1) Was haben CARE und Hemayat gemeinsam? CARE und Hemayat vereint eine Grundhaltung des Respekts gegenüber der kulturellen und sozialen Identität der Menschen, die wir unterstützen. CARE und Hemayat bieten ihren ProjektteilnehmerInnen „Hilfe zur Selbsthilfe“: Das sind Hilfestellungen, die langfristige Veränderungen bewirken. Langfristige Veränderungen können nur herbeigeführt werden, wenn die Menschen in ihrer Persönlichkeit und ihrem psychosozialen Wohlbefinden gestärkt werden und somit selbst in eine Situation kommen, in der sie wieder die Initiative ergreifen können. 2) Wieso unterstützt CARE Hemayat? CARE-Projekte sind durch einen ganzheitlichen Ansatz geprägt. Dabei versucht CARE notleidenden Menschen nicht nur kurzfristig zu helfen, sondern erarbeitet mit ihnen gemeinsam Konzepte, die langfristige Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen erzielen. Die Arbeit von CARE findet hauptsächlich direkt in den betroffenen Ländern statt. Die Klienten von Hemayat suchen Zuflucht und Schutz in Österreich und haben ähnliche/ gleiche Bedürfnisse wie die Menschen, denen CARE Hilfe vor Ort anbietet. Deshalb erachtet es CARE als wichtig, die Arbeit von Hemayat mitzuunterstützen. Im Projekt PART lässt Hemayat Gefühle durch Kunsttherapie sprechen. gemeinschaftliche Dabei Verarbeitung wird von sichtbar, Krieg und wie Folter die persönliche den Aufbau und neuer Lebensperspektiven und den Einsatz für verbesserte Lebensbedingungen ermöglicht –eines der wichtigsten Anliegen von CARE in vielen Ländern dieser Welt und von CARE und Hemayat speziell in Österreich. 3) Wie sieht die psychosoziale Arbeit von CARE und Hemayat aus? Die TeilnehmerInnen werden als psychosoziale Wesen verstanden: Psychische Beeinträchtigung nach extremen Erlebnissen wie Krieg und Folter wirken sich sowohl auf das innerpsychische Erleben als auch die Beziehungsfähigkeit einer betroffenen Person aus. Schwere Traumatisierungen führen zu Symptomen wie dem Wiedererleben der traumatischen Situation (Flashbacks, Albträume), körperlicher Übererregung (Schlafstörungen, erhöhte Schreckhaftigkeit) und Vermeidungsverhalten (Situationen, Personen, Gedanken und Gefühle, die an die Traumata erinnern, werden vermieden). Die Belastung durch diese Symptome kann 1 zu sozialem Rückzug und Schwierigkeiten in den familiären Beziehungen führen. Gewalt, die Menschen durch andere Menschen angetan wurde, wie das bei Krieg und Folter der Fall ist, wirkt sich auch direkt auf die Fähigkeit, Vertrauen zu fassen, aus. Daher wird in der Psychotherapie mit den KlientInnen sowohl an einer Symptomreduktion gearbeitet, als auch an deren Fähigkeit, Beziehungen zu pflegen. Die psychosoziale Sichtweise bedeutet bei CARE und Hemayat aber auch, das soziale Umfeld, in dem sich unsere ProjektteilnehmerInnen bewegen, mitzubeachten. Zum Beispiel dauern die Asylverfahren in Österreich oft sehr lange und bedeuten eine große Belastung für die ohnehin schon belasteten Flüchtlinge. Die unsichere Aufenthaltssituation wird häufig begleitet von prekären Lebensverhältnissen. Im Asylverfahren darf nicht gearbeitet werden, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen ist nicht möglich, was die psychische Situation weiter destabilisiert. Hemayat versucht daher auch, durch Öffentlichkeitsarbeit auf die Situation von Asylsuchenden in Österreich aufmerksam zu machen. Durch die Präsenz dieser Themenstellung in den Medien, bei Vorträgen, Diskussionen und Workshops und Publikationen soll ein breites Bewusstsein über die Folgen von extremer Traumatisierung geschaffen Öffentlichkeitsarbeit einen Beitrag werden. zum Hemayat versucht, Menschenrechtsdiskurs durch und zur Sensibilisierung für die Situation von Flüchtlingen in Österreich sowie zu Auswirkungen von Krieg und Folter zu leisten. CARE unterstützt Menschen vor Ort im Umgang mit den Folgen von Krieg und anderen psychisch und sozial belastenden Umständen. Dabei arbeitet CARE mit lokalen Partnerorganisationen zusammen und bildet vor allem SozialarbeiterInnen aus, um die betroffenen Menschen in Gruppen zusammenzubringen und gemeinsam die Situation zu analysieren; dabei steht im Vordergrund, gemeinsam psychosoziales Wohlbefinden mit und für die Betroffenen zu definieren und Aktivitäten umzusetzen, um dieses Wohlbefinden zu erreichen. Diese Aktivitäten fokussieren nicht nur auf direkt Betroffene von Krieg oder anderen psychischen Belastungen wie häusliche Gewalt, Diskriminierung und Marginalisierung und extreme Armut. Sie beinhalten auch Aktivitäten die indirekt für diese Zielgruppe arbeiten wie Anwaltschaft für Gesetzesveränderung in Bezug auf Gewalt in der Familie und die Umsetzung dieser Gesetze. 