GESUNDHEIT der ältesten Geschöpfe auf unserem Planeten übernimmt der Pilz ausserordentlich wichtige Aufgaben in der Natur. Das Myzel, ein im Erdreich verborgenes, aus feinen Pilzfäden bestehendes nervensystemähnliches Geflecht, bildet den eigentlichen Körper des Pilzes. Die oberirdische, für uns sichtbare Pilzfrucht dient lediglich der Fortpflanzung. Charakteristik und Funktion von Pilzen in der Natur bilden auch die Grundlage ihrer energetischen und pharmakologischen Wirkung. Pilze transformieren und regulieren Anders als Pflanzen benötigen Pilze organische Nahrung. Dazu durchwächst das Myzel Substrate wie Holz oder andere Pflanzenreste und zersetzt diese mithilfe seiner eigenen Enzyme. Pilze bauen auf diese Weise eine riesige Menge an organischem Material ab. Sie reinigen den Wald, erzeugen Humus und schaffen Platz sowie Nährstoffe für neue Pflanzen. Sie sind wahre Recyclingspezialisten. So soll kein natürlicher Stoff existieren, der nicht von Pilzen wieder abgebaut werden könnte. Ihre Existenz ist für den gesamten Nährstoffkreislauf der Erde von entscheidender Bedeutung. Vitalpilze können auch massgeblich dazu beitragen, den Gleichgewichtszustand aller physiologischen Prozesse innerhalb des Körpers wieder herzustellen. Ausserdem erhöhen sie seine Anpassungsleistung an Stress und haben eine regulative Wirkung auf verschiedene Körpersysteme. Fotos: fotolia.de/Wanda May Pulfer Mykotherapie für Tiere Heilende Pilze Pilze können heilen. Mit dieser Thematik befasst sich die Mykotherapie. Doch ist die Anwendung von heilsamen Pilzen kein Novum. Vielmehr geriet dieses Wissen, besonders in Europa, im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Pilze werden seit jeher zwar als Nahrung geschätzt, wenig bekannt ist jedoch, dass sie viele Tausend Jahre lang auch traditionell als Heilmittel Verwendung fanden. Besonders im asiatischen Raum entwickelte sich ein tiefes Wissen um ihre heilsame Wirkung. In der Medizin der Menschheitsgeschichte spielen Pilze eine wichtige Rolle, denn sie gehören zu den ältesten von Menschen verwendeten Naturheilmitteln überhaupt. Seit den 1970er-Jahren wird die medizinische Wirkung von Pilzwirkstoffen insbesondere in China und Japan intensiv wissenschaftlich untersucht. Die Wirkung von Pilzen ist heute unbestritten und wird besonders hinsichtlich ihres Einsatzes in der Krebsmedizin sowie zur Behandlung von Fehlsteuerungen des Immunsystems eingehend erforscht. Aufgrund ihrer verschiedenen effizienten Regulations- und Wirkmechanismen sind heilsame Pilze dazu in der Lage, einen tief greifenden gesundheitsfördernden Einfluss auf den Organismus von Mensch und Tier auszuüben. Das Leben und Wirken von Pilzen Pilze sind wundersame Wesen. Sie sind keine Pflanzen und auch keine Tiere. Die Pilze bilden ein eigenes Reich in der Klassifikation der Lebewesen. Als eines Pilze stärken und entgiften In einer Art Filterfunktion nehmen Pilze Giftstoffe und Schwermetalle aus dem Boden und anderen Substraten auf und entgiften damit die Lebensgrundlage anderer Lebewesen. Durch ihre Fähigkeit Stoffe zu zerlegen und neu zu synthetisieren sind Pilze auch dazu in der Lage, gewisse Giftstoffe vollständig abzubauen. Auf diese Weise stärken und heilen sie ganze Ökosysteme. Auch innerhalb des Körpers bin11 den sie Giftstoffe und fördern deren Ausleitung. Vitalpilze wirken zudem entgiftend auf die inneren Organe wie Leber, Nieren und Darm sowie stärkend und heilend auf den gesamten Körper. Durch 14 Aktivierung des Immunsystems findet auch auf Zellebene eine Entgiftung statt. Durch ihre nervenstärkende Wirkung gleichen Vitalpilze ausserdem die Psyche aus. Pilze schützen, nähren und transportieren Baumpilze verbinden sich mit den Wurzeln von Bäumen zu einem riesigen Netzwerk. Dieses im Boden verborgene Geflecht, in der Fachsprache Mykorrhiza genannt, dient einem synergetischen Austausch zwischen Pilzen und Bäumen. Hilfreiche Nährstoffe und Informationen werden ständig hin und her geschickt. Der Pilz schützt seine Pflanzenpartner aber auch vor Schadstoffen oder starken klimatischen Schwankungen. Im Baumverbund wird dieses nervensystemähnliche Netzwerk zudem zur Kommunikation verwendet. Durch dieses auch als «Wood Wide Web» bezeichnete organische Internet senden sich Bäume untereinander Nachrichten in Form von chemischen