Erläuterungen zur Aufgabenstellung - Bauhaus

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Erläuterungen zur Aufgabenstellung
II
Erläuterungen zur Aufgabenstellung
1.
Problem- und Zielstellung
Angesichts der steigenden Bedeutung der Energieeffizienz auf Kläranlagen insbesondere bei der
Behandlung industrieller Abwasserströme mit hoher organischer Belastung, gewinnt die
Anaerobtechnik zunehmend an Bedeutung. Trotz jahrzehntelanger Entwicklung in diesem Bereich
ist der Betrieb von Anaerobanlagen, bedingt durch die hohe Raumumsatzleistung und die
spezialisierte Biozönose, im Vergleich zur Behandlung im konventionellen Belebungsverfahren
anfälliger gegenüber den Betriebsgegebenheiten im Kläranlagenalltag.
Auf der Kläranlage Arnsberg-Neheim betreibt der Ruhrverband seit nunmehr 3 Jahren
Anaerobreaktoren zur Vorbehandlung der Abwässer einer Papierfabrik. Das Papierabwasser wird
der Kläranlage separat in einer Druckrohrleitung zugeführt, zur Konditionierung und
Vorversäuerung zunächst in Vorversäuerungstanks zwischengespeichert und anschließend durch
Methanreaktoren (IC-Reaktoren) geleitet. Das so vorbehandelte Papierabwasser wird anschließend
in die Denitrifikationsstufe der Kläranlage eingeleitet. Das in den Methanreaktoren produzierte Gas
wird nach einer Gaswäsche in BHKW’s verstromt. Zur Vermeidung von Geruchsemissionen ist der
Betrieb einer leistungsfähigen Abluftbehandlung erforderlich.
Bis Ende 2007 konnten durch einen Engpass bei der Gaswäsche sowie durch verschiedene
Betriebsstörungen der Methanreaktoren nur rd. 60 – 70 % des Papierabwassers stabil anaerob
behandelt werden. Der unbehandelte Anteil wurde über einen Bypass in die kommunale KA
abgefahren. Anfang 2008 wurde bereits die Kapazität der Gaswäsche erhöht. Außerdem wurde ein
weiteres BHKW zur Verstromung der zusätzlich erwarteten Gasmenge installiert.
Wesentliche Zielstellung ist somit die stabile anaerobe Vorbehandlung von möglichst 100% des
Papierabwassers. Dazu ist zum einen eine Optimierung der anaeroben Vorbehandlungsanlage
hinsichtlich Ausnutzung der Anlagenkapazität sowie Erhöhung der Prozessstabilität erforderlich.
Zum anderen ist ein System zu entwickeln, welches ein frühzeitiges Erkennen von
Betriebsstörungen ermöglicht. Durch die Optimierung der IC-Reaktoren wird eine erhöhte
Gasausbeute und damit verbunden eine erhöhte Eigenstromversorgung angestrebt. Zudem wird
durch die organische Entlastung der biologischen Stufe der kommunalen Kläranlage eine weitere
Reduktion der Belüftungsenergie sowie eine verminderte Überschussschlammproduktion erwartet.
Die in umfangreichen Betriebsaufzeichnungen erfassten Betriebszustände der Anlage versprechen
nach Aufarbeitung die Ableitung wesentlicher Aussagen zur Optimierung des Betriebes. Aufgabe
ist es daher, im Rahmen dieser Masterarbeit auf Grundlage der vorhandenen Aufzeichnungen und
unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur, konkrete Handlungsoptionen zum optimierten
Betrieb der IC-Reaktoren zu entwickeln sowie Dimensionierungsparameter zu diskutieren.
2.
Schwerpunkte der Bearbeitung
Sichtung und kurze Darstellung der relevanten Literatur zum Thema anaerobe
Abwasserbehandlung mit besonderem Schwerpunkt auf Betriebsstörungen,
Betriebsdatenanalyse und –interpretation,
Betrachtung besonderer Betriebssituationen (Wiederinbetriebnahme, Stoßbelastung,
Maximalbelastung, Minimalbelastung etc.),
Einflussgrößen auf die Prozessstabilität und deren Bewertung,
Ableitung von Handlungsempfehlungen zum optimierten Betrieb,
Diskussion von Dimensionierungsparametern.
Erläuterungen zur Aufgabenstellung
3.
III
Hinweise
Der Stand der Arbeit wird in regelmäßigen Abständen, aber mindestens einmal monatlich, z.B. per
E-Mail zwischen Bearbeiter, Prüfern und Betreuer ausgetauscht und das weitere Vorgehen
beraten. Bei größeren Bearbeitungsschwierigkeiten nimmt der Bearbeiter umgehend Kontakt mit
dem Betreuer auf. Sofern die Absicht besteht, die Bearbeitungsschwerpunkte der Masterarbeit zu
ändern oder zu präzisieren, bedarf dies der Zustimmung beider Prüfer.
Die beigefügten Hinweise für die Erstellung von Masterarbeiten sind zu beachten. Die Ergebnisse
der Masterarbeit sind in Thesen zusammenzufassen. Die Abgabe der Arbeit erfolgt in folgender
Form: 3 schriftliche Exemplare, 2 elektronische Datenträger (Arbeit komplett, ggf. mit Anlagen), 2
Exemplare der Thesen, 2 Erfassungsbelege, 1 Poster (ca. 80 x 80 cm).
Inhaltsverzeichnis
VI
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis..............................................................................................................................VI
Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................................... IX
Tabellenverzeichnis ......................................................................................................................... XII
Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen .......................................................................................... XIII
1.
Einleitung.................................................................................................................................... 1
2.
Grundlagen................................................................................................................................. 3
2.1
Stoffwechsel, Zellatmung und Gärung ............................................................................... 3
2.2
Wachstum von Mikroorganismen ....................................................................................... 4
2.2.1
Allgemeines ................................................................................................................ 4
2.2.2
Enzymkinetik und Wachstumsrate.............................................................................. 5
2.2.3
Gegenüberstellung Biomassensynthese und Biomassenzuwachs ............................ 8
2.3
Gegenüberstellung aerober und anaerober Reinigungsprozesse...................................... 9
2.4
Vor- und Nachteile aerober und anaerober Reinigungsprozesse .................................... 11
2.5
Stoffwechselprozesse des anaeroben Abbaus ................................................................ 12
2.5.1
Hydrolysephase ........................................................................................................ 12
2.5.2
Versäuerungsphase ................................................................................................. 14
2.5.3
Acetogene Phase ..................................................................................................... 18
2.5.4
Methanogene Phase ............................................................................................... 20
2.5.5
Prozessübersicht ...................................................................................................... 22
2.6
Biogas............................................................................................................................... 22
2.6.1
Gaszusammensetzung ............................................................................................. 22
2.6.2
spezifische Biogasproduktion ................................................................................... 24
2.6.3
Einfluss der Biogaslöslichkeit auf die Gaszusammensetzung.................................. 24
2.6.4
Einfluss der Hydrogenkarbonatbildung auf die Gaszusammensetzung ................... 25
2.7
Pufferkapazität und Alkalinität .......................................................................................... 26
2.7.1
Chemische Gleichgewichte ...................................................................................... 26
2.7.2
Kohlensäure Puffersystem........................................................................................ 29
2.8
Ausfällungsprozesse ........................................................................................................ 33
2.8.1
Karbonatfällung ........................................................................................................ 33
2.8.2
Sonstige Fällungsreaktionen .................................................................................... 36
2.9
Einflussfaktoren auf die Prozessstabilität anaerober Abbauvorgänge ............................. 37
2.9.1
Schwankende Abwassermengen und –konzentrationen.......................................... 37
2.9.2
Mischungsverhältnisse im Reaktor ........................................................................... 37
2.9.3
Substratkonzentration............................................................................................... 38
Inhaltsverzeichnis
2.9.4
Temperatur ............................................................................................................... 38
2.9.5
pH-Wert .................................................................................................................... 40
2.9.6
Hemmwirkung organischer Säuren .......................................................................... 41
2.9.7
Hemmwirkung von H2S............................................................................................. 44
2.9.8
