Die Sonne macht das Weltraumwetter

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Quarks & Co | Die Macht der Sonne | Sendung vom 01.06.2010
http://www.quarks.de
Quarks & Co
Quarks & Co Die Macht der Sonne
Autoren:
Dirk Gilson, Christiane Meister, Daniel Münter
Redaktion: Monika Grebe
Die Sonne ist die Quelle allen Lebens auf der Erde. Sie spendet Licht und Wärme, bestimmt Tag und Nacht, Sommer und Winter.
Doch von ihr geht auch eine Gefahr aus: Explosive Veränderungen auf ihrer Oberfläche könnten unseren Heimatplaneten eines Tages
ins Chaos stürzen. Quarks & Co erzählt die Geschichte der Sonne und berichtet über neueste Forschungsergebnisse.
Quarks & Co | Die Macht der Sonne | Sendung vom 01.06.2010
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Gefährlicher Stern
Die Geschichte des stärksten gemessenen Sonnensturms
In der Nacht zum 29. August 1859 versetzen merkwürdige Phänomene die Menschen in Nordamerika und Europa in Aufruhr. Kompassnadeln schlagen wie von Geisterhand aus, riesige Leuchtschwaden am Himmel machen die Nacht zum Tag. In den Städten fürchten die Menschen eine
nahende Feuersbrunst. Und Seefahrer berichten von einem brennenden Himmel, der auf sie herabstürzt – viele sehen ihr Ende nahen. Was könnte solch eine ungeheure Macht haben?
In der Nacht zum 29. August 1859
machen riesige Leuchtschwaden am
Das Telegrafennetz in Nordamerika und Europa bricht zusammen
Himmel in Europa und Nordamerika
die Nacht zum Tag
Drei Tage später, am Mittag des 1. September, beobachtet der britische Astronom Richard
Rechte: DRA
Christopher Carrington wie jeden Tag die Sonne. Es ist kurz vor Mittag, als er eine Gruppe enorm
großer Sonnenflecken entdeckt. Während er sie skizziert, blenden ihn plötzlich zwei intensive
weiße Lichtblitze, die von zwei Orten in der Fleckengruppe ausgehen. So etwas hatte der Astronom noch nie gesehen. Carrington notiert: „Aufgeregt rannte ich los, um einen Zeugen für meine
Beobachtung zu finden. Doch als ich mit meinem Kollegen 60 Sekunden später zurückkehrte,
waren die Lichtblitze kaum noch zu sehen.“ Während Carrington noch rätselt, was er da gesehen
hat, färbt auch in der folgenden Nacht ein buntes Himmelsspektakel große Teile der Erde in Grün,
Diese Zeichnung fertigte Carrington von
Rot und Violett. Selbst in südlichen Regionen wie Rom und Havanna berichten die Menschen, dass
den Sonnenflecken an. Mit A und B
es die ganze Nacht so hell war, dass man draußen Zeitung lesen konnte.
markierte er die Bereiche, aus denen
die Blitze hervorgingen
Zur gleichen Zeit bricht das noch junge Telegrafennetz in Nordamerika und Europa wie aus dem
Nichts zusammen. Leitungen schmoren durch oder sprühen Funken, Telegrafenpapier fängt Feuer.
Jetzt steht die Presse endgültig Kopf. Wilde Gerüchte über die Ursachen kursieren: Von mächtigen
Blitzen in großen Höhen ist die Rede und von meteoritischer Materie aus dem All, die die Erde
trifft.
Schön und zerstörerisch
Starke Sonnenstürme können Kurzschlüsse im Erdmagnetfeld auslösen.
