Die "Einander-Gebote" - Jesus

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Predigt Rüsselsheim, 20. April 2008
Die "Einander-Gebote"
Teil 2
Liebe Gäste,
liebe Gemeindeglieder,
in der Gemeindestunde am letzten Mittwoch haben wir Euch über die Ergebnisse der
Gemeindleitungsklausur im Februar informiert. Wir haben dort in der Auswertung der
Gemeindeumfrage einige geistliche Defizite in unserer Gemeinde festgestellt und uns entschlossen,
zuerst im Bereich "liebevolle Beziehungen" zu arbeiten. Konkret soll dies unter anderem durch eine
Predigtserie über die "Einander-Gebote" geschehen. Das sind die Gebote des Neuen Testaments, in
denen das Wort "einander" vorkommt und die also den Umgang miteinander in der Gemeinde regeln.
Es sind vierundzwanzig, und ich habe sie so aufgegliedert:
I) Das Hauptgebot: Liebe
II) Das Ziel: geistliches Wachstum
III) Die einzelnen Gebote
A) Umgangsformen
1) Grüßen
2) Freundlichkeit
3) Gastfreundschaft
B) Die Einstellung zueinander
1) Einmütigkeit
2) Friedfertigkeit
3) Demut
4) Ehrerbietung
5) Rücksichtnahme
6) Annahme
7) Barmherzigkeit
8) Unterordnung
FOLIE
C) Praktische Konsequenzen
1) Dienen
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2) Ermutigen
3) Ermahnen
4) Lasten tragen
5) Nicht negativ reden
6) Die Wahrheit sagen
7) Nicht richten
8) Vergeben
9) Sünden bekennen
10) Für einander beten
11) Geistliche Lieder singen
12) Nicht prozessieren
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Das griechische Wort für "ermahnen" (parakaleo) kann sowohl "ermahnen" als auch "ermutigen" bedeuten - je
nach Zusammenhang
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Predigt Rüsselsheim, 20. April 2008
II) Das Ziel: geistliches Wachstum
Liebevolle Beziehungen in der Gemeinde sind nicht Selbstzweck, sondern dienen dem geistlichen
Wachstum. Paulus fordert uns zu Folgendem auf:
Eph. 5, 18 b – 19
18 ... werdet voller Geist, 19 indem ihr zueinander in Psalmen und Lobliedern und
geistlichen Liedern redet und dem Herrn mit eurem Herzen singt und spielt!
Wir sollen uns vom Heiligen Geist erfüllen lassen. Der Apostel sagt uns auch konkret, wie: Unter
anderem sollen wir geistliche Lieder singen. Für uns ist heute nur Vers 19 wichtig, denn nur er enthält
das Wort "einander".
Es ist ganz interessant und erstaunlich: Durch das Singen geistlicher Lieder im Gottesdienst helfen wir
einander, vom Heiligen Geist erfüllt zu werden. Dieser Gedanke wird in einer späteren Predigt dieser
Predigtreihe erläutert werden.
Hier geht es um einen anderen Gedanken: Das Einhalten der Einander-Gebote fördert das geistliche
Wachstum. Wie würde das Leben und der Dienst unserer Gemeinde aussehen, wenn wir alle voll des
Heiligen Geistes wären? Ich bin sicher: Die Gemeindeumfrage Anfang dieses Jahres wäre dann ganz
anders ausgefallen!
Ein ähnlicher Gedanke findet sich in
1. Thess. 5, 11
Deshalb ... baut einer den anderen auf, wie ihr auch tut!
Die Elberfelder Bibel übersetzt hier "erbaut einander". Aber das ist ein ziemlich schwammiger Begriff.
Das griechische Wort im Grundtext bedeutet wörtlich "ein Haus bauen". Darum übersetze ich:
"aufbauen". Gemeint ist: einander im geistlichen Wachstum fördern, damit der Bau der Gemeinde
vorangetrieben wird. Wir wissen aus Erfahrung, daß der Bau oder Anbau eines Gebäudes leider nicht
von selbst geschieht und viel Aufwand erfordert. Das ist beim geistlichen Bau der Gemeinde nicht
anders.
Wie können wir konkret einander aufbauen?Zum Beispiel, indem wir die Einander-Gebote befolgen!
Darum ist diese Predigtreihe notwendig.
