Vorlesungs-Script

Werbung
Analysis I - Vorlesungs-Script
Prof. Dr. Camillo De Lellis
HS 2010 - HS 2016
Mitschrift:
Simon Hafner, Paolo Fortunati
Inhaltsverzeichnis
1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
1.1. Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2. Das Prinzip der vollständigen Induktion . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3. Binomialkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Die
2.1.
2.2.
2.3.
2.4.
2.5.
reellen Zahlen
Die Körperstruktur . . . . . . . . . . . . .
Die Anordnung von R . . . . . . . . . . .
Die Vollständigkeit der reellen Zahlen . . .
Supremumseigenschaft und Vollständigkeit
Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
1
1
4
7
11
12
14
17
20
22
3. Die komplexen Zahlen
24
3.1. Definition der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
4. Funktionen
4.1. Definition . . . . . . . . . . . . . . .
4.2. Algebraische Operationen . . . . . .
4.3. Einige Beispiele wichtiger Funktionen
4.3.1. Die Exponentialfunktion . . .
4.3.2. Polynome . . . . . . . . . . .
5. Folgen
5.1. Konvergente Folgen . . . . . . . . . .
5.2. Rechenregeln für konvergente Folgen
5.3. Monotone Folgen . . . . . . . . . . .
5.4. Der Satz von Bolzano-Weierstrass . .
5.5. Das Konvergenzkriterium von Cauchy
5.6. Uneigentliche Konvergenz . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
29
29
30
32
32
33
.
.
.
.
.
.
35
35
39
43
44
47
49
6. Reihen
50
6.1. Konvergenz der Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
6.2. Konvergenzkriterien für reelle Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.3. Konvergenzkriterien für allgemeine (komplexe) Reihen . . . . . . . . . 54
i
Inhaltsverzeichnis
ii
6.4. Das Wurzel- und Quotientenkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
6.5. Das Cauchy-Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
6.6. Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
7.1. Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2. Rechenregeln für stetige Funktionen . . .
7.3. Der Zwischenwertsatz . . . . . . . . . . .
7.4. Maxima und Minima stetiger Funktionen
7.5. Stetige Fortsetzung und Grenzwerte . . .
8. Die
8.1.
8.2.
8.3.
8.4.
8.5.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
Existenz und Eindeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Exponentialfunktion auf der reellen Geraden . . . . . . . .
Der natürliche Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die trigonometrischen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . .
Weitere spezielle Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
63
63
66
68
69
72
.
.
.
.
.
76
76
83
84
88
93
9. Differentialrechnung
9.1. Die Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2. Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.3. Die Sätze von Rolle und Lagrange . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.4. Anwendungen des Mittelwertsatzes: Der Schrankensatz und die Regel
von L’Hospital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.5. Differentiation einer Potenzreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.6. Ableitungen höherer Ordnung und die Taylorreihe . . . . . . . . . .
9.7. Die Lagrange-Fehlerabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.8. Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
107
111
115
116
120
10.Integralrechnung
10.1. Treppenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2. Regelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3. Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
10.4. Integrationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.5. Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.6. Integration einer Potenzreihe . . . . . . . . . . . . . .
10.7. Integralformel für den Rest der Taylorenwicklung . .
.
.
.
.
.
.
.
125
125
128
136
139
142
148
151
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
95
. 95
. 99
. 104
A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
154
A.1. Beweis des Satzes A.0.1: Teil I, die Dedekindschen Schnitte . . . . . . 156
A.2. Teil II: die Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Inhaltsverzeichnis
A.3.
A.4.
A.5.
A.6.
A.7.
A.8.
A.9.
Teill III: das Axiom von Archimedes
Teil IV: die Supremumseigenschaft .
Teil V: die Summe . . . . . . . . . .
Teil VI: das Produkt . . . . . . . . .
Teil VII: das Distributivgesetz . . . .
Teil VIII: die Anordnungsaxiomen . .
Teil IX: Q als geordneter Unterkörper
iii
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
157
157
158
160
161
162
162
1. Grundbegriffe: Mengen und die
natürliche Zahlen
Wir vereinbaren die folgenden Notationen der Prädikatenlogik:
: bedeutet so dass gilt
∃ bedeutet es gibt mindestens ein
∃! bedeutet es gibt genau ein
∀ bedeutet für alle
=⇒ bedeutet impliziert
⇐⇒ bedeutet genau dann, wenn
1.1. Mengen
Eine Menge ist eine Gesamtheit von Einzeldingen, die als neues Objekt angesehen
werden muss. Eine genaue Klärung des Mengenbegriffs bleibt der Logik überlassen.
Ist M eine Menge, so führen wir die folgenden Bezeichnungen ein:
a ∈ M, bedeutet a ist ein Element von M,
a∈
/ M, bedeutet a ist kein Element von M.
Einerseits können wir Mengen durch die Auflistung ihrer Elemente definieren: M =
{a, b, . . .} ist die Menge, die aus den Elementen a, b, . . . besteht. Andererseits können
wir Mengen auch über Eigenschaften definieren:
M = {a : a hat die Eigenschaft E}
1
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
2
heisst “M ist die Menge aller Objekte a, die die Eingenschaft E haben”.
Beispiel 1.1.1.
Die Zahlen 0, 1, 2, . . . bilden eine Menge: die Menge der natürlichen Zahlen, Notation:
N. Gehört n zu N, so auch n + 1.
Beispiel 1.1.2.
Mit Z wird die Menge
Z = {x : x ∈ N oder − x ∈ N}
bezeichnet; Z ist die Menge der ganzen Zahlen.
Beispiel 1.1.3.
Die Menge der Zahlen, die sich als Quotient ganzer Zahlen a/b mit b 6= 0 darstellen
lassen, heisst die Menge der rationalen Zahlen; ihre Standardbezeichnung ist Q.
Zwischen Mengen können Beziehungen bestehen, und es lassen sich Verknüpfungen
zwischen ihnen erklären.
(1) Gleichheit: Zwei Mengen A und B sind genau dann gleich, wenn sie dieselben
Elementen enthalten, in Zeichen A = B.
(2) Inklusion: A heisst “in B enthalten”, wenn gilt: x ∈ A =⇒ x ∈ B, in Zeichen
A ⊂ B (oder B ⊃ A). Falls A ⊂ B ist, sagen wir auch, dass “A eine Teilmenge
von B ist”.
(3) Durchschnitt: Der Durchschnitt zweier Menge A und B ist die Menge
A ∩ B := {x : x ∈ A und x ∈ B} .
(4) Vereinigung: Die Vereinigung zweier Menge A und B ist die Menge
A ∪ B := {x : x ∈ A oder x ∈ B} .
(5) Differenz: Die Differenz von A und B ist die Menge
A \ B := {x : x ∈ A und x 6∈ B} .
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
3
Die Differenzmenge wird auch mit A − B bezeichnet.
(6) Die leere Menge: Das Symbol ∅ bezeichnet die Menge, die aus keinem Element
besteht. Die leere Menge ist eine Teilmenge jeder Menge!
Oft werden wir die Vereinigung oder den Durchschnitt verschiedener Mengen betrachten. Eine Familie von Mengen wird dann als {Ai }i∈I bezeichnet, wobei I eine
beliebige Indexmenge ist, d.h. sie kann endlich, abzählbar oder überabzählbar sein;
mehr dazu später. Falls die Indexmenge endlich ist, ∃n ∈ N, so dass I = {1, 2, . . . , n}.
Dann ist n die Anzahl Mengen der Familie {Ai }i∈I . Die Vereinigung von Ai ist dann
gegeben durch:
[
Ai := {x : ∃i ∈ I mit x ∈ Ai },
i∈I
d.h. die Menge der Elemente, die mindestens zu einer Menge Ai gehören. Der Durchschnitt ist wie folgt definiert:
\
Ai := {x : x ∈ Ai
∀i ∈ I},
i∈I
d.h. die Menge derjenigen Elemente, die zu allen Ai gehören.
Wir listen nun die elementaren Eigenschaften der Mengenoperationen auf:
1. Eigenschaften der Inklusion:
a) ∅ ⊂ M
b) M ⊂ M , d.h. jede Menge ist eine Teilmenge von sich selbst
c) (A ⊂ B und B ⊂ A) ⇐⇒ A = B
d) (A ⊂ B und B ⊂ C) =⇒ A ⊂ C
2. Assoziativität:
a) (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C)
b) (A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C)
3. Kommutativität:
a) A ∪ B = B ∪ A
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
4
b) A ∩ B = B ∩ A
4. Distributivgesetze:
a) A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C)
b) A ∪ (B ∩ C) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C)
1.2. Das Prinzip der vollständigen Induktion
Zu jeder natürlichen Zahl n sei eine Aussage A(n) gegeben. Eine Strategie, um zu
beweisen, dass diese Aussage für jede natürliche Zahl gilt, ist das
Prinzip der vollständigen Induktion:
Alle Aussagen A(n) sind richtig wenn man (I) und (II) beweisen kann:
(I) A(0) ist wahr. (Induktionsanfang)
(II) Für jede natürliche Zahl n, für die A(n) wahr ist, ist auch A(n + 1) wahr.
(Induktionsschluss)
Beispiel 1.2.1.
Wir wollen die Identität
A(n) :
0 + 1 + 2 + ... + n =
n(n + 1)
2
für jedes n ∈ N zeigen. Wir beweisen obige Aussage mittels des Prinzips der
vollständigen Induktion:
(I) A(0) ist die Aussage 0 = 0, also ist A(0) wahr, d.h. wir haben den Induktionsanfang.
(II) A(n) ist die Gleichung
0 + 1 + ... + n =
n(n + 1)
.
2
(1.1)
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
5
Nehmen wir an dass A(n) gilt, d.h. dass (1.1) richtig ist. Dann ist auch
(0 + 1 + . . . + n) + n + 1 =
n(n + 1)
+ (n + 1) .
2
(1.2)
Die rechte Seite von (1.2) ist aber
n(n + 1)
n2 + n + 2n + 2
(n + 1)(n + 2)
+n+1=
=
.
2
2
2
Mit (1.1) folgt die Identität
0 + 1 + . . . + n + (n + 1) =
(n + 1)(n + 2)
.
2
Dies ist gerade A(n + 1), d.h. es gilt,
A(n) =⇒ A(n + 1).
Der Induktionsschluss ist also wahr.
Oft ist die Aussage A(n) nur für n grösser als eine bestimmte Grenze N richtig.
In diesem Fall lautet das Prinzip der vollständige Induktion wie folgt:
(I’) A(N ) ist wahr. (Induktionsanfang)
(II’) A(n) =⇒ A(n + 1) für n ≥ N . (Induktionsschluss)
Beispiel 1.2.2.
Wir wollen die Ungleichung
A(n) :
2n ≥ n2
für jedes n ∈ N gross genug zeigen. Es ist leicht zu sehen, dass A(4) wahr ist:
A(4) :
24 = 16 = 42 .
Nun wollen wir zeigen, dass A(n) =⇒ A(n + 1), wenn n ≥ 4. A(n) ist die Aussage
2n ≥ n2 . Aus dieser Ungleichung folgt 2n+1 = 2 · 2n ≥ 2n2 . Für n ≥ 1 gilt
2
3
(n + 1)2
1
=
1
+
+
≤
1
+
.
n2
n n2
n
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
6
Falls also n ≥ 4 ist, folgt,
n+1
2
3
≥ 2n ≥ 1 +
n2 ≥ (n + 1)2 .
n
2
Das heisst:
A(n) =⇒ A(n + 1),
falls n ≥ 4.
Das beweist den Induktionsschluss (II’) mit N = 4.
Bemerkung 1.2.3.
Manchmal wird das Prinzip der vollständigen Induktion benutzt, um bestimmte
Objekte zu definieren. Das geht wie folgt. Es soll jeder natürlichen Zahl n ein Element
f (n) einer Menge X zugeordnet werden durch
(I) die Angabe von f (0),
(II) eine Vorschrift, die für jedes n ∈ N angibt, wie das Element f (n + 1) aus den
Elementen f (0), . . . , f (n) berechnet wird.
Ein solches Verfahren heisst rekursive Definition. Wenn f (n) eine Zahl ist, nennt
man das Verfahren auch Rekursionsformel.
Wie bei der vollständige Induktion kann auch eine rekursive Definition bei einer
natürlichen Zahl N 6= 0 anfangen.
Beispiel 1.2.4.
Wir können die Potenz einer Zahl x durch die folgende Rekursionsformel definieren:
• x1 = x;
• xn+1 = x · xn .
Bemerkung 1.2.5.
Für x 6= 0 gilt die Konvention x0 = 1.
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
7
1.3. Binomialkoeffizienten
Definition 1.3.1.
Für jede positive natürliche Zahl definiert man n!, sprich n-Fakultät, durch
n! := 1 · 2 · · · n.
Für 0 gilt die Konvention 0! = 1.
Die Fakultät spielt eine wichtige Rolle in der Kombinatorik, wie folgendes Beispiel
zeigt:
Lemma 1.3.2.
Die Anzahl aller Anordnungen n verschiedener Elemente ist n!.
Beweis. Wir beweisen dieses Lemma mit dem Prinzip der vollständigen Induktion.
Für n = 1 ist die Aussage trivial.
Wir nehmen nun an, dass die Aussage für eine bestimmte natürliche Zahl n ≥ 1 gilt.
Wir wollen nun die Anzahl Anordnungen einer Menge A mit n + 1 verschiedenen
Elementen a1 , . . . an+1 bestimmen. Um die Elemente zu ordnen, wählen wir zuerst
das erste Element: dafür haben wir n + 1 Möglichkeiten. Es bleibt die Anordnung
der anderen n Elementen zu entscheiden, dafür gibt es n! Möglichkeiten. Also haben
wir (n + 1) · n! mögliche Anordnungen für die Elemente von A und die sind genau
(n + 1)!, da (n + 1) · n! = (n + 1)! ist.
Definition 1.3.3.
Sei m1 , . . . , mn die Anordnung einer Menge M . Eine Permutation der Elementen
m1 , . . . , mn ist eine neue Anordnung der Elemente von M .
Wir können also das Lemma 1.3.2 auch so formulieren:
Lemma 1.3.4.
Die Anzahl der Permutationen n verschiedener Elemente ist n!.
Wir werden nun den folgenden Satz beweisen.
Satz 1.3.5.
Die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer nicht leeren Menge mit n Elementen
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
8
ist für 0 < k ≤ n:
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)
n!
=
.
k!
(n − k)!k!
(1.3)
Definition 1.3.6.
Für alle n ≥ k ∈ N definieren wir den Binomialkoeffizienten wie folgt:
n
n!
:=
.
k
(n − k)!k!
Beweis von Lemma 1.3.5. Sei M eine Menge mit n Elementen und m1 , . . . , mn eine
entsprechende Anordnung. Die Anzahl möglicher Anordnungen von k geordneten
Elementen ist dann n(n − 1) · . . . · (n − k + 1). (Wir wählen zuerst das erste Element:
dafür haben wir n Möglichkeiten, dann wählen wir das zweite Element aus den
verbleibenden Elementen, d.h. wir haben n − 1 Möglichkeiten, etc.) Für jede Wahl
dieser k Elemente gibt es eine Teilmenge A ⊂ M die aus diesen Elementen besteht.
Aber jede solche Teilmenge wird dann k! Mal gewählt, d.h. so oft wie die Anzahl
der Permutationen ihrer Elemente. Deshalb ist die Anzahl der Teilmengen mit k
Elementen gegeben durch
n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)
.
k!
Eine sehr wichtige Anwendung der Binomialkoeffizienten ist die Binomialentwicklung oder Newtonsche Formel.
Satz 1.3.7.
Für jeden Exponenten n ∈ N \ {0} gilt
n
n
(1 + x) = 1 +
x + ... +
xn−1 + xn .
1
n−1
n
(1.4)
Bemerkung 1.3.8.
Obige Formel werden wir später auch für reelle oder komplexe Zahl x definieren.
Definition 1.3.9.
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
9
Seien k, m ∈ N mit k ≤ m und sei ak , ak+1 , . . . , am eine Famile von Zahlen. Dann
schreiben wir für die Summe ak + ak+1 + . . . + am :
m
X
aj
j=k
und für das Produkt ak · ak+1 · . . . · am :
m
Y
aj .
j=k
Mit dieser neuen Notation können wir die Identität (1.4) wie folgt formulieren:
n X
n j
(1 + x) =
x,
j
j=0
n
mit der Konvention x0 = 1.
Beweis von Satz 1.3.7. Wir schreiben
(1 + x)n = (1 + x) · (1 + x) · . . . · (1 + x)
{z
}
|
n Faktoren.
Es gibt nj Möglichkeiten, j Klammern aus den n Klammern (1+x) der rechten Seite
auszuwählen und daraus dann x als Faktor herauszuziehen. Beim Ausmultiplizieren
des rechts stehenden Produktes entsteht also nj -mal die Potenz xj .
Bemerkung 1.3.10.
Eine sehr wichtige Rekursionsformel für die Binomialkoeffizienten ist die folgende
Identität:
n+1
n
n
=
+
(1.5)
k+1
k
k+1
Kapitel 1. Grundbegriffe: Mengen und die natürliche Zahlen
Diese Identität ist leicht zu beweisen, da
n
n
n(n − 1) · · · (n − k + 1) n(n − 1) · · · (n − k)
+
=
+
k
k+1
k!
k!(k + 1)
n(n − 1) · · · (n − k + 1)(k + 1 + n − k)
=
(k + 1)!
(n + 1)n · · · (n + 1 − k)
n+1
=
.
=
(k + 1)!
k+1
10
2. Die reellen Zahlen
Es gibt Operationen, die wir in Q nicht durchführen können: zum Beispiel das Wurzelziehen.
Satz 2.0.1.
Es gibt kein q ∈ Q, so dass q 2 = 2.
Beweis durch Widerspruch. Wir nehmen das Gegenteil an und zeigen, dass dies zu
einem Widerspruch führt. Sei also q ∈ Q mit q 2 = 2. Falls q < 0, wählen wir −q.
((−q)2 = q 2 = 2). D.h. wir können oBdA annehmen, dass q > 0. Wir schreiben
q= m
mit m, n ∈ N \ {0} teilerfremd (d.h. falls r ∈ N m und n dividiert, dann ist
n
r = 1). Wir haben also
m2 = 2n2
=⇒ m ist gerade
=⇒ m = 2k für ein k ∈ N
4k 2 = 2n2
=⇒ n ist gerade
=⇒ (2 dividiert n),
d.h. 2 dividiert m und n. Dies ist aber ein Widerspruch zur angenommenen Teilerfremdheit von m und n. Es gibt also keine Zahl q ∈ Q mit q 2 = 2.
Es ist aber möglich, beliebig genaue Approximationen der Wurzel von 2 zu finden.
Intuitiv ist der Grenzwert dieser Approximationen eine neue Zahl: die Wurzel von
2:
√
2 = 1, 414 · · ·
11
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
12
Intuitiv:
1, 42
<2
<1, 52
1, 412
<2
<1, 422
1, 4142
<2
<1, 4152
1, 4
=⇒ 1, 41
1, 414
√
< 2
√
< 2
√
< 2
<1, 5
<1, 42
<1, 415.
Da diese neue Zahl kein Element von Q ist, hat Q “dort ein Loch”. Mit diesem
Verfahren kann man eine neue Menge von Zahlen einführen, die die rationalen Zahlen
als Teilmenge enthält, aber keine “Löcher” hat. Diese neue Menge heisst die Menge
der reellen Zahlen, die mit R bezeichnet wird.
Konstruktion: Die reellen Zahlen kann man “konstruieren” so dass Q ⊂ R. Meistens wird dazu eine der folgenden zwei Methoden benutzt: die Dedekindsche Schnitte, dazu siehe den Anhang dieses Skriptes, oder Kapitel I.10 in H. Amann, J. Escher
Analysis I, oder Kapitel 1.8 in W. Rudin Principle of Mathematical Analysis, oder
die Cantorsche “Vervollständigung” von Q, dazu siehe I. Stewart Introduction to
metic and topological spaces.
In diesem Kapitel werden wir jedoch auf die Konstruktion der reellen Zahlen
verzichten und ihre Existenz einfach annehmen. Als nächstes beschäftigen wir uns
mit den wichtigsten Eigenschaften von R:
i) die Köperaxiome (K1) – (K4),
ii) die Anordnungsaxiome (A1) – (A3),
iii) das Vollständigkeitsaxiom (V).
2.1. Die Körperstruktur
In R gibt es zwei wichtige Operationen: die Summe und das Produkt, die die folgenden Regeln erfüllen:
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
13
(K1) Kommutativgesetz
a+b=b+a
a·b=b·a
(K2) Assoziativgesetz
(a + b) + c = a + (b + c)
(a · b) · c = a · (b · c)
(K3) Distributivgesetz
(a + b) · c = a · c + b · c
(K4) Die Lösungen x folgender Gleichungen existieren:
∀a, b ∈ R
∀a, b ∈ R, a 6= 0,
a+x=b
a·x=b
wobei 0 das neutrale Element der Addition ist, d.h. die Lösung der Gleichung
0 + x = x.
Bemerkung 2.1.1.
Da wir annehmen, dass Q ⊂ R, ist R nicht leer. Sei x ∈ R ein beliebiges Element.
Dann ∃ mindestens ein Element 0, so dass 0 + x = x ist. Dieses spezielle Element
hat die Eigenschaft, dass 0 + y = y für jedes y (nutze (K4), um ein z zu finden, so
dass y = x + z. Dann gilt
(K4)
0 + y = 0 + (x + z) = (0 + x) + z = x + z = y).
Ausserdem ist 0 eindeutig: wäre 00 ein weiteres neutrales Element der Addition,
dann ist 0 + 00 = 00 , aber auch
(K1)
0 + 00 = 00 + 0 = 0,
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
14
d.h. das neutrale Element der Addition ist die rationale Zahl 0.
Mit dem gleichen Argument zeigt man die Existenz eines eindeutigen Elements 1
mit der Eigenschaft, dass 1 · x = x · 1 = x für alle x ∈ R. Auch hier sehen wir, dass
das neutrale Element der Multiplikation die rationale Zahl 1 ist.
Es ist aber auch möglich, die Zahl −x als Lösung der Gleichung (−x) + x = 0 und
die Zahl x1 als Lösung der Gleichung x1 · x = 1 einzuführen, falls x 6= 0 ist.
0 hat auch den Eigenschaft dass 0 · x = 0 für jede Zahl x ∈ R. In der Tat,
0
=
(K1)
=
(K3)
x + (−x) = x · 1 + (−x) = x · (1 + 0) − x = (x · 1 + x · 0) − x
(K2)
((x · 0) + x) + (−x) = (x · 0) + (x + (−x)) = (x · 0) + 0 = x · 0 .
Fortan werden wir x − y statt x + (−y) und
x
y
statt
1
x
· y schreiben.
2.2. Die Anordnung von R
Auf R haben wir eine Ordnungrelation > (d.h. a > b und b > c impliziert a > c, die
sogenannte Transitivitäteigenschaft), so dass
(A1) Positive und negative Zahlen: ∀a ∈ R gilt genau eine der drei Relationen:
(i) a < 0
(ii) a = 0
(iii) a > 0.
(A2) Falls a > c und b ∈ R, dann ist a + b > c + b; falls a > 0 und b > 0, dann ist
a · b > 0.
Bemerkung 2.2.1.
Seien a, b ∈ R. Aus (A1) schliessen wir dass genau ein der drei folgenden Relationen
gilt: a − b < 0, a − b = 0, a − b > 0. Aus (A2) folgern wir dass ein der drei Relationen
a < b, a = b, a > b gilt.
Wenn a > 0 und b > 0, dann a + b > b (aus (A2)) und, aus der transitivitäteigenschaft folgt a + b > 0.
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
15
Bemerkung 2.2.2.
Wir bemerken, dass
0 = a · (1 − 1) = a + a · (−1).
Also ist (−1) · a = −a und (−1) · (−1) = −(−1) = 1.
Sei nun a > 0. Da −a 6= 0. Folgt aus (A1): entweder ist −a < 0 oder −a > 0. Die
zweite Möglichkeit zusammen mit (A2) impliziert, dass 0 = a + (−a) > 0, was im
Widerspruch zu (A2) steht. Es muss also −a < 0 sein. Ferner bemerken wir, dass
falls a < 0 und b < 0, dann ist −a > 0, −b > 0 und es gilt
(A2)
a · b = a · (−1) · (−1) · b = (−a) · (−b) > 0.
Definition 2.2.3.
Wir schreiben b > a (bzw. b < a) falls b − a > 0 (bzw. falls b − a < 0).
Bemerkung 2.2.4.
Mit obigen Argumenten folgt, dass a > b ⇐⇒ b < a.
Die üblichen Regeln für die Relationen > und < im Zusammenhang mit den
Verknüpfungen “+” und “·” folgen aus (A1) und (A2). Nun können wir das Axiom
von Archimedes formulieren:
(A3) Archimedisches Axiom: ∀a ∈ R ∃n ∈ N mit n > a.
Satz 2.2.5 (Bernoullische Ungleichung).
∀x > −1, x 6= 0 und ∀n ∈ N \ {0, 1} gilt: (1 + x)n > (1 + nx)
Beweis mit vollständiger Induktion. Induktionsanfang:
(1 + x)2 = 1 + 2x + |{z}
x2 > 1 + 2x,
>0
da x 6= 0.
Induktionsschritt: Wir nehmen an, dass n ≥ 2 und
(1 + x)n > 1 + nx
∀x > −1 mit x 6= 0.
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
16
Deshalb sei x > −1 und x 6= 0, dann gilt:
(1 + x)n+1 > (1 + nx)(1 + x) = 1 + nx + x + nx2 =
1 + (n + 1)x + |{z}
nx2 > 1 + (n + 1)x
>0
=⇒ (1 + x)
n+1
> 1 + (n + 1)x.
Definition 2.2.6.
Für a ∈ R definieren wir den Betrag (oder Absolutbetrag) von a wie folgt:
|a| :=