Hemmwirkung von NH3 ............................................................................................ 48
2.9.9
Hemmwirkung durch Schwermetalle ........................................................................ 49
2.9.10
Nährstoffbedarf ......................................................................................................... 50
2.10
3
4
5
VII
Pelletschlamm .................................................................................................................. 53
2.10.1
Pelletbildung und -aufbau ......................................................................................... 53
2.10.2
Bedingungen für eine gute Pelletstruktur.................................................................. 55
Anaerobe Verfahren ................................................................................................................. 56
3.1
Gliederung anaerober Verfahrenstechnik......................................................................... 56
3.2
Pelletschlammreaktoren ................................................................................................... 57
3.2.1
UASB Reaktor .......................................................................................................... 57
3.2.2
EGSB-Reaktoren ...................................................................................................... 58
3.2.3
Biobed ...................................................................................................................... 59
3.2.4
IC .............................................................................................................................. 60
Beschreibung der Kläranlage Arnsberg-Neheim...................................................................... 66
4.1
Entwicklung der Belastungssituation ................................................................................ 66
4.2
Anaerobe Vorbehandlung zur Entlastung der Biologie..................................................... 68
4.3
Beschreibung der Anlagenteile......................................................................................... 69
Dimensionierung der anaeroben Vorbehandlung..................................................................... 71
5.1
Maßgebende Dimensionierungsparameter ...................................................................... 71
5.2
Konditionierungs- und Vorversäuerungsstufe .................................................................. 71
5.2.1
Ermittlung des Versäuerungsgrades ........................................................................ 72
5.2.2
Volumenermittlung.................................................................................................... 72
5.2.3
Funktionen................................................................................................................ 73
5.3
Methanreaktoren .............................................................................................................. 73
5.3.1
Volumenermittlung.................................................................................................... 73
5.3.2
Durchmesser und Höhe............................................................................................ 74
5.3.3
Nährstoffbedarf ......................................................................................................... 75
5.4
Biogas............................................................................................................................... 76
5.4.1
Biogasproduktion ...................................................................................................... 76
5.4.2
Biogaswäsche .......................................................................................................... 76
5.5
Dosierstation..................................................................................................................... 77
5.5.1
Natronlaugedosierung in den Vorversäuerungsreaktor ............................................ 77
5.5.2
Natronlaugedosierung in den Gaswäscher............................................................... 77
Inhaltsverzeichnis
5.5.3
Nährstoffdosierung ................................................................................................... 77
5.4.4
Steuerung bzw. Regelung der Betriebsmittelzugabe................................................ 78
5.5
Bestimmung der Abluftmenge .................................................................................. 78
5.5.2
Abluftbehandlung...................................................................................................... 79
8
Verfahrenstechnisches Regelungskonzept ...................................................................... 81
5.6.1
Durchsatzregelung der Reaktoren............................................................................ 81
5.6.2
pH-Regelung und Überwachung .............................................................................. 81
5.6.3
Temperaturüberwachung ......................................................................................... 82
5.6.4
Überwachung der Aufstromgeschwindigkeit............................................................. 82
5.7
7
Abluft ................................................................................................................................ 78
5.5.1
5.6
6
VIII
Anlagenübersicht.............................................................................................................. 83
Betriebsdaten ........................................................................................................................... 84
6.1
Probenahmestellen und analysierte Parameter ............................................................... 84
6.2
Betriebsdatenanalyse und –interpretation ........................................................................ 85
6.2.1
Wepa Abwasser........................................................................................................ 85
6.2.2
Ablauf Vorversäuerungstank/ Zulauf IC-Reaktoren .................................................. 90
6.2.3
Ablauf IC-Reaktor/ Prozessparameter...................................................................... 96
6.2.4
Energiebetrachtung ................................................................................................ 107
6.2.5
Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................................ 110
6.3
Diskussion von Dimensionierungsparametern ............................................................... 110
6.4
Handlungsempfehlungen zum optimierten Betrieb......................................................... 113
6.4.1
Erhöhung des behandelten Anteils......................................................................... 114
6.4.2
Weitere Optimierungsmaßnahmen......................................................................... 115
6.4.3
System zum frühzeitigen Erkennen von Betriebsstörungen ................................... 115
6.4.4
Probenahmestellen und analysierte Parameter...................................................... 116
Kosten .................................................................................................................................... 117
7.1
Reduktion der eingesetzten Betriebsmittel ..................................................................... 117
7.2
Erhöhung des Energievorteils ........................................................................................ 118
7.3
Summe der Kostenvorteile ............................................................................................. 119
Zusammenfassung und Fazit ................................................................................................. 119
Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 123
Anlagen .......................................................................................................................................... 126
Abbildungsverzeichnis
IX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 01: Energie- und Baustoffwechsel (Londong, Rosenwinkel 2007).................................... 5
Abbildung 02: Wirkung eines Biokatalysators (Mudrack, K.; Kunst, S. 1994, S. 28).......................... 5
Abbildung 03: Zusammenhang zwischen Substratumsatz und Substratkonzentration (ATV, 1997) . 6
Abbildung 04: Zusammenhang zwischen Wachstumsrate und Substratkonzentration (ATV, 1997) . 6
Abbildung 05: Kohlenstoffbilanz im Vergleich (Austermann-Haun, U. 2006) ................................... 11
Abbildung 06: Phasen des anaeroben Abbaus (Mudrack; Kunst. 1994, S. 45) ............................... 12
Abbildung 07: Generationszeiten bei 35°C aerober und anaerober Mikroorganismen
(zitiert in Moser 2002, S. 12) ..................................................................................... 13
Abbildung 08: Wachstumsrate der hydrolisierenden Bakterien in Abhängigkeit von
Temperatur und pH-Wert nach GUJER und ZEHNDER 1983
(zitiert in Lützner, K. u. Kühn, V 2001, S. 53) ........................................................... 14
Abbildung 09: Einfluss des Wasserstoffpartialdruckes auf die Änderung der freien Energie........... 19
