2/11 Andromeda Kugelsternhaufen am Frühlingshimmel klare Durchsicht gestatteten Vergrößerungen bis zum optischen Limit. Lautes Vogelgezwitscher kündigte schließlich den nahenden Morgen an, der eine phantastische Beobachtungsnacht leider viel zu schnell beendete. Beobachtungen mit hohen Vergrößerungen Hans-Georg Pellengahr Nach durchgängigem Regen am Vortag bot sich mir in der Neumondnacht vom 01./ 02.06.2011 ein Himmel mit besten Beobachtungsbedingungen. Eigentlich eine Nacht für Kattenvenne, aber selbst auf der recht gut gegen Streulicht abgeschirmten häuslichen Terrasse in Laer bot mir diese Nacht Außergewöhnliches. Ich wollte versuchen, mit meinem 10“ Newton (Galaxy-Dobson mit 254 mm Pyrex-Spiegel, f= 1.250 mm, f/5) einige Kugelsternhaufen des Frühlingshimmels so weit wie möglich bis in ihren Kern hinein aufzulösen. Die Zeit der um diese Jahreszeit besonders langen Dämmerung bis zum Eintritt weitgehender Dunkelheit nutzte ich dazu, meine Zielobjekte mit Hilfe der drehbaren Himmelskarte und dem Deep Sky Reiseatlas aus dem Oculum Verlag zu orten. Gegen Mitternacht - endlich - wurden Detailbeobachtungen mit ausreichendem Kontrast und höheren Vergrößerungen möglich. Die ungewöhnlich ruhige Luft und die infolge des Regens am Vortag außerordentlich 9 Allen Kugelsternhaufen näherte ich mich mit folgenden Okularen, die an meinem 10“ Newton f/5 die nachfolgend angegebenen Vergrößerungen liefern: Televue Panoptic 35 mm (68º Gesichtsfeld) V = 36 x Televue Ethos 13 mm (100º Gesichtsfeld) V = 96 x Baader Hyperion Zoom 24 - 8 mm (68º Gesichtsfeld) V = 52 - 156 x Televue Ethos 8 mm (100º Gesichtsfeld) V = 156 x, 2x Barlow = 313 x Vixen LV 6 mm (45º Gesichtsfeld) V = 208 x, 2x Barlow = 417 x Pentax S MC XW 5 mm (70º Gesichtsfeld) V = 250 x, 2x Barlow = 500 x Televue Nagler Zoom 6 - 3 mm (50º Gesichtsfeld) V = 208 - 417 x Televue Radian 10 mm (60º Gesichtsfeld) V = 125 x, 2x Barlow = 250 x Kasai Ortho 12,5 mm (43º Gesichtsfeld) V = 100 x, 2x Barlow = 200 x 2/11 M 3 / NGC 5232 Andromeda Mit M 3 / NGC 5 232 im Sternbild Canes Venatici eröffnete ich den Reigen. Dieser Kugelsternhaufen ist etwa 32.000 Lichtjahre (Lj.) von uns entfernt und erstreckt sich über 18’, real über ca. 180 Lj.. Im 8 x 50 Sucher zeigt er sich als kleines, aber schon recht helles Fleckchen, das an einen unscharf eingestellten Stern erinnert und damit bereits einen Kugelsternhaufen erahnen lässt. Schon bei geringer Vergrößerung ist er im Teleskop eindeutig als solcher zu identifizieren. Ab V = 100x werden in den Randbereichen Einzelsterne sichtbar. Bei Höchstvergrößerung schließlich gelingt die Auflösung von M 3 bis fast in den Kern hinein. Bei indirektem Sehen blitzen im Zentrum vor nebligem Hintergrund zahlreiche Einzelsterne auf. Die hellsten Mitgliedssterne von M 3 leuchten mit 12,7 mag. Der visuelle Eindruck ist durchaus mit dem nachfolgenden Foto (das natürlich noch mehr Sterne zeigt) vergleichbar. M 3 (Wikipedia Commons) M 53 / NGC 5024 Mit 61.270 Lj. ist das nächste Beobachtungsobjekt, der Kugelsternhaufen M 53 / NGC 5024 im Sternbild Coma Berenices, fast doppelt so weit von uns entfernt wie M 3, zudem erreichen seine hellsten Mitgliedssterne nur 13,8 mag. M 53 erstreckt sich am Himmel über ca. 13’ (M 3 demgegenüber 18’), real ist M 53 mit 232 Lj. allerdings erheblich größer als M 3. Weiter entfernt und mit weniger hellen Mitgliedssternen ausgestattet, erscheint M 53 jedoch deutlich lichtschwächer und kleiner. Seine Kernregion bleibt neblig diffus, lediglich im Randbereich sind Einzelsterne erkennbar. Selbst bei hohen Vergrößerungen gelingt keine vollständige Kernauflösung, jedoch verbreitern sich die Randbereiche, d. h. es werden dort immer mehr Einzelsterne erkennbar. Bei indirektem Sehen und nach längerer Beobachtung blitzen vor dem neblig diffus bleibenden Zentrum einige Einzelsterne auf. Südöstlich von M 53, nur 6,2’ entfernt, steht der auffällige Doppelstern Struve 648 mit 9,5 mag Helligkeit und 87“ Abstand der verschiedenfarbigen