2 Eine Kernaktivität von CARE ist das Schaffen von Solidarität für die Betroffenen – dazu zählen Aktivitäten wie die Gründung von Frauengruppen, in denen lebenswichtige Themen offen diskutiert werden können und vor allem isolierte Frauen die Möglichkeit finden, Freundschaften zu schließen und die Unterstützung der Gruppe zur Lösung ihrer Probleme erhalten. CARE arbeitet auch mit Männern im Bereich Verhaltensveränderung, vor allem in Bezug auf Toleranz von Gewalt in ihren Gesellschaften und aktiver Unterstützung von Frauenanliegen. 4) Ist Psychotherapie nicht ein „Luxus“ bzw. ist es wirklich das, was die Ärmsten der Armen brauchen? Hunger und sauberes Trinkwasser sind einleuchtend, aber eine Psychotherapie können sich nicht mal viele ÖsterreicherInnen leisten…? Psychotherapie ist eine Krankenbehandlung und darf darum denen, die sie dringend notwendig haben, nicht vorenthalten werden. Insbesondere die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung beeinträchtigen das Leben der Betroffenen in einem Ausmaß, in dem sie ihr Leben ohne adäquate Unterstützung oft nicht mehr bewerkstelligen können. Unbehandelt können die Folgen einer Traumatisierung zu chronischen physischen und psychischen Folgeerkrankungen führen und lebenslang anhalten. Damit beeinträchtigen sie nicht nur die Betroffenen, sondern die Traumatisierung wird auch an die nächste Generation weitergegeben. Psychotherapie bedeutet – auch hier wieder aus einer psychosozialen Perspektive betrachtet – dass häufig nicht nur dem Menschen, der sich in Therapie befindet, geholfen wird, sondern auch den Angehörigen und in einem weiteren Sinne der Gesellschaft. Für die ProjektteilnehmerInnen von Hemayat ist das Ziel der Behandlung ihre Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und soziale Kompetenz wiederherzustellen. Die im Rahmen einer Psychotherapie erworbenen Bewältigungsstrategien und Selbstkompetenzen befähigen die KlientInnen nachhaltig, also auch nach Abschluss der Behandlung, mit Schwierigkeiten kompetenter umzugehen und aktiv am sozialen, politischen und kulturellen Öffentlichkeitsarbeit wird Leben auch bei in der 3 Österreich teilzunehmen. österreichischen Durch Gesellschaft die mehr Verständnis und Sensibilität erreicht, die eine Integration im Sinne einer Aufnahme in die Gesellschaft erleichtert. Für CARE ist das Ziel vieler psychosozialer Interventionen die Wiederherstellung friedvoller Gemeinschaften und die Selbstermächtigung der besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen, wie notleidende Frauen und Kinder, welches die Basis für Wirksamkeit und die Nachhaltigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit schafft. Psychosoziale Programme stärken strategische Schutzfaktoren für psychosoziales Wohlbefinden wie die Fähigkeit vorhandene Ressourcen (z.B. Gesundheitsdienstleistungen, Entwicklungsprogramme oder andere Förderungen) aktiv zu nutzen, die Fähigkeit mit anderen Menschen bewusst in Kontakt zu treten und Beziehungen aufzubauen, die langfristige gegenseitige Unterstützung ermöglichen, und insbesondere auch das Zurückgewinnen von Selbstwertgefühl und der Sicherheit, die eigene Situation selbstständig verbessern zu können. Dabei setzt sich CARE auch oft für strukturellen Wandel von Gesellschaften ein wie die Gleichstellung von Männern und Frauen, die Inklusion in politische Prozesse von marginalisierten Gruppen und die Bekämpfung von extremer Armut. 