66 Marketing & Management Der schönste Supermarkt der Welt: Wirklich ein M anders Ruhe im Laden, regional geprägtes Sortiment, Architekturkunst am Ladenbau: Die familiengeführte Supermarktkette MPREIS behauptet sich im Discountland Österreich mit eigenständigen Ansätzen. Ein Blick nach Osten lohnt sich. Sehenswürdigkeiten gibt es im Tiroler Ferienort Achenkirch in der Nähe von Innsbruck eigentlich genug. Etwa das barocke Annakircherl, das oft für Hochzeiten genutzt wird. Oder das Salzstadel-Haus, einst der Treffpunkt von Salzhändlern, und – bei Gästen aus der Schweiz besonders beliebt – das Posthotel, ein Pionierbetrieb der alpenländischen Wellness-Szene. Dem Detailhandel nahe stehende Urlauber werden daneben oft in einem rostfarbenen Gebäude gesehen, das U-Bootartig anmutet und an der Expo.02 problemlos als futuristischer Pavillon durchgegangen wäre. Der bauchige Bau ist eine von 177 Filialen der österreichischen Supermarkt-Kette MPREIS. Und wem schon die Aussenperspektive erstaunlich vorkommt im Vergleich zum Fotograf: Lukas Schaller hiesigen Detailhandel, der wird drinnen auf weitere bemerkenswerte Ansätze stossen. Was gleich als erstes auffällt: Stille. Kein verkaufsfördernder Dudelfunk, keine Sonderpreis-Durchsagen. Einfach Ruhe. Fast andächtig schieben die Kundinnen und Kunden ihre Einkaufswagerl durch eine Regallandschaft mit viel Platz, durch einen Kubus, der durch die hohe Decke loftartig anmutet. Was den Eindruck des musealen Shoppings noch verstärkt: keine Preisaggressivität im Laden, keine farblich schreienden Aktionsschilder, fast keine Fremdmarken-Displays. In den Regalen: Neben den Markenartikeln, die ein Supermarkt einfach haben muss, vieles aus der Region. 48 verschiedene Marmeladen aus der Gegend, 145 regionale Wurst- und Speckvarianten, 41 nah erzeugte Produkte aus dem Bier- und Spirituosensortiment machen MPREIS zum stilvollen Tiroler Warentheater. Mit diesem Konzept hält das familiengeführte Unternehmen gut mit in der österreichischen Handelslandschaft, wo die Discounter einen Anteil von rund 30 Prozent – in der Schweiz geht man von 8 bis 9 Prozent aus – halten. 2008 kam MPREIS auf einen Umsatz von 527 Millionen Euro, was das Unternehmen auf den zehnten Platz in der österreichischen Handelsszene bringt. Wichtiger für die Firma, die fast ausschliesslich im Tirol tätig ist: Auf dem Heimmarkt liegt man in etwa gleichauf mit Spar, dem zweitstärksten Player im österreichischen Lebensmittel-Einzelhandel. Im Ausland ist MPREIS besonders für seine architektonische Ambition bekannt, das dem Unternehmen den Begriff «seriously sexy Supermarket» eingebracht hat. Zwar wirbt die Handelskette nicht aktiv mit diesem Prädikat, das das Londoner Trendmagazin «Wallpaper» geprägt hat, doch es wird in fast jeder Form der Berichterstattung – nun also auch hier wieder – verwendet. Wahrscheinlich deshalb, weil es auf gewisse Weise angemessen ist: Hier schafft es eine Detailhandelskette der eigentlich so banalen Tätigkeit des täglichen Einkaufs eine Krone aufzusetzen. Oder zumindest, die Leute bei ihren Botengängen nicht mit tausenden von Extra-Botschaften zu nerven und zu ärgern. MPREIS-Unternehmenssprecherin Ing­ rid Heinz erklärt, weshalb man bewusst Marketing & Management 67 Fotograf: Lukas Schaller auf besondere Bauart setzt: «Die Botschaft ist, den Vorgang des