Das Wichtigste ist die Agape-Liebe (siehe die Predigt von Daniel Ottenberg vom vorletzten Sonntag). Sie
ist nicht in erster Linie eine Sache der Gefühle, sondern des Willens: Es ist die Entscheidung, für andere
Menschen Opfer zu bringen und dafür selbst zu verzichten. Nichts baut einen Menschen – auch
geistlich - mehr auf, als wenn er auf diese Weise geliebt wird; so, wie der Herr Jesus uns liebt. Wir
brauchen diese Liebe aber auch von anderen Menschen.
Geistliches Wachstum kann im Alleingang niemals gelingen – wir brauchen dabei die Hilfe unserer
Glaubensgeschwister. Beistand zum geistlichen Wachstum sollte eins der höchsten Ziele im Leben und
im Dienst unserer Gemeinde sein. Selbst Kritik sollte diesem Ziel dienen: Nicht, um einander zur Minna
zu machen oder Ärger abzureagieren (das ist destruktiv = zerstörerisch) oder dem Anderen die
vermeintliche eigene Überlegenheit zu demonstrieren. Sondern es muß darum gehen, einander
aufzubauen (das ist konstruktiv = aufbauend) – liebevoll, behutsam, barmherzig und hilfreich.
Hebr. 12, 12 – 15
12 Darum «richtet auf die erschlafften Hände und die gelähmten Knie», 13 und «macht
gerade Bahn für eure Füße!» damit das Lahme nicht abirre, sondern vielmehr geheilt
werde. 14 Jagt dem Frieden mit allen nach und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn
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Predigt Rüsselsheim, 20. April 2008
schauen wird; 15 und achtet darauf, daß nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel
leide ...
Wir sehen, wie groß unsere geistliche Verantwortung füreinander ist!
Niemand ist eine Insel
(Titel eines Romans von Johannes Mario Simmel)
Wir sollten die Einander-Gebote aber nicht als lästige Pflicht sehen. Noch nicht einmal in erster Linie als
Verpflichtung, sondern als großartige Möglichkeit, einander geistlich vorwärtszubringen. Zum Beispiel,
indem wir Geschwister durch ehrlichgemeinte anerkennende Worte ermutigen oder indem wir sie
spüren lassen: wir nehmen sie bedingungslos an mit ihren Schwächen und mit ihrem Versagen. Indem
wir mit ihnen barmherzig umgehen und ihnen in echter Demut begegnen – das bedeutet nicht, sich
schlechter zu machen, als man ist, sondern sich so zu sehen, wie Gott einen sieht. Wir helfen einander
auch, wenn wir uns unter den Anderen stellen können und ihm von Herzen vergeben, wenn er an uns
schuldig geworden ist. Und indem wir ihnen durch praktische Dienste helfen.
Die schönste Frucht der Gemeindearbeit neben Bekehrungen ist, zu beobachten, wie Gläubige geistlich
wachsen und reifen und so Jesus ähnlicher werden. Ich finde es einfach toll, daß wir einander dabei
helfen können.
Nadelbäume werden immer in relativ geringen Abständen voneinander gepflanzt. Sie wachsen so
schneller, weil der Kampf ums Licht sie dazu zwingt. Sie beschleunigen so einander ungewollt das
Wachstum. So sollte es auch in der Gemeinde sein – nur sollte es da kein Gegeneinander sein, sondern
ein Miteinander.
Das bedeutet aber auch im Umkehrschluß: Wer nicht sich verbindlich in die Gemeinde einbringt und in
ihr lebt, der wird kaum geistlich wachsen können, weil er darauf verzichtet, sich von den anderen dabei
helfen zu lassen. Und wenn er meint, das nicht zu brauchen, dann ist dieser Hochmut der Beginn des
daraus resultierenden geistlichen Rückschritts: Nicht nur geht es mit ihm geistlich nicht mehr voran.
Sondern es geht sogar abwärts. Außerdem macht er sich gegenüber den anderen Gemeindegliedern
geistlich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, weil er nicht bereit ist, sie in ihrem geistlichen
Wachstum zu fördern. Wir brauchen einander als Jünger Jesu mehr, als uns übertriebenen westlichen
Individualisten oft bewußt ist. Jemand hat einmal gesagt: Manchmal hat man den Eindruck, daß die
Gemeinde nicht die Braut Jesu ist, sondern Sein Harem.
III) Die einzelnen Gebote
A) UMGANGSFORMEN
1) Das Grüßen
Röm. 16, 16
Grüßt einander mit heiligem Kuß!
Dasselbe wird in drei weiteren Stellen gesagt.2
In 1. Pt. 5, 14 ist vom "Kuß der Liebe" die Rede.
