Datum: 27.07.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 728.004 Abo-Nr.: 1090645 Seite: 7 Fläche: 85'868 mm² 40 Millionen Franken weniger Kosten Das Bundesamt für Gesundheit lockert die Rationierung bei der Hepatitis-C-Therapie, die Pharmafirmen senken im Gegenzug ihre Preise. Branchenleader Gilead mag vorläufig nicht mitmachen. Rita Flubacher der Anwendung auf Grad-2-Patienten. einer Kombination von Solvaldi und Die frohe Botschaft der Firma Abbvie Die Kosten würden trotzdem sinken, dem wegen schwerer Nebenwirkungen mit Sitz in Baar traf Anfang letzte Woche weil die Therapiedauer von 12 auf 8 Wo- gefürchteten Interferon während 24 Mo- bei Ärzten und Krankenkassen ein. Im Schreiben teilte die Schweizer Niederlassung des US-Pharmakonzerns mit, dass ihre beiden Medikamente Viekirax und Exviera gegen die chronische Hepatitis C des Genotyps 1 ab 21. Juli zu reduzierten Preisen erhältlich sind. Die beiden Präparate, die kombiniert eingenommen werden müssen, kosteten bislang bei einer Standardtherapie von 12 Wochen 61 956 Franken. Neu sind die Pillen für 46 019 Fr. erhältlich - knapp 26 Prozent billiger als vorher. Für die Ärzte und ihre Patienten von fast noch grösserer Wichtigkeit ist die zweite Ankündigung: Die Kombinations- therapie muss ab 1. August auch bei Patienten mit einer sogenannten Leberfibrose Grad 2 von den Krankenkassen finanziert werden. Die Fibrose oder Lebervernarbung wird in vier Stufen eingeteilt, wobei Grad 4 die schlimmste Form darstellt. In diesem Stadium kann Leberkrebs ausbrechen und eine Transplantation nötig werden. Bis jetzt durften die Kassen auf Anordnung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) nur die Therapien bei Grad 3 und 4 vergüten. Wie das BAG auf Anfrage des TA erklärt, wird auch das Präparat Olysio des belgischen Herstellers Janssen-Cilag ab 1. August bei F2 bei Genotyp 1 und 4 zu- gelassen. Der Preisabschlag ist mit 140 Franken allerdings gering. Die Packung mit 28 Kapseln wird 10 718 Franken kos- chen reduziert werden könnten, skiz- naten behandelt. Kostenpunkt: 125 200 zierte Lüscher. Von einer eigentlichen Franken. Bei der Kombination von So- Preisreduktion der Gilead-Arzneien war valdi mit Daklinza entfällt das Interferon damals allerdings nicht die Rede. und die Kosten liegen mit 92 600 FranOb und wie die Verhandlungen mit ken knapp 26 Prozent tiefer. Das BAG Gilead weitergeführt werden, wollte das rechnet mit Einsparungen von 23,47 MilBAG nicht erläutern. Für Sovaldi und lionen Franken. Harvoni gilt die Rationierung weiter. Trotzdem ist man im Bundesamt nur mässig zufrieden. «Die Preise sind noch Indirekter Preisdruck Offensichtlich rechnet man in Bern immer auf einem unverständlich hohen damit, dass die billigeren Konkurrenz- Niveau. Die aktuellen Gewinnmargen produkte Solvaldi und Harvoni bei der bei diesen Therapien sind im Augenblick Behandlung von Grad 3 und 4 bald vom weder erklärbar noch vertretbar», kritiRezeptblock verdrängen werden. «Es siert Peters. Eine Standardtherapie von 12 Wogibt keinen vernünftigen Grund, künftig mit Sovaldi kostet 57 625 Franken. die Patienten mit den teureren Me- chen Für das Nachfolgeprodukt Harvoni müssen 62 363 Franken bezahlt werden. Da«Die Gewinnmargen bei handelt es sich nur um die Preise für bei diesen Therapien die Pillen. Aus Furcht vor einer Kostenexplosion griff das BAG 2014 zum ungesind im Augenblick wöhnlichen Mittel der Rationierung und weder erldärbar noch vertretbar.» beschränkte den Zugang auf Patienten mit bereits schweren Lebererkrankun- gen (F3 und F4). Die Folge davon: Ärzte mussten Patienten, die nicht in den Rasdikamenten zu behandeln», sagt Peters. ter fielen, wieder nach Hause schicken. Die jährlichen Einsparungen werden auf Sie sollten erst wiederkommen, wenn Oliver Peters, BAG bis zu 40 Millionen Franken veran- ihre