Signalen. Diese Funktionen erfüllen Pilze auch innerhalb des Körpers. Sie verfügen über eine starke antioxidative Kraft und sind so in der Lage Körperzellen auf vielfältige Weise vor Schäden zu bewahren. Erhöhung der Blutviskosität sowie blutdruckregulierende und gefässerweiternde Effekte tragen durch einen verbesserten Blutdurchfluss und Entlastung des Herzens zu einem stabilen Herz-Kreislauf-System bei. Auf diese Weise werden auch kombinierte Arzneien innerhalb des Körpers effizienter transportiert und können dadurch effektiver wirken. Pilze zeichnen sich ausserdem durch eine hohe Dichte an hochwer- 12 10 Katzen Magazin 5/16 5 Coprinus comatus 6 Cordyceps sinensis 7 Coriolus versicolor 8Enokitake 9 Hericium erinaceus 10Maitake 11 Pleurotus ostreatus 12 Polyporus umbellatus 13Reishi 14Shiitake 8 5 7 1 9 2 12 6 50 1 Agaricus blazei Murrill 2 Auricularia polytricha 3Chaga 4Champignon 13 3 4 Fotos: fotolia.de/wikimedia.ch, Collage: Wanda May Pulfer Katzen Magazin 5/16 51 GESUNDHEIT Das Sammeln von Pilzen birgt Unsicherheiten und sollte deshalb Fachleuten überlassen werden. Foto: fotolia.de tigen und für den Körper hervorragend verfügbaren Nährstoffen aus. Sie sind reich an nährenden Proteinen, Kohlehydraten, Lipiden sowie vielen weiteren Makro- und Mikronährstoffen. len von Mensch und Tier anzudocken und dadurch eine gezielte, steuerbare Abwehrreaktion auszulösen, ohne dass dabei eine echte Bedrohung vorhanden sein muss. Warum Pilze so einzigartig wirken Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis Pilze vereinen eine nahezu perfekte und sich gegenseitig ergänzende Komposition an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen mit potenter Wirkkraft. Als einer der ältesten Organismen auf unserem Planeten haben Pilze über Millionen von Jahren ihrer Existenz hinweg vielfältige Überlebensstrategien entwickelt. Dabei haben sie die Fähigkeit gewonnen, selbst verschiedene Substanzen zu produzieren, die verhindern, dass sich Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und auch schädliche Mikropilze in ihren Zellen vermehren können. Einige dieser Wirkstoffe sind einzigartig und nur in Pilzen zu finden. Von besonderem Interesse sind dabei die sogenannten Polysaccharide. Sie zählen als Zuckerverbindungen zu den Kohlehydratstrukturen und verfügen über eine breite Palette an Wirkeffekten. Beachtung verlangt dabei ihr Einfluss auf unser Immunsystem, das sich im Laufe der Zeit ein Gedächtnis für die am häufigsten in den Körper eindringenden, krank machenden molekularen Strukturen angeeignet hat. Polysaccharide aus Pilzen aktivieren die Immunabwehr von Mensch und Tier, weil ihr molekularer Aufbau der Struktur von Mikroorganismen gleicht. Hocheffektiv sind dabei die nur in Hefen und Pilzen vorkommenden Beta-Glucane, eine spezielle Unterart von Polysacchariden. Sie sind in der Lage, direkt an die Rezeptoren der Immunzel- Die Praxis zeigt, dass Tiere sehr schnell und positiv auf die Verabreichung von Vitalpilzen reagieren. Nur wenige Kontraindikationen sprechen gegen eine Anwendung. Besonders dem hohen Gehalt an Kalium muss dabei aber unbedingt Beachtung geschenkt werden. Vitalpilze können jedoch problemlos und gewinnbringend mit den allermeisten Arzneimitteln und Behandlungsverfahren aus Medizin und Naturheilkunde kombiniert werden. Als verlässliche Partner der Veterinärmedizin sind Vitalpilze beispielsweise nachweislich dazu in der Lage, synergetisch die Wirkung von Antibiotika zu erhöhen, unerwünschten Impfreaktionen vorzubeugen oder die Wundheilung zu verbessern. Die ganzheitlich ausgerichtete Mykotherapie bietet aber auch eigenständige und sogar neue Behandlungsmöglichkeiten. Von der kortisonfreien Behandlung allergischer Reaktionen über eine effiziente schmerzmittelfreie Therapie bei degenerativen Gelenkserkrankungen und anderen akuten sowie chronischen Leiden des Bewegungsapparats, bis hin zum Einsatz bei Diabetes oder in der Krebstherapie können Vitalpilze bisherige Behandlungskonzepte ergänzen, verbessern oder gar gänzlich ersetzen. Glücklicherweise werden heilsame Pilze heute gezüchtet und zu fertigen Produkten verarbeitet. Sie müssen nicht mehr mühsam von Hand gesammelt und für die Verwendung getrocknet werden. Da das Sammeln von Pilzen viele Unsicherheiten birgt, sollte dies ohnehin Fachleuten überlassen