In der frühen Kirchengeschichte wurde er in der Mahlfeier vor dem Brechen des Brotes ausgetauscht als
Ausdruck der innigen Verbundenheit. Das geschah wahrscheinlich nicht unter Männern und Frauen
getrennt, sondern jeder küßte jeden und jede. Das wurde erst im späten zweiten Jahrhundert geändert
aus Furcht vor Kritik und wegen der Gefahr des erotischen Mißbrauchs.
2
1. Kor. 16, 20/ 2. Kor. 13, 12/ 1. Th. 5, 26
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Predigt Rüsselsheim, 20. April 2008
Diese Sitte hat sich sich bis ins 12. Jahrhundert gehalten, und es gibt sie in der orientalischen Kirche am
Ostermorgen noch heute. Warum praktizieren wir sie dann heute nicht mehr? Sind wir dem Wort
Gottes ungehorsam, wenn wir es nicht tun? Ich bin davon überzeugt, daß das nicht der Fall ist.
Im Orient war in biblischen Zeiten und ist, soviel ich weiß, auch heute noch der Kuß eine so verbreitete
Begrüßungsart wie bei uns heute das Händeschütteln, ähnlich wie in Frankreich und in Südeuropa der
Wangenkuß. Darum war es für die Gläubigen des Neuen Testaments selbstverständlich, einander mit
einem Kuß zu begrüßen - wenn man das schon mit Fremden tat, dann doch erst recht mit den
Glaubensgeschwistern!
Aber zumindest in Deutschland küssen sich nur Verwandte und Liebende. Alle anderen begrüßen sich
mit Händeschütteln. Ausnahmen sind die Umarmung mit guten Freunden und der Wangenkuß
zwischen Jugendlichen. Ein "heiliger Kuß" oder "Kuß der Liebe" wäre bei uns unter Gläubigen
befremdlich und würde nicht in unsere Kultur passen.
Frage: Wenn der Kuß der übliche Gruß war, warum fordert Paulus dann die Gläubigen dazu auf, dies zu
tun? Die Betonung liegt meines Erachtens nicht auf dem Kuß als solchem, sondern auf dem Begrüßen
selbst und auf den Zusätzen "heilig" und "der Liebe". Es geht darum, daß wir als Kinder Gottes und als
Mitglieder Seiner geistlichen Familie einander wahrnehmen und bewußt grüßen als Ausdruck des
gegenseitigen Respekts, der Liebe und der Verbundenheit.
Der Gruß sollte unter uns keine bloße Höflichkeitsfloskel sein. Er sollte ganz bewußt, herzlich und
liebevoll ausgeübt werden. In welcher Form, das ist nicht so wichtig, aber es sollte den landesüblichen
Gepflogenheiten entsprechen. Die Living Bible, eine moderne englische Bibelübertragung, übersetzt
denn auch: "Shake hands warmly with each other" – zu deutsch etwa: "Gebt einander einen warmen
Händedruck".
Ich habe in haitianischen Baptistengemeinden immer wieder erlebt, daß am Ende des Gottesdienstes
jeder jedem die Hand gab - entweder noch im Versammlungsgebäude oder draußen. Das ist dort so
Sitte, und auch in Afrika ist das zumindest teilweise so, soviel ich weiß. Die dortigen Christen haben es
offensichtlich begriffen – wir können von ihnen lernen!
Dieses herzliche, liebevolle Grüßen kann man aber auch in unserer Gemeinde jeden Sonntag vielfach
beobachten. Ich bin der Meinung, daß unser Miteinander bei weitem nicht so schlecht ist, wie es in der
Gemeindeumfrage beurteilt worden ist.
2) Freundlichkeit
Eph. 4, 32
Seid aber zueinander gütig ...
Das griechische Wort bedeutet in Bezug auf Personen freundlich, zuvorkommend, liebevoll, gütig. Wie
der Gruß auch, sind diese Dinge eigentlich selbstverständlich. Sie werden in unserer Gesellschaft von
jedem Menschen erwartet – das ist eine Frage des Kinderstube. Aber gerade an der Kinderstube hapert
es mehr und mehr.
Ich ärgere mich manchmal, wenn ich sehe, wie in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Wartezimmen
ältere Leute stehen müssen, während Jugendliche und jüngere Menschen sich auf den Sitzen
rumfläzen. Aber ich sage mir dann immer: "Wenn Du Dich schon ärgern willst, dann nicht über die
jungen Leute, die keine Manieren haben, sondern über ihre Eltern, die es versäumt haben, sie ihnen
beizubringen."