Abbildung 10: Wachstumskinetik acetatverarbeitender Methanbakterien........................................ 21
Abbildung 11: Energiefluss bei der anaeroben Abwasserreinigung nach McCARTY 1981
(zitiert in Kroiss 1985, S. 15) ..................................................................................... 22
Abbildung 12: Anteile der Kohlensäureformen am DIC.................................................................... 29
Abbildung 13: Dissoziationsgleichgewicht zwischen CO2 und HCO3- .............................................. 30
Abbildung 14: Zusammenhang zwischen pH, [CO2], [HCO3-] bei 35 °C .......................................... 31
Abbildung 15: Calcium-Konzentration in mg/l, ab der in Abhängigkeit von Temperatur, pH-Wert
und HCO3- - Konzentration das Löslichkeitsprodukt LCaCO3 überschritten wird.......... 35
Abbildung 16: Calcium-Konzentration in mg/l, ab der bei einem pH-Wert von 6,6 in Abhängigkeit
der HCO3- - Konzentration und unterschiedlicher Löslichkeitsprodukte, das
Löslichkeitsprodukt LCaCO3 überschritten wird............................................................ 35
Abbildung 17: Maximale Wachstumsrate methanogener Bakterien in Abhängigkeit der
Temperatur nach BATSTONE (2002) (zitiert in Meyer, H. 2004 S. 2-36) ................. 39
Abbildung 18: Relative Aktivität mesophiler Methanbakterien in Abhängigkeit von der
Temperatur, bezogen auf eine Aktivität bei 35°C (Kroiss, H. 1985 S. 35) ................ 39
Abbildung 19: pH-abhängige Dissoziation von Essigsäure.............................................................. 42
Abbildung 20: Anteil undisoziierter Säure in Abhängigkeit des pH-Wertes...................................... 43
Abbildung 21: Anteil undissoziierter Säure in Abhängigkeit von pH-Wert
und Säurekonzentration cges ...................................................................................... 43
Abbildung 22:Anteil von HS- und H2S am Gesamtsulfid in Abhängigkeit vom pH-Wert................... 45
Abbildung 23:Physikalisch gelöstes H2S in Abhängigkeit des H2S-Anteils
im Gas bei 35°C und pabs = 1bar ............................................................................... 46
Abbildung 24: Verteilung der Sulfidfraktionen (Kroiss, H. 1985, S. 57)........................................... 46
Abbildungsverzeichnis
X
Abbildung 25: H2S-Konzentration im Gas und der Flüssigkeit in Abhängigkeit von CSBabb/Sred ...... 47
Abbildung 26: Anteil von NH4+ und NH3 in Abhängigkeit vom pH-Wert ........................................... 48
Abbildung 27: Hemmung in Abhängigkeit von NH4-N-Konzentration und pH-Wert
(Kroiss, H. 1985, S. 67) ............................................................................................. 49
Abbildung 28: CSB: N - Verhältnis als Funktion der organischen Schlammbelastung
nach HENZE, HARREMOES (1983) (zitiert in Kroiss, H. 1985 S. 92) ...................... 51
Abbildung 29: Pelletaufbau nach GUIOT, 1991 zitiert in (Weinberger, G. 2008 S. 11-4) ............... 54
Abbildung 30: Gliederung anaerober Verfahrenstechnik
(ATV-Fachausschuß 7.5 1990, erweitert von Meyer, H. 2004) ................................. 56
Abbildung 31: Anaerobe Reaktoren (Rosenwinkel, K.-H. 2008) ...................................................... 57
Abbildung 32: Schema eines UASB-Reaktors ................................................................................. 57
Abbildung 33: Funktionsschema Biobed-Reaktor (Prospekt Fa. VA TECH WABAG) ..................... 59
Abbildung 34: Funktionsschema IC-Reaktor (Prospekt Fa. PAQUES) ............................................ 61
Abbildung 35: Einlaufverteilsystem beim IC-Reaktor ....................................................................... 62
Abbildung 36: IC ohne Installationen und Abscheidersegmente vor Einbau.................................... 63
Abbildung 37: Eingebauter Abscheider von unten und oben ........................................................... 63
Abbildung 38: Mit Deckeln verschlossene Ablaufrinnen .................................................................. 64
Abbildung 39: Luftbild KA Arnsberg-Neheim (Ausbauzustand 1988) .............................................. 66
Abbildung 40: Luftbild KA Arnsberg-Neheim (Ausbauzustand 1999) .............................................. 66
Abbildung 41: Kontinuierlicher Anstieg der CSB-Fracht im Zulauf zur aeroben biologischen Stufe 67
Abbildung 42: Luftbild KA Arnsberg-Neheim (Ausbauzustand 2008) .............................................. 68
Abbildung 43: Schematische Darstellung der Kläranlage Arnsberg-Neheim ................................... 70
Abbildung 44: Schema und Bild vom BSR in Neheim...................................................................... 77
Abbildung 45: Multiboxen mit Phosphorsäure, Harnstoff und Natronlauge...................................... 78
Abbildung 46: Schema der Abluftentsorgung auf der KA Arnsberg-Neheim ................................... 80
Abbildung 47: Bild der Abluftentsorgung auf der KA Arnsberg-Neheim........................................... 80
Abbildung 48: Prozess-Schema der anaeroben Vorbehandlung ..................................................... 81
Abbildung 49: Bildliche Darstellung der anaeroben Vorbehandlungsstufe ...................................... 83
Abbildung 50: Schematische Darstellung des Gesamtprozesses der anaeroben
Vorbehandlungsstufe ................................................................................................ 83
Abbildung 51: Vereinfachtes Fließschema....................................................................................... 84
Abbildung 52: Wassermenge und CSB-Konzentration .................................................................... 85
Abbildung 53: Zulaufende CSB-Fracht des Wepa Abwassers........................................................ 86
Abbildung 54: Organische Säuren und Versäuerungsgrad des Wepa Abwassers .......................... 86
Abbildung 55: Temperaturverlauf des Wepa-Abwasser................................................................... 87
Abbildung 56: Abfiltrierbare Stoffe und pH-Wert .............................................................................. 87
Abbildung 57: Stickstoff- und Phosphorfracht im Wepa Abwasser .................................................. 88
XI
Abbildung 58: Sulfatkonzentration im Papierabwasser und H2S-Koknzentration im Biogas............ 89
Abbildung 59: Verhältnis CSBabb/Sred im Papierabwasser und H2S-Konzentration im Biogas ......... 89
Abbildung 60: Wassermenge und CSB-Konzentration Zulauf IC-Reaktoren ................................... 90
Abbildung 61: Behandelter Anteil des Wepa-Abwassers ................................................................. 91
Abbildung 62: Den IC-Reaktoren zugeführte CSB-Fracht ............................................................... 91
Abbildung 63: Organische Säuren und Versäuerungsgrad Zulauf IC .............................................. 92
Abbildung 64: Temperaturverlauf Ablauf VV .................................................................................... 92
Abbildung 65: Abfiltrierbare Stoffe und pH-Wert .............................................................................. 93
Abbildung 66: Nährstoffverhältnis CSB : P und zudosierte P-Fracht ............................................... 94
Abbildung 67: Nährstoffverhältnis CSB : N ...................................................................................... 95
Abbildung 68: Reinigungsleistung der Methanreaktoren.................................................................. 96
Abbildung 69: Wirkungsgrad IC-Reaktoren (Bezug zu- und ablaufende CSB-Konzentration)......... 97
Abbildung 70: Wirkungsgrad IC-Reaktoren (Bezug zu- und ablaufende CSB-Fracht)..................... 98
Abbildung 71: Gegenüberstellung Prozesstemperatur und CSB-Konzentration im Ablauf.............. 98
Abbildung 72: Organische Säuren Ablauf IC Reaktoren und pH-Wert IC-Reaktor .......................... 99
Abbildung 73: Methangehalt Biogas, pH-Ablauf IC, Alkalität Ablauf IC............................................ 99
Abbildung 74: Natronlaugeverbrauch und pH-Wert im IC .............................................................. 100
Abbildung 75: PO4-P-Konzentration im Ablauf der IC-Reaktoren .................................................. 101
Abbildung 76: Schlammbeprobung (Probenahmehöhen und zugehöriges Reaktorvolumen) ....... 102
Abbildung 77: Schlammkonzentration bei 5.6 m............................................................................ 102
Abbildung 78: Organische Schlammmasse in den IC-Reaktoren .................................................. 103
Abbildung 79: Abfiltrierbare Stoffe im Zulauf und Ablauf von IC-Reaktor 1 .................................. 104
Abbildung 80: Schlammbelastung.................................................................................................. 105
Abbildung 81: Aufstromgeschwindigkeit im Schlammbett.............................................................. 106
Abbildung 82: Gasproduktion......................................................................................................... 106