a,
falls a ≥ 0
−a,
falls a < 0
Bemerkung 2.2.7.
Es gilt also:
|x| = max {−x, x}.
Satz 2.2.8.
Der Betrag hat die folgenden Eigenschaften:
(i) |ab| = |a||b|
(ii) |a + b| ≤ |a| + |b| (Dreiecksungleichung)
(iii) ||a| − |b|| ≤ |a − b| (umgekehrte Dreiecksungleichung)
Beweis.
(i) ist trivial.
(ii) Es gilt
a + b ≤ |a| + |b|
(da x ≤ |x| ∀x ∈ R und Gleichheit gilt genau dann, wenn x ≥ 0). Andererseits
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
17
haben wir
−(a + b) = −a − b ≤ |−a| + |−b| = |a| + |b|
und
|a + b| = max {a + b, −(a + b)} ≤ |a| + |b|.
(iii) Es gilt,
|a| = |(a − b) + b| ≤ |a − b| + |b|
=⇒
|a| − |b| ≤ |a − b|
(2.1)
|b| = |a + (b − a)| ≤ |a| + |b − a|
=⇒
|b| − |a| ≤ |b − a| = |a − b|
(2.2)
und somit
(2.1),(2.2)
||a| − |b|| = max {|a| − |b|, − (|a| − |b|)}
≤
|a − b|.
2.3. Die Vollständigkeit der reellen Zahlen
Definition 2.3.1.
Für a < b, a, b ∈ R, heisst:
a) [a, b] = {x ∈ R : a ≤ x ≤ b} abgeschlossenes Intervall,
b) ]a, b[ = {x ∈ R : a < x < b} offenes Intervall,
c) [a, b[ = {x ∈ R : a ≤ x < b} (nach rechts) halboffenes Intervall
d) ]a, b] = {x ∈ R : a < x ≤ b} (nach links) halboffenes Intervall
Sei I = [a, b] (bzw. ]a, b[, [a, b[ oder ]a, b]). Dann nennt man a, b die Randpunkte von
I. Die Zahl |I| = b − a ist die Länge von I, wobei b − a > 0 ist.
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
18
Definition 2.3.2.
Eine Intervallschachtelung ist eine Folge von abgeschlossenen Intervallen I1 , I2 , . . .
(kurz (In )n∈N oder (In )) mit folgenden Eigenschaften:
(I1) In+1 ⊂ In ∀n ∈ N,
(I2) ∀ε > 0 gibt es ein Intervall In , so dass |In | < ε.
Beispiel 2.3.3.
√
2
1, 42 <
2<
1, 412 <
2<
1, 4142 <
..
.
..
.
2<
1, 52
1, 422 =⇒
1, 4152
I1 = [1, 4/1, 5] |I1 | = 0.1
I2 = [1, 41/1, 42] |I2 | = 0.01
I3 = [1, 414, 1, 415] |I2 | = 0.001
In = . . .
Offensichtlich sind (I1) und (I2) erfüllt.
Axiom 2.3.4.
Zu jeder Intervallschachtelung (In )n∈N gibt es eine Zahl x ∈ R, die zu allen Intervallen In gehört.
Satz 2.3.5.
Die Zahl x ist eindeutig.
Beweis durch Widerspruch. Sei (In ) eine Intervallschachtelung. Wir nehmen an, dass
∃α < β, so dass α, β ∈ In für alle n ∈ N. Dann ist |In | ≥ |β − α| > a, was ein Widerspruch ist.
Satz 2.3.6.
∀a ∈ R mit a ≥ 0 und ∀k ∈ N \ {0} gilt, ∃!x ∈ R mit x ≥ 0 und xk = a. Wir
√
1
schreiben x = k a = a k .
Bemerkung 2.3.7.
Sei a > 0 und m, n ∈ N. Dann ist am+n = am an . Wir definieren a−m :=
1
am
für
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
19
m ∈ N. (so dass die Gleichung am−m = a0 = 1 wahr ist). Wir haben dann die
folgende Eigenschaft: aj+k = aj · ak ∀j, k ∈ Z. Für m, n ∈ N haben wir aber auch
z n-mal
}|
{
m n
m
m
m
m
+
·
·
·
+
m
(a ) = a
= anm .
| · a{z· · · a } = a
n-mal
(Und mit a−m = a1m stimmt die Regel (am )n = amn auch ∀m, n ∈ Z!). Diese Glei√
1
chung motiviert die Notation a k für k a.
Definition 2.3.8.
√ m
∀q = m
∈ Q, ∀a > 0 setzen wir aq := ( n a)
n
Bemerkung 2.3.9.
Es ist leicht zu sehen, dass die Gleichungen
aq+r = aq · ar
und
aqr = (aq )r
für alle q, r ∈ Q gelten.
Beweis von Satz 2.3.6. OBdA sei a > 1 (sonst betrachte a1 ). Wir konstruieren nun
eine Intervallschachtelung (In ) mit In = [αn , βn ], so dass αnk ≤ a ≤ βnk ∀n ∈ N. Wir
setzen
I1 := [1, a],
( In+1 =
n
αn , αn +β
, falls a ≤
αn +βn 2 , βn , falls a >
2
αn +βn k
2
αn +βn k
2
.
1
Dann ist |In | = 2n−1
|I1 | und In+1 ⊂ In ∀n ∈ N. Mit dem Intervallschachtelungsprinzip folgt nun, ∃!x ∈ R, so dass x ∈ In ∀n ∈ N.
Wir behaupten nun, dass xk = a ist. Dazu setzen wir Jn := [αnk , βnk ] und zeigen, dass
Jn eine Intervallschachtelung ist:
(I1) Jn+1 ⊂ Jn ∀n ∈ N, da In+1 ⊂ In ∀n ∈ N
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
20
(I2) Es ist
|Jn | = βnk − αnk = (βn − αn ) (βnk−1 + βnk−2 αn + · · · + αnk−1 ) .
{z
}
| {z } |
|In |
≤kβ1k−1
Also ist |Jn | ≤ |In |kβ1k−1 .
Sei nun ε > 0 gegeben. Wir wählen N gross genug, so dass
|In | ≤ ε0 =
ε
=⇒ |Jn | ≤ ε0 kβ1k−1 = ε.
kβ1k−1
D.h. (Jn ) ist tatsächlich eine Intervallschachtelung. Einerseits gilt nun
x ∈ [αn , βn ]
=⇒
xk ∈ αnk , βnk = Jn
und andererseits a ∈ Jn ∀n ∈ N. Mit Satz 2.3.5 folgt nun a = xk .
2.4. Supremumseigenschaft und Vollständigkeit
Definition 2.4.1.
s ∈ R heisst obere (bzw. untere) Schranke der Menge M ⊂ R, falls s ≥ x (bzw.
s ≤ x) ∀x ∈ M .
Definition 2.4.2.
s ∈ R heisst das Supremum der Menge M ⊂ R (Notation: s = sup M ), falls s die
kleinste obere Schranke für M ist. D.h.
(i) s ist eine obere Schranke für M und
(ii) jede Zahl s0 < s ist keine obere Schranke für M .
Beispiel 2.4.3.
Sei M =]0, 1[. Dann ist sup M = 1 6∈ M . D.h. das Supremum einer Menge M muss
nicht zwingend ein Element von M sein. Falls aber M = [0, 1], dann ist sup M =
1 ∈ M.
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
21
Definition 2.4.4.
s ∈ R heisst das Infimum einer Menge M (Notation: s = inf M ), falls s die grösste
untere Schranke von M ist.
Definition 2.4.5.
Falls s = sup M ∈ M , dann nennt man s das Maximum von M . Notation: s =
max M . Analog wird das Minimum definiert.
Satz 2.4.6 (Supremumseigenschaft von R).
Falls M ⊂ R nach oben (bzw. unten) beschränkt und nicht leer ist, dann existiert
sup M (bzw. inf M ).
Beweis. Wir konstruieren eine Intervallschachtelung (In ), so dass alle bn obere Schranken für M und alle an keine oberen Schranken sind. Wir wählen zuerst eine obere
Schranke b0 (die existiert, weil M nach oben beschränkt ist). Als nächstes wählen
wir ein Element x ∈ M und setzten a0 = x − 1. Wir setzen dann I0 := [a0 , b0 ] und
definieren In induktiv: Sei In gegeben. Dann definieren wir
In+1

 a , an +bn , falls an +bn eine obere Schranke ist
n
2
2
:=  an +bn , b , sonst.
n
2
Nun ist die Folge (In ) ist eine Intervallschachtelung, weil bn − an = (b0 − a0 )2−n und
In+1 ⊂ In ist. Also ∃!s, so dass s ∈ In ∀n ∈ N.
Wir behaupten nun, dass s das Supremum von M ist:
(i) s ist eine obere Schranke: angenommen ∃x ∈ M , so dass x > s. Dann wählen
wir ein In mit |In | < x − s. Daraus folgt
x − s > bn − an ≥ bn − s =⇒ x > bn ,
das ist aber ein Widerspruch, da die bn obere Schranken für M sind.
(ii) s ist die kleinste obere Schranke: wenn nicht, dann ∃s0 < s, das auch eine obere
Schranke ist. Wir wählen dann n0 ∈ N, so dass |In0 | < s − s0 . Damit folgt aber
s − s0 > bn0 − an0 ≥ s − an0 =⇒ an0 > s0 ,
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
22
das ist aber ein Widerspruch, da an0 keine obere Schranke für M ist.
Lemma 2.4.7.
Jede nach oben (bzw. nach unten) beschränkte Menge M ⊂ Z mit M 6= ∅ besitzt ein
grösstes (bzw. kleinstes) Element.
Beweis durch Widerspruch. OBdA betrachten wir nur eine nach unten beschränkte
Menge M ⊂ N. Angenommen M hat kein kleinstes Element. Mit dem Prinzip der
vollständigen Induktion beweisen wir, dass dann M = ∅.
(i) 0 6∈ M , sonst ist 0 das kleinste Element;
(ii) Angenommen, dass {0, 1, . . . , k}∩M = ∅, dann ist auch {0, 1, . . . , k +1}∩M =
∅, sonst wäre k + 1 das kleinste Element von M .
Aus dem Prinzip der vollständigen Induktion folgt: {0, . . . , n} ∩ M = ∅ ∀n ∈ N, d.h.
M ∩ N = ∅; ein Widerspruch zur Annahme, dass M nicht leer ist.
Satz 2.4.8.
Q ist dicht in R, d.h. für zwei beliebige Zahlen x, y ∈ R mit y > x, gibt es eine
rationale Zahl q ∈ Q, so dass x < q < y.
Beweis. Wir wählen ein n ∈ N, so dass n1 < y − x. Betrachte die Menge A ⊆ Z, so
dass M ∈ A =⇒ M > nx. Mit Lemma 2.4.7 folgt ∃m = min A. Dann gilt
x<
d.h. wir können q =
m
n
m−1 1
m
=
+ < x + y − x = y,
n
n
n
und die Behauptung ist bewiesen.
2.5. Abzählbarkeit
Definition 2.5.1.
Die Mengen A und B heissen gleichmächtig, wenn es eine Bijektion f : A → B gibt.
D.h. es gibt eine Vorschrift f , so dass
Kapitel 2. Die reellen Zahlen
23
(i) f ordnet jedem Element a ∈ b ein Element b ∈ B zu; dieses Element wird mit
f (a) bezeichnet;
(ii) f (a) 6= f (b), falls a 6= b,
(iii) ∀b ∈ B: ∃a ∈ A mit b = f (a).
(f ist eine bijektive Abbildung; siehe Kapitel 4). Ferner sagen wir, B habe eine
grössere Mächtigkeit als A, wenn zwar A zu einer Teilmenge von B gleichmächtig
ist, B aber zu keiner Teilmenge von A.
Beispiel 2.5.2.1) Die Mengen {1, 2} und {3, 4} sind gleichmächtig.
2) {1, 2, · · · , n} hat kleinere Mächtigkeit als {1, 2, · · · , m}, wenn n < m ist.
Definition 2.5.3.
Eine Menge A heisst abzählbar, wenn es eine Bijektion zwischen N und A gibt. D.h.
A kann aufgelistet werden: A = {a1 , a2 , · · · , an , · · · }.
Lemma 2.5.4.
Z ist abzählbar.
N 1 2
Z 0 1
f : N → Z durch
Beweis.
3 4
-1 2
5
-2
f (n) :=
...
...
Formal definieren wir die gesuchte Bijektion

n,
wenn n gerade
 1−n ,
wenn n ungerade.
2
2
Satz 2.5.5.
Q ist abzählbar.
Satz 2.5.6.
R ist nicht abzählbar.
(Für die Beweise siehe Kapitel 2.4 von K. Königsberger Analysis I).
3. Die komplexen Zahlen
Bemerkung 3.0.1.
∀a ∈ R: a2 > 0, d.h. die Gleichung x2 = −1 ist in R nicht lösbar. Die Einführung
der imaginären Einheit i (die imaginäre Zahl mit i2 = −1) hat sehr interessante
Konsequenzen, auch für die reellen Zahlen.
3.1. Definition der komplexen Zahlen
Definition 3.1.1 (1. Definition der komplexen Zahlen).
Seien a, b ∈ R, dann ist a + bi ∈ C. Wir definieren die Summe wie folgt:
(a + bi) + (α + βi) = (a + α) + (b + β)i
und das Produkt:
(a + bi)(α + βi) = (aα − bβ) + (aβ + bα) i.
| {z }
:=A
Definition 3.1.2.
Seien A und B zwei Mengen. Dann heisst A × B das kartesische Produkt oder
Kreuzprodukt von A und B, d.h. die Menge der Paare (a, b) mit a ∈ A und b ∈ B.
Definition 3.1.3 (2. Definition der komplexen Zahlen).
C = R × R mit den Verknüpfungen “+” und “·”, die wir folgt definieren:
(a, b) + (α, β) = (a + α, b + β)
(a, b)(α, β) = (aα − bβ, aβ + bα).
| {z }
=A
24
Kapitel 3. Die komplexen Zahlen
25
Bemerkung 3.1.4.
Es gilt R ' {(a, 0), a ∈ R} ⊂ C, d.h. (in der Sprache der abstrakten Algebra) dass
R isomorph zu R0 := {(a, 0) : a ∈ R} ist, das bedeutet, dass die Summe und das
Produkt in R und R0 “gleich” sind:
(a, 0) + (α, 0) = (a + α, 0)
(a, 0)(α, 0) = (aα, 0)
Deshalb schreiben wir a statt (a, 0).
Bemerkung 3.1.5.
Es ist
(0, a)(0, b) = (−ab, 0)
und daher
(0, 1)
| {z }
(0, 1) = (−1, 0)
Wurzel von -1
(0, −1)
| {z }
(0, −1) = (−1, 0).
auch eine Wurzel von -1
Bemerkung 3.1.6.
Es ist i = (0, 1) und wir schreiben (a, b) für a + bi. D.h. die zwei Definitionen der
komplexen Zahlen sind äquivalent.
Bemerkung 3.1.7.
Das neutrale Element der Addition und das Annulierungselement der Multiplikation
ist 0 = (0, 0) = 0 + 0i, d.h. es gilt für ξ ∈ C:
0 + ξ = ξ und 0 · ξ = 0.
Satz 3.1.8.
Die Körperaxiome (K1)-(K4) gelten auch für C.
Beweis. (K1) Kommultativität: trivial
(K2) Assoziativität: trivial
(K3) Distributivität: trivial.
Kapitel 3. Die komplexen Zahlen
26
(K4) Seien ξ, ζ ∈ C.
∃ω ∈ C :
ξ=
6 0, dann ∃ω :
ξ+ω =ζ
ξω = ζ.
(3.1)
(3.2)
Zu (3.1): Wir setzen
ξ := a + bi, ζ := c + di, ω := x + yi.
Dann ist
ξ + ω = (a + x) + (b + y)i = ξ = c + di.
Sei nun x := c − a, y := d − b. Dann gilt, ξ + ω = ζ.
Zu (3.2): 1 ( = 1 + 0i)) ist das neutrale Element, denn
(a + bi)(1 + 0i) = (a1 − b0) + (b1 + a0) = (a + bi).
| {z } | {z }
=a
=b
Sei ξ 6= 0. Wir suchen ein α, so dass ξα = 1. Dann ist ω = αζ eine Lösung von (3.2)
(eigentlich die Lösung). Falls ξ = a + bi, dann ist
α=
b
a
−
.
a2 + b 2 a2 + b 2
Tatsächlich haben wir also
b(−b)
a(−b)
ab
aa
−
+
−
i = 1.
ξα =
a2 + b 2 a2 + b 2
a2 + b 2 a2 + b 2
|
{z
} |
{z
}
=1
=0
Definition 3.1.9.
Sei ξ = (x + yi) ∈ C. Dann heisst
a) x der Realteil von ξ (Notation: Re ξ = x),
b) y der Imaginärteil von ξ (Notation: Im ξ = y),
c) x − yi die konjugierte Zahl (Notation: ξ = x − yi).
Kapitel 3. Die komplexen Zahlen
Bemerkung 3.1.10.
Es ist
q
27
q
ξξ = (Re ξ)2 + (Im ξ)2 =: |ξ|.
Definition 3.1.11.
|ξ| heisst der Betrag oder Absolutbetrag von ξ.
Satz 3.1.12.
∀a, b ∈ C gilt:
(i) a + b = a + b,
(ii) ab = ab,
(iii) Re a =
a+a
,
2
(iv) (Im a)i =
a−a
,
2
(v) a = a genau dann, wenn a ∈ R,
(vi) aa = |a|2 = (Re a)2 + (Im a)2 ≥ 0 und Gleicheit gilt genau dann, wenn a = 0.
Beweis. Übung.
Bemerkung 3.1.13.
Sei ω ∈ C, so dass ξω = 1 (ξ 6= 0). Wir schreiben ω = 1ξ . Der Beweis von Satz 3.1.8
liefert die Identität
1
ξ
=
ξ
.
|ξ|2
Satz 3.1.14.
∀a, b ∈ C gilt:
(i) |a| > 0 für a 6= 0,
(ii) |a| = |a|,
(iii) |Re a| ≤ |a|, |Im a| ≤ |a|,
(iv) |ab| = |a||b|,
(v) |a + b| ≤ |a| + |b|.
Kapitel 3. Die komplexen Zahlen
28
Beweis. Die Aussagen (i) - (iii) sind trivial.
Zu (iv): Betrachte
|ab|2 = (ab)(ab) = abab = aabb = |a|2 |b|2 =⇒ |ab| = |a||b|.
Zu (v): Es ist
|a + b|2 = (a + b)(a + b) = (a + b)(a + b) = aa + bb + ab + ba
| {z }
∈R
= |a|2 + |b|2 + ab + ba .
| {z }
(3.3)
∈R
Aus der letzten Identität folgt, dass ab + ba ∈ R: Tatsächlich ist ab + ba = ab + ab =
2Re (ab). Also ist
|a + b|2 = |a|2 + |b|2 + 2Re (ab) ≤ |a|2 + |b|2 + 2|ab|
= |a|2 + |b|2 + 2|a||b| = (|a| + |b|)2 .
(3.4)
4. Funktionen
4.1. Definition
Definition 4.1.1.
Seien A und B zwei Mengen. Eine Funktion (oder Abbildung) f : A → B ist eine
Vorschrift, die jedem Element a ∈ A ein eindeutiges Element f (a) ∈ B zuordnet.
Beispiel 4.1.2.
Sei A ⊂ R (oder C) und B = R (oder C). Dann ist
f (x) = x2 .
eine Funktion.
Definition 4.1.3.
Sei f : A → B eine Funktion. Dann heisst A der Definitionsbereich von f . Der
Wertebereich von f ist wie folgt definiert:
f (A) := {f (x) : x ∈ A} .
Sei C ⊂ A, dann heisst f (C) das Bild von C unter f , d.h. f (C) ist die Menge
{f (x) : x ∈ C}.
Falls C ⊂ B, dann ist das Urbild von C so definiert:
f −1 (C) := {x ∈ A : f (x) ∈ C} .
Bemerkung 4.1.4.
29
Kapitel 4. Funktionen
30
Sei f (x) = x2 . Dann ist der Wertbereich von f gegeben durch die Menge
{y ∈ R : y ≥ 0} .
Definition 4.1.5.
Der Graph einer Funktion f : A → B ist die Menge
G(f ) := {(x, f (x)) ∈ A × B : x ∈ A} .
Sei A ⊂ R und f : A → R eine Funktion. Dann ist der Graph von f eine Teilmenge
von A×R ⊂ R×R, d.h. eine Teilmenge der Euklidische Ebene. Sei n ∈ N mit n ≥ 1.
Dann bezeichnet die Menge Rn das n-fache kartesische Produkt von R, d.h.
Rn := R × R × . . . × R .
{z
}
|
n mal
Diese Menge nennen wir den n-dimensionalen Euklidischen Raum.
Beispiel 4.1.6.
Sei f : R → R, f (x) = |x|. Dann ist der Graph von f gegeben durch die Menge
{(x, x) : x ≥ 0} ∪ {(x, −x) : x ≤ 0} ⊂ R2 ,
d.h. die Vereinigung von zwei Halbgeraden in der Ebene.
4.2. Algebraische Operationen
Seien f, g zwei Funktionen mit dem gleichen Definitionsbereich und so dass ihre
Wertbereiche in C enthalten sind. Dann definieren wir folgende algebraischen Operationen:
(i) f + g ist die Funktion h : A → B gegeben durch
h(x) := f (x) + g(x).
Kapitel 4. Funktionen
31
(ii) f · g ist die Funktion k : A → B gegeben durch
k(x) := f (x)g(x).
(iii)
f
g
ist wohldefiniert, falls der Wertebereich von g in C \ {0} enthalten ist und
ist gegeben durch
f
f (x)
(x) :=
.
g
g(x)
(iv) Analog definieren wir die Funktionen Re f (den Realteil von f ), Im f (den
Imaginärteil von f , f (die Konjugation von f ) und |f | (den Absolutbetrag von
f ).
Definition 4.2.1.
Seien f : A → B und g : B → C. Die Komposition oder Verkettung von g und f ,
g ◦ f : A → C, ist durch die folgende Funktion gegeben:
(g ◦ f )(x) = g(f (x)).
Bemerkung 4.2.2.
Sei f : A → R, g : A → R. Wir definieren die Funktion Ψ : A → R × R wie folgt:
Ψ(a) := (f (a), g(a))
und Φ : R × R → R als
Φ(x, y) = xy.
Dann ist
Φ ◦ Ψ(a) = Φ(Ψ(a)) = Φ ((f (a)) , g(a)) = f (a)g(a).
D.h. die algebraischen Operationen können als Kompositionen aufgefasst werden.
Definition 4.2.3. (i) f : A → B heisst surjektiv, falls f (A) = B.
(ii) f : A → B heisst injektiv, falls gilt: f (x) 6= f (y) ∀x 6= y ∈ A.
(iii) Falls f surjektiv und injektiv ist, dann sagen wir, dass f bijektiv ist.
Kapitel 4. Funktionen
32
Bemerkung 4.2.4.
Bijektive Funktionen sind umkehrbar: Sei f : A → B bijektiv. Dann gilt: ∀b, ∃a :
f (a) = b (wegen der Surjektivität von f ), und a ist eindeutig (wegen der Injektivität
von f ). Dann ist g(b) = a eine “wohldefinierte Funktion” g : B → A.
Definition 4.2.5.
Eine Funktion g heisst Umkehrfunktion von f , falls f : A → B, g : B → A,
f ◦ g : B → B, g ◦ f : A → A und
f ◦ g(b) = b ∀b ∈ B
g ◦ f (a) = a ∀a ∈ A .
(4.1)
Definition 4.2.6.
Die “dumme Funktion” h : A → A mit h(a) = a ∀a ∈ A heisst Identitätsfunktion
(Notation: Id). Daher ist (4.1) ⇐⇒ f ◦ g = Id und g ◦ f = Id.
4.3. Einige Beispiele wichtiger Funktionen
4.3.1. Die Exponentialfunktion
Sei a ∈ R mit a > 0. Der Definitionsbereich der Exponentialfunktion sei im Moment
Q. Dann ist expa : Q → R wie folgt definiert:

 an = a
| · a ·{z. . . · a}, für n ∈ N \ {0}
expa (n) :=
n-mal

0,
für n = 1,
1
expa (−n) := n für n ∈ N
a
m
√
n
expa (q) :=
a
für q = m
mit n ∈ N, m ∈ Z .
n
Dabei ist expa die einzige Funktion Φ : Q → R mit den folgenden Eigenschaften:
(i) Φ(1) = a,
(ii) Φ(q + r) = Φ(q)Φ(r) ∀q, r ∈ Q.
Bemerkung 4.3.1.
Später werden wir expa auf ganz R fortsetzen.
Kapitel 4. Funktionen
33
4.3.2. Polynome
Für die Analysis ist ein Polynom eine Funktion f : R (bzw. C) mit x 7→ f (x) ∈
R (bzw. C) von der Gestalt
f (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0 ,
wobei die Koeffizienten a0 , . . . , an komplexe Zahlen sind.
Das Produkt zweier Polynome x 7→ f (x)g(x) ist wie folgt gegeben:
f (x)g(x) := (an xn + · · · + a0 ) (bm xm + · · · + b0 )
= bm an xn+m + bn an−1 xn−1+m + · · · + a0 b0
= bm an xn+m + (bm an−1 + bm−1 an ) xn+m−1 + · · · + a0 b0
= cm+n xm+n + · · · + c0 ,
wobei
ck =
X
i+j=k
ai b j =
k
X
ai bk−i .
i=0
Definition 4.3.2.
Der Grad eines Polynoms f (x) := an xn + · · · + a0 ist n, falls an 6= 0.
Satz 4.3.3 (Division mit Rest).
Sei g 6= 0 ein Polynom. Dann gibt es zu jedem Polynom f zwei Polynome q und r
so dass
g = qf + r, wobei r = 0 oder grad r < grad f.
Beweis. Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Polynomdivision.
Bemerkung 4.3.4.
Sei g = x − x0 und sei f ein Polynom vom Grad ≥ 1. Mit Satz 4.3.3 folgt, dass
f = gq + r = gq + c0 , wobei grad r < 1 ist. Also ist r eine Konstante r = c0 und es
gilt,
f (x) = q(x)(x − x0 ) + c0
f (x0 ) = q(x0 )0 + c0 = c0 .
Kapitel 4. Funktionen
34
Korollar 4.3.5.
Falls f ein Polynom ist und x0 ∈ C, so dass f (x0 ) = 0, dann ∃ Polynom q, so dass
f (x) = q(x)(x − x0 ).
Definition 4.3.6.
Das Polynom an xn + . . . + a0 mit an = an−1 = . . . = a0 = 0 heisst Trivialpolynom.
Korollar 4.3.7.
Ein nicht triviales Polynom P hat höchstens grad f Nullstellen.
Korollar 4.3.8.
Falls f (x) = 0 ∀x ∈ R, dann ist f das Trivialpolynom.
Korollar 4.3.9.
Falls f, g Polynome sind, so dass f (x) = g(x) ∀x ∈ R, dann sind die Koeffizienten
von f und g gleich.
Beweis. Wir setzen h := f − g. Dann ist h ein Polynom mit h(x) = (f − g)(x) = 0
∀x ∈ C.
Definition 4.3.10.
Seien f, g zwei Polynome. Dann heisst
f
g
rationale Funktion.
5. Folgen
Definition 5.0.1.
Eine Folge von komplexen (bzw. reellen) Zahlen ist eine Abbildung: f : N → C
(bzw. R), d.h.
∀n ∈ N : f (n) ∈ C (bzw. R).
Wir schreiben an für f (n).
Beispiel 5.0.2.
N selbst kann als Folge betrachtet werden: an := f (n) := n.
5.1. Konvergente Folgen
Definition 5.1.1.
Eine Folge (an )n∈N heisst konvergent, falls ∃a ∈ C, so dass
∀ε > 0, ∃N ∈ N :
|an − a| < ε ∀n ≥ N.
(5.1)
Die Zahl a heisst Grenzwert oder Limes der Folge (an )n∈N .
Beispiel 5.1.2.
an = n1 ist eine konvergente Folge mit Grenzwert a = 0: Sei ε > 0 gegeben. Dann gibt
es ein N ∈ N mit N > 1ε (diese Zahl existiert wegen des Axioms von Archimedes,
siehe Kapitel 2.2). Für n ≥ N gilt dann,
|an | =
1
1
1
−0 = ≤
< ε.
n
n
N
Bemerkung 5.1.3.
Der Limes einer konvergenten Folge ist eindeutig.
35
Kapitel 5. Folgen
36
Beweis. Seien a 6= a0 zwei reelle Zahlen, die das Konvergenzkriterium (5.1) erfüllen.
0|
. Dann gilt,
Wir wählen ε := |a−a
2
∃N :
|an − a| < ε ∀n ≥ N
∃N 0 : |an − a0 | < ε ∀n ≥ N 0 .
Für n ≥ max {N, N 0 } folgt,
|a0 − a| ≤ |a0 − an | + |a − an | < 2ε = |a0 − a|
=⇒ |a0 − a| < |a0 − a|,
was ein Widerspruch ist.
n→∞
Wenn eine Folge gegen a konvergiert, schreiben wir a = limn→+∞ (an ) oder an −→ a.
Bemerkung 5.1.4.
Sei α = A + 0, b0 b1 b2 . . . eine reelle Zahl, wobei A ∈ N und bi die Ziffern der Dezimaldarstellung von α − A sind. Für jedes n ∈ N sei
an := A + 0, b0 . . . bn
∈ Q.
Dann konvergiert die Folge (an ) gegen α: Sei ε eine beliebige positive reelle Zahl.
Sei N ∈ N, so dass 10N > 1ε . Für n ≥ N gilt dann:
|an − α| ≤ 10−N < ε.
Definition 5.1.5.
Sei (an ) eine Folge und A(n) eine “Folge von Aussagen über an ”. Wir sagen, dass
A(n) wahr ist für “fast alle” n, wenn ∃N ∈ N, so dass A(n) wahr ist ∀n ≥ N . Eine
alternative Formulierung von (5.1) ist also:
∀ε > 0 : |an − a| < ε für fast alle n.
Beispiel 5.1.6.
Kapitel 5. Folgen
37
Sei s ∈ Q mit s > 0. Sei an =
1
.
ns
Dann gilt,
lim
n→+∞
1
ns
= 0.
1
Sei N ∈ N mit N > ε s (Axiom von Archimedes). Dann ist
|0 − an | =
(NB:
1
s
1
< ε, ∀n ≥ N.
ns
ist wohldefiniert, weil s 6= 0. Zudem ist
1
1
1
⇐⇒ n > 1 ,
< ε ⇐⇒ ns >
s
n
ε
εs
weil s > 0.)
Beispiel 5.1.7.
√
Sei a > 0. Dann gilt: limn→+∞ n a = 1.
Fall a > 1: Zu beweisen:
∀ε > 0 ∃N :
Sei xn =
√
n
a − 1 < ε ∀n ≥ N ∈ N.
√
n
a − 1 > 0 und n ≥ 1. Dann ist
n 2
n 3
a = (1 + xn ) = 1 + nxn +
xn +
x + · · · + xnn .
2
3 n
n
Deswegen ist
a ≥ 1 + nxn
Sei ε > 0. Wähle N ≥
0<
a−1
,
ε
√
n
und
xn ≤
a−1
.
n
dann folgt,
a − 1 = xn ≤
Fall 0 < a < 1: Wir haben
1
a
a−1
a−1
a−1
≤
< a−1 = ε.
n
N
ε
> 1 und nutzen die Rechenregeln für konvergente
Kapitel 5. Folgen
38
Folgen (siehe Satz 5.2.1(iii), unten):
√
1
n
a= q
n
1
√
→ 11
n
a
−→
1
a
1
= 1.
1
Fall a = 1: Dies ist trivial, da dann die Folge konstant ist, d.h. an = 1 ∀n ∈ N.
Beispiel 5.1.8.
√
Wir behaupten, dass limn→+∞ n n = 1. Wie oben sei
xn =
und
√
n
n−1
n 2
n = (1 + xn ) = 1 + nxn +
x + · · · + xnn .
2 n
n
Diesmal nutzen wir die stärkere Ungleichung: Sei n ≥ 2, dann ist
r
2
n 2
n(n − 1) 2
2 2
2
xn xn ≤
=⇒ xn ≤
.
n≥1+
xn = 1 +
2
2
n
n
Sei ε > 0 gegeben. Wir wählen ein N ∈ N, so dass
r
N
> ε−1
2
( ⇐⇒ N > 2ε−2 ).
Dann gilt für n ≥ N ,
0≥
√
n
r
n−1<
2
≤
n
r
2
<
N
s
2
2
ε2
= ε =⇒
Übung 5.1.9.
√
n
Sei k ∈ N. Dann ist limn nk = 1.
Beispiel 5.1.10.
Sei q ∈ C mit |q| < 1. Dann ist limn→+∞ q n = 0, denn
|q n − 0| = |q n | − |0| ≤ |q|n .
√
| n n − 1| < ε.
Kapitel 5. Folgen
39
Sei nun ε > 0 gegeben. Da
√
n
ε → 1 und |q| < 1, ∃N ∈ N, so dass
√
| n ε − 1| < 1 − |q|
∀n ≥ N.
Also gilt für n ≥ N ,
√
n
ε > 1 − (1 − |q|) = |q|
=⇒
ε > |q|n .
Übung 5.1.11.
Sei k ∈ N und q ∈ C mit |q| < 1. Dann gilt: limn→∞ nk q n = 0.
5.2. Rechenregeln für konvergente Folgen
Satz 5.2.1.
n→∞
n→∞
Seien (an ) und (bn ) zwei konvergente Folgen mit an −→ a und bn −→ b, dann
gelten die folgenden Rechenregeln:
n→∞
(i) an + bn −→ a + b,
n→∞
(ii) an · bn −→ a · b,
(iii)
an n→∞ a
−→ b ,
bn
falls b 6= 0.
Beweis von Satz 5.2.1(i). Es ist
|(an + bn ) − (a − b)| = |(an − a) + (bn − b)| ≤ |an − a| + |bn − b|.
(5.2)
Sei ε > 0 gegeben. Dann gilt wegen der Konvergenz der beiden Folgen:
∃N :
|an − a| <
ε
2
∀n ≥ N
(5.3)
∃N 0 :
|an − a| <
ε
2
∀n ≥ N 0 .
(5.4)
Für n ≥ max{N, N 0 } haben wir dann,
|(an + bn ) − (a + b)|
(5.2),(5.3)&(5.4)
<
ε ε
+ = ε.
2 2
Kapitel 5. Folgen
40
Definition 5.2.2.
Eine Folge heisst beschränkt, falls gilt:
∃M > 0 :
|an | ≤ M
∀n ∈ N.
(5.5)
Lemma 5.2.3.
Eine konvergente Folge ist immer beschränkt.
n→∞
Beweis. Sei an −→ a. Dann ∃N ∈ N, so dass |an − a| < 1 ∀n ≥ N . Deswegen ist
|an | < |a| + 1 ∀n ≥ N . Nun wählen wir M := max{|a0 |, . . . , |aN −1 |, |a| + 1} und
erhalten |an | ≤ M ∀n ∈ N.
Beweis von Satz 5.2.1(ii)&(iii). (ii): Wegen Lemma 5.2.3 gilt: ∃ eine Konstante
M > 0, die (5.5) erfüllt, d.h.
|an bn − ab| = |an bn − an b + an b − ab| = |an (bn − b) + b(an − a)|
≤ |an ||bn − b| + |b||an − a| ≤ M |bn − b| + |b||an − a|.
(5.6)
Wähle
N ∈N:
N0 ∈ N :
ε
∀n ≥ N
2M
ε
|an − a| ≤
∀n ≥ N 0 .
2(1 + |b|)
|bn − b| ≤
(5.7)
(5.8)
Für n ≥ max{N, N 0 } gilt:
|an bn − ab|
(5.6),(5.7)&(5.8)
<
ε ε
+ = ε.
2 2
(iii): folgt aus (ii) und
1
1
→ ,
bn
b
falls bn → b 6= 0.
(5.9)
Kapitel 5. Folgen
41
Um (5.9) zu beweisen, betrachte
1
1
− = | b − bn | = 1 |b − bn | .
bn
b
bn b
|b| |bn |
(5.10)
n→∞
Da |b| > 0 und bn −→ b, folgt
∃N :
|bn − b| <
|b|
2
∀n ≥ N.
Also gilt für n ≥ N ,
|bn | ≥ |b| − |b − bn | ≥
und
|b|
>0
2
(5.11)
1
1
− ≤ 2 |bn − b|.
bn
b |b|2
Sei nun ε > 0 gegeben. Wir wählen ein N 0 ∈ N, so dass |bn − b| < ε|b|2 /2 ∀n ≥ N .
Für n ≥ max{N, N 0 } folgt also,
1
1
− < ε.
bn
b
Bemerkung 5.2.4.
n→∞
n→∞
Falls an −→ a und λ ∈ C, so folgt aus Satz 5.2.1(ii), dass λan −→ λa: Wir setzen
einfach bn := λ ∀n ∈ N.
Satz 5.2.5.
n→∞
Sei an −→ a, wobei an ∈ C ∀n ∈ N. Dann gelten die folgenden Aussagen:
n→∞
(i) |an | −→ |a|,
n→∞
(ii) a¯n −→ ā,
n→∞
(iii) Re an −→ Re a,
n→∞
(iv) Im an −→ Im a.
Kapitel 5. Folgen
42
Beweis. Die Behauptungen sind triviale Konsequenzen des Konvergenzkriteriums
(5.1) und der folgenden Ungleichungen:
a) ||an | − |a|| ≤ |an − a|,
b) |a¯n − ā| = |an − a|,
c) |Im an − Im a| ≤ |an − a|,
d) |Re an − Re a| ≤ |an − a|.
Satz 5.2.6.
n→∞
n→∞
Seien (an ) und (bn ) zwei Folgen mit an −→ a, bn −→ b mit an ≤ bn . Dann ist
a ≤ b.
Beweis. Sei ε > 0. Dann gilt:
∃N ∈ N :
|an − a| < ε ∀n ≥ N
∃N 0 ∈ N :
|bn − b| < ε ∀n ≥ N 0 .
Für n = max{N, N 0 } haben wir,
b − a ≥ bn − |bn − b| − an − |a − an | ≥ (bn − an ) − 2ε ≥ −2ε.
Da ε eine beliebige positive Zahl war, gilt b − a ≥ 0.
Satz 5.2.7.
n→∞
n→∞
Seien (an ) und (bn ) zwei Folgen mit an −→ a, bn −→ a. Weiter sei (cn ) eine Folge
mit der Eigenschaft, bn ≤ cn ≤ an ∀n ∈ N. Dann konvergiert die Folge (cn ) gegen a.
Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Wegen der Konvergenz finden wir
N ∈N:
|an − a| < ε ∀n ≥ N
N0 ∈ N :
|bn − a| < ε ∀n ≥ N 0 .
Kapitel 5. Folgen
43
Für n ≥ max{N, N 0 } gilt dann,
a − ε < a − |a − an | ≤ an = an ≤ cn
≤ bn ≤ a + |bn − a| < a + ε. =⇒ |cn − a| < ε.
Beispiel 5.2.8.
Sei s ≥ 0 und k ∈ N mit k ≤ s ≤ k + 1. Weiter sei q ∈ C mit |q| < 1. Dann gelten
die folgenden Ungleichungen:
√
√
√
n
n
nk ≤ n ns ≤ nk+1
0 ≤ ns |q|n ≤ nk |q|n .
Daraus schliessen wir, dass
√
n
n→∞
n→∞
ns −→ 1 und nk q n −→ 0.
5.3. Monotone Folgen
Definition 5.3.1.
Eine Folge (an ) reeller Zahlen heisst monoton fallend (bzw. monoton wachsend ),
falls an ≤ an−1 ∀n ∈ N (bzw. an ≥ an−1 ∀n ∈ N).
Eine Folge heisst monoton, falls sie monoton fallend oder monoton wachsend ist.
Satz 5.3.2.
Eine beschränkte monotone Folge konvergiert immer.
Beweis. OBdA können wir (an ) wachsend annehmen: Denn falls die Folge fallend
ist, dann ist (−an )n∈N eine wachsende Folge. Haben wir die Aussage des Satzes für
n→∞
wachsende Folgen gezeigt, so gilt: an −→ L für ein L ∈ C und somit,
lim an = lim (−1)(−an ) = lim (−1) lim (−an ) = −L.
n→∞
n→∞
n→∞
n→∞
Kapitel 5. Folgen
44
Sei also (an ) wachsend. Wir setzen
s := sup {an : n ∈ N}
{z
}
|
=:M
und behaupten, dass s = lim an . Da an ≤ s, müssen wir zeigen, dass gilt,
n→∞
∀ε > 0 ∃N :
an > s − ε ∀n ≥ N.
(5.12)
Sei ε > 0 gegeben. Dann ∃aj ∈ M : aj > s − ε, denn sonst wäre s − ε eine obere
Schranke, die kleiner ist als s. Da die Folge wächst, folgt an ≥ aj > s − ε ∀n ≥ j.
Beispiel 5.3.3.
Die Beschränktheit einer Folge allein impliziert noch nicht deren Konvergenz: Betrachte z.B. die Folge an = (−1)n . Offensichtlich ist sie beschränkt, aber nicht konvergent.
5.4. Der Satz von Bolzano-Weierstrass
Definition 5.4.1.
Sei (an ) eine Folge. Eine Teilfolge von (an ) ist eine neue Folge bk := ank , wobei
nk ∈ N mit nk > nk−1 (zum Beispiel:
a0 a1 a2 a3 a4 a5 a6
|{z}
|{z}
|{z}
b0
b1
. . .).
b2
Satz 5.4.2 (von Bolzano-Weierstrass).
Jede beschränkte Folge (an ) ⊂ R (bzw. C) besitzt eine konvergente Teilfolge.
Beweis. Schritt 1: Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen. Seien I, M ∈ R, so dass
I ≤ an ≤ M ∀n ∈ N. OBdA sei I < M , sonst wäre (an ) eine konstante Folge. Wir
konstruieren eine Intervallschachtelung. Dazu definieren wir J0 := [I, M ] und teilen
J0 in zwei Intervalle:
J0 = [I, A0 ] ∪ [A0 , M ] ,
wobei A0 =
M −I
M +I
+I =
.
2
2
Kapitel 5. Folgen
45
Mindestens eines dieser Intervalle enthält unendlich viele an . Wir nennen dieses
Intervall J1 . Rekursiv definieren wir eine Folge von Intervallen Jk , so dass
(i) Jk+1 ⊂ Jk ∀k ∈ N;
(ii) Die Länge `k von Jk ist (M − I)2−k ∀k ∈ N;
(iii) jedes Intervall entält unendlich viele Glieder der Folge (an ).
Diese Folge ist eine Intervallschachtelung und deswegen ∃!L mit L ∈ Ji ∀i.
Wir wählen ein n0 ∈ N, so dass an0 ∈ J0 . Da J1 unendlich viele an enthält, ∃n1 > n0
mit an1 ∈ J1 . Rekursiv definieren wir eine Folge natürlicher Zahlen (nk )k∈N mit
nk+1 > nk und ank ∈ Jk ∀k ∈ N. Die Folge bk := ank ist dann eine Teilfoge von (an ).
Ausserdem gilt,
|bk − L| ≤ `k = 2−k (M − I),
k→∞
da bk , s ∈ Jk . D.h. wir haben bk −→ L.
