2 Kor 4, 6-‐10 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis

Werbung
2 Kor 4, 6-­‐10 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der
hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns
entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem
Angesicht Jesu Christi.
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die
überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. 8 Wir sind von
allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber
wir verzagen nicht. 9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht
verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. 10 Wir
tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das
Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
Kerzenanzünden Es sind jetzt keine Grundschüler da, schade, denn die kennen den Spruch, mit dem ich diese Predigt anfangen möchte: ‚Wir entzünden die Kerze als Zeichen dafür, dass Gott bei uns ist.‘ Dieser Spruch leitet das kleine Ritual am Anfang der Religionsstunde ein. Wenn man näher drüber nachdenkt, kann man bezweifeln, ob der Spruch pädagogisch so ganz sinnvoll ist. Schon wahr, wir sagen: ‚als ein Zeichen dafür, dass Gott bei uns ist‘. Aber zumindest die Erstklässler denken denken sich vielleicht trotzdem, dass man mit dem Kerzeanzünden Gott irgendwie ein bisschen herbeizaubert ... Auf jeden Fall ist das Anzünden der Klassenkerze ein unheimlich wichtiger Moment. Ab der zweiten Klasse dürfen es die Schülerinnen und Schüler -­‐
selbst machen. Fast alle sind höchst erpicht darauf, möglichst oft dranzukommen, so dass man eine genaue Liste führen muss. Und wenn es dann soweit ist, schauen alle wie gebannt zu. Wenn es nicht gleich klappt – die Schüler haben ja ein großes Streichholz, mit dem es eigentlich ganz leicht geht, aber die Aufregung ist eben bei manchen groß –, dann kommen sofort gute Ratschläge und freundliche, aber vielleicht nicht ganz uneigennützige Hilfsangebote. Ich finde es wichtig, dass jede Schülerin und jeder Schüler das kann: eine Kerze anzünden. Nicht weil die Kinder da einmal etwas tun, für das sie noch ein wenig Fingerfertigkeit brauchen, das sich nicht mit einem Zwei-­‐Finger-­‐
Drüberwischen am Bildschirm erledigen lässt. Nein, es geht darum, dass beim Kerzenanzünden etwas ganz besonderes passiert: Wer Feuer macht und eine Kerze anzündet, der startet einen physikalischen Vorgang, der alltäglich ist und doch etwas ganz besonderes, ein Ereignis von eigener 1 Schönheit: Das Aufflackern am Streichholz, die kleine Explosion, aus der ein dauerhafter Lichtschein entsteht, das Anbrennen des Dochts, dann die ruhige, stetige Flamme der Kerze, mit einem Farbton zwischen gelb und orange, den es eben nur in echt so gibt. Die Flamme mit ihrer Hitze, die das Wachs verflüssigt – und sofort beginnt, die Kerze, der sie eben das Licht geschenkt hat, in ihrer Substanz aufzuzehren. Wenn wir ein Bild bräuchten dafür, wie etwas Neues in die Welt kommt, etwas, das vorher nicht da war und jetzt auf einmal erscheint und erlebbar wird … mir steht da das Entzünden einer Kerze vor Augen. Wenn wir ein Bild bräuchten dafür, wie man sich selbst verzehren kann dadurch, dass man alles gibt, dass man ohne Rückhalt für eine Sache einsteht – wir sagen ja von so einer Person: Sie lebt wie eine Kerze, die von beiden Enden brennt. Und wenn wir ein Bild bräuchten für Wärme, für Geborgenheit, für ein geheimnisvolles Vertrauen, das manchmal ganz ohne Worte entsteht – für unsere tiefe Sehnsucht nach einem Ort, an dem wir ankommen, zur Ruhe kommen, an dem wir willkommen sind – auch da denke ich an den Schein einer Kerze, an das golden flammende Leuchten, an das leichte Flackern, das ringsumher das Halbdunkel bewegt erscheinen lässt – lebendiges Licht. Es werde Licht Kein Wunder, dass das Licht, der Lichtglanz ein Ankerbild in der Sprache unseres Glaubens ist. Es werde Licht – das ist ein Satz, den nur Gott aussprechen kann. Dass Licht ist, dass es existiert, dass es nicht nur Dunkelheit gibt; dass die Dinge zu leben anfangen – ohne Licht geht das ja nicht; das ist etwas zutiefst Wunderbares. Wir können es nicht begreifen, nicht erklären, ohne dass wir wir uns einen denken, der alles angestoßen hat, einen Willen, einen Geist. Wahrscheinlich ist alles viel komplizierter, unsere Vernunft stößt da an ihre Grenzen; aber im Glauben können wir Zuflucht nehmen zu diesem Bild und eine Geschichte von der Schöpfung erzählen: Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. Aber was ist das: Gott? Was bedeutet das eigentlich? Wer ist dieses geheimnisvolle Gegenüber, an den ich denken muss, wenn ich an die Grenzen meiner Vernunft gerate – an den ich vielleicht eher denken sollte bei den ganz einfachen, den ganz alltäglichen Dingen, beim Anzünden einer Kerze, oder dann, wenn ich diese besondere Zufriedenheit spüre, wenn ich an einem Wintermittag ins Freie trete und die Sonne im Gesicht spüre, die sogar jetzt noch Kraft hat zu wärmen … Was bedeutet das also: Gott? Gott ist der, der die Dinge zum Leuchten bringt. Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat 2 einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes … . Gott hat eine Kraft, dass er in uns Licht machen kann. Er kann uns aufleuchten lassen wie eine Kerze, die entzündet wird. – Wie passiert das? Wenn wir ganz genau hinhören, merken wir: Paulus meint hier erstmal sich selbst. Der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben – Paulus versteht es so, dass das für ihn persönlich gilt; ihm hat sich Gott in einer extrem intensiven Begegnung gezeigt, die ihn im tiefsten erkennen ließ, was Leben eigentlich bedeutet. Das steht am Anfang. Wenn wir so wollen, ist Paulus das Zündholz. Von Gott selbst entzündet, vom Geist erleuchtet, beauftragt, sein Licht anderen weiterzugeben. Paulus ist einer, der Gott erkannt hat, der am eigenen Leib erlebt hat, wer Gott ist: Der, der die Dinge zum Leuchten bringt. Der Menschen zum Leuchten bringt. Einige, denen er besondere Sehkraft zutraut, lässt er seinen vollen Glanz sehen. Selbst Paulus hat das kurzfristig überfordert, er wurde blind, damals vor Damaskus, erzählt die Apostelgeschichte. Er selbst sagt davon nichts. Aber wir müssen nur ein paar Verse aus seinen Briefen hören, um zu begreifen: Paulus hat gebrannt dafür, das, was er gesehen hat, anderen Menschen mitzuteilen. Damit sie Anteil an Gott bekommen. Damit sie realisieren, was Leben eigentlich bedeutet. Dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. – Nochmal: Wie soll ich mir das vorstellen – Gott; Gottes ‚Herrlichkeit‘? Das Wort kann ich ja verstehen, ich weiß, was ‚herrlich‘ bedeutet. Ein herrlicher Tag, eine herrliche Idee … Im originalen Text, auf Griechisch, steckt übrigens nicht der ‚Herr‘ in diesem Wort. Die Christen, die Paulus angeschrieben hat, haben den ‚Glanz‘ herausgehört aus diesem Wort ‚Herrlichkeit‘. Es ist das gleiche Wort, das auch im zweiten Buch