Abbildung 83: spezifische Gasproduktion ...................................................................................... 107
Abbildung 84: CSB Abbau und Biogasproduktion 2008................................................................. 108
Abbildung 85: Strombedarf der aeroben Biologie .......................................................................... 109
Tabellenverzeichnis
XII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 01: Gegenüberstellung aerober und anaerober Reiningungsverfahren .............................. 11
Tabelle 02: Vor- und Nachteile der Anaerobtechnik ........................................................................ 11
Tabelle 03: Kinetische Parameter mesophiler Versäuerungsbakterien (30 – 37 °C)
(Zitiert in Meyer, H. 2004)............................................................................................ 16
Tabelle 04: Kinetische Parameter methanogener und acetogener Bakterien bei
Temperaturen von 30 - 37 °C (Meyer, H. 2004, S. 2-10) .............................................. 21
Tabelle 05: Substratabhängige Gaszusammensetzung nach Buswell und Boyle ........................... 23
Tabelle 06: Einfluss des Gaslöslichkeitsverhaltens auf die Gaszusammensetzung ........................ 25
Tabelle 07: Einfluss der Hydrogencarbonatkonzentration auf die Gaszusammensetzung .............. 26
Tabelle 08: pK-Werte der Dissoziationsgleichgewichte der Kohlensäure in Abhängigkeit der
Temperatur.................................................................................................................... 29
Tabelle 09: Löslichkeitsprodukt von CaCO3 in Reinwasser bei unterschiedlichen Temperaturen ... 33
Tabelle 10: Für die anaerobe Abwasserbehandlung wichtige Monocarbonsäuren.......................... 41
Tabelle 11: Hemmende bzw. toxische Konzentrationen verschiedener Metalle
(ATV-Fachausschuß 7.5 1990 S.1250)......................................................................... 49
Tabelle 12: Richtwerte für den Spurenelementenbedarf bezogen auf den abgebauten CSB nach
(ATV-Fachausschuß 7.5 1990 S. 1249)........................................................................ 52
Tabelle 13: Mögliche Dimensionierungsparameter eines UASB-Reaktors in der Papierindustrie ... 58
Tabelle 14: Mögliche Dimensionierungsparameter eines Biobed-Reaktors in der Papierindustrie.. 60
Tabelle 15: Mögliche Dimensionierungsparameter eines IC-Reaktors in der Papierindustrie ......... 65
Tabelle 16: Kommunales Abwasser der KA Arnsberg Neheim........................................................ 67
Tabelle 17: Papierabwasser der Fa. WEPA..................................................................................... 67
Tabelle 18: Probenahmestellen und analysierte Parameter ............................................................ 84
Tabelle 19: Probenahmestellen, analysierte Parameter und optimierte Analysehäufigkeit ........... 116
Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen
XIII
Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen
Symbol
Dimension/ Einheit
Bedeutung
a
[a]
Jahr
A
[m²]
Fläche
AFS
[-]
Abfiltrierbare Stoffe
ATP
[-]
-1
Adenosintriphosphat
-1
b
[d ] ; [h ]
Sterberate
Bd
[kg/d]
Tagesfracht
BSB
[-]
Biochemischer Sauerstoffbedarf
BoTR
[kg CSB/(kg oTR*d)]
organische Schlammbelastung
BM
[-]
Biomasse
c
[mg/l]
Konzentration
CH4
[-]
Methan
CO2
[-]
Kohlenstoffdioxid
CSB
[-]
Chemischer Sauerstoffbedarf
CSBabb
[-]
abbaubarer CSB
CSBabg
[-]
abgebauter CSB
CSBBM,Z
[-]
CSB-Biomassenzuwachs
CSBBM,S
[-]
CSB-Biomassensysnthese
CSBS
[-]
CSB-Substrat
d
[d]
Tag
DIC
[-]
dissolved inorganic carbon
DL
[-]
Druckrohrleitung
EGSB
[-]
extended granular sludge bed
EW
[E]
Einwohnerwerte
fA
[-]
Anreicherungsfaktor
fT
[-]
Temperaturfaktor
G
[-]
Gibbsche Reaktionsenergie
h
[h]
Stunde
H2S
[-]
Schwefelwasserstoff
i
[-]
Platzhalter für einen Stoff
I
[-]
Hemmfaktor
IC
[-]
Internal Circulation
K
[mol/l]
Dissoziationskonstante
KA
[-]
Kläranlage
Kc
[mol/l]
Dissoziationskonstante
KH,i
[mol/(l*bar)]
Henry Konstante des Gases i
KM
[mg/l]
Michaelis-Menten-Konstante
Verzeichnis wesentlicher Abkürzungen
XIV
Km
[kg CSB/(kg oTR*d)]
Umsatzrate
KS
[mg/l]
Halbwertkonstante
Li
[mol²/l²]
Löslichkeitsprodukt des Salzes i
m
[kg]
Masse
MID
[-]
Magnetisch Induktive Durchflussmessung
n
[mol]
Stoffmenge
NH4-N
[-]
Ammonium-Stickstoff
pi
[bar]
Partialdruck des Gases i in der Gasphase
pXB
[kg CSBBM,Z/kg CSBS]
spezifischer Biomassenzuwachs
Pi
[kg CSB/(m³*d)]
Prozessrate des Stoffes i
Portho
[-]
Orthophosphat
Q
[m³/d]; [m³/h]; [l/s]
Wassermenge
rS
[kg CSBS/(m³*h)]
Substratumsatzrate
rXB
[kg CSBBM,Z/(m³*h)]
Biomassenproduktionsrate
Rezi
[-]
Rezirkulation
S
[-]
Substrat
S
[mg/l]
Substrat
Si
[mg/l]
Substratkonzentration des Stoffes i
Si
[mol/l]
Konzentration des Gases i im Wasser
SK4,3
[mmol/l]
Säurekapazität, Alkalität
t
[s, min, h, d, a]
Zeit
td
[s, min, h, d, a]
Verdopplungszeit
T
[°C]
Temperatur
TKN
[-]
total Kjeldahl Nitrogen
TR
[-]
Trockenrückstand
tR
[h]; [d]
hydraulische Aufenthaltszeit
UASB
[-]
upflow anaerobic sludge blanket
V
[m³]
Volumen
v
[m/s]
Geschwindigkeit
v
[mg/(g*h)]
Abbaugeschwindigkeit
VV
[-]
Vorversäuerung
XB
[kg/m³]
Biomassenkonzentration
X0
[-]
µ
-1
Biomasse zum Zeitpunk t = 0
-1
[d ]; [h ]
Wachstumsrate
Einleitung
1
1. Einleitung
Angesichts der steigenden Bedeutung der Energieeffizienz auf Kläranlagen, insbesondere bei der
Behandlung industrieller Abwasserströme mit hoher organischer Belastung, gewinnt die
Anaerobtechnik zunehmend an Bedeutung. Im Jahr 2007 wurden weltweit 2266 Anaerobanlagen
betrieben. In Deutschland waren 2006 174 Anlagen im Einsatz (Kuhn, C. 2008). Obwohl die
Anaerobtechnik grundsätzlich bei allen Industrieabwässern mit organischen Inhaltsstoffen
eingesetzt werden kann, ist die Anwendung in Deutschland derzeit erst in den Bereichen der
Getränke- und Lebensmittelindustrie sowie der Zellstoff- und Papierherstellung verbreitet
(Bischofsberger, W. et. al. 2005, S.283). Zukünftig wird die Anaerobtechnik durch neuere
Entwicklungen in der Reaktortechnologie sowie die energetischen Vorteile in zunehmendem Maße
auch in anderen Industriebranchen mit organischen Abwässern zum Einsatz kommen.
Im Vergleich zur aeroben Reinigung können Anaerobsysteme aufgrund der guten
Absetzeigenschaften des granulären Pelletschlammes und den damit realisierbaren hohen
Biomassenkonzentrationen kompakter ausgeführt werden. Daher sind bei möglichen CSBRaumbelastungen von bis zu 30 kg CSB/(m³*d) nur vergleichsweise geringe Behältervolumina
erforderlich. Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich weiterhin aus dem geringeren Energiebedarf
durch den Wegfall der Belüftung, dem niedrigeren spezifischen Schlammanfall und der Möglichkeit,
das entstehende Biogas zu nutzen.
Gleichzeitig bestehen allerdings erhöhte betriebliche Anforderungen. Bedingt durch die hohe
Raumumsatzleistung und die spezialisierte Biozönose sind Anaerobanlagen im Vergleich zur
Behandlung im konventionellen Belebungsverfahren störanfälliger, so dass eine höhere
Prozesskontrolle und ein entsprechendes Betreiber-Know-how erforderlich sind. Durch die oftmals
hohen H2S-Konzentrationen im Biogas ergeben sich im Hinblick auf die Arbeitssicherheit
besondere Anforderungen. Da nur rd. 70 – 90 % der organischen Verschmutzung bezogen auf den
Summenparameter CSB abgebaut werden, kann die anaerobe Reinigung nur als Vorbehandlung
genutzt werden, weshalb bei einer vorgesehenen Direkteinleitung eine aerobe Weiterbehandlung
notwendig ist.
Auf der Kläranlage Arnsberg-Neheim betreibt der Ruhrverband seit nunmehr drei Jahren
Anaerobreaktoren zur Vorbehandlung der Abwässer einer Papierfabrik. Das Papierabwasser wird
der Kläranlage separat in einer Druckrohrleitung zugeführt, zur Konditionierung und
Vorversäuerung zunächst in Vorversäuerungstanks zwischengespeichert und anschließend durch
Methanreaktoren (IC-Reaktoren) geleitet. Dieses so vorbehandelte Abwasser wird anschließend
zur Weiterbehandlung in die Denitrifikationsstufe der Kläranlage eingeleitet. Das in den
Methanreaktoren produzierte Gas wird nach einer Gaswäsche in BHKWs verstromt. Die
Vermeidung von Geruchsemissionen erfordert den Betrieb einer leistungsfähigen
Abluftbehandlung.
Einleitung
2
Bis Ende 2007 konnten durch einen Engpass bei der Gaswäsche sowie verschiedene
Betriebsstörungen der Methanreaktoren nur rd. 60 – 70 % des Papierabwassers stabil anaerob
behandelt werden. Der unbehandelte Anteil wurde über einen Bypass direkt in die
Denitrifikationsstufe der kommunalen KA abgefahren.
Die vorliegende Arbeit widmet sich somit der Zielsetzung, möglichst 100 % des Papierabwassers
stabil anaerob zu behandeln, um durch die Optimierung eine erhöhte Gasausbeute und damit
verbunden eine erhöhte Eigenstromversorgung zu erreichen. Durch die Entlastung der
biologischen Stufe der kommunalen Kläranlage soll eine weitere Reduktion der Belüftungsenergie
und eine verminderte Überschussschlammproduktion erzielt werden.
Zur Darstellung der biologischen und chemisch-physikalischen Grundlagen der anaeroben
Abwasserbehandlung erfolgt im ersten Teil der Arbeit eine Sichtung und kurze Darstellung der
relevanten Literatur. Im Fokus stehen dabei die wichtigsten Einflussfaktoren auf die
Leistungsfähigkeit und Prozessstabilität.