Schon bald haben Forscher die Sonne im Verdacht. Doch die wahren Zusammenhänge erkennen
Dann dringen elektrisch geladene
sie erst mehr als 100 Jahre später. Die Blitze, die Carrington sah, waren die Vorboten eines
Teilchen tief in die Erdatmosphäre ein
Sonnensturms: Immer wieder schleudert die Sonne mächtige Wolken geladener Teilchen mit bis
Rechte: NASA
zu 3.000 Kilometern pro Sekunde in den interplanetaren Raum. Trifft eine solche hochenergetische
Wolke auf das Magnetfeld der Erde, kann es zu einem Kurzschluss kommen. Dann dringen elektrisch geladene Teilchen tief in die Erdatmosphäre ein. Sie erzeugen bezaubernd schöne
Polarlichter am Himmel – und können zerstörerische Ströme in Oberlandleitungen von bis zu
1.000 Ampère hervorrufen. Der Sonnensturm von 1859 war der stärkste gemessene Sonnensturm
aller Zeiten.
Autor: Dirk Gilson
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Die Sonne macht das Weltraumwetter
Heftige Ausbrüche auf der Sonne gefährden unsere technisierte Gesellschaft
Die Sonne ist rund 150 Millionen Kilometer von uns entfernt. Und trotzdem wirken ihre Ausbrüche
bis auf die Erde und bedrohen unsere Kommunikationssysteme und Stromnetze. Sonnenforscher
arbeiten deshalb daran, die Ursachen der solaren Aktivitäten zu entschlüsseln und die Entstehung
eines sogenannten Supersturms so früh wie möglich zu erkennen.
Der stärkste Sonnensturm seit Beginn der Aufzeichnungen ereignete sich am 1. September 1859.
Protuberanzen sind heiße Gasfackeln,
Sogar in Havanna, Rom und Panama-Stadt waren Polarlichter am Himmel zu sehen, in Europa und
die wochenlang über der Sonnenober-
Nordamerika brachen die Telegrafennetze zusammen, aus elektrischen Leitungen sprühten die
fläche stehen können
Funken. Heute wären die Konsequenzen eines solchen geomagnetischen Sturms katastrophal. Vor
Rechte: NASA
allem GPS- und Kommunikationssatelliten wären in Gefahr – und unser Stromnetz, das heute
wesentlich größer und leistungsfähiger ist als 1859, aber daher umso empfindlicher für Störungen.
Die amerikanische Akademie der Wissenschaften hat kürzlich abgeschätzt, dass sich Folgeschäden
allein für Nordamerika auf bis zu zwei Billionen Dollar summieren könnten. Doch trotz aller Fortschritte der Sonnenforschung in den vergangenen Jahrzehnten gibt es heute noch keine umfassende Weltraumwettervorhersage.
Gewaltige Ausbrüche von Energie
Die Aktivität der Sonne schwankt in einem rund elfjährigen Zyklus. Sichtbares Zeichen dafür sind
die Sonnenflecken, deren Anzahl im selben Rhythmus variiert. In Zeiten großer Aktivität kommt es
auf der Sonne jeden Tag zu einer ganzen Serie von Ausbrüchen und Auswürfen.
Der Sonnenwind besteht hauptsächlich aus Elektronen und Protonen. Er wird durch die Druckunterschiede in der äußeren Schicht der Sonnenatmosphäre, der Korona, angetrieben und hat eine
Ein solarer Flare, beobachtet vom
Geschwindigkeit von mehreren Hundert Kilometern pro Sekunde. Der Sonnenwind ist nicht völlig
Sonnenobservatorium SOHO
gleichmäßig, sondern ist von Böen durchzogen. Trifft eine solche Bö die Erde, so kann sie rund
Rechte: NASA
um Nord- und Südpol das farbenprächtige Polarlicht auslösen.
Solare Flares sind plötzliche, heftige Strahlungsausbrüche, die im Extremfall heller als die Oberfläche der Sonne strahlen. Die meiste Strahlung geben die Flares aber im Röntgen- und UV-Bereich
ab. Sie dauern einige Minuten bis hin zu mehreren Stunden. Die stärksten Flares setzen die
Explosivkraft von mehr als zwei Milliarden Wasserstoffbomben frei. Die Atmosphäre der Erde
schirmt uns zum Glück gut von dieser Strahlung ab. Die empfindliche Elektronik von Satelliten kann
aber durch einen direkten Beschuss beschädigt werden.