Komponenten. Im 8 mm TV Ethos Okular steht dieser - selbst beim Einsatz einer 2x Barlowlinse u. somit über 300-facher Vergrößerung - noch mit M 53 im gemeinsamen Gesichtsfeld, ein schöner 10 2/11 Andromeda Anblick, auch wenn M 53 aufgrund der größeren Entfernung und seiner weniger hellen Mitgliedssterne nicht so spektakulär erscheint wie M 3. M 5 / NGC 5904 Im Sternbild Serpens Caput, dem Kopf der Schlange, steht mein nächstes Zielobjekt: M 5 / NGC 5904, der dritte Frühlings-Kugelsternhaufen. Mit 27.000 Lj. ist er uns näher als M 3 und erstreckt sich über 23’, real entspricht seine Ausdehnung mit 178 Lj. in etwa der von M 3; seine hellsten Mitglieder leuchten mit 12,2 mag und übertreffen damit diejenigen von M 3. Bereits im 8 x 50 Sucher gibt sich M 5 als heller runder Nebelfleck zu erkennen. Im 10“-Newton werden ab V = 96 x in den Randbereichen Einzelsterne sichtbar. Da der Kern von M 5 kompakter, also deutlich dichter und zugleich heller ist als derjenige von M 3, lässt er sich nicht gänzlich auflösen. Mit zunehmender Vergrößerung werden die Außenbereiche jedoch immer breiter und lassen interessante Sternenketten und -muster erkennen. Insofern sind hohe Vergrößerungen also auch bei diesem Objekt unbedingt lohnenswert. Der visuelle Eindruck ähnelt dem folgenden Foto aus dem Palomar Observatory Sky Survey (POSS), zeigt aber natürlich weniger Sterne. M 5 (Palomar Observatory Sky Survey) M 13 / NGC 6205 Inzwischen hat sich das Sternbild Herkules dem Zenit genähert und bietet damit optimale Beobachtungsmöglichkeiten. Seine beiden Kugelsternhaufen M 13 / NGC 6205 und M 92 / NGC 6341 sind meine nächsten Zielobjekte. M 13 ist ca. 25.000 Lj. von uns entfernt bei einem realen Durchmesser von 145 Lj., die Ausdehnung am Himmel beträgt 20’. Aufgrund seiner Helligkeit von 5,7 mag. vermag ich diesen wohl bekanntesten Kugelsternhaufen des Nordhimmels bereits mit bloßem Auge als schwachen Nebelfleck zu erkennen. Bereits der Anblick im 8 x 50 Sucher lässt einen Kugelsternhaufen vermuten. Im 10“-Newton schließlich ist M 13 ein wirklich spektakuläres Objekt, dessen hellste Sterne mit 11,9 mag leuchten. 11 2/11 Andromeda Mit zunehmender Vergrößerung gelingt die Auflösung bis in den Kern hinein, ohne dass dafür indirektes Sehen erforderlich wäre. Eine Vielzahl von Sternketten tritt deutlich hervor, ein Meer von Sonnen (Schätzungen gehen von etwa 1 Mio. Mitgliedssternen aus), die auch visuell bereits unterschiedliche Farben erkennen lassen. Bei Vergrößerungen jenseits 200 x (probiert habe ich bis V = 500 x) meint man durch den Kugelsternhaufen hindurchzusehen. Die Sternketten ähneln einem Spinnennetz. entfernt, aber mit einer Ausdehnung von 14’, real 108 Lj., kleiner als M 13. Seine hellsten Sterne leuchten mit 12,1 mag. etwas schwächer (M 13: 11,9 mag). Die Gesamthelligkeit von M 92 liegt mit 6,4 mag unterhalb der Sichtbarkeitsgrenze für das bloße Auge. Im 8 x 50 Sucher zeigt er sich als defokussierter Stern, was bereits seine wahre Natur erahnen lässt. M 92 (Palomar Observatory Sky Survey POSS) M 13 www.stargazer-observatory.com Im 10“-Newton löst das HyperionZoom 24 - 8 mm M 92 mit steigender Die beiden hellen Vordergrundsterne Vergrößerung (52 x bis 156 x) vom Rand aus zunehmend immer mehr leuchten mit 7 mag. auf. - Wikipedia Commons - (Ausschnitt) M 92 / NGC 6341 Ebenfalls im Sternbild Herkules und keineswegs weniger interessant ist der Kugelsternhaufen M 92 / NGC 6341. Mit 27.000 Lj. nicht viel weiter von uns Ein Vergleich mit dem uns nur 2.000 Lj. näheren M 13 lässt deutlich den mit 108 Lj. (gegenüber 145 Lj.), geringeren Durchmesser von M 92 erkennen. 