Einkaufens aufzuwerten, mittels einem besonderen Raumerlebnis, etwa mit Glasfronten und hohen Räumen, eine eigene Atmosphäre zu schaffen.» Seit Mitte der achtziger Jahre, als die Geschäftsleitung den befreundeten Architekten Heinz Planatscher ans Ladenbauwerk liess, haben viele verschiedene andere Architekten für MPREIS Filialen gestaltet und dem Unternehmen so einige Preise eingebracht. Der bauliche Anspruch hört aber nicht auf bei aussergewöhnlichen Haus-Hüllen, Materialien und transparentem Look. Auch im Laden-Inneren will man das schlichte, etwas entrückt wirkende Design durchziehen. Deshalb, sagt Heinz, verzichte man auf Musik und Lautsprecherdurchsagen und halte den Einsatz von Markenartikel-Displays möglichst klein, «um bewusst Klarheit, Ruhe und Übersichtlichkeit zu schaffen.» Trotz aller Eigenständigkeit kann es sich das Unternehmen nicht leisten, den Markt und die Aktivität der Konkurrenten aus dem Auge zu lassen. Immerhin haben auch DauertiefpreisAkrobaten wie Lidl oder Hofer (Aldi Süd) begonnen, regionale Produkte in ihr Sortiment zu nehmen und damit zu werben. Und auch wenn in den MPREIS-Läden wenig Preis-Aggressivität auszumachen ist, muss man der Stärke der Discounter auf diesem Gebiet irgendwie Paroli bieten können. Das Familienunternehmen macht sich preislich auf verschiedene Arten bemerkbar, ohne damit aber stark zu werben. Ähnlich wie die Schweizer Grossverteiler bildet man das Sortiment der Harddiscounter in den eigenen Läden ab. «Etwa 800 Diskont-Artikel», sagt Heinz, führe man zu sehr tiefen Preisen. Anders als bei Coop oder Migros wird das aber nicht in einer speziellen Linie oder Verpackung kommuniziert. Das Unternehmen, das ausser einem Bäckereiproduktionsund einem Fleisch-Zerlegebetrieb über keine eigene Industrie verfügt, arbeitet im preislichen Bereich weniger mit Aktionen im zweistelligen Abschlagsbereich, sondern verfolgt den Weg des «Mehr zum tieferen Preis». So wird etwa in der Regalanschrift auf gelbem Grund signalisiert, dass der erste Beutel Müesli-Mischung 2,99 Euro, jeder nächste aber nur 1,99 Euro kostet – «in der Menge billiger» lautet die Losung. Der Eindruck übervoller Regale kommt in den MPREIS-Filialen – sie sind in der Regel 500 bis 600 Quadratmeter gross – nicht auf. Man beschränkt sich auf ein Inserat Kassen-Stoffel, Handel Heute, 89 x 58 mm, 4-farbig, 15.12.08 Kassensysteme und Kartenterminals Marschalkenstrasse 81 4054 Basel Tel. 061 283 31 61 www.kassen-stoffel.ch SAP Electronic AG Kassensysteme und Informatiklösungen Weissenbrunnenstrasse 39 8903 Birmensdorf Telefon 043 344 11 11 www.sapelectronic.ch Scanning und Warenwirtschaft für Detailhandel und Gastronomie 68 Marketing & Management Sortiment, das die Zahl von 10 000 Artikeln nicht überschreitet. Der regionale Fokus lässt sich dabei in Zahlen fassen. Rund 1200 Lebensmittel stammen aus dem eigenen Bundesland, geliefert von mehr als 150 Lieferanten aus der Nähe. Der Tirol-Fokus setzt sich fort bis auf den Kassenzettel, wo unterhalb des Totals zusätzlich Subtotal und Anzahl der eingekauften Tiroler Produkte vermerkt werden. Fotograf: Günter R. Wett Fotograf: Lukas Schaller Fotograf: Thomas Jantscher Was von Therese Mölk 1922 im Inntaler Städtchen Wörgl unter der Affiche «Kleines Sortiment in grossen Mengen zu niedrigen Preisen» gegründet wurde, wird auch heute – wenn auch in wesentlich stilvollerer Art – noch gelebt. Insgesamt sind um 20 Mölk-Sprösslinge im Unternehmen tätig; die Firma wird von der dritten Generation geführt, die vierte ist ebenfalls schon aktiv. Insgesamt beschäftigt MPREIS mit Sitz in Völs bei Innsbruck 4400 Mitarbeitende, davon sind rund 150 Lernende. Gewinnzahlen gibt das Unternehmen zwar nicht bekannt, doch der Umsatzsprung von 494 Millionen Euro (2007) auf 527 Millionen Euro im 2008 zeigt, dass das Unternehmen einiges richtig und marktgerecht zu machen scheint. Hier zeigt eine familiengeführte Firma den Mut, der Übermacht von grossen Playern wie REWE, Spar und den Harddiscountern eine eigene Denke und Machart, einen selbstständigen Entwurf des täglichen Shoppings gegenüberzustellen. Bio-Kompetenz, fair gehandelte Lebensmittel, Einsatz im Lehrlingswesen, machen das Unternehmen bei Kunden, die ihren Einkaufsort auch nach Kriterien der Nachhaltigkeit wählen, zu einem Gewinner. Österreichische Marktbeobachter mögen denn auch keine Makel nennen – ausser vielleicht, dass das Unternehmen «eben halt kein internationaler Player ist», wie sich ein Einzelhandelskenner ausdrückt. Rein auf das österreichische Bundesland Tirol beschränkt sich die Firma inzwischen aber nicht mehr. Man führt auch acht Filialen im italienischen Südtirol und konnte durch die Übernahme von Adeg-Filialen einen Fuss nach Salzburg und Kärnten setzen. Doch der Hauptharst der 177 MPREISFilialen – 145 ingesamt – liegt im Tirol. Viele davon sind mit einem Convenience-Satelliten namens «Baguette» ausgestattet, ein dem Laden vorgelagertes Café-Bistro-Konzept, das zum kurzen Verweilen einlädt. Dass der österreichische Player – nennen wir ihn einmal salopp «Ein M anders» – irgendwann im Land des Platz- Marketing & Management hirschen, der sich «ein M besser» tituliert, antritt, ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. «Aus heutiger Sicht», sagt MPREIS-Sprecherin Ingrid Heinz, «ist eine Expansion in die Schweiz kein Thema». Es wäre für die familiengeführte Firma, die im eigenen Bundesland den Vorteil der regionalen und nachhaltigen Denke, Beschaffung und Sortimentierung souverän ausspielt, wohl auch schwierig, dies im westlichen Nachbarland in gleich starker Weise zu tun. Denn hierzulande besetzen die Grossverteiler dieses Feld, in den ruralen Gebieten spielt Volg diese Karte ebenso – und auf der preislichen Unterschiene geht sogar ein Aldi Suisse immer mehr dazu über, sich einen «Swissness-Orden» anzuheften. Wenn schon ein Schweiz-Bezug zu diesem erstaunlichen österreichischen Player herbeigezwungen sein soll, dann wohl am ehesten jener des Sortiments. Denn neben den internationalen Schweizer Export-Erfolgen wie Lindt, Emmis «Caffè Latte» und Nestlés Tur- 69 bo-Brands finden sich auch kleinere Schweizer Marken wie Ragusa, Ricola, Kambly, Munz oder Parisienne-Zigaretten im Sortiment von MPREIS. «Wir wollen», heisst es bei den Österreichern, «eine Vielfalt bieten, die auch kleinere Unternehmen berücksichtigt». Zum Tiroler Warentheater gesellt sich bei MPREIS so also eine kleinere Schweizer Nebenbühne. Andreas Güntert Shops, die man liebt ASSMANN Ladenbau Leibnitz GmbH A-8430 Leibnitz, Ottokar-Kernstock-Gasse 16, Tel +43 3452 700-281, Fax +43 3452 74288 [email protected], www.assmann.at, Member of the Umdasch Shopfitting Group