Vor dem Hintergrund dieser Einflussfaktoren werden anschließend die in umfangreichen
Betriebsaufzeichnungen erfassten Betriebszustände der Anaerobanlage aufgearbeitet. Zusammen
mit der Betrachtung besonderer Betriebssituationen (Wiederinbetriebnahme nach einem
Schlammverlust,
Maximalbelastung,
Temperaturschwankungen
etc.)
werden
daraus
anlagenspezifische Einflussgrößen auf die Prozessstabilität sowie ein System zum frühzeitigen
Erkennen
von
Betriebsstörungen
abgeleitet.
Die
Arbeit
schließt
mit
konkreten
Handlungsempfehlungen zum optimierten Betrieb der anaeroben Vorbehandlung sowie einer
Kostenbetrachtung ab.
Grundlagen
3
2. Grundlagen
2.1
Stoffwechsel, Zellatmung und Gärung
Die Gesamtheit aller chemischen Prozesse eines Organismus ist der Stoffwechsel (Metabolismus).
Insgesamt organisiert der Stoffwechsel die Material- und Energieressourcen der Zelle. So genannte
katabole Stoffwechselwege setzten Energie frei, indem sie komplexe organische Moleküle wie
Kohlenhydrate, Proteine oder Fette, die reich an chemischer Energie sind, in einfachere Produkte
mit geringerem Energiegehalt umsetzen. Eine Hauptroute des Katabolismus ist dabei die
Zellatmung, bei der z.B. Glucose bei aeroben Prozessen über die drei Stoffwechselwege
Glykolyse, Citratcyclus und Atmungskette bis zu den einfachen Molekülen CO2 und H2O abgebaut
wird. Nur ein Teil der Energie, die auf diese Weise dem chemischen Speicher entnommen wird,
kann nützliche Arbeit verreichten, der Rest geht als Wärme verloren. (Campbell, N. ; Reece, J.
2006, S.185).
Bei so genannten anabolen Stoffwechselwegen wird hingegen Energie verbraucht, um komplexe
Moleküle aus einfachen aufzubauen. Ein Beispiel für den Anabolismus ist die Proteinbiosynthese
aus Aminosäuren. Die anabolen und katabolen Stoffwechselwege sind so miteinander verbunden,
dass die beim Katabolismus freigesetzte Energie die anabolen Stoffwechselwege antreiben kann.
Dieser Energietransfer vom Katabolismus zum Anabolismus wird als Energiekopplung bezeichnet.
Ein Molekül mit dem Namen ATP ist dabei für die Durchführung der Energiekopplungen in der Zelle
verantwortlich.
Bei der Glykolyse und dem Citratzyklus werden Glucose und andere organische Energieträger
allmählich in einer Reihe aufeinander folgender Schritte oxidiert. Dabei wird mit Hilfe von Enzymen
(Dehydrogenasen) von der Glucose beziehungsweise den nachfolgenden Stoffwechselprodukten
Wasserstoff abgespalten und zunächst auf ein Coenzym NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid)
übertragen. NAD+ dient bei der Zellatmung somit als Oxidationsmittel und wird dabei selbst
reduziert.
Oxidation
Reduktion
Bei der Übertragung der Elektronen auf das NAD+, verlieren sie kaum etwas von ihrer potentiellen
Energie. Bei der Glykolyse, die sich im Cytosol abspielt, wird Glucose zu zwei Molekülen Pyruvat,
Grundlagen
4
dem Anion der Brenztraubensäure, oxidiert. Die Nettoenergieausbeute der Glykolyse beträgt 2 ATP
+ 2 NADH je Glucosemolekül.
Jedes während der Zellatmung gebildete NADH-Molekül stellt gespeicherte Energie dar, die bei der
Atmungskette für die Herstellung von ATP genutzt wird, sobald die Elektronen endgültig von NADH
zu Sauerstoff fließen. Während des aeroben Abbaus von 1 mol Glucose werden insgesamt 38 mol
ATP gebildet (Londong, J.; Rosenwinkel, K.-H. 2007, S. 95).
Die bei der Zellatmung je Molekül gebildeten 38 Moleküle ATP entstehen zum größten Teil in der
Atmungskette (34 Moleküle ATP). Dieser Prozess ist allerdings von einer ausreichenden
Sauerstoffversorgung der Zellen abhängig und kommt ohne Sauerstoff zum erliegen. Manche
Zellen sind allerdings über den Stoffwechselprozess der Gärung in der Lage, auch ohne Sauerstoff
ATP zu erzeugen.
Beim Stoffwechselprozess der Gärung findet zur Energieübertragung praktisch nur die Glykolyse
statt. Das Oxidationsmittel ist dabei NAD+ und nicht Sauerstoff. Bei der Glykolyse entstehen somit
mit oder ohne Anwesenheit von Sauerstoff zwei ATP-Moleküle.
Der Prozess der Gärung funktioniert allerdings nur, solange genügend NAD+ zur Verfügung steht,
das die Elektronen im Oxidationsschritt der Glykolyse aufnehmen kann. Eine Regeneration des
NAD+ aus NADH ist somit erforderlich. Unter aeroben Bedingungen wird das NAD+ durch die
Übertragung der Elektronen auf die Atmungskettenproteine regeneriert. „Die anaerobe Alternative
ist die Übertragung der Elektronen vom NADH auf Pyruvat, das Endprodukt der Glykolyse“
(Campbell, N; Reece, J. 2006, S. 201).
Der Gesamtprozess der Gärung umfasst somit die Glykolyse sowie Reaktionen, in denen NAD+
durch Elektronenübertragung vom NADH auf Pyruvat regeneriert wird.
Gärung und Zellatmung sind somit die anaerobe und die aerobe Möglichkeit, chemische Energie
aus Nährstoffen zu gewinnen und damit ATP zu produzieren. Die Glykolyse läuft sowohl bei der
Zellatmung als auch bei der Gärung ab. Das Endprodukt der Glykolyse, das Pyruvat stellt eine
Gabelung der katabolen Reaktionswege zum Glucoseabbau dar. Ohne Sauerstoff ist die im
Pyruvat noch gespeicherte Energie für die Zelle nicht zugänglich. Viele Bakterien sind in
Abhängigkeit der jeweiligen Milieubedingungen entweder zur Zellatmung oder zur Gärung in der
Lage. Solche Organismen werden als fakultative Anaerobier bezeichnet.
2.2
Wachstum von Mikroorganismen
2.2.1 Allgemeines
Mikroorganismen nutzen die durch biochemische Umsetzungsprozesse energiereicher,
organischer Substanz erzeugte Energie zur Synthese von ATP. Auf diese Weise wird die Energie
Anaerobe Verfahren
56
3
Anaerobe Verfahren
3.1
Gliederung anaerober Verfahrenstechnik
Anaerobe Bakterien wachsen sehr langsam, so dass die Art der Biomassenanreicherung und Art
der Biomassenstruktur entscheidende Systemkriterien sind. In Abbildung 30 erfolgt die Gliederung
anaerober Verfahrenssysteme daher auf Grundlage der Biomassenanreicherung sowie der
Biomassenaggregation, ob diese flockig, granulär oder auf Trägermaterial angesiedelt ist.
Anaerobe Verfahrenstechnik
ohne Biomassenanreicherung
mit Biomassenanreicherung
Ausschwem mreaktor
Flocken
Anaerobe
Belebung
MembranGestützter
Reaktor
Pellets
UASB
Trägermaterial
EGSB
Festbett
Fließbett
Kombination
Hybridreaktor
Abbildung 30: Gliederung anaerober Verfahrenstechnik (ATV-Fachausschuß 7.5 1990, erweitert von
Meyer, H. 2004)
Es werden folgende Reaktorgrundtypen unterschieden (Austermann-Haun, U. 2008 S. 8):
Anaerobes Belebungsverfahren in Analogie zum aeroben Belebungsverfahren
Membranreaktoren mit einer Membran zum Biomassenrückhalt
UASB-Reaktoren (upflow anaerobic sludge blanket), die vorwiegend mit granulierter
Biomasse arbeiten
EGSB-Reaktoren (expanded granular sludge blanket), die eine Weiterentwicklung der
UASB-Reaktoren sind
Festbettreaktoren mit einer Füllung aus ortsfestem Kunstoffträgermaterial
Fließbetttreaktoren mit frei beweglichen Trägermaterial wie z.B. Bims
Hybridreaktoren, die eine Mischform der genannten Reaktortypen darstellen
In Abbildung 31 werden die genannten Reaktoren (bis auf den Hybridreaktor) schematisch
dargestellt.