Leber bereits in schlechtem, dafür schlagt. Das Bundesamt geht von jährlich 3000 Behandlungen bei F3 und F4 aus. Dazu kommen jährlich rund 900 Fälle mit F2, die ab August therapiert werden dürfen. Noch eine weitere Einsparmöglichkeit zeichnet sich ab. Auf den 1. August wird auch Daklinza des US-Herstellers Bristol-Myers Squibb (BMS) in die Spezialitätenliste aufgenommen und muss deshalb von den Krankenkassen vergütet werden. Allerdings ist das Mittel auf die Fibrosegrade 3 und 4 beschränkt. ten. Oliver Peters, Leiter des Krankenund Versicherungsbereichs im BAG erklärt, Olysio sei von Anfang an preisgünstiger als die Konkurrenz gewesen. Nicht billiger werden vorläufig die beim Genotyp 1 marktbeherrschenden Produkte Sovaldi und Harvoni des US- Daklinza soll in Kombination mit Sovaldi Herstellers Gilead. Das BAG konnte sich vor allem gegen den Genotyp 3 eingemit der Firma nicht einigen. Im Ge- setzt werden. Davon betroffen sind rund spräch mit dem TA hatte Gilead-Schweiz- 30 Prozent der Hepatitis-C-Erkrankten. Chef Andre Lüscher noch Anfang Juni Bis jetzt wurden 90 Prozent der Fälle mit erklärt, er befürworte eine Ausdehnung Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen vergütungsberechtigtem Zustand sei. Es hagelte Kritik von Ärzten und Pati- entenorganisationen. Dem Amt wurde eine zu willfährige Haltung gegenüber den Pharmaherstellern vorgeworfen. Das BAG wies die Kritik mit Verweis auf eine US-Studie ab, wonach die Sterblichkeitsrate bei Patienten, die erst ab Grad 3 behandelt würden, gleich hoch sei wie in der normalen Bevölkerung. Diese Schlussfolgerung wurde in medizinischen Kreisen stark kritisiert. Im Mai machten namhafte Schweizer Ärzte ihren Unmut über die Preispolitik der Hersteller und die Rationierung durch das BAG erstmals in einem öffentlichen Brief publik. ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58598308 Ausschnitt Seite: 1/3 Datum: 27.07.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Das Ausland machte es vor teils happige Preisnachlässe ab. Bei der Preisfestlegung muss das BAG jeweils die Preise von sechs europäischen Referenzländern berücksichtigen. Wohl aufgrund der Erfahrungen mit den Gilead-Blockbustern hat das BAG die neuen Hepatitis-C-Medikamente nur Das BAG musste handeln. Laut Oliver Peters habe man sich im Frühling mit medizinischen Fachgesellschaften an einen runden Tisch gesetzt. Danach Themen-Nr.: 728.004 Abo-Nr.: 1090645 Seite: 7 Fläche: 85'868 mm² sei man von der Argumentation mit der US-Studie etwas abgerückt. Zum Handeln zwang allerdings noch befristet in die Spezialitätenliste aufetwas anderes: In Frankreich und ande- genommen. Das erlaubt es, kurzfristig ren Ländern pressen staatliche Gesund- auf Preisentwicklungen im Ausland zu heitsbehörden den Pharmaherstellern reagieren. 4 Patienten sollen nicht mehr auf Therpie warten müssen, bis ihre Leber zerstört ist (im Bild: Leberzirrhose). Foto: DDP Images Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58598308 Ausschnitt Seite: 2/3 Datum: 27.07.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 728.004 Abo-Nr.: 1090645 Seite: 7 Fläche: 85'868 mm² Hepatitis-Typen Die Viren lauern im Wasser, Essen und in Körperflüssigkeiten Verlauf, Verbreitung und Übertragungswege der vier Hepatitis-Arten sind sehr unterschiedlich. kommt. Letzte Woche wurde im Rahmen der Schweiz eine Person am Kantonsspital St. Gallen gegen Hepatitis C geimpft. Hepatitis D: Mit dem Hepatitis-D- Hepatitis A: Das Virus gehört zur Fa- Virus sind weltweit rund 10 Millionen milie der Picornaviren, zu der auch der Menschen infiziert. Eine D-Infektion Erreger der Kinderlähmung gehört. Der kommt nur zusammen mit einer B-InfekKeim wird über schmutziges Wasser tion vor, da das Hepatitis-D-Virus das oder kontaminierte Speisen übertragen. Hüllprotein des Hepatitis-B-Virus für