In einer eruptiven Protuberanz wird heißes Gas aus der Sonne gewirbelt und steht dann über ihrer
Oberfläche. Sie entwickeln sich über Stunden, können dann aber über Monate hinweg stabil sein,
da das Gas an Magnetfeldlinien gebunden ist. Werden sie instabil, kann das Plasma mit mehreren
Hundert Kilometern pro Sekunde von der Sonne werggeschleudert werden. Bilder von Protuberanzen sind spektakulär. Diese Art der Sonneneruptionen haben aber nur wenige Auswirkungen
auf die Erde.
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Ganz anders sieht es mit einem koronalen Massenauswurf aus. Dieser ähnelt einer eruptiven
Protuberanz ist aber viel heftiger. Bis zu zehn Milliarden Tonnen Plasma werden in blasenförmigen
Auswürfen mit bis zu 3000 Kilometern pro Sekunde von der Sonne weggeschleudert. Zum
Höhepunkt der Sonnenaktivität entstehen mehre koronale Massenauswürfe pro Tag – zum Glück
nur selten in Richtung Erde. Denn wenn die Teilchen eines solchen Auswurfes das Magnetfeld der
Erde treffen, können sie einen geomagnetischen Sturm auslösen. In der Erdatmosphäre entstehen
dann heftige Ströme, die in den irdischen Stromnetzen starke Spannungsschwankungen hervorrufen. Dadurch kann es zu einem Stromausfall in ganzen Regionen kommen – wie zuletzt 1989 in
Nord-West-Kanada und 2003 in Südschweden.
Die Erforschung der Sonnenausbrüche
Obwohl die Sonne schon seit Jahrhunderten beobachtet wird, hat die Wissenschaft erst in den
vergangenen Jahrzehnten die entscheidenden Fortschritte zum Verständnis der Sonnenstürme
gemacht. Den größten Sprung brachte das Zeitalter der Satelliten. So wurde es möglich, den
Sonnenwind und die gewaltigen Teilchenstürme direkt zu erforschen. Die Erdatmosphäre schirmt
nämlich die UV-Strahlung der Sonne ab und das Erdmagnetfeld lenkt geladene Teilchen um unseren Planeten herum.
In einem koronalen Massenauswurf
werden große Mengen Materie in den
1962 startete die amerikanische Raumsonde Mariner 2 auf eine Erkundungsmission zur Venus. Auf
Weltraum geschleudert
dem Weg dorthin konnte sie erstmals den Sonnenwind nachweisen. Doch wie er entsteht und
Rechte: NASA
wie die heftigen Böen und Ausbrüche ausgelöst werden, blieb damals noch ein Rätsel. Die Astronauten im amerikanischen Weltraumlabor Skylab hatten einen privilegierten Fensterplatz, um diese
Fragen zu untersuchen: Ab 1973 beobachteten sie mit verschiedenen Teleskopen die Sonne und
ihre Atmosphäre und konnten spektakuläre Protuberanzen untersuchen. Ihre Beobachtungen lieferten außerdem Hinweise, dass Sonnenwind und -stürme direkt in der äußeren Atmosphäre der
Sonne – der Korona – entstehen. Doch was waren die Auslöser der Sonnenstürme? Lange waren
die Flares die Hauptverdächtigen. In den 1980er-Jahren mehrten sich jedoch die Hinweise, dass es
möglicherweise noch einen anderen Mechanismus gibt. Doch für den endgültigen Beweis brauchte man eine neue Art von Satellitenteleskop: 1991 startete das Sonnenobservatorium SOHO. Es hat
ein Teleskop an Bord, mit dem es die äußere Atmosphäre der Sonne beobachtet. Ähnlich wie bei
einer Sonnenfinsternis schirmt das Teleskop die Sonnenscheibe ab. Erst dann kann man die Korona
untersuchen, die sonst aufgrund der hellen Sonne nicht sichtbar ist. Die Forscher dokumentierten
die koronalen Massenauswürfe und fanden tatsächlich einen direkten Zusammenhang mit den auf
der Erde festgestellten Sonnenstürmen.