Umso notweniger ist es, daß wir in der Gemeinde miteinander freundlich, zuvorkommend, liebevoll
und gütig umgehen.
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Aus dem englischen Sprachraum ist die Sitte zu uns gekommen, daß man einander beim Abschied
"einen schönen Tag noch" wünscht, vor allem in Geschäften. Manche Leute stört das. Sie kritisieren es
als leere Floskel. Aber mit dieser Logik müßte man alle Grüße komplett abschaffen. Denn woher weiß
ich denn, ob die wirklich ernst gemeint sind? Umso mehr sollten wir es ernst meinen, wenn wir es
sagen oder diesen Wunsch erwidern. Was kostet es mich denn, jemandem von Herzen einen schönen
Tag zu wünschen?
Jemand hat einmal gesagt: "Ein Lächeln ist eine Kurve, die viele Dinge geraderücken kann."
Freundlichkeit bringt Licht und Wärme in unseren Alltag. Sie tut uns gut. Sie trägt dazu bei, daß
Fremde sich in unserer Gemeinde wohlfühlen. Und sie macht unser Zeugnis glaubwürdig. Sie tut
uns auch selbst gut, weil die Freundlichkeit meist erwidert wird. Auch dazu habe ich ein Zitat
gefunden: "Freundlichkeit ist schwer zu verschenken, weil sie immer wieder zurückkommt."
Wenn wir dagegen unfreundlich, lieblos, boshaft, aggressiv oder rücksichtslos miteinander umgehen,
dann ist es nur ein Frage der Zeit, wann der Letzte in unserer Gemeinde das Licht ausmacht. Außerdem
sind wir damit dem Wort Gottes ungehorsam. Wir sündigen damit. Wir machen Gott Unehre. Und wir
machen dem Teufel eine Freude.
3) Gastfreundschaft
1. Pt. 4, 9
Seid gastfrei gegeneinander ohne Murren!
Das griechische Wort für "gastfrei" bedeutet wörtlich "fremdenfreundlich". Gemeint ist die Bereitschaft,
Menschen in der eigenen Wohnung zu bewirten und bzw. oder übernachten zu lassen. Dazu werden
wir auch an anderen Stellen des Neuen Testamens aufgefordert:
Röm. 12, 13
... an den Bedürfnissen der Heiligen nehmt teil; nach Gastfreundschaft trachtet!
Wir sollen also nicht nur bereit sein, Menschen aufzunehmen, sondern sogar danach streben.
Hebr. 13, 2
Die Gastfreundschaft vergeßt nicht! Denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel
beherbergt.
Gemeint sind wahrscheinlich Abraham (1. Ms. 18), der zumindest anfangs nicht erkannte, wer da
zu ihm gekommen war, und Lot (1. Ms. 19), der seine Gäste als "Männer" bezeichnete (V. 8). Wir
werden wohl kaum in diesen Genuß kommen, aber Gastfreundschaft ist immer auch ein Dienst
für den Herrn Jesus:
Mt. 25, 35. 37 – 38. 40
35 Denn mich hungerte, und ihr gabt mir zu essen; mich dürstete, und ihr gabt mir zu
trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich auf ... 37 Dann werden die Gerechten ihm
antworten und sagen: Herr, wann sahen wir dich hungrig und speisten dich? Oder durstig
und gaben dir zu trinken? 38 Wann aber sahen wir dich als Fremdling und nahmen dich
auf? ... 40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch,
was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan.
Gastfreundschaft ist auch eine der Anforderungen, die das Neue Testament an Älteste stellt.3 Wir sehen
also: Die Bibel mißt ihr große Bedeutung zu. Frühe jüdische Theologen haben gesagt: Gastfreundschaft
ist größer als der Empfang des Angesichts der Herrlichkeit des Herrn (die den Tempel nach dessen
Fertigstellung erfüllte).4
3
1. Tim. 3, 2/ Tit. 1, 8
R. Abraham Seba in Tzeror Hammor, fol. 18, 4. (s) T. Bab. Sabbat, fol. 127. 1, zit. nach PC-Programm "e-sword" aus
Kommentar von John Gills Exposition of the Entire Bible (www.e-sword.net)
4
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Sie war zu biblischen Zeiten besonders notwendig, denn gab so gut wie keine Gasthäuser, in denen
man Essen bekommen konnte und schlafen konnte. Also waren alle Menschen damals darauf
angewiesen, daß sie in Privatwohnungen aufgenommen wurden. Unter den Gläubigen waren das
besonders Bibellehrer, Wortverkündiger und Apostel, die die Gemeinden besuchten und ihnen dienten.