Anaerobe Verfahren
57
Abbildung 31: Anaerobe Reaktoren (Rosenwinkel, K.-H. 2008)
Eine detaillierte Beschreibung der genannten Reaktorgrundtypen erfolgt z.B. bei (Meyer, H. 2004).
Im Folgenden werden die Pelletschlammreaktoren näher betrachtet, da ein entsprechender
Reaktortyp auf der KA Arnsberg-Neheim zum Einsatz kommt.
3.2
Pelletschlammreaktoren
3.2.1 UASB Reaktor
Der Grundtyp der durchmischten Pelletschlamm-UpflowReaktoren ist der UASB Reaktor, der schließlich zu den
EGSB-Reaktoren weiter entwickelt wurde.
Der UASB - Prozess ist seit etwa 1970 bekannt. Es
handelt sich um einen von unten nach oben durchströmten Reaktor, in dem sich unter bestimmten
Bedingungen eine granulierte Biomasse ausbildet (Vgl.
2.10.2).
Die
Leistungsfähigkeit
des
UpflowAbbildung 32: Schema eines UASB-Reaktors
Reaktors ist direkt mit der Fähigkeit der Biomasse, gut absetzbare Bakterienkörnchen (Pellets) zu
bilden, verknüpft. Organismen, die nicht zur Pelletbildung fähig sind, werden aus dem System
ausgeschwemmt. Im Schlammbett können so oTR-Konzentrationen von bis zu 90 kg oTR/m³
erreicht werden. Die Durchmischung erfolgt zum einen durch die Gasentwicklung und zum anderen
durch die Aufstromgeschwindigkeit des zugeführten Abwassers. Zur Sicherstellung einer optimalen
Durchmischung sowie zur Vermeidung von Totzonen und Kurzschlussströmungen erfolgt eine
möglichst gleichmäßige Verteilung des Abwassers über die Reaktorgrundfläche.
Übliche Reaktorhöhen liegen bei 4,5 – 7 m, mit einer Schlammbetthöhe von etwa 1 – 4 m. Im
oberen Bereich des Reaktors befindet sich das Dreiphasen Trennsystem, in dem Biogas, Wasser
und Schlamm voneinander getrennt werden. Zunächst wird das produzierte Biogas von dem
Wasser und dem ggf. mitgerissenen Schlamm abgetrennt. So entsteht oberhalb des Separators
Anaerobe Verfahren
58
eine beruhigte Zone, in der sich ggf. mitgeführte Biomasse absetzten und wieder zurück in den
Reaktor fallen kann. Das gereinigte Abwasser verlässt über Ablaufschwellen das System.
Die Dimensionierung eines UASB-Reaktors erfolgt im Allgemeinen über die Raumbelastung und
die Aufenthaltszeit. Die mindest CSB-Konzentration für einen wirtschaftlichen Einsatz sollte bei rd.
2.000 mg/l liegen. Mögliche Dimensionierungsparameter für einen UASB-Reaktor in der
Papierindustrie können wie folgt aussehen:
Tabelle 13: Mögliche Dimensionierungsparameter eines UASB-Reaktors in der Papierindustrie
Raumbelastung
Aufenthaltszeit
Pelletschlammkonzentration
SchlammAufstromBelastung
geschwindigkeit
BR,CSB
tR
TR
oTR
BoTR
vWasser
kg CSB/(m³*d)
h
kg/m³
kg/m³
kgCSB/(kg oTR*d)
m/h
10
4
80
60
0,16
1
In der Papierindustrie kommen Schlammbettverfahren nach Angaben der Fa. Paques seit 1983 zur
Anwendung. Seit 1999 werden für Neubauten fast ausschließlich Hochlastverfahren, zu denen die
EGSB-Reaktoren zählen, eingesetzt.
3.2.2 EGSB-Reaktoren
EGSB-Reaktoren arbeiten grundsätzlich nach dem gleichen Verfahrenkonzept wie UASBReaktoren. Die Unterschiede im Vergleich zum UASB-Reaktor können wie folgt zusammengefasst
werden:
schlankere Bauform
Reaktorhöhe von bis zu 24 m
eine sehr weit gehende Abwasserrezirkulation
eine feinere Verteilung des Abwasserzulaufs (rd. 1 Öffnung je m²)
höhere Aufstromgeschwindigkeit
durch die höhere Aufstromgeschwindigkeit wirtschaftliche Behandlungsmöglichkeit für
Abwässer mit niedrigeren CSB-Konzentrationen (bis rd. 1.000 mg/l)
durch die höhere Aufstromgeschwindigkeit wirtschaftliche Behandlungsmöglichkeit für
Abwässer mit höheren CSB-Konzentrationen durch die Möglichkeit der Rezirkulation
höhere CSB-Raumbelastung (bis zu 30 kg CSB/(m³*d))
Deutliche Verbesserung der Dreiphasenabscheider
Die verbesserte Leistungsfähigkeit im Vergleich zum UASB-Reaktor lässt sich im Wesentlichen auf
die Verbesserung des Dreiphasenabscheiders zurückführen. Eine detaillierte Beschreibung eines
Dreiphasenabscheiders erfolgt z.B. bei (Meyer, H. 2004, S. 3 – 18).
Die theoretisch mögliche Schlammbetthöhe ist der untere Bereich eines Abscheiders. Zur
Vermeidung von Schlammabtrieb ist bei UASB-Reaktoren eine Übergangszone zwischen
Schlammbett und Abscheider erforderlich, so dass die maximale Schlammbetthöhe meist bei ca.
50% der Wasserhöhe liegt. Bei den verbesserten Abscheiderkonstruktionen kann dieser
Übergangsbereich minimiert werden. Die optimierte Schlammbetthöhe kann bei bis zu 70% der
Anaerobe Verfahren
59
Wasserhöhe liegen, so dass bezogen
Biomassengehalt erreicht werden kann.
auf
das
Reaktorgesamtvolumen
ein
erhöhter
Weiterhin ermöglicht die verbesserte Abscheiderkonstruktion einen erhöhten Mischenergieeintrag,
ohne gleichzeitig die Schlammabtriebsgefahr zu erhöhen. Somit sind deutlich höhere
Aufstromgeschwindigkeiten zulässig, die wiederum einen verbesserten Stoffaustausch zwischen
Abwasser und Biomasse und somit eine verbesserte Schlammaktivität ermöglichen.
Der höhere mögliche Biomassenghalt in Verbindung mit der optimierten Schlammaktivität erlauben
CSB-Raumbelastungen von bis zu 30 kg CSB/(m³*d).
Durch die höhere mögliche Aufstromgeschwindigkeit sinkt zum einen die Störanfälligkeit gegenüber
abfiltrierbaren Stoffen im Reaktorzulauf, die jetzt durch das Schlammbett gespült werden, zum
anderen ist eine Anhebung der Rezirkulationsrate möglich. Die erhöhte Rückführung von bereits
gereinigtem Abwasser bietet wiederum die Möglichkeit, durch den Verdünnungseffekt hoch
konzentrierte Abwässer zu behandeln. Weiterhin wird durch Rückführung von Alkalität der
kostspielige Verbrauch von Neutralisationsmitteln reduziert.
3.2.3 Biobed
Das einem UASB-Reaktor gleichende Funktionsprinzip wird
folgend stichpunktartig zusammengefasst:
Abwasserzuführung erfolgt über ein spezielles
Einlaufsystem auf der Reaktorsohle
Aufwärtsdurchströmung des Pelletschlammbetts
Durchmischung durch Biogasproduktion sowie
-
Aufwärtsströmung
Trennen der Phasen Wasser, Biogas und Schlamm
durch Hochleistungsabscheider
Gereinigtes Abwasser wird durch die Ablaufrinne
abgeführt und nach Bedarf rezirkuliert
Biogas sammelt sich oberhalb der Wasserfläche im
Reaktorkopf
Abbildung 33: Funktionsschema Biobed-Reaktor (Prospekt Fa. VA TECH WABAG)
Der Biobed-Reaktor ist eine Bauform der EGSB Reaktoren. Dem Reaktor vorgeschaltet ist ein so
genannter Konditionierungs- und Vorversäuerungstank, der verschiedene Funktionen erfüllt. Zum
einen wird das Abwasser auf die für den anaeroben Abbauprozess optimalen Bedingungen
eingestellt. Das bedeutet, dass je nach Abwasserherkunft ggf. erforderliche Hilfsstoffe wie
Neutralisationsmittel, Nährstoffe oder auch Spurenelemente zugegeben werden können. Zum
anderen wird das ankommende Abwasser mit dem Rezirkulationsstrom vermischt. Da BiobedReaktoren mit einer möglichst konstanten Aufstromgeschwindigkeit betrieben werden, ist auch die
Förderleistung der Reaktorbeschickungspumpe möglichst konstant. Bei einem schwankenden
Anaerobe Verfahren
60
Abwasseranfall ändern sich somit die Anteile von Abwasser und rezirkuliertem Ablauf. Eine
Optimierung des Vorversäuerungsgrades ist speziell bei einem stark schwankendem
Abwasseranfall und den daraus resultierenden, unterschiedlichen Verdünnungsverhältnissen
schwierig.