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Weltraumwettervorhersage
Das Sonnenobservatorium SOHO zeichnet pro Jahr mehrere Tausend koronale Massenauswürfe auf.
Da die Sonde aber genau zwischen Sonne und Erde schwebt, nimmt sie ausgerechnet den
Teilchenbeschuss in unsere Richtung nur als Prasseln im Detektor wahr. Genau über diese Sonneneruptionen wollen die Sonnenforscher aber mehr erfahren, denn sie können die geomagnetischen
Stürme auf der Erde auslösen. Seit 2007 ist es endlich möglich, die Entstehung von koronalen
Massenauswürfen auf der Sonne zu beobachten und auf dem ganzen Weg zur Erde zu verfolgen:
Das Zwillingssondenpaar der STEREO-Mission nimmt die Massenauswürfe aus zwei Perspektiven
ins Visier und kann so ein dreidimensionales Modell erstellen, das wichtige Details über den
Teilchensturm verrät.
Der größte Traum der Wissenschaftler ist es aber, Ausbrüche vorhersagen zu können und so den
Satelliten- und Stromnetzbetreibern auf der Erde eine möglich lange Vorwarnzeit zu geben. Dazu
untersuchen sie intensiv das Magnetfeld der Sonne. Denn hier liegt der Schlüssel zur Entstehung
der Sonneneruptionen. Zur Einrichtung eines regelmäßigen und verlässlichen Weltraumwetterdienstes sind aber noch erheblich Anstrengungen notwendig. Denn SOHO, STEREO und die kürzlich gestartete Sonde SDO sind Forschungssatelliten, die grundlegende Fragen untersuchen
sollen. Für einen richtigen Weltraumwetterdienst bräuchte man eine ganze Flotte von Überwachungssonden. Die Sonnenforscher sind überzeugt: Auf einen Sonnensturm, wie den von 1859
sind wir noch nicht ausreichend vorbereitet.
Autor: Daniel Münter
Zusatzinfos
Geomagnetischer Sturm
Wenn es auf der Sonne zu Materieausbrüchen kommt, werden große Mengen elektrisch geladener
Teilchen in den Weltraum geschleudert. Treffen diese Plasmawolken auf die Erde, treten sie mit dem
natürlichen Erdmagnetfeld in Wechselwirkung, rufen Ströme in der Ionosphäre hervor und erzeugen starke und sehr rasche Schwankungen der Stärke und Richtung des Erdmagnetfeldes.
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Die Geburt der Sonne
Aus einer kalten Gaswolke wird glühend heißes Himmelsfeuer
Die Sonne ist nur einer von rund 200 Milliarden Sternen in unserer Galaxie. Ihr Kern ist unvorstellbare 15 Millionen Grad Celsius heiß und in ihrem Inneren hätte die Erde mehr als eine Million
Mal Platz. Obwohl sie 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist, steht fast jedes Lebewesen
auf der Erde unter ihrem Einfluss. Die Sonne ist durch ihre Strahlungsenergie der Motor unseres
Wetters, der Energielieferant für das Wachstum von Pflanzen. Ohne die Sonne wäre es auf der Erde
bitterkalt und dunkel. Sie ist das Zentrum unseres Sonnensystems und das seit sehr langer Zeit.
Doch ihr Leben begann als riesige, kalte Gaswolke, aus der Erde und Sonne gemeinsam entstanden.
Begleiten Sie die außergewöhnliche Geburt der Sonne im Quarks-Film – jetzt angucken auf
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Autor: Daniel Münter
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Wer kreist eigentlich um wen?
2000 Jahre stritten Forscher über den Mittelpunkt der Welt
Im alten Griechenland, etwa 350 Jahre vor unserer Zeitrechnung, schien die Welt noch in Ordnung.