Die Vermehrung geschieht in der Darm- seine Vermehrung braucht. Hepatitis D schleimhaut, später in der Leber, von wird über Blut, Blutprodukte, seltener wo aus das Virus über die Galle wieder durch Geschlechtsverkehr übertragen. in die Aussenwelt gelangt. Weltweit infi- Die chronische Hepatitis D ist die zieren sich 1,4 Millionen Menschen jähr- schwerwiegendste aller Virus-Hepatitislich - die meisten davon Kinder. Oft heilt Erkrankungen. Die Entwicklung zur Ledie Krankheit nach akuter Infektion voll- berzirrhose verläuft schnell. Einen aktiven Schutz bietet die Impfung gegen Heständig aus. Todesfälle sind selten. Hepatitis B: Das Virus gehört einer patitis B. anderen Virenfamilie als A an. Es löst die mit 240 Millionen Infizierten häufigste und mit fast 800 000 Toten pro Jahr gefährlichste Form der Leberentzündung aus. Die Erkrankung verläuft in jedem zehnten Fall chronisch. Das Virus wird durch direkten Kontakt mit Körperflüs- Kampf gegen Hepatitis einer europäischen Studie erstmals in Strategie für die Schweiz Hepatitis E: Es ist die häufigste akute Hepatitis in einigen Ländern Asiens und Afrikas (Indien, Sudan). Die Übertragung erfolgt über kontaminierte Nahrungsmittel und verseuchtes Wasser. Eine Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus ist klinisch nicht von einer Infektion mit sigkeiten (Tränen, Sperma, Mutter- dem Hepatitis-A-Virus zu unterschei- milch, Blut) übertragen. Für eine Anste- den. Sie verläuft häufig jedoch schwerer. ckung reichen winzige Mengen Flüssig- Ein Subtyp kann vor allem für Schwankeit. Hepatitis B ist die einzige Form der gere gefährlich werden und findet sich Leberentzündung, die beim Sex über- in einem Teil der europäischen Blutkon- tragen wird. Gegen Hepatitis B gibt es serven. Hepatitis E wird in der Regel nicht chronisch. Eine Impfung befindet eine wirksame Impfung. Hepatitis C: Die Krankheit ist heim- sich in der klinischen Testphase. Ärzte begrüssen die Senkung der Medikamentenpreise und die Lockerung der Rationierung. Doch erachten sie das nur «als einen von etlichen Ansatzpunkten in der Bekämpfung dieser Epidemie», wie Philip Bruggmann, Chefarzt an den Arud-Zentren für Suchtmedizin in Zürich erklärt. Solange ein Betroffener gar nicht wisse, dass er Hepatitis C hat, nützten ihm die günstigsten Medikamente nichts. Laut Bruggmann leben in der Schweiz etwa 80 000 Menschen mit Hepatitis C. «Wir schätzen, dass mehr als die Hälfte der Betroffenen nicht weiss, dass sie infiziert ist und allenfalls schon einen Leberschaden hat.» Es gelte nun rasch die nicht diagnostizierten Betroffenen mit bereits geschädigter Leber zu finden und zu behandeln. Eine Hepatitisinfektion gilt als häufigste Ursache für eine Lebertransplantation. «Es sterben mehr Menschen an Hepatitis als an HIV», so Bruggmann. Der Arzt arbeitet zusammen mit anderen Experten seit 2014 an einer nationalen Hepatitis-Strategie (www.hepatitis-schweiz. ch). Der Entwurf dazu soll morgen Dienstag vorgelegt werden. Der 28. Juli ist Welt-Hepatitis-Tag. Bruggmann und seine über 70 Mitstreiter wollen die virale Hepatitis in der Schweiz bis 2030 eliminieren. (rf) tückisch, weil man sie fast nicht spürt. In Rita Flubacher gut zwei von drei Fällen wird sie chronisch und kann nach vielen Jahren ohne auffällige Symptome zu Leberzirrhosen und zu Leberkrebs führen, wenn sie nicht behandelt wird. Die herkömmliche Therapie ist für die Betroffenen mit vielen Nebenwirkungen verbunden. Die Ansteckung erfolgt über das Blut. Blutkonserven scheiden inzwischen als Überträger aus, weil sie auf den Erreger getestet werden. Die grösste Gefahr geht von Spritzen und Kanülen aus, die mehrfach oder gemeinsam benutzt werden, was vor allem unter Drogenkonsumenten und in den Entwicklungsländern vor- Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58598308 Ausschnitt Seite: 3/3