Mose verwendet wird, wenn von dem Glanz die Rede ist, den Mose auf seinem Gesicht trug, wenn er von Gott kam. Ja, und wie sieht diese Herrlichkeit jetzt aus? Wo glänzt es denn? Sehen wir Gottes Glanz im Gesicht eines Menschen, wie damals bei Mose? Ja – und nein. Paulus erklärt uns das: Sein Auftrag ist es, die Mitmenschen zu erleuchten, damit sie zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi kommen. In diesem Gesicht spiegelt sich Gottes Glanz. Jesus, das Ebenbild Gottes. Moment mal: Paulus wusste doch gar nicht, wie Jesus aussah. Also, zumindest sagt er nirgendwo etwas davon, dass er ihm einmal zu Lebzeiten begegnet ist, das ist insgesamt wirklich sehr unwahrscheinlich. Wieso soll 3 dann gerade er derjenige sein, der so glaubwürdig von Gottes Glanz erzählen kann, der sich im Gesicht von Jesus Christus spiegelt? Er kann es, weil in diesem Gesicht, das alle sehen konnten, solange Jesus lebte – in diesem Angesicht, in dem sich die Gefühle spiegelten, die Jesus hatte, seine Stimmungen, sein Befinden, wie bei jedem Menschen –, weil in diesem Gesicht eben gar nichts Überirdisches glänzte, weil da gar nichts zu sehen war, das man nicht auch im Gesicht jedes anderen Menschen finden kann, wenn man nur lang genug und aufmerksam und liebevoll hinsieht: Das Gute im Menschen, das kann man finden, wenn man Jesus ins Gesicht schaut. Die Liebe zu den Mitmenschen; die Hingabe; den Glauben. Jesus hat realisiert, was Leben eigentlich bedeutet. Realisiert in der doppelten Bedeutung des Wortes: Er hat es verstanden, im Kopf und im Herzen. Und mit diesem hellen Schein in seinem Herzen hat er das, was er erkannt hat, umgesetzt. Seinen Mitmenschen Gottes Liebe mitgebracht. Dass Jesus ganz, dass er ohne irgendwelche Abzüge oder Beschönigungen Mensch war – das macht es sinnvoll, dass wir ihn anschauen. Denn dann wissen wir, wie Gott den Menschen haben will. Und damit wissen wir eigentlich auch schon alles über Gott, was wir wissen müssen. Dass er die Dinge, dass er die Menschen zum Leuchten bringt. Kein Licht ohne Dunkel? Das klingt einfach und ist doch so schwer zu begreifen. Die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes – diese Erkenntnis gibt es nicht umsonst. Die gibt es nur, wenn wir das, was wir von Gott verstehen, in unserem Leben einbringen. Und damit alles, was in unserem Leben sicher und verlässlich scheint, immer wieder neu zur Disposition stellen. Im christlichen Glauben geht es nicht darum, unsere Sicherheiten zu erhalten. Es geht darum, Neues in unserem Leben zuzulassen. Wie beim Kerze anzünden. Erst ist das Licht nicht da, dann ist es da. Nachher ist es anders als vorher. Siehe, ich mache alles neu – sind wir stark genug, um diesen Satz als Hoffnungssatz zu verstehen? Oder soll ich fragen: Sind wir schwach genug? Wir sind von allen Seiten bedrängt … Uns ist bange … Wir leiden Verfolgung … Wir werden unterdrückt. Das ist nicht mehr unsere Erfahrung, meine jedenfalls nicht. Ohne diese Erfahrung von Dunkelheiten im Leben fällt es aber schwer, viele Glaubenserfahrungen aus der Bibel nachzuvollziehen. Christen haben sich immer wieder in Bedrängungssituationen hineingedacht, manchmal muss man sagen: hineinphantasiert, um diese Erfahrung zu teilen, sie am eigenen 4 Leib zu spüren, zu schmecken. Vielleicht war das sogar schon ein kleines bisschen bei Paulus selbst so. Kein Zweifel: Paulus wurde immer wieder angefeindet und verfolgt, er wurde gehasst und ist schließlich