Der berühmte Philosoph Aristoteles lehrte, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums ruht, und
um sie herum Sonne, Mond und Planeten kreisen. Damit bestätigte er, wovon seine Zeitgenossen
schon lange überzeugt waren. Denn dass sie sich mitsamt dem Erdball durch das Universum
bewegen, ohne auch nur das Geringste davon mitzubekommen, erschien ihnen unmöglich. Doch
hundert Jahre später rüttelte ein anderer Gelehrter gewaltig an diesem Weltbild. Der Astronom
Aristoteles lehrte bereits 250 vor
Aristarch von Samos versuchte mit Hilfe von Winkelberechnungen herauszufinden, wie weit Sonne
unserer Zeitrechnung, dass die Erde
und Mond von der Erde entfernt sind. Dabei erkannte er auch, dass die Sonne größer sein muss
Mittelpunkt der Welt sei
als die Erde.
Aristarch lässt die Erde kreisen
Dem Astronomen erschien es unmöglich, dass sich der feurige Koloss um den kleinen Erdball
dreht. Deshalb rückte er die Sonne ins Zentrum und lies die Erde um sie herum kreisen. Außerdem
war er davon überzeugt, dass die Erde sich auch um sich selbst dreht, denn nur so konnte er sich
den Wechsel von Tag und Nacht erklären. Für seine revolutionären Gedanken erntete Aristarch
jedoch keinen Ruhm, sondern nur Hohn und Spott. Sein Weltbild konnte sich nicht durchsetzen.
Stattdessen glaubten die Menschen weiter, dass die Erde im Mittelpunkt von allem läge. Doch mit
Aristarch von Samos berechnet etwa
der Zeit machten Astronomen immer wieder Beobachtungen, die sie mit dem gängigen geozentri-
150 vor unserer Zeitrechnung, dass die
schen Modell nicht erklären konnten. Trotzdem blieb für die meisten der Gedanke an eine beweg-
Sonne größer ist als die Erde
te Erde immer noch unvorstellbar.
Fälschungen für Aristoteles
Deshalb modernisierte Ptolemäus, ein besonders großer Anhänger Aristoteles, dessen Weltbild
und passte es den neuen Erkenntnissen an. Sein System war am Ende so ausgeklügelt, dass man
damit zahlreiche Vorhersagen über Himmelsereignisse treffen konnte. Doch das wichtigste war,
dass die Erde im Mittelpunkt blieb. Die Sache hatte jedoch einen Haken: Ptolemäus hat mit
gefälschten Daten gearbeitet. Trotzdem zweifelte über 1.000 Jahre niemand an seinen Ergebnissen.
Nur mit fiktiven Daten kann Ptolemäus
das Weltbild des Aristoteles im 2. Jahr-
Ein stiller Revolutionär
hundert retten
Erst Nikolaus Kopernikus entdeckte Anfang des 16. Jahrhunderts Fehler im ptolemäischen System.
Um bessere Daten zu erhalten, lässt Kopernikus eigens für seine Himmelsbeobachtung einen Turm
bauen. Mit Hilfe seiner Forschung und Ergebnissen anderer Wissenschaftler gelangte Kopernikus
zur Erkenntnis, dass die Sonne nicht um die Erde kreisen kann. Von Aristarch inspiriert baut
Kopernikus die Welt kurzerhand neu zusammen: Nun ruht die Sonne im Mittelpunkt und die Erde
kreist um sie herum. Für diese kühne Behauptung hätten ihn seine Zeitgenossen vermutlich für
Kopernikus Beobachtungen lassen ihn
geisteskrank erklärt – und so veröffentlichte er die Ergebnisse erst kurz vor seinem Tod.
am Werk des Ptolemäus zweifeln
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Einer rechnet nach
Weitere hundert Jahre mussten vergehen, bis der Mathematiker Johannes Kepler mit neuen
Messungen Kopernikus Aussagen überprüft. Je länger er rechnet, umso klarer wird, dass Kopernikus
sich nicht geirrt hatte. Nur einen Fehler kann Kepler ausmachen. Nicht in Kreisen, sondern in Ellipsen
drehen sich die Planeten um die Sonne. Doch das neue Weltbild bringt auch Kepler keinen Ruhm.
