, TÄNZER, VIDEOEDITOR Alessandro Schiattarella wurde 1982 in Napoli geboren und absolvierte dort und in Mailand eine fundierte Ausbildung zum Tänzer und Bühnendarsteller. Neben Tanz und Operngesang waren auch Percussion, Theater und Martial Arts feste Bestandteile seiner Grundausbildung. 2002 begann seine Karriere als professioneller Tänzer. Er arbeitete bereits mit vielen international bekannten Künstlern, Gruppen und Spielhäusern, wie dem Bejart Ballet Lausanne, dem Ballet Du Grand Theatre de Geneve, dem Scapino Ballet Rotterdam, der East-West Theater Company Sarajevo, dem Stadttheater Bern, Da-Motus Fribourg und dem Ballett Basel. Er arbeitete bereits mit anerkannten Chorografen, wie Maurice Bejart, Koen Augustjinen, Marco Goecke, Joelle Bouvier, Richard Wherlock, Didy Veldmann, Stjin Celis und Ed Wubbe, um nur einige zu nennen. Als Choreograf hat er bereits folgende Stücke inszeniert: Mitosis – a duo on friendship, perhaps the A is an O – a trio about hierarchy, aufgeführt im Basel im Dezember 2013 produziert vom Tanzbüro Basel und dem Cathy Sharp Dance Ensemble. Altrove – ein autobiografisches Solostück, performte er auf verschiedenen Festivals zwischen 2012 und 2014: Parade and Open Dans Utrecht/Rotterdam, Niederlande; Fete de la Danse, MixedPickles#2 – Fribourg/Basel in der Schweiz. Bei internationalen Choreografie Wettbewerben in Hannover und Kopenhagen 2012 konnte Alessandro Schiattarella sich über den Einzug ins Finale freuen. Seine Neugier brachte ihn dazu mit verschiedenen performativen Genres in Kontakt zu treten. Zur Zeit arbeitet er als Visual Designer und Videoeditor für verschiedene Künstler und Theaterproduktionen in der Schweiz. Zuletzt für Doggy Style von Joshua Monten und das Tanzfest in Basel. In seinem Tanzunterricht legt er einen Fokus auf die Elaboration von neuen Bewegungen und Abläufen und das Körperzentrum im Bezug zu Räumen. Besonders intensiv beschäftigt sich Alessandro Schiattarella mit der Thematik “different ability”, was ihn zur Choreografischen Assistenz bei der in Locarno ansässigen Company Mops_DanceSyndrome, die aus Tänzern mit Trisomie 21 besteht, werden liess. Seit seinem sechszehnten Lebensjahr lebt Alessandro Schiattarella mit einer neuromuskulären Erkrankung, die ihm langsam die Kraft seiner Hände nimmt. Seit Februar 2015 wird er vom Theater Roxy in Birsfelden, dem Kulturausschuss von Basel Stadt, dem TanzHaus Zürich und der Dampfzentrale in Bern unterstützt, um sein erstes abendfüllendes Solostück Tell me where it is zu kreieren und aufzuführen. Der Verein Cinquantatré Alessandro Schiattarella gründete 2015 den Non-Profit-Verein Cinquantatré, um seine eigenen Projekte zu realisieren. Der Verein fokussiert sich auf interdisziplinäre Projekte. Tanz, Musik und Videoinstallationen sind dessen zentrale Elemente. In verschiedenen Kontexten gehen diese neue Verbindungen ein und beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Entwürfen und Fragestellungen auf verschiedenen sinnlichen Ebenen. Weitere Informationen Seit März 2014 ist Alessandro Schiattarella als freiberuflicher Künstler in Basel tätig. Er arbeitet mit kleinen Galerien wie dem Dock und Depot Basel zusammen. Für den Verein für Menschenrechte macht er sich in Form von audiovisuellen Kunstperformances stark. Darüber hinaus ist Alessandro Schiattarella Initiator und Administrator der Internetseite Dance Auditions Europe, welche heute über 10.000 Einträge zählt. Er ist italienischer Muttersprachler und spricht fliessend Französisch und Englisch. Aktuell lernt er Deutsch und kann noch Grundkenntnisse des Japanischen vorweisen. ROXY | Muttenzer Strasse 6 | Postfach 836 | CH-4127 Birsfelden | [email protected] | Tel +41 / (0)61 313 60 98 Für Pressekarten, Produktionsbilder und weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Larissa Bizer, Kommunikation ROXY, [email protected] oder Oliver Roth, Dramaturgie & Kommunikation ROXY, [email protected] Tel: 061 313 60 98 ROXY | Muttenzer Strasse 6 | Postfach 836 | CH-4127 Birsfelden | [email protected] | Tel +41 / (0)61 313 60 98