Schritt 2: Sei nun ak = ξk + iζk eine beschränkte komplexe Folge. Dann ist (ξk ) eine
beschränkte Folge reeller Zahlen. Mit Schritt 1 folgt, ∃(ξkj ) Teilfolge, die konvergiert.
Ferner ist auch (ζkj ) eine beschränkte Folge reeller Zahlen und deswegen besitzt auch
sie eine konvergente Teilfolge (ζkjn ). Setzen wir
bn := akjn = ξkjn + iζkjn ,
so haben wir eine konvergente Teilfolge gefunden.
Definition 5.4.3.
Sei (an ) eine Folge und a der Limes einer konvergenten Teilfolge. Dann heisst a
Häufungswert der Folge (an ).
Lemma 5.4.4.
Sei (an ) eine Folge. Dann gilt: a ist ein Häufungswert ⇐⇒ Für jedes offene Intervall mit a ∈ I enthält unendlich viele an .
Beweis. Trivial.
Kapitel 5. Folgen
46
Definition 5.4.5.
Sei (an ) eine reelle Folge. Wenn die Menge der Häufungswerte von (an ) ein Supremum (bzw. ein Infimum) besitzt, heisst dieses Supremum Limes superior (bzw.
Limes inferior ) und wir schreiben
lim sup an
(bzw. lim inf an ).
n→∞
n→∞
Wenn die Folge keine obere (bzw. untere) Schranke besitzt, schreiben wir
lim sup an = +∞ (bzw. lim inf an = −∞.)
n→∞
n→∞
Bemerkung 5.4.6.
Eine konvergente Folge hat genau einen Häufungswert, den Limes der Folge.
Lemma 5.4.7.
Der Limes superior (bzw. Limes inferior) ist das Maximum (bzw. das Minimum)
der Häufungswerte, falls er endlich ist. Ausserdem konvergiert eine Folge reeller
Zahlen genau dann, wenn Limes superior und der Limes inferior endlich sind und
übereinstimmen.
Beweis. Teil 1: Sei lim supn→∞ an = S ∈ R. Zu beweisen ist, dass S ein Häufungswert
ist. Sei I =]a, b[ ein Intervall mit S ∈ I. Wir behaupten, dass I unendlich viele Glieder von (an ) enthält: Dann folgt aus Lemma 5.4.4, dass S ein Häufungswert ist. Da
S das Supremum der Häufungswerte ist, ∃ ein Häufungswert h > a. Aber dann ist
h ∈ I, und aus Lemma 5.4.4 folgt, dass I unendlich viele an enthält.
Teil 2: Sei (an ) eine Folge mit
lim inf an = lim sup an = L ∈ R .
n→∞
n→∞
Daraus folgt, dass (an ) eine beschränkte Folge ist. Falls an nicht gegen L konvergierte, gäbe es ein ε > 0 und unendlich viele an mit |an − L| > ε, d.h. es gäbe eine
Teilfolge von (an ), bk = ank , mit |bk −L| > ε. Aus dem Satz von Bolzano-Weierstrass
folgt dann die Existenz einer konvergenten Teilfolge von (bn ) mit Limes ` 6= L. Dann
wäre ` aber ein Häufungswert von (an ). Dies ist jedoch ein Widerspruch, da nach
Kapitel 5. Folgen
47
Definition von liminf und limsup gilt: L ≤ ` ≤ L.
Bemerkung 5.4.8.
Der Limes superior und der Limes superior existieren immer; ein klarer Vorteil
gegenüber dem Limes. Ausserdem gilt für zwei beliebige reelle Folgen (an ) und (bn )
mit an ≤ bn :
lim sup an ≤ lim sup bn und lim inf an ≤ lim inf bn .
n→∞
n→∞
n→∞
n→∞
Wegen diesen Eigenschaften werden wir oft das letzte Lemma und den Limes superior
brauchen, wie in folgendem “Musterargument”:
Nehmen wir an, wir wollen beweisen, dass eine bestimmte Folge {zn } ⊂ C den
Grenzwert z hat. Betrachten wir dann die reelle Folge (|zn − z|). Dies ist eine Folge
positiver reeller Zahlen und deshalb gilt,
lim inf |zn − z| ≥ 0.
n→∞
Es genügt also eine geeignete Folge (cn ) zu finden, die (|zn − z|) majorisiert, d.h.
cn ≥ |zn − z|, und deren Konvergenz gegen 0 leicht zu beweisen ist. Wenn wir diese
Folge gefunden haben, dann können wir schliessen, dass
lim sup |zn − z| ≤ lim sup cn = 0.
n→∞
n→∞
Lemma 5.4.7 impliziert dann
lim |zn − z| = 0.
n→∞
Also gilt: limn→∞ zn = z.
5.5. Das Konvergenzkriterium von Cauchy
Satz 5.5.1.
Eine Folge komplexer Zahlen konvergiert genau dann, wenn das sogenannte Cauchy-
Kapitel 5. Folgen
48
Kriterium gilt:
∀ε > 0, ∃N :
|an − am | < ε ∀n, m ≥ N.
(5.13)
Bemerkung 5.5.2.
Eine Folge, die dem Cauchy-Kriterium genügt, heisst Cauchy-Folge.
n→∞
Beweis. Konvergenz =⇒ Cauchy-Kriterium: Sei (an ), so dass an −→ a und
ε > 0 gegeben. Dann gilt,
∃N :
|an − a| <
ε
∀n ≥ N.
2
Deshalb haben wir
|an − am | = |an − a + a − am | ≤ |an − a| + |a − an | <
ε ε
+
∀n, m ≥ N.
2 2
Cauchy-Kriterium =⇒ Konvergenz. Sei (an ) eine Cauchy-Folge (d.h. (5.13)
gilt).
Bemerkung 5.5.3.
Falls a ein Häufungswert ist, dann konvergiert die ganze Folge gegen a.
Sei (ank ) eine Teilfolge, die gegen a konvergiert. D.h. es gilt,
∀ε > 0 ∃K :
k>K
=⇒
ε
|ank − a| < .
2
(5.14)
Die Cauchy-Eigenschaft impliziert aber auch die Existenz einer Zahl N , so dass
|am − an | <
ε
∀m, n > N .
2
(5.15)
Sei nun n ≥ N . Dann ∃nk > N mit k ≥ K. D.h. es gilt für n > N ,
|a − an | = |a − ank + ank − an | ≤ |a − ank | + |ank − an |
(5.14)&(5.15)
<
ε.
Dies beweist die Bemerkung 5.5.3.
Um den Satz zu beweisen, genügt es also die Existenz eines Häufungswerts zu zeigen. Wenn wir zeigen können, dass die Folge beschränkt ist, dann folgt die Existenz
eines Häufungswerts aus dem Satz von Bolzano-Weierstrass. Also zeigen wir nun,
Kapitel 5. Folgen
49
dass die Beschränktheit der Folge. Dazu wählen wir ε = 1. Dann gilt,
∃N̄ :
|an − am | < 1 ∀n, m ≥ N̄ .
Folglich ist
|an | ≤ |an − aN̄ | + |aN̄ | < |aN̄ | + 1 ∀n ≥ N̄ .
Sei nun M := max( |ak | : k < N̄ ∪ {|aN̄ + 1|}). Dann ist |an | ≤ M und die Folge
ist tatsächlich beschränkt.
5.6. Uneigentliche Konvergenz
Definition 5.6.1.
Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen. Dann schreiben wir:
n→∞
(i) an −→ +∞ (oder limn→+∞ an = +∞), falls ∀M ∈ R: ∃N ∈ R : an ≥ M
∀n ≥ N (d.h. an ≥ M für fast alle n)
n→∞
(ii) an −→ −∞ (limn→−∞ an = −∞), falls ∀M ∈ R: an ≤ M für fast alle n.
Übung 5.6.2.
lim supn→+∞ an = +∞ (bzw. lim inf n an = −∞) ⇐⇒ ∃ Teilfolge {ank }k∈N mit
k→+∞
ank −→ +∞
k→+∞
bzw. ank −→ −∞ .
Bemerkung 5.6.3.
Sei (an ) eine monoton wachsende (bzw. fallende) Folge. Dann gilt:
(i) entweder konvergiert an ,
(ii) oder limn→+∞ an = +∞ (bzw. limn→+∞ an = −∞).
6. Reihen
6.1. Konvergenz der Reihen
Definition 6.1.1.
Sei (an )n∈N eine Folge komplexer Zahlen. Durch
s0 := a0 ,
s1 := a0 + a1 ,
s2 := a0 + a1 + a2 ,
..
.
n
X
sn :=
ak
k=0
wird der Folge (an ) eine weitere Folge (sn ) zugeordnet. (sn ) heisst unendliche Reihe
oder kurz eine Reihe und wir schreiben für sie
∞
X
ak
oder
a0 + a1 + a2 + . . . .
k=0
Dabei nennen wir die Zahlen an die Glieder und die Zahlen sn die Partialsummen
der Reihe.
Konvergiert die Folge (sn ), so heisst die Reihe konvergent. Falls die Reihe konvergiert,
so heisst die Zahl s = limn→∞ sn die Summe oder der Wert der Reihe und wir
schreiben
∞
X
s=
ak = a0 + a1 + a2 + . . . .
k=0
50
Kapitel 6. Reihen
51
P∞
Es sei darauf hingewiesen, dass das Symbol
k=0 ak zwei Bedeutungen hat: Es
bezeichnet einerseits die Folge (sn ) und andererseits im Konvergenzfall auch ihren
Grenzwert.
Wenn die Partialsumme eine Folge reeller Zahlen ist und sn → +∞ (bzw. −∞),
P
dann schreiben wir
an = +∞ (bzw. −∞).
Beispiel 6.1.2.
P
n
Sei z eine komplexe Zahl. Dann heisst die Reihe ∞
n=0 z geometrische Reihe (für
z = 0 gilt die Konvention dass z 0 = 1).
Für |z| < 1 konvergiert die geometrische Reihe: Denn es ist,
1 − z n+1
(1 − z)(1 + z + · · · z n ) = 1 − z n+1 und sn =
1−z
n
1−z
1
1
1
=⇒ lim
= lim
−
lim z n =
.
n→+∞ 1 − z
n→+∞
1−z
1 − z n→+∞
1−z
|
{z
}
=0, da |z|<1
Für |z| ≥ 1 divergiert die geometrische Reihe: Denn es gilt:
• Falls z = 1 ist, dann ist sn = 1 + 1 + · · · + 1 = n + 1;
• Falls z 6= 1 ist, gilt die Formel
sn =
(1 − z n+1 )
.
1−z
und sn konvergiert genau dann, wenn z n konvergiert. Aber z n konvergiert nicht,
denn:
Für z > 1 haben wir |z|n → ∞ und für |z| = 1 (z 6= 1) haben wir die Identität
z = cos θ + i sin θ =⇒ z n = cos(nθ) + i sin(nθ)
(siehe Kapitel 8.4)
mit θ ∈]0, 2π[ und es ist einfach zu sehen, dass z n+1 nicht konvergiert.
Beispiel 6.1.3.
P
1
Die folgende Reihe heisst harmonische Reihe: ∞
n=1 n . In diesem Fall gilt sn+1 ≥ sn ,
d.h. (sn ) ist eine wachsende Folge. Entweder konvergiert (sn ) gegen eine reelle Zahl
Kapitel 6. Reihen
52
oder limn sn = +∞. Wir betrachten nun die Teilfolge s2n −1 :
s2n −1 = 1 +
≥ 1+
1 1
+ +
2
| {z 3}
···
|{z}
+··· +
···
|{z}
2n−1 ≤j≤2n −1
2k−1 ≤j≤2k −1
1 1
1
1
+ +··· + k + ··· + k +···
|4 {z 4}
|2
{z 2 }
2k−1
≥ 1+
1 1
n−1
+ + ··· = 1 +
.
2
|2 2{z
}
n−1
Also ist limn s2n −1 = +∞ und auch die ursprüngliche Folge (sn ) divergiert. D.h.
lim sn = +∞
n→+∞
⇐⇒
∞
X
1
= +∞.
n
n=1
6.2. Konvergenzkriterien für reelle Reihen
Bemerkung 6.2.1.
Falls
∞
X
an
n→∞
konvergiert =⇒ an −→ 0.
n=0
(Wir nennen (an ) eine Nullfolge.)
Beweis. Da an+1 = sn+1 − sn und limn→∞ sn = limn→∞ sn+1 =
lim an =
n→∞
∞
X
n=0
an −
∞
X
P∞
n=0
an ist, folgt
an = 0 .
n=0
Bemerkung 6.2.2.
Die obige Bemerkung gilt auch für komplexe Reihen.
Übung 6.2.3.
Beweise so einfach wie möglich, dass die geometrische Reihe nicht konvergiert, wenn
Kapitel 6. Reihen
53
|z| ≥ 1.
Bemerkung 6.2.4.
n→∞
Die Umkehrung der obigen Bemerkung gilt im Allgemeinen nicht, d.h. an −→ 0
P
impliziert nicht, dass ∞
n=0 an konvergiert! Betrachte dazu die harmonische Reihe:
P∞
P∞ 1
n=1 an =
n=1 n .
Satz 6.2.5.
P
Sei
an eine Reihe mit an ∈ R und an ≥ 0. Dann gilt:
(i) Entweder ist die Folge (sn ) beschränkt und die Reihe konvergiert,
(ii) oder
P∞
n=0
sn = +∞.
Beweis. Trivial: (sn ) ist eine wachsende Folge.
Satz 6.2.6 (Konvergenzkriterium von Leibnitz).
P∞
n
Sei (an ) eine fallende Nullfolge. Dann konvergiert
n=0 (−1) an (eine Reihe von
dieser Form nennt man alternierende Reihe).
Beweis. Es ist
sk − sk−2 = (−1)k−1 ak−1 + (−1)k ak = (−1)k (ak − ak−1 ) .
| {z }
≤0
Ferner gilt
(i) sk − sk−2 ≥ 0, falls k ungerade ist und
(ii) sk − sk−2 ≤ 0, falls k gerade ist.
Für k ungerade haben wir
s1 ≤ s3 ≤ s5 ≤ · · ·
und
sk = sk+1 + (−1)k+1 an+1 ≤ sk+1 .
|{z}
|{z}
| {z } |{z}
gerade
ungerade
≥0
≥0
Und für k gerade,
s0 ≥ s2 ≥ s4 ≥ · · ·
Kapitel 6. Reihen
54
(Beweis gleich wie für ungerade k)
Also ist
(i) (s2k+1 ) ist eine wachsende Folge mit s2k+1 ≤ s0 , d.h. (s2k+1 ) ist eine beschränkte
wachsende Folge.
(ii) (s2k ) ist eine fallende Folge mit s2k ≥ s1 , d.h. (s2k ) ist eine monoton fallende
Folge.
Also konvergieren die beiden Folgen. Seien
lim s2k = Sg
k→+∞
und
lim s2k+1 = Su .
k→∞
Dann ist
Su − Sg = lim s2n+1 − lim s2n = lim (s2n+1 − s2n ) = lim a2n+1 = 0
n→+∞
=⇒ Su = Sg =⇒
Korollar 6.2.7.
Die Reihe
n→+∞
n→+∞
n→+∞
lim sn = Su (= Sg ).
n→+∞
∞
X
1
1 1 1
(−1)n
1 − + − + ··· =
2 3 4
n+1
n=0
konvergiert.
6.3. Konvergenzkriterien für allgemeine (komplexe)
Reihen
Bemerkung 6.3.1 (Cauchy-Kriterium).
P
an konvergiert ⇐⇒ (sn ) konvergiert ⇐⇒ (sn ) ist eine Cauchyfolge. ⇐⇒
∀ε > 0 ∃N :
|an + an−1 + . . . + am+1 | = |sn − sm | < ε ∀n ≥ m ≥ N .
(6.1)
Kapitel 6. Reihen
55
Korollar 6.3.2 (Majorantenkriterium).
P
P
Sei
an eine Reihe komplexer Zahlen und
bn eine konvergente Reihe nichtnegaP
tiver reeller Zahlen. Falls |an | ≤ bn , dann konvergiert
an . (Wir sagen dann, dass
P
P
bn die Reihe
an majorisiert.)
P
Beweis. Seien sn die Partialsummen von
an und σn die Partialsummen von bn .
P
Da
bn konvergiert, gilt (6.1), d.h.
∀ε > 0, ∃N :
bn + . . . + bm+1 = |σn − σm | < ε ∀n ≥ m ≥ N.
Deswegen ist für n ≥ m ≥ N ,
|sn − sm | ≤ |an | + . . . + |am+1 | ≤ bn + . . . bm+1 < ε.
Aus dem Cauchy-Kriterium folgt nun, dass
P
an konvergiert.
6.4. Das Wurzel- und Quotientenkriterium
Definition 6.4.1.
P∞
P
Eine Reihe ∞
a=0 |an | eine konvergente Reihe
n=0 an heisst absolut konvergent, falls
ist.
Bemerkung 6.4.2.
Aus dem Majorantenkriterium folgt, dass die absolute Konvergenz einer Reihe ihre
Konvergenz impliziert.
Satz 6.4.3 (Quotientenkriterium).
P
| = q existiert.
Sei
an eine Reihe, so dass an 6= 0 für fast alle n und limn→+∞ | an+1
an
Dann gilt:
(i) Falls q < 1 ist, konvergiert die Reihe absolut.
(ii) Falls q > 1 ist, divergiert die Reihe.
Der Fall q = 1 ist nicht allgemein entscheidbar, d.h. muss für jede Reihe konkret
berechnet werden.
Kapitel 6. Reihen
56
Beweis. (ii) Sei q > 1 und setze 1 < q̃ := 12 + 2q < q. Dann ∃N , so dass |an+1 | ≥ q̃|an |,
falls n ≥ N . Deshalb ist
|an | ≥ q̃|an−1 | ≥ q̃ 2 |an−2 | · · · ≥ q̃ n−N |aN |.
OBdA sei |aN | =
6 0. Dann folgt,
lim |an | = +∞ =⇒
n→+∞
X
an divergiert.
(i) Seien q < 1 und 1 < q̃ = 21 + 2q < q. Dann ∃N , so dass |an | ≤ q̃ n−N |aN | (dies folgt
mit dem gleichen Argument wie in (ii)). Also haben wir,