Bei allen aufwärts durchströmten Anaerobreaktoren besteht grundsätzlich die Gefahr, dass bei
einer zu hohen Mehrphasenströmung (Wasser und Gas) Biomasse ausgetragen wird. Um den
Austrag von Pellets auszuschließen, ist die Aufstiegsgeschwindigkeit des Zweiphasengemisches
im Biobed-Reaktor sicher zu begrenzen. Die Sinkgeschwindigkeit der Pellets beträgt etwa 50-80
m/h. Nach Angaben der Fa. Paques verringern die 3-Phasen-Hochleistungsabscheider der BiobedReaktoren den freien Durchgang des Wasserweges auf rd. 15% des Reaktorquerschnitts. Somit
sollte die Aufstiegsgeschwindigkeit (Wasser + Gas) im Reaktor maximal 7,5 m/h betragen, um
unterhalb des Abscheiders eine Geschwindigkeit von 50m/h nicht zu überschreiten.
Zu 1: Zulauf + externe Rezi werden auf der Reaktorsohle
zugeführt. Durch die Biogasproduktion im Schlammbett steigt die Aufstromgeschwindigkeit
über
die
Reaktorhöhe an.
Zu 2: Zulauf + externe Rezi + Biogas bewirken direkt
unterhalb des Abscheiders die auf den gesamten
Reaktorquerschnitt bezogene Höchstgeschwindigkeit.
Zu 3: Im Abscheider wird der Reaktordurchgang auf 15%
reduziert. Nach Abtrennung des Biogases müssen
Zulauf + externe Rezi dieses „Nadelöhr“ passieren, so
dass es lokal zur höchsten Aufströmgeschwindigkeit
kommt.
Dimensionierungsparameter für einen Biobed-Reaktor (Papierindustrie) können wie folgt aussehen:
Tabelle 14: Mögliche Dimensionierungsparameter eines Biobed-Reaktors in der Papierindustrie
Raumbelastung
Aufenthaltszeit
Pelletschlammkonzentration
SchlammAufstromBelastung
geschwindigkeit
BR,CSB
tR
TR
oTR
BoTR
vWasser
kg CSB/(m³*d)
h
kg/m³
kg/m³
kgCSB/(kg oTR*d)
m/h
25
4
80
60
0,4
6
3.2.4 IC
Auch der IC-Reaktor ist eine Bauform der EGSB-Reaktoren. Wie beim Biobed-System ist dem ICReaktor ein Konditionierungs- und Vorversäuerungstank vorgeschaltet, der im Wesentlichen die
Funktionen erfüllt, das Abwasser auf die für den anaeroben Abbauprozess optimalen Bedingungen
einzustellen. Dazu werden je nach Abwasserherkunft ggf. erforderliche Hilfsstoffe wie
Neutralisationsmittel,
Nährstoffe
oder
auch
Spurenelemente
zugegeben.
Da
der
Anaerobe Verfahren
61
Vorversäuerungstank nach außen hin frei ventiliert ist und somit keine Verbindung zum Gassystem
besteht, stellen schwankende Wasserspiegel kein Problem dar. Bei einem stark schwankenden
Abwasseranfall kann so ein optimaler Versäuerungsgrad eingestellt werden. Auf der anderen Seite
fällt separat zu entsorgende Abluft an. Der IC-Reaktor verfügt über ein internes, selbst
regulierendes Rezirkulationssystem. Es besteht weiterhin die optionale Möglichkeit, das
ankommende Abwasser mit einem externen Rezirkulationsstrom zu vermischen. Die Förderleistung
der Reaktorbeschickungspumpen passen sich dem jeweiligen Abwasseranfall an. Da das
ankommende Abwasser vor Eintritt in das Schlammbett mit dem internen Rezirkulationsstrom
vermischt wird, unterliegt die Aufstromgeschwindigkeit nur geringfügigen Schwankungen.
Das einem UASB-Reaktor
zusammengefasst:
gleichende
Funktionsprinzip
wird
folgend
stichpunktartig
1) Zuführung und Verteilung des Abwassers und des
internen Rezirkulationswassers über ein spezielles
Einlaufsystem auf der Reaktorsohle und Mischung mit
der anaeroben, granulierten Biomasse
2)
Aufwärtsdurchströmung
des
expandierten
Pelletschlammbetts und Umwandlung des abbaubaren
CSB in Methan und Kohlendioxid (Durchmischung
durch Aufwärtsströmung und Biogasproduktion)
3) Fassung des Biogases im ersten Abscheider und
weitestgehender Rückhalt der granulierten Biomasse
4) Transport des Biogases über die Steigleitung zum
Reaktorkopf. Dabei wird gemäß dem Mammutpumpenprinzip Wasser mitgerissen (rd. 0,9 m³ Wasser
pro m³ Gas nach Fa. Paques im Neheimer IC)
5)Trennung von Biogas und Wasser im Reaktorkopf
6) Zurückströmen des Wassers durch den Abströmer
(Fallrohr) zur Reaktorsohle (interne Zirkulation)
7) Nachbehandlungsstufe. Verringerte Aufströmgeschwindigkeit, da internes Rezirkulationswasser im
ersten Abscheider „abgefangen“ wird
8) Fassung des restlichen Biogases im zweiten
Abscheider sowie Abtrennung der restlichen Biomasse
Abbildung 34: Funktionsschema IC-Reaktor (Prospekt Fa. PAQUES)
Bei aufwärts durchströmten Anaerobreaktoren besteht die Gefahr, dass bei einer zu hohen
Mehrphasenströmung (Wasser und Gas) Biomasse ausgetragen wird. Bei einer
Sinkgeschwindigkeit der Pellets von 50-80 m/h und einer Verringerung des freien Durchgangs im
IC-Reaktor durch die integrierten Abscheider auf 40% sollte die Aufstiegsgeschwindigkeit im
Reaktor maximal 20m/h betragen, um im Abscheider eine Geschwindigkeit von 50m/h nicht zu
überschreiten.
Zusammenfassung und Fazit
119
Geringerer Stromverbrauch der aeroben Biologie
Gemäß 6.2.4 kann für die IC-Reaktoren der KA Arnsberg-Neheim
Strombedarfsreduktionswert von 0,44 kWhel/kg CSBabg berücksichtigt werden.
ein
spezifischer
Stromkostenvorteil vor der Optimierung:
7.000kgCSB / d * 0,7 * 0,7 *
0,44 kWhel 0,15 €
*
= 226€ / d
kg CSBabg kWhel
rd. 82.000€/a
Stromkostenvorteil nach der Optimierung:
7.000kgCSB / d * 0,8 * 0,9 *
0,44 kWhel 0,15 €
*
= 332€ / d
kg CSBabg kWhel
rd. 121.000€/a
Stromkostenvorteil durch Optimierung:
rd. 39.000€/a
Summe der Stromkostenvorteile durch Optimierung
rd. 118.000€/a
7.3
Summe der Kostenvorteile
Bei Realisierung der aufgedeckten Optimierungspotentiale liegen die monetären Vorteile in der
Summe bei rd. 200.000 €/a.
8
Zusammenfassung und Fazit
Wesentliche Zielsetzung der Masterarbeit lag in der Entwicklung konkreter Handlungsoptionen zum
optimierten Betrieb der IC-Reaktoren, um eine stabile anaerobe Vorbehandlung von möglichst 100
% des der Kläranlage Arnsberg-Neheim zugeführten Papierabwassers zu gewährleisten. Weiterhin
sollten ein System zum frühzeitigen Erkennen von Betriebsstörungen entwickelt und
Dimensionierungsparameter diskutiert werden.