Wegen seiner Lehren findet er an keiner Universität eine Anstellung. Um die Öffentlichkeit von den
neuen Lehren überzeugen zu können, sucht Johannes Kepler nach Mitstreitern und hofft, in Galileo
Kepler liefert fehlende mathematische
Galilei einen gefunden zu haben.
Beweise für das kopernikanische Weltbild
Ein später Verbündeter
Galilei war schon früh vom kopernikanischen Weltbild überzeugt. Aus Angst vor Spott wollte der
gefeierte Gelehrte jedoch nicht offen dazu stehen. Als er sich 1632 in einem Buch dazu bekennt,
ist Kepler bereits als verarmter Mathematiklehrer gestorben. Aber auch Galileo findet kein glückliches Ende. Er entkommt dem Scheiterhaufen, weil er vor der Inquisition seiner Überzeugung
abschwört. Den Rest seines Lebens muss er jedoch unter Hausarrest verbringen.
Vor den Inquisitoren leugnet Galileo
Aber Wissenschaftler finden immer neue Beweise für das heliozentrische Weltbild und bald zwei-
Galilei seine Überzeugung
felt niemand mehr daran: Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt. Dennoch muss einige Zeit
verstreichen, bis die katholische Kirche 1992 bekennt: Sie hat Galileo und seinen Vorgängern
Unrecht getan. Nach über 2.000 Jahren fand der Streit damit ein Ende.
Autor: Christiane Meister
Zusatzinfos
Geozentrisches Weltbild
Im geozentrischen Modell ist die Erde im Mittelpunkt des Universums und Sonne, Mond und Planeten kreisen um sie.
Heliozentrisches Weltbild
Im heliozentrischen Weltbild kreisen alle Planeten um die Sonne.
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Neuer Blick auf die Sonne
Mission Sunrise zeigt uns die Sonne in bislang unerreichter Genauigkeit
Am 8. Juni 2009 startet von der Weltraumbasis ESRANGE im nordschwedischen Kiruna ein weltweit einzigartiges Projekt: die Mission Sunrise. Mit einem Teleskopspiegel von einem Meter
Durchmesser ist Sunrise das größte Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat. Es
soll die Sonne in bislang unerreichter Genauigkeit zeigen. Allerdings ist das Teleskop nicht Teil
eines Satelliten und wird auch nicht von einer Rakete in die Höhe befördert. Mit Sunrise will ein
internationales Wissenschaftler-Team, unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für SonnensysEin Heliumballon mit einem Durch-
temforschung, neue Wege gehen: Ein Heliumballon mit einem Durchmesser von 100 Metern beför-
messer von 100 Metern trägt Sunrise
dert das Teleskop auf 35 Kilometer Höhe. Sunrise lässt 99 Prozent der Erdatmosphäre unter sich
auf 35 Kilometer Höhe
und hat damit einen ungetrübten Blick auf die Sonne – ohne die störenden Luftschichten der Erde.
Rechte: Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS)
Ausgeklügelte Optik
Fünf Tage ist Sunrise unterwegs. Polarwinde tragen das Teleskop von Nordschweden um den
Nordpol bis nach Kanada. Spezialinstrumente richten das Teleskop während des Fluges automatisch Richtung Sonne aus – dank der Mitternachtssonne sogar Tag und Nacht. Der Flug verläuft
glatt, doch die Landung verläuft extrem dramatisch: Stürmische Winde bringen die Gondel über
Kanada vom Kurs ab. Die Wissenschaftler bangen um den Lohn ihrer Arbeit. Knapp zwei Terabyte
Daten hat das mobile Forschungsinstitut gesammelt. Gingen sie verloren, wären sechs Jahre Arbeit
Sunrise landet unsanft auf Somerset
vergebens. Schließlich landet Sunrise unsanft auf Somerset Island, einer abgelegen kanadischen
Island, einer kanadischen Insel
Insel.