Auch sie brauchten Bewirtung und Quartier.
Gastfreundschaft wird noch heute im Orient und in der dritten Welt großgeschrieben. Sie hat dort
einen viel höheren Stellenwert als bei uns. Wenn ein Europäer oder Amerikaner über 1. Ms. 18 predigen
würde, dann würde er sich den zweiten Teil aussuchen: Abrahams Fürbitte für Sodom. Zum Beispiel ein
Afrikaner würde eher den ersten Teil nehmen und auf Abrahams vorbildliche Gastfreundschaft
hinweisen.
In Haiti wohnten wir nur wenige Schritte von einer klinischen Ambulanz entfernt. Wir hätten die
Bibelschüler, die ich unterrichtete, einladen sollen, immer, wenn sie in der Ambulanz sind, auch zu uns
zu kommen zu einer Tasse Kaffee. Leider sind wir erst darauf hingewiesen worden, als wir längst
wieder zurück in Deutschland waren.
Gastfreundschaft ist grundsätzlich etwas Schönes, was auch die Gastgeber innerlich bereichen kann.
Aber wenn man häufig Menschen bei sich aufnehmen muß und das für längere Zeit, dann kann das zu
einer Belastung werden, denn es kostet ja auch Geld. Das gastgebende Ehepaar bzw. die Familie hat
dann zu wenig Zeit für sich. Und wenn es kein Gästezimmer gibt, lebt man dann in beengten
Wohnverhältnissen. Es war der österreichische Philosoph Karl Kraus, der den bekanntlen drastischen
Satz geprägt hat: "Gäste und Fische stinken am dritten Tag."
Daher die Ermahnung des Petrus:
1. Pt. 4, 9
Seid gastfrei gegeneinander ohne Murren!
Die Betonung liegt meines Erachtens auf dem "ohne Murren". Wie gesagt, gastfreundlich zu sein, war
damals eine Selbstverständlichkeit. Aber die Gläubigen sollten sich über die damit verbundene
Belastung nicht beklagen, sondern dies als gegenseitigen Dienst ansehen und tun. Das geht aus dem
darauffolgenden Vers hervor:
1. Pt. 4,10
Wie jeder eine Gnadengabe empfangen hat, so dient damit einander als gute Verwalter
der verschiedenartigen Gnade Gottes!
Wegen dieses Zusammenhangs gibt es die Ansicht, daß es eine Gnadengabe der Gastfreundschaft gibt.
Das sehe ich in diesem Abschnitt aber nicht. Es geht nicht darum, einzelne Gaben zu benennen. Vers 11
erwähnt nur zwei Arten von Gaben: Gaben des Wortes und Gaben der Hilfeleistungen. Aber es gibt
eine natürliche Begabung für Gastfreundschaft, meist bei Frauen: Sie laden besonders gern Menschen
zu sich ein, und sie haben ein besonderes Geschick, dafür zu sorgen, daß sie sich bei ihnen wohlfühlen.
Das bedeutet aber nicht, daß Gastfreundschaft ausschließlich die Aufgabe solcher Menschen ist, und
daß alle anderen sagen können: "Ich habe diese Gabe nicht, also brauche ich diesen Dienst nicht zu tun.
Wir haben gesehen, daß das Ziel der Einander-Gebote unser geistliches Wachstum ist. Wenn wir sie
beachten, helfen wir einander, dem Herrn Jesus ähnlicher zu werden. Niemand kann sagen, daß er
diese Hilfe nicht braucht.
Dann haben wir uns drei dieser Gebote angesehen. Sie haben alle mit Umgangsformen zu tun: das
Grüßen, die Freundlichkeit und die Gastfreundschaft.
Auf den ersten Blick scheinen das Äußerlichkeiten ohne geistliche Bedeutung zu sein. Aber wir haben
gemerkt, daß das absolut nicht der Fall ist. Sie sind sehr wichtig für das Leben, das gute Miteinander
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Predigt Rüsselsheim, 20. April 2008
und das Zeugnis unserer Gemeinde. Deshalb habe ich versucht, uns mit dieser Predigt zu ermutigen, sie
zu beachten und zu tun. Gott segne uns dabei – zu Seiner Ehre.
AMEN
Copyright © 2008 Detlev Fleischhammel
alle Rechte vorbehalten
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