Im ersten Schritt werden unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur wesentliche
Einflussfaktoren auf die Prozessstabilität anaerober Abbauvorgänge aufgearbeitet. Von besonderer
Bedeutung sind u. a.
die Prozesstemperatur, die im Optimum zwischen 30°C - 40°C liegen sollte und 42°C
niemals überschreiten darf,
die Hemmwirkung der undissoziierten Anteile organischer Säuren, die mit fallendem pHWert zunimmt (Hemmwirkung ab > 0,2 mmol/l),
Zusammenfassung und Fazit
120
die Hemmwirkung von H2S, die am besten über das Verhältnis von „CSBabb/Sred“ definiert
werden kann und mit fallendem pH-Wert zunimmt (ab Verhältnis < 20 besteht erhöhte
Gefahr der Hemmung),
der pH-Wert, der u. a. die Dissoziationsgleichgewichte schwacher Säuren beeinflusst, im
Anaerobprozess wesentlich vom Kohlensäure-Puffersystem beeinflusst wird und
idealerweise im Bereich von 6,6 liegen sollte,
der Nährstoffbedarf der anaeroben Biozönose, der in Abhängigkeit von Schlammbelastung
und Versäuerungsgrad des Abwassers für das Verhältnis CSB : N : P in einem Bereich von
350 : 5 : 1 und 1.000 : 5 : 1 liegen sollte,
der Kalziumgehalt, der ab einer Konzentration von 200 – 600 mg/l in Kombination mit der
Hydrogenkarbonatkonzentration zur Karbonatausfällung führen kann.
Im zweiten Schritt wird auf Grundlage der für die Kläranlage Arnsberg-Neheim prognostizierten
Belastungsverhältnisse die Dimensionierung einer anaeroben Vorbehandlungsanlage durchgeführt.
Das errechnete erforderliche Versäuerungsvolumen von 2 * 250 m³ und das errechnete
erforderliche Methanreaktorvolumen von 2 *200 m³ wurde in Neheim realisiert.
Im dritten Schritt werden die Betriebsdaten der Anaerobreaktoren (Inbetriebnahme im Dezember
2005) ausgewertet und interpretiert. Im Betrachtungsfokus stehen als besondere
Betriebssituationen u. a. ein Schlammverlustereignis im Januar 2008 sowie die Öffnung der
externen Rezirkulationsleitung im März 2009. Die wichtigsten Ergebnisse werden folgend
zusammengefasst:
Es werden drei Umfahrungssituationen erkannt (Anstieg der organischen Säuren im ICReaktor, überhöhte Sulfatkonzentration im Papierabwasser, Stützung der kommunalen
Deni), die einen behandelten Anteil von 70 % des Papierabwassers begründen.
Der Versäuerungsgrad liegt im Zulauf der Reaktoren zwischen 20 - 40 %. Bei einem
Anstieg > 35 % bildet sich zu viel Versäuerungsschlamm.
Bei stabilen Betriebsverhältnissen liegt die Konzentration organischer Säuren < 300 mg/l.
Bei stabilen Betriebsverhältnissen liegt die Alkalität im IC-Reaktor bei mindestens
20 – 40 mmol/l.
Bei stabilen Betriebsverhältnissen liegt der pH-Wert im IC-Reaktor bei 6,4 – 6,6.
Bei stabilen Betriebsverhältnissen liegt der CH4-Gehalt im Biogas bei > 60 %.
Das Verhältnis „CSBabb/Sred“ liegt zwischen 15 – 35. Für Neheim kann ein Verhältnis < 20
als kritisch angesehen werden.
Die Prozesstemperatur liegt mit 30 – 40°C im Optimalbereich.
Zusammenfassung und Fazit
121
Die Nährstoffversorgung der anaeroben Biozönose war immer ausreichend; die
P-Dosierung kann verringert werden.
Durch Öffnung der externen Rezirkulation konnten der Wirkungsgrad von 70 % auf 80 %
gesteigert und der Natronlaugenverbrauch verringert werden.
Die Aufstromgeschwindigkeit im Schlammbett liegt bei 5 – 10 m/h und konnte durch
Öffnung der externen Rezirkulation auf 10m/h stabilisiert werden (maximal 20 m/h möglich).
Die Schlammmasse im System liegt bei einer Schlammkonzentration von rd. 60 kg oTR/m³
im expandierten Schlammbett zwischen 6 – 12 t oTR pro IC-Reaktor.
Die Schlammbelastung liegt zwischen 0,2 – 0,7 kg CSB/(kg oTR*d). Nach dem
Schlammverlustereignis lag die Grenze der Umsatzkapazität beim Wiederanfahren der
Reaktoren bei 0,7 kg CSB/(kg oTR*d).
Die spezifische Gasproduktion liegt mit 0,38 m³N/kg CSBabg im plausiblen Bereich.
Im vierten Schritt werden wesentliche Dimensionierungsparameter diskutiert. Die wichtigsten
Ergebnisse werden folgend zusammengefasst:
Bei der derzeitigen Systemanordnung liegt der optimale Versäuerungsgrad bei 20 – 30 %.
Durch eine Erhöhung des Versäuerungsgrades > 35 % kann die Schlammabbauleistung
(Umsatzkapazität) erhöht werden. Dazu ist allerdings eine Abtrennung des gebildeten
Versäuerungsschlammes erforderlich.
Die Reaktoren in Neheim wurden für eine maximale Schlammbelastung von
0,5 kg CSB/kg oTR bemessen. Bei der derzeitigen Systemanordnung ist eine maximale
Schlammbelastung von 0,7 kg CSB/kg oTR möglich, die durch Erhöhung des
Versäuerungsgrades sowie der Aufstromgeschwindigkeit weiter optimiert werden kann.
Die Biomassekonzentration liegt bei Reaktorstillstand bei 90 kg oTR/m³ und damit im
üblichen Bereich.
Die Reaktoren wurden für eine Aufstromgeschwindigkeit von 20 m/h bemessen. Durch
Erhöhung der derzeitigen Aufstromgeschwindigkeit (5 – 10 m/h) ist eine Optimierung von
Umsatzkapazität und Reinigungsleistung möglich.
Im fünften Schritt werden auf Grundlage der einschlägigen Literatur und der Betriebsdatenanalyse
Handlungsempfehlungen zum optimierten Betrieb entwickelt:
Eine Erhöhung des behandelten Anteils auf etwa 90 % kann durch folgende Maßnahmen realisiert
werden:
Gezielte Erhöhung des pH-Wertes im Schlammbett
Zugabe von Verdünnungswasser
Zusammenfassung und Fazit
122
Öffnung der externen Rezirkulation.
Die Öffnung der externen Rezirkulation ist gleichzeitig mit einer Wirkungsgraderhöhung auf rd. 80%
verbunden.
Zentrale betriebliche Anpassungen sind somit eine gezielte pH-Wert-Erhöhung im IC-Reaktor, um
den undissoziierten, schädlichen Anteil organischer Säuren zu vermindern, sowie eine Zugabe von
Verdünnungswasser oder extern rezirkuliertem Wasser, um durch die damit verbundene Erhöhung
der Aufstromgeschwindigkeit die Durchmischung und den Stoffaustausch im Schlammbett zu
verbessern.
Auch wenn eine externe Rezirkulation von bereits gereinigtem Abwasser durch die gleichzeitige
Rückführung von Verdünnungswasser und Alkalität für eine Stabilisierung des Prozesses
besonders geeignet ist, darf sie erst nach sicherem Ausschluss einer möglicherweise erhöhten
Ausfällungsproblematik erfolgen (Kalzium- und Hydrogenkarbonatkonzentration).
Ein Frühwarnsystem gegen Betriebsstörungen umfasst folgende Leitparameter und Warngrenzen:
tägliche Bestimmung der organischen Säuren (Warnwert 300 mg/l)
tägliche Bestimmung der Alkalität (Warnwert < 20 mmol/l)
pH-Wert im Reaktor (Warnwert < 6,4)
CH4-Gehalt im Biogas (Warnwert < 60%).
Als weitere Optimierungsmaßnahmen werden die Senkung der Natronlauge- und
Phosphorsäuredosierung vorgeschlagen. Weiterhin können die zur Prozessüberwachung
durchgeführten Analysen unter Berücksichtigung der genannten Leitparameter optimiert werden.
Dabei kann der Analyseaufwand deutlich reduziert werden.
Im sechsten Schritt werden im Rahmen einer Kostenbetrachtung folgende Punkte bewertet:
Reduktion der eingesetzten Betriebsmittel (Phosphorsäure, Natronlauge, Küvetten)
Erhöhung der Energieerlöse durch die Biogasverwertung
Verringerung des Stromverbrauches der aeroben Biologie.
Dabei liegen die monetären Vorteile bei Realisierung der genannten Optimierungspotentiale
(Erhöhung des behandelten Anteils des Papierabwassers auf 90 % und Steigerung des
Wirkungsgrades auf 80 %) in Summe bei rd. 200.000 €/a.
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