als Märtyrer gestorben. Aber er hat diese extremen Reaktionen auch provoziert, er hat sie in sein Selbstverständnis mit aufgenommen. Er sah das als einen notwendigen Bestandteil seines Lebens, ohne den er nicht glaubwürdig wäre. Damit hat er uns aber eben auch eine ganz schöne Hypothek hinterlassen. Christen fragen seitdem immer wieder bang: Unsere kleinen Sorgen, unsere alltäglichen Erfahrungen von Druck und Stress, sind die wichtig genug, dass ich sie in irgendeiner Weise gleichsetzen kann mit dem, was Jesus für mich durchgemacht hat? Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Ist das nicht anmaßend von mir, wenn ich das wiederhole, in meinen gesicherten Lebensumständen? Leuchten aus uns selbst Es mag sein, dass ich nicht lebe so wie eine Kerze, die von beiden Enden her brennt. Es mag sein, dass das Licht, das Gott aus mir heraus leuchten lässt, ein ziemlich kleines Licht ist. Es mag sein, dass meine Dunkelheiten nur dämmrig und trüb sind gegen die tiefschwarzen Nachterfahrungen, die große Zweifler und große Glaubende – und meistens sind das ja dieselben – auf der verzweifelten, vergeblichen, vielleicht schließlich doch erfolgreichen Suche nach Gottes Gegenwart in ihrem Leben gemacht haben. Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir verstehen jetzt, dass das im Klartext heißt: Ich, Paulus, ich trage Verantwortung dafür, dass andere erleuchtet werden – so dass sie den Glanz Gottes in ihrem Leben realisieren können. Wir brauchen Menschen, die so für Gott brennen wie Paulus. Ich selbst kann das nicht, das muss ich offen sagen. Ich halte die Augen offen und nehme den Glanz von Gottes Wort wahr, dort, wo er aus den Texten in der Bibel strahlt und an vielen anderen Orten, wo es gut ist im Leben. Vielleicht kann ich manchmal anderen dabei helfen, dieses Leuchten wahrzunehmen, es auch dort zu erkennen, wo sie es vielleicht gar nicht vermutet haben. Mehr traue ich mir nicht zu. Und ich glaube, es müssen, es können auch nicht alle, die glauben, eine solche extreme Leuchtkraft entwickeln wie Paulus. Das war ja auch anstrengend für die Menschen um ihn herum, sein zweiter Brief an die Gemeinde in Korinth erzählt viel darüber. Aber, um das noch einmal 5 festzuhalten: Ich meine, unsere evangelische Kirche braucht im Moment mehr von Gottes Glanz. Ich wünsche das auch dieser Gemeinde. Ich glaube nicht, dass dieser Glanz stärker wird, wenn Christen sich einigeln, wenn sie sich auf eine biblisch-­‐religiöse Sprache zurückziehen, die immer weniger Leute anspricht; wenn sie probieren, sich durch ihr Verhalten von der Masse oder vom Zeitgeist oder wovon auch immer abzusetzen, was ihnen Angst macht. – Ich glaube, es funktioniert am besten, wenn wir wieder Menschen, egal wie nah oder wie fern sie uns im Glauben stehen, ansprechen auf den Glanz Gottes, auf das Leuchten in ihrem – und ganz besonders in ihrem – Gesicht. Ich glaube, es funktioniert, wenn wir uns gegenseitig Mut machen: Hey, du weißt doch, worauf es im Leben ankommt. Lass dich nicht hängen. Verkriech dich nicht in dir selbst. Geh aus dir heraus, lass dein Licht leuchten! Überlass nicht den Bedenkenträgern, den Abwieglern, den Pessimisten, den Liebhabern der Tradition das Feld. Lass dein Licht leuchten! Fühlen wir uns mal öfter als Erleuchtete! Als Leuchtende genauer gesagt, als Menschen, aus denen es leuchtet. Trauen wir uns das zu? Diese Frage will ich Ihnen mitgeben in die kommende Woche. Amen. 6 
Herunterladen