werden. Aufbereitete Pilzprodukte aus professionellem Anbau bieten grössere Sicherheit und je nach Aufbereitungsart eine bis zu 20- bis 30-fach höhere Konzentration an den gewünschten Inhaltsstoffen. Vitalpilze sind in der Regel als Pilzpulver und Pilzextrakt in Kapseln oder auch als Flüssigextrakte erhältlich. Die Verabreichung von Medizin an Katzen kann durchaus ein schwieriges Unterfangen sein und bedarf einiger Überzeugungsarbeit. Dies wissen wahrscheinlich die meisten Besitzer aus eigener Erfahrung. So sind Katzen auch dem Geschmack von Pilzprodukten nur in seltenen Fällen zugeneigt. Aus diesem Grund müssen Pilzprodukte gut in schmackhaftes 52 Katzen Magazin 5/16 Links Katzen mögen den Geschmack der Pilzprodukte in der Regel nicht. Vitalpilzprodukte ins Futter zu mischen erhöht deren Verdaulichkeit und Akzeptanz. Futter oder eine andere Trägersubstanz eingearbeitet werden. Eine gute Option bieten die Flüssigextrakte, die sehr gering dosiert mit nur wenigen Tropfen direkt ins Maul verabreicht werden können. Davon profitierte auch der damals erst zweijährige Kater Mikesch. Er war von stetigem Juckreiz, Hautausschlägen und Haarausfall geplagt. Diagnostiziert wurde eine atopische Dermatitis, eine allergiebedingte und bei Katzen immer häufiger auftretende Erkrankung. Weder eine Desensibilisierung noch die Umstellung auf ein spezielles Futter für Allergiker brachten Erleichterung. Mikesch wurde schliesslich mit hoch dosiertem Kortison behandelt, um die Reaktion seines Immunsystems auf diese Weise zu hemmen. Aufgrund der auftretenden Nebenwirkungen dieser Behandlung war seine Besitzerin einer alternativen Behandlung zugeneigt. Vorbereitend führten wir bei Mikesch eine Darmsanierung durch. Bereits nach kurzer Zeit der Verabreichung von hoch dosierten flüssigen Extrakten aus verschiedenen Vitalpilzen wurden Verbesserungen des Beschwerdebildes sichtbar. Durch ihre einzigartige Immunwirkung waren sie in der Lage, das Immunsystem zu regulieren. Dabei wurde die Abwehr nicht unterdrückt, sondern vielmehr wieder in die richtigen Bahnen gelenkt. Der Juckreiz und die Entzündungen nahmen stetig ab und die Hautausschläge gingen zurück. Dank der Fortführung der Behandlung unter Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse kann Mikesch bis heute ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen – ganz ohne Kortison. Sicherheit und Qualität von Vitalpilzprodukten In der Schweiz gelten Produkte aus Speisepilzen, zu denen auch die meisten Vitalpilze gehören, als Lebensmittel und dürfen aus diesem Grund nicht mit Fotos: fotolia.de heilversprechenden Aussagen beworben werden. Produkte aus Reishi oder dem Chinesischen Raupenpilz (Cordyceps sinensis) benötigen eine Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit. Qualitativ hochwertige Vitalpilzprodukte werden biologisch angebaut und regelmäßig freiwilligen Laboruntersuchungen in Europa unterzogen, um Belastungen durch Pestizide, Schwermetalle, radioaktive Strahlung oder mikrobiologische Verunreinigungen auszuschliessen. Darüber hinaus entscheiden der Vermahlungsgrad sowie die Reinheit der Produkte über deren gesundheitsfördernde Wirkung. Aufgrund verschiedener Ausgangsprodukte und Extraktionsverfahren können die Produkte der einzelnen Hersteller in Qualität und Zusammensetzung dennoch stark voneinander abweichen. Seien Sie kritisch und versichern Sie sich vor dem Kauf, dass der Hersteller diese Daten offenlegt. Gegenwart und Zukunft der Tiermykotherapie Ein solides medizinisches Grundwissen, ein eingehendes Studium der Mykotherapie sowie Praxiserfahrung bilden die Mindestvoraussetzung für die professionelle Anwendung von Vitalpilzen. Aufgrund der weitgehend qualitativ ungenügenden Bildungsangebote besteht für die junge Tiermykotherapie derzeit noch ein Mangel an gut ausgebildeten Fachpersonen. Mit der Veröffentlichung des ersten Fachbuchs über die Anwendung und Wirkung von Vitalpilzen beim Tier wurden nun aber Veterinärmediziner europaweit auf diese Behandlungsmethode aufmerksam. So bin ich voller Zuversicht, dass dieser äusserst effizienten und schonenden Therapieform eine erfolgreiche Zukunft bevorsteht. Text: Wanda May Pulfer BUCHTIPP Mykotherapie für Tiere Wanda May Pulfer 208 Seiten, broschiert ISBN 978-3-83049441-6 57.50 Franken (UVP) Katzen Magazin 5/16 53