Rechte: Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS)
Dynamische Magnetfelder
Die Forscher können aufatmen: Die Datenspeicher sind intakt und erste Auswertungen am MaxPlanck-Institut für Sonnensystemforschung zeigen: Die Mission ist ein voller Erfolg. Sunrise liefert
Bilder der Sonne in einer noch nie dagewesenen Auflösung. Erstmals sind Strukturen klar erkennbar, die kleiner als 100 Kilometer sind. Bei einer Entfernung der Sonne von 150 Millionen Kilometern entspricht das einer Auflösung, mit der man eine Ein-Euro-Münze noch aus 100 Kilometern
Entfernung erkennen könnte. Diese Auflösung hatte bislang noch kein Sonnenteleskop.
Sunrise macht Strukturen auf der Sonne
sichtbar, die kleiner sind als 100
Sunrise soll vor allem neue Informationen über die Magnetfelder der Sonne liefern. Die Felder ent-
Kilometer
stehen, weil die Sonne aus heißem, geladenen Gas besteht, das ständig in Bewegung ist. Das
Rechte: Max-Planck-Institut für
heißt, es fließen ständig elektrische Ströme auf der Sonne – und wo ein Strom fließt, ist auch
Sonnensystemforschung (MPS)
immer ein Magnetfeld. Mit einer Spezialkamera machen die Forscher die magnetische Aktivität
sichtbar. Die Bilder der Kamera zeigen die enorme Dynamik der Felder. Ständig entstehen neue
und andere verschwinden.
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Rätsel der Sonnenphysik
Die Magnetfelder könnten die Lösung für eines der spannendsten Rätsel der Sonnenphysik liefern:
Wie heizt die Sonne ihre äußere Hülle, die sogenannte Korona, auf? Während die Temperatur an
der Oberfläche etwa 5500 Grad Celsius beträgt, steigt sie in der Korona paradoxerweise wieder
an – auf bis zu fünf Millionen Grad. Wie kann es sein, dass die Temperatur steigt, obwohl die
Entfernung zur Energiequelle, dem Sonnenkern, größer wird? Das Phänomen erinnert an einen
Induktionsherd. Dort bleibt die Platte kalt, während Topf und Inhalt heiß werden. Beim IndukWährend die Sonnenoberfläche nur
tionsherd sind Magnetfelder dafür verantwortlich. Die Forscher sind sich sicher, dass Magnetfelder
etwa 5.500 Grad Celsius heiß ist, steigt
auch für den Temperaturanstieg in der Sonnenatmosphäre verantwortlich sind. Aber bislang ist
die Temperatur in der Atmosphäre der
noch unklar, wie sie die Korona aufheizen.
Sonne auf bis zu fünf Millionen Grad.
Rechte: NASA
Die Wissenschaftler können zwar berechnen, wie viel Energie nötig ist, um den steilen Temperaturanstieg zu erreichen. Um nachweisen zu können, dass die Magnetfelder in der Lage sind, diese
Energie zu liefern, müssen sie die Dynamik der Felder auf sehr kleinen Skalen untersuchen. Genau
das ist mit der enormen räumlichen Auflösung von Sunrise erstmals möglich. Die Auswertung der
enormen Datenmenge, die das Projekt gesammelt hat, wird sich noch ein bis zwei Jahre hinziehen.
Aber die Wissenschaftler sind sich sicher: Dank der Mission Sunrise werden sie die Kraft der Sonne
besser verstehen.
Autor: Dirk Gilson
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Das Sterben der Sonne
Die Tage der Sonne sind gezählt
Das Leben auf der Erde ist nur möglich, weil wir von der Sonne gerade die richtige Menge an
Energie bekommen. Würde sie weniger strahlen, wäre es hier zu kalt. Würde sie mehr Energie
aussenden, würde alles Wasser auf der Erde verdampfen und unser Planet zu einer Gluthölle. Doch
die Wissenschaft prophezeit schon heute das Ende dieser harmonischen Beziehung zwischen
Sonne und Erde. In ferner Zukunft wird die Sonne alles Leben auf der Erde vernichten. Doch das
ist nicht das Ende des spektakulären Todeskampfes.