q̃ n−N |a | = C q̃ n , falls n ≥ N
N
bn =
|a |,
falls n < N .
n
P
P
D.h. die Reihe bn majorisiert an , also folgt mit dem Majorantenkriterium, dass
P
die Reihe
an konvergiert.
Satz 6.4.4 (Wurzelkriterium).
p
p
P
Sei
an eine Reihe und L := lim supn→+∞ n |an |. (L = +∞, falls n |an | unbeschränkt ist!) Dann gilt:
(i) Falls L < 1 ist, konvergiert die Reihe absolut.
(ii) Falls L > 1 ist, divergiert die Reihe.
Der Fall L = 1 ist nicht allgemein entscheidbar, d.h. muss für jede Reihe konkret
berechnet werden.
Beweis. (i) Sei L < 1. Dann gilt,
L < L̃ =
p
L 1
+ < 1 =⇒ ∃N : n |an | ≤ L̃ ∀n ≥ N.
2 2
Dann ist |an | ≤ L̃n für n ≥ N und wir haben die absolute Konvergenz der Reihe.
p
n→∞
Sei nun L > 1. Dann gilt: ∃ eine Teilfolge (kn ), so dass kn |akn | −→ L. Ferner ist
Kapitel 6. Reihen
1 < L̃ =
L
2
57
+ 12 < L und ∃N , so dass für kn ≥ N gilt,
n→∞
|akn | ≥ L̃kn −→ ∞
Beispiel 6.4.5.
P
Sei s ≥ 1 und n≥1
1
.
ns
p
kn
n→∞
=⇒ an 6−→ 0
=⇒
|akn | ≥ L̃ und daraus folgt
X
an divergiert.
Dann gilt:
(1) Falls s = 1 ist, dann ist die obige Reihe die harmonische Reihe, d.h. sie divergiert.
(2) Falls s > 1 ist, dann konvergiert die Reihe. (Leonard Euler hat die folgende
P 1
P
2
Formel bewiesen:
= π6 . Allgemeiner kann man zeigen, dass ( n12k =
n2
ck π 2k , wobei ck ∈ Q.)
Wir haben schon gesehen, dass die harmonische Reihe divergiert. D.h. wir beweisen
nur die zweite Aussage.
Um (2) zu zeigen, setzen wir an = n1s und bemerken, dass
an+1
=1
n→+∞ an
lim
und
lim
n→+∞
√
n
an = 1
∀s ≥ 1
∀s ≥ 1.
Daraus ist ersichtlich, dass die Fälle q = 1 (bzw. L = 1) für das Quotientenkriterium
(bzw. Wurzelkriterium) nicht allgemein entscheidbar sind.
Nun betrachten wir die Reihe
1
1
1
1
1
1
1
+ s + s + s + · · · + s + · · · + ks + · · · + ks
s
1
|2 {z 2} |4
{z 4}
|2
{z 2 }
n
2-mal
4-mal
2k -mal.
P
P
und die entsprechenden Partialsummen sn . Dann majorisiert
bn die Reihe
an .
X
bn =
Kapitel 6. Reihen
58
Da bn ≥ 0 ist, bleibt die Beschränktheit von sn zu zeigen. Es gilt,
s2k −1
∞
X
1
2
2k−1
1
= s + s + · · · + (k−1)s ≤
j(s−1)
1
2
2
2
j=0
j
∞ X
1
1
=
=
< ∞.
s−1
−(s−1)
2
1
−
2
j=0
Die Konvergenz der Reihe
P
an folgt nun aus dem Majorantenkriterium.
6.5. Das Cauchy-Produkt
Definition 6.5.1.
P
P
P
Sein
an und
bn . Das Cauchy-Produkt ist die Reihe
cn , wobei
cn = a0 bn + a1 bn−1 + · · · + an b0 =
n
X
aj bn−j =
j=0
X
aj bk .
j+k=n
Bemerkung 6.5.2.
Es ist also
c 0 = a0 b 0
c 1 = a0 b 1 + a1 b 0
c 2 = a0 b 2 + a1 b 1 + a2 b 0
..
.
Satz 6.5.3.
P
P
Falls an und bn absolut konvergieren, dann konvergiert auch ihr Cauchy-Produkt
absolut. Ferner gilt,
!
!
X
X
X
cn =
an
bn .
n
Beweis. Seien
sk =
n
k
X
j=0
aj ,
n
σk =
k
X
i=0
bi .
Kapitel 6. Reihen
59
Dann ist
sk σk =
n X
n
X
b i aj
j=0 i=0
und
cn =
X
ai b j ,
βk =
βk =
ck .
n=0
j+i=n
D.h.
k
X
k
X
X
X
ai b j =
n=0 i+j=n
ai b j .
i+j≤n
Unseres Ziel ist es, die Differenz βk − σk sk abzuschätzen. Zuerst zeigen wir die
P
P
absolute Konvergenz der Reihe, d.h. |ck | < +∞. Dazu setzen wir BN := N
k=0 |ck |
und zeigen, dass (BN ) eine beschränkte Folge ist:
N X
N X
X
X
X
BN =
ai bj ≤
|ai ||bj | =
|ai ||bj |
i+j≤N
k=0 i+j≥k
k=0 i+j=k
! N
!
N X
N
N
X
X
X
≤
|ai ||bj | =
|ai |
|bj |
i=0 j=0
i=0
j=0
X X ≤
|ai |
|bj | = LM,
P
P
wobei L = |ai | und M = |bj |. Daraus folgt, dass (BN ) konvergiert und dies
P
impliziert die absolute Konvergenz der Reihe
cn .
Kapitel 6. Reihen
60
N →∞
Nun beweisen wir, dass |βN − σN sN | −→ 0. Es ist
N
N
N
N
X
X
X
X
X
|βN − σN sN | = ai
bj −
ck = ai bj −
ai b j i=0
j=0
i,j=0
i+j≤N
k=0
X
X
ai bj ≤
|ai ||bj |
= i+j>N,
i+j>N,
i,j≤N
i,j≤N
X
X
X
|ai ||bj |
≤
|ai ||bj | =
|ai ||bj | −
i,j≤N,
i,j≥ N
2
N
X
=
i,j≤N
!
|ai |
i=0
N
X
i,j< N
2
!
|bj |

−
j=0
|
N
b2c
X


bN
c
2
X
|ai |  |bj |,
i=0
j=0
{z
}
:=ΓN
und es gilt
lim ΓN =
N →+∞
∞
X
i=0
|ai |
∞
X
∞
∞
X
X
|bj | −
|ai |
|bj | = 0.
j=0
i=0
j=0
Also ist
lim sup |βN − sN σN | ≤ lim ΓN = 0
N →∞
N →∞
und
X
cn = lim βN = lim sN σN =
n
N →∞
N →∞
X
n
an
X
bn .
n
6.6. Potenzreihen
Definition 6.6.1.
Die wichtigsten Reihen der Analysis sind die Potenzreihen, d.h. Reihen von der Form
P (z) :=
X
n=0
an z n = a0 + a1 z + a2 z 2 + a3 z 3 + . . . ,
Kapitel 6. Reihen
61
wobei z ∈ C.
Lemma 6.6.2.
Konvergiert die Potenzreihe P in einem Punkt z0 6= 0, so konvergiert sie absolut in
jedem Punkt z ∈ C mit |z| < |z0 |.
Beweis. Da P (z0 ) konvergiert, ist an z0n eine Nullfolge. D.h. ∃C > 0, so dass |an z0n | ≤
C ∀n ∈ N. Also gilt
n
|an z | ≤
|an z0n |
−1
|z||z0 |
| {z }
n
≤ Cαn .
:=α
Da jedoch |z| < |z0 | ist, folgt α < 1. Folglich konvergiert die geometrische Reihe
P
Cαn , welche eine Majorante für die Potenzreihe ist. Das Lemma folgt nun aus
dem Majorantenkriterium.
Sei (an ) eine Folge mit Koeffizienten an ∈ C. Sei
n
o
X
n
K := z ∈ C :
an z konvergiert .
Dann definieren die Werte der Potenzreihen eine wohldefinierte Funktion,
K 3 z 7→ f (z) =
∞
X
an z n .
n=0
Satz 6.6.3.
P
P
Seien f (z) =
an z n und g(z) =
bn z n zwei in z konvergente Reihen. Dann
definieren wir die Addition durch
f (z) + g(z) =
X
(an + bn )z n .
Zudem gilt, falls die Reihen absolut konvergieren,
f (z)g(z) =
wobei
P
cn das Cauchy-Produkt von
P
X
cn z n ,
n an und
P
bn ist.
Kapitel 6. Reihen
62
P
Beweis. Die erste Behauptung ist trivial. Für die zweite sei
P
Produkt von
an z n und bn z n . Wir wissen, dass
X
an z
n
X
n
bn z =
X
γn =
∞ X
X
ai z i
bj z j
γn das Cauchy-
n=0 i+j=n
=
∞
X
X
ai b j z
n=0 i+j=n
i+j
=
∞
X
zn
n=0
X
|
=
∞
X
ai b j
i+j=n
{z
=cn
}
cn z n .
n=0
Als einfaches Korollar des Wurzelkriteriums erhalten wir:
Satz 6.6.4 (Cauchy-Hadamard).
p
P
Sei
an z n und L := lim sup n |an |. Dann gilt:
(i) Falls |z| <
1
L
ist, folgt dass die Reihe
P
an z n absolut konvergiert.
(ii) Falls |z| >
1
L
ist, folgt dass die Reihe
P
an z n divergiert.
(iii) Falls |z| = 1 ist, kann keine allgemeine Aussage über die Konvergenz getroffen
werden.
7. Stetige Funktionen und
Grenzwerte
7.1. Stetigkeit
In diesem Kapitel sei D immer eine Teilmenge von R oder von C.
Definition 7.1.1.
Seien f : D 7→ R (bzw. C) und x0 ∈ D. Dann heisst f stetig in x0 , falls ∀ε > 0,
∃δ > 0, so dass
|x − x0 | < δ, x ∈ D =⇒ |f (x) − f (x0 )| < ε.
(7.1)
Ferner heisst f stetig, falls f in jedem Punkt x0 ∈ D stetig ist.
Bemerkung 7.1.2.
Aus obiger Definition sehen wir, dass für eine Unstetigkeitsstelle x0 von f gilt: ∃ε >
0, so dass
∀δ > 0, ∃x ∈ ]x0 − δ, x0 + δ[ mit |f (x) − f (x0 )| ≥ ε.
Bemerkung 7.1.3. (i) Die Bedingung (7.1) ist trivial für die Funktion f = const.
(ii) Die Bedingung (7.1) ist auch trivial für die Funktion f (x) = x, denn
|x − x0 | < δ = ε =⇒ |f (x) − f (x0 )| = |x − x0 | < ε.
D.h. die konstanten Funktionen und die identische Funktion sind in jedem Punkt
x0 stetig.
Beispiel 7.1.4.
63
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
64
Polynome sind stetige Funktionen, weil die Summe und das Produkt stetiger Funktionen wieder stetig ist (siehe Satz 7.2.1).
Definition 7.1.5.
Eine Funktion f : D → R (bzw. C) heisst Lipschitz-stetig, kurz Lipschitz, falls ∃
eine Konstante L ≥ 0, so dass
|f (x) − f (y)| ≤ L|x − y|
∀x, y ∈ D .
(7.2)
Bemerkung 7.1.6.
Es ist leicht zu sehen, dass die Lipschitz-Stetigkeit die Stetigkeit impliziert (wähle
δ := Lε ).
Korollar 7.1.7.
Die Funktion g(x) := |x| ist stetig, denn
|g(x) − g(y)| = ||x| − |y|| ≤ |x − y|,
d.h. (7.2) gilt mit L = 1.
Beispiel 7.1.8.
Die Funktion fg ist stetig an der Stelle x0 , falls f ,g stetig in x0 sind und g(x0 ) 6= 0.
P (x)
stetig sind auf
(siehe Satz 7.2.1). Daraus folgt, dass die rationalen Funktionen Q(x)
der Menge D = C \ {x : Q(x) = 0}.
Beispiel 7.1.9.
Sei f (x) = xk mit k ∈ N. Dann ist f ein Polynom und daher eine stetige Funktion.
√
1
Sei nun g(x) := x k = k x mit k ∈ N \ {0} (g(x) ist die einzige reelle Zahl y ∈ R mit
y ≥ 0 und y k = x ). Sei x0 ∈ R mit x0 ≥ 0. Wir behaupten, dass f stetig in x0 ist.
Denn es gilt,
p
√
√
| k x − k x0 | ≤ k |x − x0 | ⇐⇒ |y − y0 |k ≤ |y k − y0k |.
|{z} |{z}
y
y0
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
65
OBdA sei y ≥ y0 . Dann ist
(y − y0 )k ≤ y k − y0k ⇐⇒ ak + bk ≤ ck = (a + b)k
| {z } |{z} |{z}
:=ck
:=ak
und
:=bk
k k−1
a + b ≤ (a + b) = a +
a b + · · · +bk .
1
|
{z
}
k
k
k
k
≥0
Sei nun ε > 0 gegeben. Wir wählen δ = εk . Damit ist
√
p
√
√
k
|x − x0 | < δ, x ≥ 0 =⇒ | k x − k x0 | ≤ k |x − x0 | < εk = ε.
Beispiel 7.1.10.
Sei a > 0 und f (x) = ax . Dann gilt: ∀x ∈ Q ist f : Q → R stetig. Dies werden
wir später beweisen, wenn wir die Exponentialfunktion auf der ganzen komplexen
Ebene eingeführt haben.
Satz 7.1.11 (Folgenkriterium für Stetigkeit).
Sei f : D → R (bzw. C) und x0 ∈ D. Dann sind die folgenden zwei Aussagen
äquivalent:
(i) f ist stetig an der Stelle x0 ,
n→∞
n→∞
(ii) ∀(xn )n∈N ⊂ D mit xn −→ x0 gilt f (xn ) −→ f (x0 ).
Beweis. (i) ⇒ (ii): Sei ε > 0 gegeben. Da f stetig in x0 ist, folgt: ∃δ > 0 mit
n→∞
|f (x) − f (x0 )| < ε, falls |x − x0 | < δ. Da xn −→ x0 =⇒ ∃N , so dass |xn − x0 | < δ
∀n ≥ N , also folgt
|f (xn ) − f (x0 )| < ε
∀n ≥ N,
d.h. die Konvergenz von f (xn ) gegen f (x0 ) für n → ∞.
(ii) ⇒ (i): Wir nehmen an, dass f in x0 nicht stetig ist (d.h. wir führen einen Beweis
durch Widerspruch). Also gilt,
∃ε > 0 : ∀δ > 0 : ∃x mit |x − x0 | < δ, so dass |f (x) − f (x0 )| ≥ ε.
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
66
Sei nun n ∈ N \ {0}. Dann setzen wir δ := n1 und wählen ein xn mit |xn − x0 | < n1
n→∞
n→∞
und |f (xn ) − f (x0 )| ≥ ε. Dann folgt, dass xn −→ x0 , aber f (xn ) 6 −→ f (x0 ), was
ein Widerspruch zur Folgenstetigkeit von f .
7.2. Rechenregeln für stetige Funktionen
Satz 7.2.1.
Seien f, g : D → R (bzw. C) zwei stetige Funktionen in x0 . Dann gilt:
(i) f + g ist stetig in x0 ,
(ii) f · g ist stetig in x0 und
(iii)
f
g
ist stetig in x0 , falls f (x0 ) 6= 0.
n→∞
Beweis. Sei x0 ∈ D und (xn ) ⊂ D mit xn −→ x0 (für fg wählen wir (xn ) so, dass
g(xn ) 6= 0 ∀n ∈ N und g(x0 ) 6= 0). Dann folgt mit dem Folgenkriterium für die
Stetigkeit:
n→∞
(i) f (xn ) + g(xn ) −→ f (x0 ) + g(x0 ),
n→∞
(ii) f (xn )g(xn ) −→ f (x0 )g(x0 ),
(iii)
f (xn ) n→∞ f (x0 )
−→ g(x0 ) .
g(xn )
Der Satz ist also ein Korollar des Folgenkriteriums.
Satz 7.2.2.
Seien f : D → A, g : A → B, so dass f stetig x0 ist und g stetig in f (x0 ) = y0 .
Dann ist auch die Komposition g ◦ f : D → B stetig in x0 .
n→∞
Beweis. Seien x0 ∈ D und (xn ) ⊂ D mit xn −→ x0 . Dann folgt wegen der Stetigkeit
von f ,
n→∞
f (xn ) −→ f (x0 ),
| {z }
| {z }
:=yn
:=y0
wobei (yn ) ⊂ A und y0 ∈ A. Mit der Stetigkeit von g in f (x0 ) = y0 folgt,
n→∞
g(f (xn )) = g(yn ) −→ g(y0 ) = g(f (x0 )),
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
67
n→∞
d.h. g ◦ f (xn ) −→ g ◦ f (x0 ) und zeigt die Stetigkeit von g ◦ f im Punkt x0 .
Satz 7.2.3 (Stetigkeit der Umkehrfunktion).
Sei f : [a, b] → R (bzw. C) injektiv und sei
B := f ([a, b]) (= {z : ∃x ∈ [a, b] mit f (x) = z}) .
Dann ist f : [a, b] → B bijektiv und somit umkehrbar. Sei nun f −1 : B → [a, b] die
Umkehrfunktion von f . Dann ist f −1 stetig, falls f stetig ist.
n→∞
Beweis. Sei x0 ∈ B und (xn ) ⊂ B, so dass xn −→ x0 . Wir müssen zeigen, dass
n→∞
f −1 (xn ) −→ f −1 (x0 ) .
| {z }
| {z }
=yn
=y0
Dazu nehmen wir an, dass (yn ) ⊂ [a, b], y0 ∈ [a, b] mit yn 6→ y0 , dann gilt:
∃ε > 0 : ∀N ∈ N : ∃n ≥ N : |yn − y0 | ≥ ε.
Nun wählen wir eine Teilfolge (ynk ), so dass |ynk − y0 | ≥ ε, ∀k ∈ N. Mit dem Satz
j→∞
von Bolzano-Weierstrass folgt die Existenz einer Teilfolge ynkj −→ ȳ mit ȳ 6= y0 und
f (ynkj ) = xnkj .
j→∞
j→∞
Die Stetigkeit von f impliziert, dass f (ynkj ) −→ f (ȳ), und da xnkj −→ x0 sowie
xnkj = f (ynkj ) ist, bedeutet dies, dass f (ȳ) = x0 . Es ist aber f (y0 ) = x0 und somit
ist f (ȳ) = f (y0 ) mit ȳ 6= y0 . Dies ist jedoch ein Widerspruch zur der Injektivität
n→∞
von f . Also gilt: f −1 (xn ) = yn −→ y0 = f −1 (x0 ), d.h. f −1 ist stetig in x0 .
Bemerkung 7.2.4.
1
Aus diesem Satz folgt die Stetigkeit der Abbildung x 7→ x k aus der Stetigkeit von
x 7→ xk .
Bemerkung 7.2.5.
Für Satz 7.2.3 brauchen wir die Stetigkeit auf ganz D im Gegensatz zu den Sätzen
7.2.1 und 7.2.2.
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
68
7.3. Der Zwischenwertsatz
Satz 7.3.1 (Zwischenwertsatz).
Eine stetige Abbildung f : [a, b] → R nimmt jeden Wert γ zwischen f (a) und f (b)
an.
Beweis. OBdA sei f (a) ≤ f (b) und γ ∈ R mit f (a) ≤ γ ≤ f (b). Wir setzen
I0 := [a, b] =: [a0 , b0 ] und teilen dieses Intervall in zwei weitere Intervalle:
a+b
a,
2
und

 a, a+b ,
I1 := [a1 , b1 ] := 2  a+b , b ,
2
a+b
,b .
2
falls f
a+b
2
falls f
a+b
2
≥γ
< γ.
Rekursiv definieren eine Intervallschachtelung wie folgt: Falls Ik = [ak , bk ] mit f (ak ) ≤
γ ≤ f (bk ), so setzen wir
Ik+1

 a , ak +bk ,
k
2
:= [ak+1 , bk+1 ] := a
+b
 k k,b ,
k
2
falls f
ak +bk
2
≥γ
falls f
ak +bk
2
< γ.
Dann gilt,
k→+∞
|Ik | = 2−k (b − a) −→ 0,
d.h. (Ik ) ist tatsächlich eine Intervallschachtelung, also ∃!x0 mit x0 ∈ Ik ∀k. Ausserdem gilt,
bk ↓ x0 =⇒ f (x0 ) = lim f (bk ) ≥ γ
k→+∞
ak ↑ x0 =⇒ f (x0 ) = lim f (ak ) ≤ γ
k→+∞
=⇒ f (x0 ) = γ.
Korollar 7.3.2 (Fixpunktsatz).
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
69
Sei f : [a, b] → [a, b] eine stetige Abbildung. Dann besitzt f einen Fixpunkt, d.h.
∃x0 ∈ [a, b] : f (x0 ) = x0 .
Beweis. Wir setzen g(x) := f (x) − x. Dann gilt,
g(a) = f (a) − a ≥ 0,
g(b) = f (b) − b ≤ 0.
Mit Satz 7.3.1 folgt nun, ∃x0 ∈ [a, b], so dass
g(x0 ) = 0 ⇐⇒ f (x0 ) − x0 = 0 ⇐⇒ f (x0 ) = x0 .
7.4. Maxima und Minima stetiger Funktionen
Satz 7.4.1.
Sei f : [a, b] → R stetig. Dann ∃xM , xm ∈ [a, b] mit
f (xm ) ≤ f (x) ≤ f (xM ) ∀x ∈ [a, b] .
Beweis. OBdA suchen wir nur die Maximumsstelle (Analoges gilt für die Minimumsstelle). Sei
S := sup {f (x) : x ∈ [a, b]}
(= +∞ falls {f (x) : x ∈ [a, b]} keine obere Schranke besitzt).
Falls S ∈ R ist, sei Sn := S − n1 . Falls S = +∞ ist, dann sei S := n. In beiden Fällen
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
70
folgt, ∃xn mit f (xn ) ≥ Sn und
(xn ) ⊂ [a, b] =⇒ ∃ (xnk ) mit xnk → x̄
S∈R
!
=⇒ f (x̄) = lim f (xnk ) = S = max f (x) = max f
k→+∞
x∈[a,b]
[a,b]
S=+∞
=⇒ f (x̄) = lim f (xnk ) = +∞ =⇒ Widerspruch.
k→+∞
Bemerkung 7.4.2.
Sei E ⊂ R eine Menge mit der folgenden Eigenschaft:
(K) ∀(xn ) ⊂ E ∃eine Teilfolge (xnk ) x ∈ E mit xnk → x.
Frage: Ist E immer ein abgeschlossenes Intervall? Nein. Aber zum Beispiel besitzt
E := [0, 1] ∪ [2, 3]
die Eigenschaft (K): Sei (xn ) ⊂ [0, 1]∪[2, 3]. Dann ∃ eine Teilfolge (xnk ), die entweder
in [0, 1] oder in [2, 3] enthalten ist, d.h. sie ist beschränkt. Mit dem Satz von BolzanoWeierstrass folgt die Existenz einer konvergenten Teilfolge.
Definition 7.4.3.
Die Mengen E ⊂ R (oder ⊂ C) mit der Eigenschaft(K) heissen kompakte Mengen.
Satz 7.4.4 (Satz vom Maximum und Minimum).
Eine reellwertige stetige Funktion auf einem kompakten Definitionsbereich besitzt
mindestens eine Maximumsstelle und eine Minimumsstelle.
Beweis. Analog wie der Beweis von Satz 7.4.1.
Bemerkung 7.4.5.
Zur Erinnerung: Die Stetigkeit an der Stelle x bedeutet,
∀ε > 0, ∃δ > 0 mit |x − y| < δ und y ∈ D =⇒ |f (x) − f (y)| < ε.
(7.3)
Die Stetigkeit auf D bedeutet Stetigkeit in jedem Punkt x ∈ D. Sei nun f stetig
auf D und ε > 0 gegeben. Dann gilt, ∀x ∈ D, ∃δ > 0, so dass (7.3) gilt. Aber im
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
71
Allgemeinen hängt diese Konstante δ von x ab. Falls es eine Zahl δ > 0 gibt, so
dass (7.3) immer mit dem gleichen δ gilt (d.h. δ ist unabhängig von x), so heisst die
Funktion f gleichmässig stetig.
Definition 7.4.6.
Eine Funktion f : D → R(bzw. C) heisst gleichmässig stetig, falls
∀ε > 0, ∃δ > 0 :
|x − y| < δ mit x, y ∈ D =⇒ |f (x) − f (y)| < ε.
Beispiel 7.4.7.
Sei f Lipschitz. Dann ∃L, so dass
|f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| ∀x, y ∈ D.
Dann ist f gleichmässig stetig: Wir wählen δ =
|x − y| <
ε
L
und erhalten,
ε
ε
=⇒ |f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| < Lδ = L = ε.
L
L
Satz 7.4.8.
Falls D eine kompakte Menge ist, dann ist jede stetige Funktion f : D → R (bzw. C)
gleichmässig stetig auf D.
Beweis durch Widerspruch. Sei f stetig, aber nicht gleichmässig stetig. Dann ∃ε >
0 : ∀δ > 0 gilt,
∃x, y ∈ D mit |x − y| < δ und |f (x) − f (y)| ≥ ε.
Mit δ =
1
n
> 0 folgt,
∃(xn ), (yn ), so dass |xn − yn | <
1
und |f (xn ) − f (yn )| ≥ ε.
n
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
72
k→∞
Da D kompakt ist, ∃ Teilfolge (xnk ) mit xnk −→ x ∈ D und damit
k→∞
k→∞
k→∞
ynk −→ x ∈ D =⇒ f (xnk ) −→ f (x) und f (ynk ) −→ f (x)
k→∞
=⇒ |f (xnk ) − f (ynk )| −→ 0.
Aber das ist ein Widerspruch zu |f (xnk ) − f (ynk )| ≥ ε.
7.5. Stetige Fortsetzung und Grenzwerte
Definition 7.5.1.
Sei g : E → A und D ⊂ E. Dann bezeichnet g|D : D → A die Funktion mit der
Eigenschaft
g|D (x) = g(x) ∀x ∈ D,
d.h. die Einschränkung von g auf D.
Definition 7.5.2.
Sei f : D → R (bzw. C) stetig und E ⊃ D. Eine stetige Fortsetzung von f ist eine
stetige Funktion f˜ : E → R (bzw. C) mit f˜|D = f (d.h. f (x) = f˜(x) ∀x ∈ D).
Sei f : D → R(bzw. C) stetig. Sei x0 6∈ D. Wir stellen uns die folgenden Fragen:
(a) Gibt es eine stetige Fortsetzung von f auf D ∪ {x0 } ?
(b) Ist diese Fortsetzung eindeutig?
Definition 7.5.3.
x0 heisst Häufungspunkt einer Menge E, wenn ∀ε > 0: ∃ unendlich viele Punkte
x ∈ E mit
|x − x0 | < ε.
Bemerkung 7.5.4.
n→∞
x0 ist ein Häufungspunkt von E ⇐⇒ ∃ Folge (xn ) ⊂ E \ {x0 } mit xn −→ x0 .
Die Fragen (a) und (b) haben einfache Antworten: Wenn x0 kein Häufungspunkt
von D ist, dann gibt es (unendlich) viele stetige Fortsetzungen.
Wenn x0 ein Häufungspunkt von D ist, so ist die Antwort auf die Frage (b) Ja“.
”
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
73
Aber wir werden sehen, dass eine stetige Fortsetzung nicht immer existiert, d.h. die
Antwort auf die Frage (a) lautet Nein“.
”
Definition 7.5.5.
Sei f : D → R (bzw. C) mit D ⊂ R (bzw. C). Sei x0 ∈ D ein Häufungspunkt.
Der Grenzwert von f (falls er existiert) an der Stelle x0 ist die eindeutige Zahl
a ∈ R (bzw. C), so dass