5) Wie schaffen es CARE und Hemayat, dass sich die Betroffenen ausdrücken können? Schwere Traumatisierungen führen meist zu einer verminderten oder gestörten Ausdrucksfähigkeit. Oft ist das, was passiert ist, so schrecklich, dass es nicht einmal ausgesprochen werden kann. Durch die Arbeit mit unterschiedlichsten kreativen Medien ist es möglich, Unaussprechliches sichtbar zu machen, den Gefühlen einen Ausdruck zu verleihen. Die MitarbeiterInnen von CARE und Hemayat werden durch ihre Arbeit häufig zu „ZeugInnen“, für das Unglaubliche, das den KlientInnen widerfahren ist. Menschen sind soziale Wesen und brauchen als solche andere Menschen, die helfen, Erlebtes zu verarbeiten. Die MitarbeiterInnen von CARE und Hemayat begeben sich gemeinsam mit den KlientInnen auf die Suche nach dem individuellen Ausdruck der Gefühle, wobei stark auf kulturelle und soziale Hintergründe geachtet wird. Bei Hemayat gilt PART, Gefühle durch Kunsttherapie sprechen zu lassen, als ein Projekt, das eine gute Alternative bzw. als wichtiger Zusatz zur Gesprächstherapie darstellt und die Wirkung sogar sichtbar macht. 4 In CARE-Projekten steht die Gründung von Gruppen von Betroffenen aber auch Nicht-Betroffenen im Zentrum. Die Gruppen werden von SozialarbeiterInnen unterstützt, die von CARE ausgebildet werden. Sie helfen den Gruppenmitgliedern dabei die Gruppe zu einem sicheren Raum für Austausch von psychisch und sozial belastenden Erfahrungen und Umständen zu machen. Die Gruppenmitglieder werden ermächtigt, gemeinsam kreative Lösungen zur Veränderung ihrer schwierigen psychosozialen Situation zu finden und diese auch umzusetzen. Einzelnen Betroffenen wird auch psychosoziale Beratung zu spezifischen Themen angeboten. Ein starker Fokus liegt aber auch auf der Einbindung anderer Akteure, die hauptverantwortlich sind für die notwendige Veränderung zur Lösung psychosozial belastender Situationen wie Gewalt in der Familie. Vor allem in der dabei oft notwendigen breiten, gesellschaftlichen Sensibilisierungsarbeit sind kreative Methoden sehr hilfreich. Durch kritische und humorreiche Theaterstücke können Diskussionen mit einer großen Anzahl von Personen geführt werden und die kritischen Texte von Singgruppen sind in manchen Projektregionen bekannt geworden. In diesen Aktivitäten finden Betroffene nicht nur eine Form der Ausdruckmöglichkeit, sondern werden auch zu AktivistInnen für ihre Anliegen und gesellschaftlichen Wandel. Dieser gesellschaftliche Wandel hilft nicht nur die Situation der Betroffenen zu verändern, er beugt z.B. auch weiteren Konflikte vor und trägt zum langfristigen gesellschaftlichen Wohlbefinden und Frieden bei. 6) Gibt es Beispiele, wie sich die psychosoziale Arbeit auf die Betroffenen ausgewirkt hat? CARE und Hemayat können viele Erfolgsbeispiele aufweisen, die den MitarbeiterInnen Antrieb geben, ihre herausfordernde Arbeit weiterzuführen. Erfolg bedeutet jedes Stück Lebensqualität, das unsere KlientInnen zurückbekommen. Erfolg in CARE-Projekten vor Ort bedeutet zum Beispiel, dass von Gewalt betroffene Frauen und Männer es schaffen, durch Informations- und Reflektionsarbeit die Situation zu verändern und sich konstruktive Beziehungmuster anzueignen, in denen gegenseiter Respekt, gute Kommunikation und gegenseitige Unterstützung gefördert werden: Das hilft nicht nur den Betroffenen, sondern vor allem den oft involvierten Kindern und meist darüber hinaus der ganzen Familie und Gemeinschaft. 5 Erfolg bei Hemayat ist, wenn ein Kind im Laufe der kunsttherapeutischen Gruppe beginnt, ein verändertes soziales Verhalten an den Tag zu legen und dies auch von den Eltern und der Schule wahrgenommen wird. Erfolg bedeutet, wenn jemand berichtet, dass er oder sie sich jetzt traut, am Deutschkurs teilzunehmen, wenn ein Klient, seit er am Projekt PART teilnimmt, nicht mehr gewalttätig wurde, wenn eine Klientin erzählt, dass sie Freundinnen gefunden habe oder wenn ein ehemaliger Klient vorbeischaut, um von seiner neuen Arbeit zu berichten. Ganz einfach gesagt: Erfolg ist, wenn ein/e KlientIn es schafft, eigene Ressourcen wieder zu entdecken, ihr Selbstvertrauen in sich und ihre Fähigkeiten zu steigern, um wieder aktiv werden zu können und damit vom Opfersein zur Überlebenden wird. 6