Begleiten Sie die Sonne bis zu ihrem furiosen Finale. Das Sterben der Sonne – jetzt angucken auf
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Autor: Daniel Münter
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Lesetipps
Die Sonne: Eine Einführung für Hobby-Astronomen
Autor:
Jürgen Banisch
Verlagsangaben:
Oculum Verlag, 2009
ISBN-13:
978-3938469248
Sonstiges:
232 Seiten, 19,90 Euro
Kompakte, übersichtliche Einführung zur Theorie und Praxis der Sonnenbeobachtung. Der erste Teil
des Buches beschäftigt sich mit den Grundlagen der Sonnenphysik.
Unsere Sonne – Motor des Weltraumwetters (Sterne und Weltraum, Special 1/2007)
Autoren:
diverse
Verlagsangaben:
Spektrum der Wissenschaft
ISBN-13:
9783938639696
Sonstiges:
98 Seiten, EUR 8,90
Umfassendes Sonderheft der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ zur Sonne. Die Themen
der Artikel reichen von der Geschichte der Sonnenforschung bis zu den Auswirkungen der
Sonnenstürme auf die Erde.
Verschiedene Einzelartikel der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ (SuW) befassen sich ebenfalls
mit der Sonne und den Sonneneruptionen:
Thilo Günter:
Die Sonne – Der Stern, von dem wir leben, SuW 8/2007, S.70
Sten F. Odenwald und
James L. Green:
Solare Superstürme – die verkannte Gefahr, SuW 3/2009, S.24
Gordon D. Holman:
Explosionen auf der Sonne, SuW 6/2006, S.40
Die Sonne. Biographie unseres Sterns
Autor:
Dieter Hildebrandt
Verlagsangaben:
Carl Hanser Verlag, München 2008
ISBN:
978-3-446-23018-7
Sonstiges:
361 Seiten, 23,50 Euro (als Taschenbuch 12,90 Euro)
Dass die Sonne die Menschheit schon immer fasziniert hat, zeigt sich spätestens bei der Lektüre
dieses Buches. Der Autor beschreibt, wie sich Philosophen und Wissenschaftler in den letzten
3500 Jahren mit der Sonne auseinandergesetzt haben.
Mit Spritzgebäck und Silberscheibe zum eigenen Spektroskop
Autor:
Joachim Köppen
Verlagsangaben:
Zeitschrift „Sterne und Weltraum“
Ausgabe April 2010, S.88ff
Detaillierte Beschreibung der Hintergründe zum CD-Spektrometer und Tipps zur Beobachtung und
Analyse des Sonnenspektrums.
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http://www.quarks.de
Linktipps
Sonnenobservatorium SOHO
http://sohowww.nascom.nasa.gov/
Webseite der Sonnensonde SOHO, einer Gemeinschaftsmission von amerikanischer und europäischer Weltraumagentur (NASA/ESA). Viele spektakuläre Aufnahmen der Sonne. (Englisch)
Informationen zur STEREO-Mission
http://www.dlr.de/rd/desktopdefault.aspx/tabid-2448/3635_read-5412/
Deutschsprachige Informationen zur STEREO-Mission vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
STEREO-Mission
http://stereo.gsfc.nasa.gov/
Webseite STEREO-Mission der NASA. Ebenfalls spektakuläre Aufnahmen der Sonne. (Englisch)
Weitere Bauanleitungen und Beispielspektren
http://astro.u-strasbg.fr/~koppen/spectro/spectrod.html
Auf den Internetseiten des Freiburger Astrophysikers Joachim Köppen finden sich weitere Bauanleitungen und Beispiele von Absorptions- und Emissionsspektren.
Seite 13
Quarks & Co | Die Macht der Sonne | Sendung vom 01.06.2010
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Impressum:
Herausgegeben
vom Westdeutschen Rundfunk Köln
Verantwortlich:
Quarks & Co
Claudia Heiss
Redaktion:
Monika Grebe
Gestaltung:
Designbureau Kremer & Mahler
Bildrechte:
Alle: © WDR
© WDR 2010
Seite 14
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