f (x), x ∈ D \ {x }
0
F (x) =
a,
x=x
0
in x0 stetig ist. In diesem Fall schreiben wir
a = x→x
lim , f (x).
0
x∈D
Bemerkung 7.5.6.
Auch wenn der Grenzwert a existiert, gilt nicht unbedingt f (x0 ) = a. Aber es gilt:
f (x0 ) = a genau dann, wenn f an der Stelle x0 stetig ist.
Satz 7.5.7.
Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
(i) Es gibt a ∈ R, so dass limx→x0 f (x) = a.
n→∞
n→∞
(ii) Es gibt a ∈ R, so dass ∀ {xn } ⊂ D \ {x0 } mit xn −→ x0 gilt: f (xn ) −→ a.
(iii) Es gibt a ∈ R, so dass: ∀ε > 0, ∃δ > 0, so dass |x − x0 | < δ und x ∈ D \ {x0 }
=⇒ |f (x) − a| < ε.
(iv) ∀ε > 0, ∃δ > 0, so dass |x − x0 |, |y − x0 | < δ und x, y ∈ D \ {x0 } =⇒
|f (x) − f (y)| < ε.
Die letzte Aussage heisst Cauchy-Bedingung für Grenzwerte.
Beweis. Die Aussagen sind triviale Folgerungen der Definitionen und des Folgenkriteriums für die Stetigkeit von f .
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
74
Satz 7.5.8 (Rechenregeln für Grenzwerte).
Seien f, g : D → R (bzw. C) und sei x0 ein Häufungspunkt von D. Dann gilt, falls
die Grenzwerte existieren:
(i) limx→x0 (f + g)(x) = (limx→x0 f (x)) + (limx→x0 g(x0 )),
(ii) limx→x0 (f g)(x) = (limx→x0 f (x)) (limx→x0 g(x0 )),
(iii) limx→x0 fg (x) =
limx→x0 f (x)
,
limx→x0 f (x)
falls limx→x0 g(x) 6= 0.
Beweis. Dies sind eine einfache Folgerungen der Rechenregeln für Folgen. Als Bein→∞
spiel zeigen wir (i): Für f, g haben wir, ∀ {xn } ⊂ D \ {x0 } mit xn −→ x0 gilt,
lim f (xn ) = lim f (x0 ) und
n→∞
lim g(xn ) = lim g(x0 )
x→x0
n→∞
x→x0
=⇒ lim (f + g)(xn ) = lim f (xn ) + lim g(xn )
n→∞
n→∞
n→∞
| {z } | {z }
limx→x0 f (x)
Satz 7.5.7
=⇒
limx→x0 g(x)
lim (f + g)(x) = lim f (x) + lim g(x).
x→x0
x→x0
x→x0
Satz 7.5.9.
Seien f : D → E, g : E → R (bzw. C) und x0 ∈ D, y0 ∈ E, so dass
(i) x0 ein Häufungspunkt von D ist und y0 = limx→x0 f (x),
(ii) y0 ∈ E und g stetig im Punkt y0 ist.
Dann gilt:
lim g ◦ f (x) = g(y0 ) = g
x→x0
lim f (x) .
x→x0
Beweis. Ähnlich wie der Beweis von Satz 7.5.8.
Definition 7.5.10.
Sei f : D → R und x0 ein Häufungspunkt von D. Dann schreiben wir,
n→∞
limx→x0 f (x) = +∞(bzw. − ∞), falls ∀ {xn } ⊂ D \ {x0 } mit xn −→ x0 gilt:
limn→+∞ f (xn ) = +∞ (bzw. −∞).
Kapitel 7. Stetige Funktionen und Grenzwerte
75
Ähnliches gilt, falls f : D → C und D nicht nach oben beschränkt ist. Wir
schreiben limx→+∞ f (x) = a genau dann, wenn ∀ {xn } ⊂ D mit xn → ∞ gilt,
limn→+∞ f (xn ) = a. Die folgenden Begriffe sind ähnlich definiert, und wir überlassen
die Details dem/der Leser/in:
lim f (x) = a,
x→−∞
lim f (x) = ±∞,
x→+∞
lim f (x) = ±∞.
x→−∞
Definition 7.5.11.
Seien D ⊂ R, f : D → R (bzw. C) und x0 ein Häufungspunkt von ]−∞, x0 [ ∩ D.
Dann ist limx↑x0 f (x) = a, falls
n→∞
∀ {xn } ⊂ D ∩ ]−∞, x0 [ mit xn −→ x gilt,
lim f (xn ) = a.
n→+∞
Wir schreiben dafür auch
lim f (x) = a.
x→x−
0
Falls x0 ein Häufungspunkt von D ∩ ]x0 + ∞[ ist, gilt analog,
lim f (x) = a
x↓x0
= lim+ f (x) ,
x→x0
n→∞
n→∞
falls ∀ {xn } ⊂ D ∩ ]x0 , +∞[ mit xn −→ x0 gilt, f (xn ) −→ a. Ähnlich definiert man
limx→x±0 f (x) = ±∞.
Beispiel 7.5.12.
n→∞
Falls f : D → R (bzw. C) stetig ist und (xn ) ⊂ D mit xn −→ x0 ∈ D, dann wissen
wir, dass
lim f (x) = f (x0 ).
x→x0
Nun gilt:
(i) Falls limx→x0 f (x) 6= f (x0 ) ist, so ist f nicht stetig in x0 .
(ii) Falls limx→x0 f (x) = +∞, dann hat die Funktion f in x0 eine Asymptote.
8. Die Exponentialfunktion und die
trigonometrischen Funktionen
√
m
∈ Q. Ziel dieses
Sei a ∈ R mit a > 0. Dann ist aq = a n = n am für jedes q = m
n
z
Kapitels ist es, die Funktion a auf der ganzen komplexen Ebene zu definieren.
8.1. Existenz und Eindeutigkeit
Satz 8.1.1.
∃! Funktion exp : C → C mit folgenden Eigenschaften:
(AT) (Additionstheorem) exp(z + w) = exp(z) exp(w),
(WT) (Wachstum) limz→0
exp(z)−1
z
= 1.
Für diese Funktion gilt ferner:
(i) exp(z) =
P∞
zn
n=0 n!
∀z ∈ C
(ii) exp(z) = limn→+∞ 1 +
z n
n
∀z ∈ C
(iii) exp ist stetig und falls e := exp(1), dann ist eq = exp(q) ∀q ∈ Q.
Die bemerkenswerte Zahl e := exp(1) wird auch eulersche Zahl oder Konstante
von Napier genannt. Aus (i) und (ii) erhalten wir folgende Identität,
n
X 1
1
e=
= lim 1 +
.
n! n→+∞
n
76
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
77
Bemerkung 8.1.2.
Die Kernidee ist die folgende: Wir suchen eine Funktion exp(z) =: f (z) mit den
Eigenschaften (AT) und (WT), d.h.
f (z) = f
nz =f
n
z
n
+
z
z (AT) z n
+ ··· +
= f
.
n
n
n
(8.1)
Wir definieren nun eine Folge (zn ), so dass
f
Für n → +∞ gilt
z n
z
n
zn
,
n
=1+
z d.h. zn = n f
−1 .
n
→ 0 und aus (WT) erhalten wir,
f
lim zn = z lim
n→+∞
z
n
z
n
n→+∞
−1
= z.
(8.2)
Aus (8.1) folgt nun
zn n
zn n
f (z) = 1 +
=⇒ f (z) = lim 1 +
.
n→+∞
n
n
(8.3)
Dürfen wegen (8.2) zn durch z in (8.3) ersetzen? Antwort auf diese Frage gibt das
nächste Lemma.
Lemma 8.1.3 (Fundamentallemma).
n→∞
∀ {zn } ⊂ C mit zn −→ z gilt:
lim
n→∞
∞
1+
zn n
z n X z n
= lim 1 +
=
.
n→∞
n
n
n!
n=0
Bemerkung 8.1.4.
P zn
Bevor wir dieses Lemma beweisen, zeigen wir, dass die Reihe
konvergiert. Wir
n!
P zn
wenden das Konvergenz-Kriterium von Hadamard an, um zu zeigen, dass
für
n!
alle z konvergiert. D.h. wir behaupten,
1
lim supn→+∞
q
n
= +∞.
1
n!
(8.4)
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
(8.4) ist äquivalent zu
lim
√
n
n→+∞
78
n! = +∞.
Wir betrachten nun die folgenden Fälle:


Falls n gerade ist, gilt:






n
n! ≥ n(n − 1) · · ·
+ 1 n2 · 1 ≥
{z 2
}
|


Falls n ungerade ist, gilt:





n! ≥ n(n − 1) · · ·
{z
|
n
2
n+1
2
n
2
n2
Faktoren
n + 1 n−1
·1≥
2 } 2
n+1
2
n+1
2
Faktoren
Deshalb haben wir die Abschätzung
√
n
n! ≥
n n1
n 2
2
r
=
n
→ +∞.
2
Beweis des Fundamentallemmas. Es genügt zu zeigen, dass
∞
zn n X z k lim sup 1 +
−
= 0.
n
k! n→+∞ n=0
|
{z
}
=:An
Dazu verwenden wir die Binomialentwicklung,
An =
n k
X
n z
k=0
k
n
nk
−
∞
X
zk
k=0
k!
.
Sei M ∈ N mit n ≥ M . Dann gilt
M ∞
n
X
X
X
n znk
z k n |zn |k
|z|k
|An | ≤ −
+
.
+
k
k
k
n
k!
k
n
k!
k=M +1
k=0
k=M +1
|
{z
} |
{z
} | {z }
=:Bn
=:Cn
=:D
≥
n
2
n2
.
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
79
Wir setzen nun
ak,n
k
znk
n zn
n!
n(n − 1) · · · (n − k + 1) znk
.
:=
=
=
(n − k)!k! nk |
n ·{z
··n
k nk
} k!
k−mal
Damit folgt,
lim ak,n
n→∞
1
k − 1 znk
zk
= lim 1 1 −
··· 1 −
= ,
n→+∞
n
n
k!
k!
(8.5)
und somit,
lim sup |An | ≤ lim sup Bn + lim sup Cn + D.
n→+∞
n→+∞
n→+∞
| {z }
=0, wegen (8.5)
Nun schätzen wir Cn ab:
n
X
|zn |k
1
k−1
Cn =
1 1−
··· 1 −
.
k!
n
n
k=M +1
Da |zn | gegen |z| konvergiert, folgt, ∃R ≥ 0 mit |zn | ≤ R ∀n ∈ N, d.h. wir haben
n
∞
X
X
|zn |k
Rk
Cn ≤
≤
k!
k!
k=M +1
k=M +1
und daraus ergibt sich
lim sup |An | ≤
n→+∞
∞
∞
∞
X
X
X
|z|k
Rk
Rk
+
≤2
.
k!
k!
k!
k=M +1
k=M +1
k=M +1
Die Ungleichung (8.6) gilt für jedes M ∈ N und somit ist
lim sup |An | ≤ 2 lim sup
n→+∞
M →∞
∞
X
Rk
= 0.
k!
k=M +1
(8.6)
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
80
Um die letzte Gleichung zu begründen, bemerken wir, dass
lim
M
X
Rk
M →+∞
und daher
k=0
k!
=
∞
X
Rk
k=0
k!
<∞
∞
∞
M
X
X
Rk
Rk X Rk
lim
= lim
−
M →+∞
M →+∞
k!
k!
k!
k=M +1
k=0
k=0
!
= 0.
Beweis von Satz 8.1.1. Teil 1: Das Fundamantallemma und die Bemerkung 8.1.2
implizieren: Falls eine Funktion mit der Eigenschaft (AT) und (WT) existiert, dann
gilt,
∞
z n X z k
=
.
exp(z) = lim 1 +
n→+∞
n
k!
k=0
Die Eindeutigkeit und die zwei verschiedenen Darstellungen der Exponentialfunktion
sind also bereits bewiesen. Für die Existenz definieren wir
∞
X
z n
zk
= lim 1 +
.
exp(z) :=
n→+∞
k!
n
k=0
Wir beweisen nun die Eigenschaft (AT):
w n
z n
exp(z) exp(w) = lim 1 +
lim 1 +
n→∞
n n→∞
n
n
z
w n
z + w zw
= lim
1+
1+
= lim 1 +
+ 2
n→∞
n→∞
n
n
n
n
=:αn
z
= lim
n→∞
}|
{
zw !
n
z+w+
z+w
n
1+
= lim 1 +
n→∞
n
n
= exp(z + w),
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
81
da αn → (z + w). Ausserdem ist
e = exp(1) = lim
n→∞
1
1+
n
n
=
∞
X
1
.
k!
k=0
Zur Erinnerung: Falls f : Q → R die Eigenschaften
(i) f (1) = a > 0 und
(ii) f (q + s) = f (q)f (s) ∀q, s ∈ Q
erfüllt, dann ist f (q) = aq ∀q ∈ Q. Deshalb folgt aus (AT), dass exp(q) = wq
∀q ∈ Q.
Um den zweiten Teil von Satz 8.1.1 zu beweisen, brauchen wir noch ein Lemma
über Potenzreihen.
Lemma 8.1.5.
P
Sei
an z n eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0 (R = +∞, falls die Reihe
P
überall konvergiert). Dann ist f (z) =
an z n eine stetige Funktion auf {|z| < R}
(bzw. auf ganz C, falls R = +∞).
Beweis von Satz 8.1.1. Teil 2: Das obige Lemma impliziert die Stetigkeit von exp.
Ausserdem gilt,
exp(z) − 1
=1
lim
z→0
z
und
P
∞
zk
X
1+ ∞
exp(z) − 1
z k−1
k=1 k! − 1
=
=
= G(z).
z
z
k!
k=1
Die Reihe, die G definiert, hat Konvergenzradius +∞, d.h. G ist stetig und
exp(z) − 1
= lim G(z) − G(0) = 1,
z→0
z→0
z
lim
d.h. (WT) gilt.
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
82
Beweis von Lemma 8.1.5. Zu beweisen: Sei z0 ∈ C mit |z0 | < R. Dann gilt,
⇐⇒
lim f (z) = f (z0 )
z→z0
lim
∞
X
z→z0
an z n =
n=0
∞
X
an z0n .
n=0
D.h., wir würden gerne den Limes mit der Summe vertauschen. Allgemein ist das
Vertauschen von solchen Grenzwerten nicht erlaubt.
(Übung: Finde eine Folge ak,n ∈ R, so dass
A := lim
∞
X
n→∞
ak,n
und
B :=
∞
X
k=0
k=0
lim ak,n
n→∞
existieren und endlich sind, aber A 6= B).
k→∞
Sei (zk ) ⊂ C mit zk −→ z0 . Dann gilt die folgende Abschätzung,
M
∞
M
∞
X
X
X
X
an zkn −
lim sup an zkn −
an z0n z0n ≤ lim sup k→+∞ n=0
k→+∞ n=0
n=0
n=0
{z
}
|
Ak
∞
X
+ lim sup
k→+∞
|an ||zkn | +
n=M
∞
X
|an ||z0 |n .
n=M
k→∞
Sei ρ > 0 mit |z0 | < ρ < R. Da zk −→ z0 , gilt |zk | < ρ, falls k gross genug ist, d.h.
lim sup Ak ≤ 0 + 2
k→+∞
Wir haben aber auch
lim sup
M →+∞
∞
X
|an |ρn .
n=M +1
∞
X
|an |ρn = 0,
n=M +1
da n |an |ρn eine konvergente Reihe ist (siehe Beweis des Fundamentallemmas).
Also folgt,
P
lim f (zn ) =
k→∞
∞
X
n=0
!
zkn an
= f (z0 ) =
∞
X
n=0
!
z0n an
=⇒ lim f (z) = f (z0 ).
z→z0
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
83
8.2. Die Exponentialfunktion auf der reellen Geraden
Satz 8.2.1.
Es gilt:
(a) Für x ∈ R ist ex reell und strikt positiv.
(b) exp : R → R wächst streng monoton.
(c) exp : R → R+ ist bijektiv.
x
x
x
Beweis. (a) Es ist ex = e 2 + 2 = (e 2 )2 ≥ 0 und ex = 0 ist nicht möglich, sonst wäre
exq = 0 für alle q ∈ Q und wegen der Dichtheit der rationalen Zahlen und der
Stetigkeit von f würde gelten: ey = 0 ∀y ∈ R.
(b) Es gilt,
h
ex+h
= eh = 1 + + · · · > 1.
x
e
1!
(c) Wir wollen zeigen, dass ∀y ∈ R+ , ∃x mit ex = y. Falls y ≥ 1 ist, haben wir
ZWS
e0 = 1 ≤ y ≤ ey =⇒ ∃x : ex = y.
Falls 0 < y < 1, dann betrachte
1
y
> 1 und damit
∃x : ex =
Satz 8.2.2 (vom Wachstum).
Für jede natürliche Zahl n gilt:
ex
= +∞,
x→∞ xn
(i) lim
(ii) limx→−∞ xn ex = limξ→∞
ξn
eξ
= 0.
1
=⇒ e−x = y .
y
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
84
Beweis. Es gelten die Abschätzungen
ex
xn+1
x
x→∞
=⇒ n >
−→ ∞
(n + 1)!
x
(n + 1)!
(−x)n (−x)→∞
xn
=⇒ xn ex = −x = (−1)n −x
−→ 0.
e
e
ex >
8.3. Der natürliche Logarithmus
Definition 8.3.1.
Der natürliche Logarithmus ln : R+ → R wird als die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion definiert.
Aus Satz 8.2.1(3) folgt die Wohldefiniertheit des natürlichen Logarithmus. Ferner
erhalten wir aus dem Satz über die Stetigkeit der Umkehrfunktion die Stetigkeit des
natürlichen Logarithmus.
Satz 8.3.2.
Die Logarithmusfunktion hat die folgende Eigenschaft,
∀x, y ∈ R+ :
ln(xy) = ln x + ln y.
Beweis. Wegen den Eigenschaften der Exponentialfunktion haben wir
eln(xy) = xy = eln x eln y = eln x+ln y
=⇒ ln(xy) = ln x + ln y.
Satz 8.3.3 (vom Wachstum 2).
Es gilt:
ln x
lim √
= 0.
x→∞ n x
Beweis. Für jedes x ∈ R+ , ∃y : x = eny und es gilt: y =
1
n
ln x. Wir bemerken, dass
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
85
k→∞
limx→∞ ln x = ∞ (sonst gäbe es eine Folge (xk ) ⊂ R und M ∈ R mit xk −→ ∞
und ln xk ≤ M ∀k ∈ N. Aus der Monotonie der Exponentialfunktion folgt aber, dass
xk = eln xk ≤ eM < ∞; ein Widerspruch). Wir schreiben
ln eny
ln x
ny
√
√
=
= y
n ny
n
e
x
e
und schliessen, dass
ln x
ny
lim √
= lim y = 0.
n
y→∞
e
x
x→∞
Satz 8.3.4.
Falls y > x, dann ist ln y > ln x. Weiter ist
lim
x→0
ln(1 + x)
= 1.
x
Beweis. Sei y > x. Dann ist eln y = y > x = eln x . Nehmen wir an, dass ln y ≤ ln x.
Dann folgt aus der Monotonie von z 7→ ez , dass eln y ≥ eln x ; ein Widerspruch. Ferner
ist
ln(1 + x)
ln ey
y
lim
= lim y
= lim y
= 1.
x→0
y→0
y→0
x
e −1
e −1
Bemerkung 8.3.5.
Seien y = m
∈ Q, n ∈ N und a > 0. Dann gilt:
n
√
m
an = ay = ey ln a .
Warum? Wir definieren f, g : Q → R wie folgt:
f (y) := ay
und
g(y) := ey ln a .
Dann ist f (1) = a und f (q + s) = f (q)f (s) ∀q, s ∈ Q. Aber diese Eigenschaften
gelten auch für g:
g(1) = eln a = a
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
86
und
g(q + s) = e(q+s) ln a = eq ln a+s ln a = eq ln a es ln a = g(q)g(s).
Aber wir wissen, dass es nur eine Funktion gibt, die über diese Eigenschaften verfügt:
die Exponentialfunktion, d.h. eq ln a = g(q) = f (q) = aq ∀q ∈ Q.
Definition 8.3.6.
Sei a > 0 und z ∈ C. Dann definieren wir az := ez ln a .
Satz 8.3.7.
Es gelten die folgenden Eigenschaften:
(i) ax+y = ax ay ∀x, y ∈ C,
(ii) (ax )y = axy ∀x, y ∈ R,
(iii) (ab)x = ax bx ∀x ∈ C.
Beweis.
(i) ax+y = w(x+y) ln a = ex ln a+y ln a = ex ln a ey ln a = ax ay .
(ii) Ähnlich wie (i).
(iii) Ähnlich wie (i).
Satz 8.3.8.
Wir haben die folgenden Grenzwerte:
(i)



