Wahrheitsfunktionale Semantik

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Daniel Milne & Insa Röpke: „Modale Aussagen – Ein Zugang zur Logik der möglichen Welten“ – SoSe 2013
Wahrheitsfunktionale Semantik
Die Operatoren der Aussagenlogik lassen sich wahrheitsfunktional interpretieren. Der Wahrheitswert einer komplexen Formel, die mithilfe eines wahrheitsfunktionalen Operators gebildet wurde, hängt eindeutig von den Wahrheitswerten ihrer Teilformeln ab. Die Bedeutung eines einstelligen aussagenlogischen Operators lässt sich damit
als eine Funktion von der Menge der Wahrheitswerte in die Menge der Wahrheitswerte auffassen. Die Bedeutung
eines zweistelligen aussagenlogischen Operators lässt sich hingegen als eine Funktion von der Menge der Wahrheitswertpärchen in die Menge der Wahrheitswerte auffassen. Diese Funktionen lassen sich leicht mithilfe der bekannten
Wahrheitswerttabellen angeben.
Aussagenlogische Beispiele
Im Folgenden ist v eine Funktion (die Bewertungsfunktion), die jeder propositionalen Variable einen Wahrheitswert zuordnet. Beim Voranstellen eines einstelligen wahrheitsfunktionalen Operators an eine Formel ergibt sich der
Wahrheitswert, den v der komplexen Formel zuordnet, eindeutig aus dem Wahrheitswert der Teilformel. Beim Verknüpfen zweier Formeln durch einen zweistelligen wahrheitsfunktionalen Operator ergibt sich der Wahrheitswert,
den v der komplexen Formel zuordnet, eindeutig aus den Wahrheitswerten der beiden Teilformeln.
Die Negation
Die Bedeutung des Negationsoperators ist die folgende Funktion:
v (A)
(f¬ )
v (¬A) = f¬ (v (A))
t
f
f
t
Die materiale Implikation
Die Bedeutung des materialen Implikationsoperators ist die folgende Funktion:
(f⊃ )
v (A)
v (B)
v (A⊃B) = f⊃ (v (A),v (B))
t
t
t
t
f
f
f
t
t
f
f
t
1
Modallogische Operatoren
Die modallogischen Operatoren „2“ und „3“ sind wie der Negationsoperator einstellige Operatoren. Nun könnte man
sich fragen, ob die modallogischen Operatoren auch wahrheitsfunktional interpretiert werden können. Da es sich um
einstellige Operatoren handelt, stehen prinzipiell vier verschiedene Funktionen von der Menge der Wahrheitswerte
in die Menge der Wahrheitswerte zur Verfügung:
v (A)
f1 (v (A))
f2 (v (A))
f3 (v (A))
f4 (v (A))
t
t
f
t
t
f
f
f
t
f
Aufgrund der Äquivalenz 2A⇔ ¬3¬A brauchen wir nur einen Operator zu betrachten.1 Falls dieser Operator
wahrheitsfunktional interpretierbar ist, ist es der andere Operator auch [Überlege Dir warum.]. Betrachten wir den
Operator „2“. Es gilt:
(1) Wenn „2“ als eine Funktion von der Menge der Wahrheitswerte in die Menge der Wahrheitswerte interpretierbar
ist, dann ist f2 = f1 oder f2 = f2 oder f2 = f3 oder f2 = f4 .
Entspricht nun eine der obigen Funktionen f1 bis f4 der Interpretation von „2“? Sicher können wir f3 ausschließen,
da f3 mit der Wahrheitsfunktion der Negation, f¬ , identisch ist und wir „2“ offensichtlich eine andere Interpretation
zuordnen wollen als „¬“. Somit gilt:
(2) f2 6= f3 .
Auch f2 können wir leicht als Interpretation von „2“ ausschließen, da es sich um die Identitätsfunktion handelt und
sicher nicht für jede wahre Proposition A gilt, dass auch 2A wahr ist [Überlege Dir hierfür ein Beispiel.]. Somit gilt:
(3) f2 6= f2 .
f1 kann ebenfalls als Interpretation von „2“ ausgeschlossen werden. Wie oben erwähnt, gilt nicht für jede wahre
Proposition A, dass auch 2A wahr ist und überdies trifft es offensichtlich nicht zu, dass für jede falsche Proposition
A gilt, dass 2A wahr ist. Somit gilt:
(4) f2 6= f1 .
Schließlich können wir auch f4 als Interpretation von „2“ ausschließen, da nicht für jede wahre Proposition A gilt,
dass 2A falsch ist [Überlege Dir hierfür ein Beispiel.]. Somit gilt:
(5) f2 6= f4 .
Aus (1) bis (5) folgt schließlich:
(6) Es ist nicht der Fall, dass „2“ als eine Funktion von der Menge der Wahrheitswerte in die Menge der Wahrheitswerte interpretierbar ist.
1 Ähnliche
Überlegungen wie die folgenden lassen sich auch für den Operator „3“ anstellen. Versuche dies doch einmal als Übung.
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Weitere Überlegungen gegen eine wahrheitsfunktionale Interpretation der Modaloperatoren
Formeln, die mithilfe wahrheitsfunktionaler Operatoren gebildet wurden, haben eine interessante Eigenschaft: Betrachten wir die Formel p0 ∧ p1 , wobei „p0 “ für „1+1 = 2“ und „p1 “ für „Katzenbabys sind niedlich“ stehen soll. Da
beide Teilformeln wahr sind (v (p0 )=w, v (p1 )=w), ist auch die Konjunktion wahr (v (p0 ∧ p1 )=f∧ (v (p0 ),v (p1 ))=w).
Wenn wir innerhalb der Konjunktion nun die (wahre) Teilformel p1 durch die (ebenfalls wahre) Formel p2
(„Alte Katzen schlafen meistens“) ersetzen, dann bleibt die Konjunktion wahr. Insgesamt gilt für alle Formeln, deren
Hauptoperator wahrheitsfunktional ist, dass der Wahrheitswert der gesamten Formel erhalten bleibt, wenn wir eine
Teilformel durch eine Formel mit demselben Wahrheitswert ersetzen.
Betrachten wir im Gegensatz dazu die Formel 2p2 (Bewertung wie oben). Diese ist falsch: Es ist sicher nicht
notwendig, dass alte Katzen meistens schlafen. Ersetzen wir hingegen die wahre Teilformel p2 durch die ebenfalls
wahre Formel p1 , erhalten wir die wahre Formel 2p1 : Es ist notwendig, dass 1+1 = 2.
Ein weiteres Beispiel: Die Formel 3p3 , wobei „p3 “ für „Der Kurs Modale Aussagen findet im Raum T8-200
statt“ stehen soll, ist wahr (obwohl p3 falsch ist). Ersetzen wir nun aber die falsche Teilformel „p3 “ durch eine
ebenfalls falsche Formel p4 („Hans zeichnet ein viereckiges Dreieck“), erhalten wir eine falsche Formel 3p4 : Es ist
nicht möglich, dass Hans ein viereckiges Dreieck zeichnet.
Da es nun nicht der Fall ist, dass der Wahrheitswert einer Formel, deren Hauptoperator ein Modaloperator
ist, erhalten bleibt, wenn wir eine Teilformel durch eine Formel mit demselben Wahrheitswert ersetzen, sind die
Modaloperatoren nicht wahrheitsfunktional.
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