12 2/11 Andromeda Ab V = 156 x werden auch im Kern- grund nicht aufgelöster Haufenmitbereich von M 92 immer mehr Einzel- glieder Einzelsterne hervor. sterne sichtbar, allerdings erscheinen diese auch noch bei V 417 x vor dem verschwommenen Schimmer weiterer nicht aufgelöster „Hintergrundsterne“. Dadurch wirkt das Zentrum von M 92 fast dreidimensional, ein phantastischer Anblick, von dem ich mich nur schwer losreißen konnte. Aber vor Anbruch der Morgendämmerung wollte ich zumindest noch ein weiteres Objekt aufsuchen. M 56 / NGC 6779 Diesen Kugelsternhaufen im Sternbild Lyra hatte ich zuvor noch nie beobachtet. Er ist ca. 33.000 Lj. entfernt und mit einem Durchmesser von nur 86 Lj. relativ klein, so dass er sich nur über 9’ erstreckt. Die Mitgliedssterne von M 56 sind zwischen 13 und 16 mag hell und somit relativ lichtschwach. Das Auffinden dieses Kugelsternhaufens im Sternenmeer der Milchstraße ist demzufolge etwas anspruchsvoller. Im Fernglas, aber auch im 8 x 50 Sucher, hilft indirektes Sehen. Im Teleskop gibt sich M 56 dann aber schon bei geringer Vergrößerung als Kugelsternhaufen zu erkennen. Zu seiner weiteren Auflösung bedarf es auf jeden Fall einer Öffnung von mind. 6 - 8“. Der 10“-Newton löst M 56 weitgehend auf. Bei genauem und geduldigem Hinschauen blitzen im Zentrum bei indirektem Sehen vor einem diffus schimmernden Hinter- M 56 (Palomar Observatory Sky Survey POSS) Das TV Ethos 8 mm mit 2x Barlow (V = 313 x) zeigt aufgrund seines großen Gesichtsfeldes M 56 hinter einem Vorhang schwächerer Vordergrundsterne. Wir beobachten M 56 durch einen rund 12.000 Lj. entfernten Spiralarm unserer Milchstraße hindurch. Die mit 13 - 16 mag relativ lichtschwachen Mitgliedssterne von M 56 setzen der Vergrößerung im 10-Zöller bei spätestens 400 x eine Grenze. Das Bild wird einfach zu dunkel. Bereits ab V = 200 x gelingt die Fokussierung aufgrund der geringen „Tiefenschärfe“ nur noch mit dem 1 : 10 untersetzten Okulartrieb. Wenn dann aber die Scharfstellung gelungen ist: ein toller Anblick. 13 2/11 Andromeda Fazit: Diese Beobachtungsnacht hat gezeigt, dass bei optimalem Seeing hohe und höchste Vergrößerungen bis an die optische Leistungsgrenze des vorhandenen Teleskops bei Kugelsternhaufen unbedingt lohnenswert sind. Wenn das Zielobjekt nicht gar zu lichtschwach ist, erschließt Vmax (= Öffnung in mm x 2) eine Menge zusätzlicher Informationen. Probieren Sie’s einfach mal. Auch ich habe die Beobachtung von Deep-SkyObjekten früher allzu oft schon bei relativ geringer Vergrößerung beendet und auch allzu schnell das nächste Objekt angesteuert. Heute nehme ich mir für jede Einzelbeobachtung viel mehr Zeit und probiere bei gutem Seeing grundsätzlich auch in aller Ruhe die Tauglichkeit und Wirkung höherer Vergrößerungen aus. Ich bin immer wieder verblüfft, was ich dabei zu sehen bekomme. ler. Sterne, also punktförmige Lichtquellen, erhalten dadurch einen immer größeren Kontrast zum Hintergrund. Schwache Sterne sind demzufolge am besten bei hoher Vergrößerung zu sehen. Je nach Beobachtungsbedingungen und natürlich dem vorhandenen Equipment wird das Limit mit höchstem Informationsgewinn früher oder später erreicht. Probieren Sie’s wie ich einfach mal aus. Es lohnt sich. Und Sie werden es künftig häufiger tun. Bezüglich der optischen Zusammenhänge sowie der optimalen Ausschöpfung des eigenen Equipments zur Erzielung bestmöglicher Beobachtungsergebnisse verweise ich auf meinen in der Andromeda-Ausgabe 1/2010, S. 16 ff. veröffentlichten Artikel „Die Bedeutung der Austrittspupille und der maximalen Pupillenweite des Betrachters bei der teleskopischen Himmelsbeobachtung.“ Besonders zu beachten ist hinsichtlich der Scharfstellung allerdings, dass diese am optischen Limit zumeist nur noch mit untersetztem Okulartrieb gelingt. Geben Sie auf keinen Fall zu schnell auf, spielen Sie mit dem Feintrieb, ganz langsam und vorsichtig, und auf einmal ist doch was zu sehen. Nach 30 Jahren ist das Shuttle-Programm der NASA nun eingestellt worden. Dazu erzählte der Astronaut Stan Love einen alten NASA-Witz: Das Space Shuttle sollte erstens billig und zweitens sicher sein und drittens die Raumfahrt in eine solche Routine verwandeln, dass es beinahe schon Mit Steigerung der Vergrößerung wird langweilig ist. der Himmelshintergrund immer dunk- Eins von dreien wäre gar nicht schlecht. 14