∞,


lim xa = 1,
x→∞



0,
falls a > 0
falls a = 0
falls a < 0,
(ii)



0,


lim xa = 1,
x→0



∞, falls a < 0,
falls a > 0
falls a = 0
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
87
(iii)

+∞,
a
lim x ln x =
x→∞
0,
falls a ≥ 0
falls a < 0,
(iv)
lim xa ex = +∞,
x→∞
und
(v)
ax − 1
= ln a.
x→0
x
lim
Beweis. (i) xa = ea ln x . Die Behauptung folgt nun aus dem Wachstumssatz für
x 7→ ex .
(ii) folgt aus (i) durch die Substitution x 7→ x1 . Falls a > 0, ist xa monoton wachsend.
(iii) Für a ≥ 0 ist die Aussage offensichtlich. Sei also a < 0. Dann ∃n ∈ N a < − n1
⇐⇒ −a > n1 . Also gilt,
xa ln x =
ln x
ln x
< 1
−a
x
xn
Satz 8.3.3
x→∞
−→ 0 .
(iv) Für a > 0 ist die Behauptung trivial. Sei also a < 0. Dann ∃n ∈ N, so dass
a > −n ⇐⇒ −a < n, d.h.
xa e x =
ex
ex
>
x−a
xn
Satz 8.2.2
x→∞
−→ ∞.
(v) Betrachte
ax − 1
ex ln a − 1
ex ln a − 1
x→0
=
=
ln a −→ ln a.
x
x
ln a }
| x {z
→1
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
88
8.4. Die trigonometrischen Funktionen
Definition 8.4.1.
Falls φ die Grösse eines Winkels (in Radianten) ist, dann bezeichnen wir mit cos(φ)
und sin(φ) die entsprechenden Werte des Cosinus und Sinus (d.h. die zwei Koordinaten eines Punkt P in der Ebene mit Abstand 1 zum Ursprung und die den Winkel
φ mit der x-Achsen einschliessen).
Wir erweitern diese Funktionen auf die ganze reelle Achse durch:
cos(φ) := cos(φ − 2πn),
falls 2πn ≤ φ < 2π(n + 1),
sin(φ) := sin(φ − 2πn),
falls 2πn ≤ φ < 2π(n + 1).
Satz 8.4.2.
Für φ klein genug gilt:
(i) |sin φ| ≤ |φ| ≤
|sin φ|
,
cos φ
(ii) 1 − cos φ ≤ φ2 .
Beweis. (i) Da sin −φ = − sin φ, OBdA nehmen wir φ > 0 an. Der Inhalt vom
Dreieck ACE ist kleiner als der Inhalt vom entsprechenden Sektor. Wenn wir
die Länge von AE gleich 1 setzen, dann haben wir:
sin φ
CB
φ
=
≤ .
2
2
2
An der anderen Seite der Inhalt des Sektors ist kleiner als der Inhalt vom
Dreieck ADE. Also
φ
DE
tan φ
≤
=
2
2
2
(ii) Es ist
1 − cos φ =
(1 − cos φ)(1 + cos φ)
1 − (cos φ)2
sin2 φ
=
≤
≤ φ2 .
1 + cos φ
1 + cos φ
1
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
C
D
B
E
89
φ
A
Korollar 8.4.3.
Es gelten:
(i)
sin φ
= 1,
φ→0 φ
lim
(ii)
1 − cos φ
= 0,
φ→0
φ
lim
(iii) sin x und cos x sind stetige Funktionen.
Beweis.
(i) Da
|sin φ|
1
≤
≤ 1,
cos φ
φ
folgt die Behauptung aus (ii).
(ii) Es ist
0≤
1 − cos φ
≤ |φ|.
|φ|
(iii) Die Stetigkeit von cos x und sin x folgt aus (i), (ii) und den Additionstheoremen:
cos(x + y) = cos x cos y − sin x sin y,
sin(x + y) = sin x cos y + cos x sin y.
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
90
Satz 8.4.4 (von Euler).
Es gilt die sogenannte Euler-Identität:
ex+iy = ex (cos y + i sin y)
∀x, y ∈ R.
(8.7)
Beweis. Wir definieren f (z) := ex (cos y + i sin y) und behaupten, dass f (AT) und
(WT) aus Satz 8.1.1 erfüllt. Die Eindeutigkeitsaussage des Satzes impliziert dann
die Identität (8.7).
(AT) folgt aus den Additionstheoremen und aus ex0 +x1 = ex0 ex1 .
(WT) ist die Behauptung
eRe z (cos(Im z) + i sin(Im z)) − 1
= 1.
z→0
z
lim
Dank dem Folgenkriterium für die Stetigkeit ist diese Aussage äquivalent zu
exn (cos yn + i sin yn ) − 1
=1
n→∞
xn + iyn
lim
(8.8)
für alle Nullfolgen von reellen Zahlen (xn ), (yn ). Wir betrachten deshalb zwei beliebige reelle Nullfolgen (xn ) und (yn ). Wir definieren zn := xn + iyn und
An := exn (cos yn + i sin yn ) − 1 − (xn + iyn ).
Wir haben dann,
An = exn (cos yn − 1) + exn − 1 − xn + i(sin yn − yn ) + i sin yn (exn − 1) .
{z
} |
{z
} |
{z
} |
{z
}
|
=:Cn
=:Bn
=:Dn
(8.9)
=:En
Wir wollen zeigen dass
Bn
Cn
Dn
En
= lim
= lim
= lim
= 0.
n→∞ zn
n zn
n→∞ zn
n→∞ zn
lim
(8.10)
Wir erinnern uns, dass |yn |, |xn | ≤ |zn | ist, d.h. (xn ) und (yn ) sind beide Nullfolgen.
Deswegen ist
|Bn | ≤ exn |yn |2 ≤ C|yn |2 ≤ C|zn |2
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
und
Bn
= 0.
n→∞ zn
lim
91
(8.11)
Falls xn = 0, dann Cn = 0. Sonst, haben wir auch
|Cn |
|Cn | exn − 1
≤
=
− 1 .
|zn |
|xn |
xn
Da
ex − 1
= 1,
x∈R,x→0
x
lim
folgt
Cn
= 0.
n→∞ zn
lim
(8.12)
In ähnlicher Weise, wenn yn = 0, dann Dn = 0, und sonst, wenn yn 6= 0,
|Dn |
|Dn | sin yn
≤
=
− 1
|zn |
|yn |
yn
und somit
Dn
= 0.
n→∞ zn
(8.13)
lim
Schliesslich, wenn yn = 0, dann En = 0, und sonst
|En | ≤
und somit
| sin yn | xn
|e − 1| ≤ |exn − 1|
|yn |
En
= 0.
n→∞ zn
lim
Wir haben (8.10) bewiesen. Ferner gilt,
exn (cos yn + i sin yn ) − 1
An
− 1 = lim
n→∞
n→∞ zn
xn + iyn
lim
(8.9)&(8.10)
=
0.
Bemerkung 8.4.5.
Wie hat Euler seine berühmte Formel gefunden? Schon die Mathematiker vor Euler
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
92
wussten, dass es die folgenden Darstellungen von sin x und cos x gibt:
cos y =
∞
X
(−1)k
y 2k
,
(2k)!
(−1)k
y 2k+1
.
(2k + 1)!
k=0
sin y =
∞
X
k=0
Diese zwei Identitäten kann man mithilfe der Differentialrechung herleiten (mittels
der Taylorentwicklung, die wir später einführen werden). Wenn wir in die Formel
z
e :=
∞
X
zk
k=0
k!
z = iy einsetzen, so erhalten wir
iy
e =
∞
∞
2k
X
X
y 2k+1
k y
=
(−1)
+i
(−1)k
k!
(2k)!
(2k + 1)!
k=0
k=0
|
{z
} |
{z
}
∞
X
(iy)k
k=0
=cos y
=sin y
iy
=⇒ e = cos y + i sin y.
Für y = π haben wir eiπ = −1: mit “Eulersche Formel” wird manchmal dieser
Spezialfall bezeichnet.
Als Korollar von Satz 8.4.4 erhalten wir auch die Formel von de Moivre:
Korollar 8.4.6.
Für jedes n ∈ N und φ ∈ R gilt:
(cos φ + i sin φ)n = cos(nφ) + i sin(nφ) .
Beweis. Aus (AT) folgt,
einφ = eiφ+...+iφ = |eiφ · eiφ{z
· . . . · eiφ} = (eiφ )n .
n Faktoren
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
93
Mit der Euler-Identität erhalten wir also
cos(nφ) + i sin(nφ) = einφ = (eiφ )n = (cos φ + i sin φ)n .
Bemerkung 8.4.7.
Die Formel von de Moivre kann man auch direkt mittels vollständiger Induktion aus
den Additionstheoremen der trigometrischen Funktionen herleiten.
8.5. Weitere spezielle Funktionen
Wir definieren zuerst den Tangens durch
tan x =
sin x
.
cos x
Der Definitionsbereich dieser Funktion ist die reelle Gerade ohne die Nullstellen des
Cosinus:
o
nπ
+ kπ; k ∈ N −→ R.
tan : R \
|2
{z
}
Nullstellen des Cosinus
Geometrisch ist leicht zu sehen, dass
h π πi
sin : − ,
→ [−1, 1]
2 2
injektiv und surjektiv ist. Die Umkehrfunktion heisst Arcussinus,
h π πi
.
arcsin : [−1, 1] → − ,
2 2
Analog ist
cos : [0, π] → [−1, 1]
bijektiv. Die Umkehrfunktion heisst Arcuscosinus,
arccos : [−1, 1] → [0, π] .
Kapitel 8. Die Exponentialfunktion und die trigonometrischen Funktionen
94
Auch der Tangens eingeschränkt auf einem geeigneten Intervall ist bijektiv:
i π πh
→ R.
tan : − ,
2 2
Die Surjektivität folgt aus der Stetigkeit und
lim tan(x) = ±∞.
x→± π2
Die Injektivität werden wir später beweisen (mithilfe der Differentialrechnung, siehe
Bemerkung 9.3.7). Die Umkehrfunktion des Tangens heisst Arcustangens,
i π πh
arctan : R → − ,
.
2 2
Schliesslich definieren wir noch die hyperbolischen Funktionen Sinushyperbolicus,
Cosinushyperbolicus und Tangenshyperbolicus:
et − e−t
,
2
et + e−t
cosh(t) =
,
2
sinh(t)
tanh(t) =
.
cosh(t)
sinh(t) =
(NB: Der Definitionsbereich von tanh ist die ganze reelle Gerade, weil cosh(t) > 0
∀t ∈ R).
Bemerkung 8.5.1.
Wir haben die Identität
cosh2 (t) − sinh2 (t) = 1.
∀t ∈ R ist (cos t, sin t) ein Punkt auf dem Kreis mit Radius 1 und Mittelpunkt (0, 0).
Die Punkte (cosh t, sinh t) liegen auf einer Hyperbel, daher der Name “hyperbolische” Funktionen.
9. Differentialrechnung
Eine affine Funktion f : R → R ist eine Funktion von der folgenden Form:
f (t) = c0 + m0 t .
Die Konstante m0 (die Steigung der Geraden) ist leicht zu berechnen:
m0 =
f (t2 ) − f (t1 )
,
t2 − t1
wobei t1 6= t2 zwei beliebige reelle Zahlen sind. f heisst linear, falls c0 = 0.
9.1. Die Ableitung
Wir suchen die beste Approximation einer Funktion f mittels einer affinen Funktion
g in der Nähe eines Punktes x0 , d.h. die Tangente an den Graphen von f im Punkt
(x0 , f (x0 )). Manchmal gibt es keine solche Approximation mit einer affinen Funktion
(z.B. f (x) = |x| und x0 = 0). Falls ξ eine andere Stelle des Definitionsbereichs von
f ist, dann enthält die Gerade
g(x) = f (x0 ) +
f (ξ) − f (x0 )
(x − x0 )
ξ − x0
die Punkte (x0 , f (x0 )) und (ξ, f (ξ)). Falls ξ − x sehr klein ist, ist diese Gerade “fast”
die Tangente in (x0 , f (x0 )).
Definition 9.1.1.
Sei f : [a, b] → R (bzw. C). Die Ableitung von f an der Stelle x0 ist wie folgt
95
Kapitel 9. Differentialrechnung
96
definiert:
f (x0 + h) − f (x0 )
f (x0 ) = lim
h→0
h
0
f (x) − f (x0 )
= lim
x→x0
(x − x0 )
,
falls der Limes existiert (und endlich ist!). Wenn er existiert, dann heisst f differenzierbar an der Stelle x0 . f heisst differenzierbar, wenn die Ableitung von f in jedem
Punkt x0 ∈]a, b[ existiert.
Satz 9.1.2.
Eine Funktion f : I → C ist in x0 genau dann differenzierbar, wenn es eine lineare
Abbildung L : R → C gibt, so dass
f (x0 + h) − f (x0 ) − L(h)
= 0.
h→0
h
lim
Beweis. Wir wissen, dass eine Funktion L genau dann linear ist, wenn es ein m0 ∈ C
gibt, so dass L(h) = m0 h ∀h ∈ R. Nun betrachten wir
f (x0 + h) − f (x0 ) − L(h)
= lim
lim
h→0
h→0
h
f (x0 + h) − f (x0 )
− m0
h
(9.1)
und
f (x0 + h) − f (x0 )
.
(9.2)
h→0
h
Der Limes in (9.1) existiert und verschwindet genau dann, wenn der Limes in (9.2)
existiert (d.h. wenn f in x0 differenzierbar ist) und gleich m0 ist (d.h. m0 = f 0 (x0 )).
lim
Satz 9.1.3.
Eine Funktion f : I → C ist in x0 ∈ I genau dann differenzierbar, wenn es ein
φ : I → C gibt, so dass
(i) φ in x0 stetig ist und
(ii) f (x) − f (x0 ) = φ(x)(x − x0 ).
Gegebenenfalls ist φ(x0 ) = f 0 (x0 ).
Kapitel 9. Differentialrechnung
97
Beweis. “⇐=”: Sei also die Existenz einer Funktion φ mit obigen Eigenschaften
gegeben. Dann folgt mit der Stetigkeit von φ,
f (x) − f (x0 )
x→x0
x→x0
x − x0
f (x0 + h) − f (x0 )
= f 0 (x0 ).
= lim
h→0
h
φ(x0 ) = lim φ(x) = lim
“ =⇒ ”: Dazu setzen wir

f 0 (x ),
0
φ(x) :=
 f (x)−f (x0 ) ,
x−x0
falls x = x0
falls x 6= x0 .
Dann erfüllt φ die Bedingungen (i) und (ii).
Beispiel 9.1.4.
Sei f (x) = xn . Dann ist
(x0 + h)n − xn0
h→0
n h n n−1
x0 + 1 x0 h + n2 x0n−2 h2 + · · · + hn − xn0
= lim
h→0
h
n n−2
n−1
n−1
= lim nx0 +
x h + ··· + h
= nxn−1
,
0
h→0
2 0
f 0 (x0 ) = lim
d.h. x 7→ f (x) = xn ist in jedem Punkt differenzierbar und die Ableitung ist gegeben
durch f 0 (x) = nxn−1 .
Beispiel 9.1.5.
Sei f (x) = ex . Dann ist die Ableitung in x0 gegeben durch
eh − 1
ex0 +h − ex0
= ex0 lim
= ex0 .
h→0
h→0
h
h
f 0 (x0 ) = lim
D.h. x 7→ f (x) = ex ist überall differenzierbar und die Ableitung ist f 0 (x) = ex . Die
Exponentialfunktion besitzt also die bemerkenswerte Eigenschaft, dass die Ableitung
wieder die Funktion selbst ist.
Kapitel 9. Differentialrechnung
98
Übung 9.1.6.
Zeige, dass die Funktion f (x) = ax überall differenzierbar ist und ihre Ableitung
gegeben ist durch
f 0 (x) = ln(a)ax .
Beispiel 9.1.7.
Sei f (x) = ln x. Dann ist
ln(x0 + h) − ln(x0 )
= lim
h→∞
h 
ln 1 + xh0
 1 = 1.
=  lim
h
h→0
x0
x0
x0
f 0 (x0 ) = lim
h→∞

ln
x0 +h
x0
h
D.h. die Funktion R+ 3 x 7→ f (x) = ln x ist überall (auf ihrem Definitionsbereich!)
differenzierbar und es gilt f 0 (x) = x1 .
Bemerkung 9.1.8.
Falls f in x0 differenzierbar ist, dann ist f auch stetig in x0 :
0
0 = f (x0 ) · 0 = lim
x→x0
f (x) − f (x0 )
x − x0
(x − x0 ) =⇒ lim (f (x) − f (x0 )) = 0
x→x0
⇐⇒ lim f (x) = f (x0 ) ⇐⇒ f stetig in x0 .
x→x0
Bemerkung 9.1.9.
Die Umkehrung dieser letzten Aussage ist im Allgemeinen falsch. Dazu betrachten
p
wir folgende Funktion: f (x) = n |x|. Für n ≥ 2 gilt,
f (x) − f (0)
= +∞
x→0
x−0
lim
und für n = 1,
f (x) − f (0)
= ±1.
x→0
x−0
Dies zeigt, dass die Funktion f nicht differenzierbar ist in 0, sie ist jedoch überall
p
stetig (in x0 6= 0 ist n |x| sogar differenzierbar).
lim
Kapitel 9. Differentialrechnung
99
9.2. Rechenregeln
Satz 9.2.1.
Seien f, g : I → C differenzierbar in x0 . Dann gelten die folgenden Rechenregeln:
(i) f + g ist auch differenzierbar in x0 und
(f + g)0 (x0 ) = f 0 (x0 ) + g 0 (x0 )
( Summenregel),
(ii) f · g ist auch differenzierbar in x0 und
(f g)0 (x0 ) = f 0 (x0 )g(x0 ) + f (x)g 0 (x0 )
(iii) Sei g(x0 ) 6= 0. Dann ist
differenzierbar mit
f
g
( Produkteregel),
in der Nähe von x0 wohldefiniert und
0
f 0 (x0 )g(x0 ) − f (x0 )g 0 (x0 )
f
(x0 ) =
g
g(x0 )2
f
g
ist in x0
( Quotientenregel).
Beweis. (i) Es ist
(f + g)(x0 + h) − (f + g)(x0 )
lim
= lim
h→0
h→0
h
!
f (x0 + h) − f (x0 ) g(x0 + h) − g(x0 )
+
,
h
h
{z
} |
{z
}
|
→f 0 (x0 )
→g 0 (x0 )
dies beweist (i).
(ii) Wir haben
(f g)(x0 + h) − (f g)(x0 )
h→0
h
f (x0 + h)g(x0 + h) − f (x0 + h)g(x0 ) + f (x0 + h)g(x0 ) − f (x0 )g(x0 )
= lim
h→0
h
g(x0 + h) − g(x0 )
f (x0 + h) − f (x0 )
= lim f (x0 + h)
+ g(x0 )
h→0
h
h
lim
=f (x0 )g 0 (x0 ) + g(x0 )f 0 (x0 ),
Kapitel 9. Differentialrechnung
100
wobei wir benutzt haben, dass f und g in x0 stetig sind.
(iii) Es ist
lim
h→0
f (x0 +h)
g(x0 +h)
−
h
f (x0 )
g(x0 )
f (x0 + h)g(x0 ) − f (x0 )g(x0 + h)
h→0
[g(x0 )g(x0 + h)] h
1
f (x0 + h)g(x0 ) − f (x0 + h)g(x0 + h)
= lim
h→0 g(x0 )g(x0 + h)
h
f (x0 + h)g(x0 + h) − f (x0 )g(x0 + h)
+
h
1
g(x0 + h) − g(x0 )
= lim
f (x0 + h) −
h→0 g(x0 )g(x0 + h)
h
f (x0 + h) − f (x0 )
+ g(x0 + h)
h
1
(f (x0 )(−g 0 (x0 )) + g(x0 )f 0 (x0 )) .
=
g(x0 )2
= lim
Satz 9.2.2 (Kettenregel).
f
g
Seien I → J → C, wobei I, J ⊂ R Intervalle sind. Falls f an der Stelle x0 und g an
der Stelle f (x0 ) differenzierbar ist, dann ist auch g◦f an der Stelle x0 differenzierbar
und es gilt die Kettenregel:
(g ◦ f )0 (x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 ).
Beweis. Eine Idee diese Aussage zu beweisen, wäre die folgende:
g(f (x0 + h)) − g(f (x0 ))
g ◦ f (x0 + h) − g ◦ f (x0 )
= lim
h→0
h→0
x − x0
x − x0
=:yh
=:y
z }| {
z }|0 {
g(f (x0 + h) −g(f (x0 ))) f (x0 + h) − f (x0 )
= lim
h→0
f (x0 + h) − f (x0 )
x − x0
| {z } | {z }
lim
=:yh
=:y0
= g 0 (y0 )f 0 (x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 )
Dies ist jedoch kein Beweis, weil yh − y0 auch gegen Null gehen kann. Den korrekten
Kapitel 9. Differentialrechnung
101
Beweis erhalten wir mit Satz 9.1.3: Wegen der Differenzierbarkeit von f und g gibt
es zwei stetige Funktionen φ und γ, so dass φ stetig in x0 und γ stetig in f (x0 ) ist
und
f (x) − f (x0 ) = φ(x)(x − x0 ),
g(y) − g(y0 ) = γ(y)(y − y0 ),
wobei φ(x0 ) = f 0 (x0 ) und γ(y0 ) = g 0 (y0 ). Also ist
g(f (x)) − g(f (x0 )) = γ(f (x))(f (x) − f (x0 )) = γ(f (x))φ(x)(x − x0 ).
|
{z
}
=:Φ(x)
Dann ist auch Φ stetig an der Stelle x0 . Nun wenden noch einmal den Satz 9.1.3 an
und sehen, dass g ◦ f in x0 differenzierbar ist mit
(g ◦ f )0 (x0 ) = Φ(x0 ) = γ(f (x0 ))φ(x0 ) = g 0 (f (x0 ))f 0 (x0 ).
Beispiel 9.2.3.
Wir wissen, dass
eit = cos t + i sin t.
Dann ist
0
(cos x) =
eix + e−ix
2
0
=
1
(eix )0 + (eix )0 .
2
Nun würden wir gerne die Identität
(eix )0 = ieix
(9.3)
anwenden. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten! Diese Identität ist keine Folgerung
des Satzes 9.2.2: die Werte der Funktion f : x 7→ ix sind nicht in R enthalten (für
die Gültigkeit von Satz 9.2.2 haben wir die Voraussetzung, dass f : I → J ⊂ R)! Es
gibt tatsächlich eine Erweiterung des Satzes 9.2.2, die auch den Fall (eix )0 enthält
(dazu siehe die Theorie der holomorphen Funktionen).
Kapitel 9. Differentialrechnung
102
In unserem Fall folgt (9.3) aus der Wachstums-Identität der Exponentialfunktion
(siehe (WT) in Satz 8.1.1):
ei(x+h) − eix (AT ) ix
eih − 1
eih − 1 (W T ) ix
= e lim
= eix i lim
= ie .
h→0
h→0
h→0
h
h
ih
lim
Deshalb haben wir
i
1
i
(cos x)0 = eix + e−ix = − (eix − e−ix ) = − sin x.
2
2
2i
Analog folgt
0
(sin x) =
eix − e−ix
2i
0
=
ieix + ie−ix
eix + e−ix
=
= cos x.
2i
2
Übung 9.2.4.
Zeige die Identitäten cos0 = − sin und sin0 = cos mithilfe der Additionstheoreme für
trigonometrische Funktionen und mit Korollar 8.4.3.
Beispiel 9.2.5.
Die Ableitung des Tangens ist gegeben durch
0
tan(x) =
sin(x)
cos(x)
0
=
sin(x)0 cos(x) − sin(x) cos(x)0
sin(x)2 + cos(x)2
1
=
=
.
2
2
cos(x)
cos(x)
cos(x)2
Satz 9.2.6 (Differentiation der Umkehrfunktion).
Sei g die Umkehrfunktion einer stetigen, streng monotonen Funktion f : I → R.
Falls f in x0 differenzierbar ist und f 0 (x0 ) 6= 0, dann ist g in y0 = f (x0 ) differenzierbar und es gilt,
1
1
0
= 0
.
g (y0 ) = 0
f (x0 )
f (g(y0 ))
Beweis. Wegen der Differenzierbarkeit von f in x0 , gibt es eine in x0 stetige Funktion
φ, so dass
f (x) − f (x0 ) = φ(x)(x − x0 )
Kapitel 9. Differentialrechnung
103
und φ(x0 ) = f 0 (x0 ). Dann folgt für x := g(y), x0 := g(y0 ):
y − y0 = φ(g(y))(g(y) − g(y0 )).
Also ist φ(g(y)) 6= 0, wenn y 6= y0 . Aber wir haben auch
φ(g(y0 )) = φ(x0 ) = f 0 (x0 ) 6= 0.
Nun ist φ stetig in x0 und g stetig in y0 =⇒ φ(g) ist stetig in y0 . Sei nun ψ :=
[φ(g(y))]−1 . Dann ist ψ stetig an der Stelle y0 . Somit ist g differenzierbar in y0 , da
g(y) − g(y0 ) = ψ(y)(y − y0 ).
Ausserdem ist g 0 (y0 ) = ψ(y0 ) = φ(g(y0 )) = [f 0 (x0 )]−1 ; damit ist alles bewiesen.
Bemerkung 9.2.7.
Sei f : I → R streng monoton und stetig. Sei g : J → I die Umkehrfunktion von
f : I → J. Angenommen beide Funktionen sind differenzierbar. Dann folgt mit der
Kettenregel, dass
(f ◦ g)0 (x0 ) = f 0 (g(x0 ))g 0 (x0 ) = 1.
1
. Das ist aber kein Beweis des Satzes
Falls f 0 (g(x0 )) 6= 0 ist, folgt g 0 (x0 ) = f 0 (g(x
0 ))
9.2.6, da die Differenzierbarkeit von g eine Annahme war und nicht bewiesen wurde.
Beispiel 9.2.8.
Wir wissen, dass
tan0 (x0 ) =
1
6= 0.
cos2 (x0 )
Wir haben behauptet, dass tan(x) streng monoton auf ] − π2 , π2 [ mit Bild tan(] −
π π
, [) = R ist (siehe Beispiel 9.3.7 für den Beweis). D.h. wir dürfen Satz 9.2.6
2 2
anwenden: arctan(x) ist überall differenzierbar mit
(arctan)0 (x0 ) =
1
=
tan (arctan(x0 ))
0
= cos2 (arctan(x0 )).
1
1
cos2 (arctan(x0 ))
Kapitel 9. Differentialrechnung
104
Ferner ist
1
cos2 (x) =
1 + tan(x)2
1
1
!
= cos(x)2 +sin(x)2 = cos(x)2
sin(x)2
1 + cos(x)
2
cos(x)2
1
1
=⇒ cos2 (arctan(x0 )) =
=
2
1 + (tan(arctan(x0 )))
1 + x20
1
=⇒ arctan0 (x) =
.
1 + x2
=
Übung 9.2.9.
Leite analog zu obigem Beispiel die Ableitungen von arccos(x) und arcsin(x) her.
9.3. Die Sätze von Rolle und Lagrange
Satz 9.3.1.
Sei f : I → R eine überall differenzierbare Funktion und sei x0 ∈ I ein Maximum
(bzw. ein Minimum) von f . Dann gilt:
(a) Falls x0 im Inneren von I ist, dann ist f 0 (x0 ) = 0,
(b) Falls x0 das rechte Extremum von I ist, dann ist f 0 (x0 ) ≥ 0 (bzw. bei einem
Minimum: f 0 (x0 ) ≤ 0),
(c) Falls x0 das linke Extremum von I ist, dann ist f 0 (x0 ) ≤ 0 (bzw. bei einem
Minimum: f 0 (x0 ) ≥ 0).
Beweis. (a) Sei x0 im Innern von I. Dann gilt:

≤0
}|
{
z




f
(x)
−
f
(x
0)

≤0
limx↓x0


x
−
x


| {z }0
≥0
≤0

z
}|
{



f
(x)
−
f
(x

0)

≥0
limx↑x0
x
−
x


| {z }0
≤0
.
Kapitel 9. Differentialrechnung
105
Also ist f 0 (x0 ) = 0.
(c) Sei x0 das linke Extremum und eine Maximumstelle. Dann ist
f 0 (x0 ) = lim
x↓x0
f (x) − f (x0 )
≤ 0.
x − x0
(b) Analog.
Satz 9.3.2 (Mittelwertsatz oder Satz von Lagrange).
Sei f : [a, b] → R eine in jedem Punkt stetige Funktion, die in ]a, b[ differenzierbar
ist. Dann ∃ξ ∈]a, b[, so dass
f 0 (ξ) =
f (b) − f (a)
.
b−a
Satz 9.3.3 (von Rolle).
Sei f wie oben mit f (b) = f (a). Dann gibt es ein ξ ∈]a, b[, so dass f 0 (ξ) = 0.
Der Satz von Rolle ist ein Spezialfall des Satzes von Lagrange. Trotzdem werden
wir zuerst den Satz von Rolle beweisen und anschliessend den von Lagrange daraus
herleiten.
Beweis von Satz 9.3.3. Es gilt,



1. Fall: ∃x ∈]a, b[ mit f (x) < f (b),


f (b) = f (a) =⇒
2. Fall: ∃x ∈]a, b[ mit f (x) > f (b)



 3. Fall: f (x) = f (b) ∀x ∈]a, b[.
3. Fall: f ist konstant auf [a, b]. Dann ist aber f 0 (ξ) = 0 ∀ξ ∈]a, b[.
2. Fall: Sei x0 eine Maximumstelle von f in [a, b]. Dann ist x0 ∈]a, b[, weil f (x0 ) >
f (a) = f (b) und somit ist f 0 (x0 ) = 0.
1. Fall: Sei x0 eine Minimumstelle von f in [a, b]. Dann ist x0 ∈]a, b[ und daher ist
f 0 (x0 ) = 0.
Beweis von Satz 9.3.2. Wir setzen
g(x) := f (x) −
x−a
(f (b) − f (a)).
b−a
Kapitel 9. Differentialrechnung
106
Dann ist g(a) = f (a) = g(b) und mit dem Satz von Rolle folgt, ∃ξ ∈]a, b[, so dass
g 0 (ξ) = 0. Also ist
f (b) − f (a)
0 = g 0 (ξ) = f 0 (ξ) −
.
a−b
Korollar 9.3.4 (Monotoniekriterium).
Sei f :]a, b[→ R eine differenzierbare Funktion. Dann gelten die folgenden Aussagen:
1. f 0 ≥ 0 =⇒ f wächst in ]a, b[ monoton,
2. f 0 > 0 =⇒ f wächst in ]a, b[ streng monoton,
3. f 0 ≤ 0 =⇒ f fällt in ]a, b[ monoton,
4. f 0 < 0 =⇒ f fällt in ]a, b[ streng monoton.
Beweis. Seien c, d ∈]a, [] mit c < d. Dann folgt mit dem Mittelwertsatz: ∃ξ ∈]c, d[,
so dass
f (d) − f (c) = f 0 (ξ) (d − c) .
| {z }
>0
Wir können also die Aussagen des Korollars direkt an obiger Gleichung ablesen.
Korollar 9.3.5 (Kriterium für Extrema).
Sei f :]a, b[→ R differenzierbar. Falls für die Ableitung f 0 (x) gilt:
(a) f 0 (x) < 0 ∀x > x0 und
(b) f 0 (x) > 0 ∀x < x0 ,
dann ist x0 das Maximum von f in ]a, b[.
Korollar 9.3.6 (Kriterium für Konstanz).
Sei f :]a, b[→ R differenzierbar mit f 0 ≡ 0. Dann ist f = konst.
Beispiel 9.3.7.
Der Tangens ist streng monoton wachsend in ] − π2 , π2 [, denn:
tan(x)0 =
1
> 0.
cos(x)2
Kapitel 9. Differentialrechnung
107
NB: Der Tangens ist nicht monoton auf R \ π2 + kπ : k ∈ Z (z.B. 1 = tan( π4 ) =
tan( π4 + kπ) ∀k ∈ N). D.h. auf R \ π2 + kπ : k ∈ Z ist Korollar 9.3.4 nicht anwendbar!
9.4. Anwendungen des Mittelwertsatzes: Der
Schrankensatz und die Regel von L’Hospital
Satz 9.4.1 (Schrankensatz).
Sei f : [a, b] → R stetig auf [a, b] und differenzierbar in ]a, b[ mit
|f 0 (ξ)| ≤ M
∀ξ ∈]a, b[.
Dann ist f Lipschitz-stetig mit
|f (y) − f (x)| ≤ M |x − y|
∀x, y ∈ [a, b].
Beweis. ∀y 6= x (OBdA: y > x) gilt wegen dem Mittelwertsatz, ∃ξ ∈]x, y[⊂]a, b[, so
dass
f (y) − f (x) = f 0 (ξ)(y − x)
=⇒ |f (y) − f (x)| = |f 0 (ξ)||y − x| ≤ M |y − x|.
Die Funktionen, die wir bis jetzt gesehen haben, sind alle differenzierbar mit stetiger Ableitung. Dann ist die Einschränkung der Ableitung auf einem kompakten
Intervall beschränkt. Mit dem Schrankensatz folgt dann die Lipschitz-Stetigkeit dieser Einschränkung.
Satz 9.4.2 (Verallgemeinerter Mittelwertsatz oder Satz von Cauchy).
Seien f, g : [a, b] → R überall stetig und differenzierbar in ]a, b[. Ferner sei g 0 (x) 6= 0
Kapitel 9. Differentialrechnung
108
∀x ∈]a, b[. Dann ∃ξ ∈]a, b[, so dass
f 0 (ξ)
f (b) − f (a)
= 0 .
g(b) − g(a)
g (ξ)
Bemerkung 9.4.3.
Der Mittelwertsatz ist ein Spezialfall des Satzes von Cauchy: Dazu setzen wir g(x) :=
x. Dann ist g 0 (x) = 1 ∀x und somit,
f (b) − f (a)
f (b) − f (a)
f 0 (ξ)
f 0 (ξ)
=
= 0
=
= f 0 (ξ).
b−a
g(b) − g(a)
g (ξ)
1
Beweis. Wie der Satz von Lagrange kann auch der Satz von Cauchy aus dem Satz
von Rolle hergeleitet werden: Dazu setzen wir
F (x) := f (x) −
f (b) − f (a)
(g(x) − g(a)).
g(b) − g(a)
Dann ist F (a) = f (a) = F (b) und mit dem Satz von Rolle folgt, ∃ξ ∈]a, b[, so dass
F 0 (ξ) = 0 =⇒ f 0 (ξ) =
f (b) − f (a) 0
g (ξ),
g(b) − g(a)
was zu zeigen war.
Satz 9.4.4 (De L’Hospitalsche Regel).
Seien f, g :]a, b[→ R überall differenzierbar, und es sei g 0 (x) 6= 0 ∀x ∈]a, b[. In jeder
der beiden folgenden Situationen
(a) f (x) → 0 und g(x) → 0 für x ↓ a,
(b) f (x) → ∞ und g(x) → ∞ für x ↓ a,
gilt:
Existiert limx↓a
f 0 (x)
,
g 0 (x)
so existiert auch limx↓a
lim
x↓a
f (x)
g(x)
und es ist
f (x)
f 0 (x)
= lim 0
.
x↓a g (x)
g(x)
Entsprechend für x ↑ b, x → ∞ und x → −∞.
Kapitel 9. Differentialrechnung
109
Eine grobe Idee wieso dieser Satz gilt, ist die folgende: Nehmen wir an, dass die
Funktionen f und g auch in a definiert und differenzierbar sind, mit f (a) = g(a) = 0,
Dann gilt, falls |x − a| klein genug ist,
f (x) = f 0 (a)(x − a) + R,
g(x) = g 0 (a)(x − a) + R0 ,
wobei R und R0 sehr klein im Vergleich zu |x − a| sind. Damit folgt,
f 0 (a)
f (x)
∼ 0 .
g(x)
g (a)
Wenn die Ableitungen von f und g zusätzlich noch stetig sind, dann ist
f (x)
f 0 (x)
∼ 0
.
g(x)
g (x)
Beweis. (a) Wir fassen f und g als Funktionen auf, die in a stetig sind und dort den
Wert 0 haben, d.h. f (a) = g(a) = 0. Mit dem verallgemeinerten Mittelwertsatz
folgt, ∀x ∈]a, b[ ∃ξ ∈]a, x[, so dass
f (x) − f (a)
f 0 (ξ)
f (x)
=
= 0
g(x)
g(x) − g(a)
g (ξ)
ist. x → a impliziert ξ → a und damit ist die Behauptung (a) bewiesen.
(b) Sei A := limξ→a
dass
f 0 (ξ)
g 0 (ξ)
∈ R und ε > 0 gegeben. Dann wählen wir ein δ > 0, so
0
f (t)
< ε ∀t ∈]a, a + δ[.
−
A
g 0 (t)
Mit dem verallgemeinerten Mittelwertsatz folgt dann für beliebige Punkte x, y ∈
]a, a + δ[ mit y 6= x,
f (x) − f (y)
< ε.
−
A
g(x) − g(y)
Nun ist
g(y)
f (x)
f (x) − f (y) 1 − g(x)
=
·
.
g(x)
g(x) − g(y) 1 − f (y)
f (x)
Kapitel 9. Differentialrechnung
110
Sei nun y ∈]a, a + δ[ fixiert. Der rechte Faktor geht beim Grenzübergang x ↓ a
gegen 1; insbesondere ∃δ ∗ ∈]0, δ[, so dass für alle x ∈]a, a + δ ∗ [ gilt,
f (x) f (x) − f (y) g(x) − g(x) − g(y) < ε.
Für x ∈]a, a + δ ∗ [ erhalten wir damit,
f (x)
g(x) − A < 2ε.
Dies beweist (b).
Der Grenzübergang x → ∞ kann auf den bewiesenen Grenzübergang y ↓ 0 durch
die Substitution x = y1 zurückgeführt werden.
Beispiel 9.4.5.
Wir wollen nun einige Grenzwerte mit Hilfe der De L’Hospitalsche Regel bestimmen.
Sei f (x) = ex und g(x) = x. Dann
ex
f (x)
f 0 (x)
= lim
= lim 0
= lim ex = +∞.
x→∞ x
x→∞ x
x→∞ g (x)
x→∞
lim
In ähnlicher Weise, wenn f (x) = ex and g(x) = xn , dürfen wir die Regel n Mal
anwenden:
f (x)
f 0 (x)
f (n) (x)
ex
= lim 0
= . . . = lim (n)
= lim
= +∞.
x→∞ g(x)
x→∞ g (x)
x→∞ g
(x) x→∞ n!
lim
Ab und zu ist es hilfreich einen Grenzwert als Limes eines Bruchs umzuschreiben,
Kapitel 9. Differentialrechnung
111
um die De L’Hospitalsche Regel anzuwenden:
f 0 (x)
f (x)
z }| {
z }| {
1
cos x − 1
1
sin x − x
−
= lim
lim
= lim
x→0 x sin x
x→0
x→0 sin x + x cos x
x sin x
| {z }
|
{z
}
g 0 (x)
g(x)
f 00 (x)→0
z }| {
− sin x − 0
= lim
= 0.
x→0 cos x − x sin x + cos x
|
{z
}
g 00 (x)→2
9.5. Differentiation einer Potenzreihe
Wegen den Rechenregeln für die Ableitung wissen wir, dass für ein Polynom
P (x) := an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0
gilt:
P 0 (x) = nan xn−1 + (n − 1)an−1 xn−2 + · · · + a1 .
Sei nun f durch eine Potenzreihe mit nicht trivialem Konvergenzradius definiert:
f (x) =
∞
X
an x n .
n=0
Nun stellt sich die Frage, ob die Potenzreihe f auf ihrem Definitionsbereich differenzierbar ist. Wenn ja, gilt dann die Formel
0
f (x) =
∞
X
nan xn−1 ?
n=1
Antworten auf diese Fragen gibt der folgende Satz:
Satz 9.5.1 (Differentiation einer Potenzreihe).
P
n
Sei ∞
n=0 an x = f (x) eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0 (auch R = +∞
Kapitel 9. Differentialrechnung
112
ist zugelassen). Falls |x0 | < R, dann ist f in x0 differenzierbar und es gilt:
f 0 (x0 ) =
∞
X
nan xn−1 .
n=1
(Falls R = +∞, dann ist f auf ganz R differenzierbar.)
Bemerkung 9.5.2.
Aus dem Konvergenzkriterium von Cauchy-Hadamard folgt, dass die Reihen
∞
X
nan x
n−1
und
n=1
∞
X
an x n
n=0
P
n−1
konvergiert genau
den gleichen Konvergenzradius haben: Die Reihe ∞
n=1 nan x
P∞
n
dann, wenn n=0 an x konvergiert und ihre Konvergenzradien sind gleich:
R0 =
1
lim supn→∞
1
p
p
=
= R.
n
n|an |
lim supn→∞ n |an |
Wir wollen uns noch einmal mit Lemma 6.6.2 beschäftigen. Dieses Lemma besagt,
dass wenn eine Potenzreihe an einer Stelle x0 konvergiert, so konvergiert sie auch in
jedem Punkt x mit |x| < |x0 |. Aber die Kernidee des Beweises dieses Lemmas hat
noch weitere Konsequenzen, wie wir gleich sehen werden.
Definition 9.5.3.
Sei I = [a, b] ein abgeschlossenes Intervall und f : I → R eine stetige Funktion.
Dann definieren wir :
kf kC 0 (I) := max |f (x)|.
x∈I
Definition 9.5.4.
Sei I ein abgeschlossenes Intervall und fn : I → R eine Folge von Funktionen. Falls
P
n fn (x) für jedes x ∈ I konvergiert, dann definieren wir eine neue Funktion durch:
I 3 x 7→ f (x) :=
∞
X
fn (x) ∈ R.
n=0
Für diese neue Funktion schreiben wir kurz f =
P
n
fn , d.h. f ist eine Reihe von
Kapitel 9. Differentialrechnung
113
Funktionen.
Falls jedes fn stetig ist und
∞
X
kfn kC 0 (I) < ∞,
n=0
dann heisst die Reihe
P
n
fn normal konvergent.
Bemerkung 9.5.5.
Eine Potenzreihe ist dann ein Beispiel einer Reihe von Funktionen und der Beweis
von Lemma 6.6.2 impliziert, dass eine Potenzreihe im Inneren ihres Konvergenzkreises normal konvergiert.
Lemma 9.5.6.
P
Sei
an xn eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0. Des Weiteren sei ρ < R
und I = [−ρ, ρ]. Dann konvergiert die Potenzreihe normal auf I.
P
Beweis. Sei x0 , so dass ρ < |x0 | < R. Dann konvergiert die Reihe
an xn0 . Deshalb
ist |an ||x0 |n eine Nullfolge und somit beschränkt, d.h. ∃M ≥ 0, so dass
|an ||x0 |n ≤ M
∀n ∈ N.
Sei nun fn (x) := an xn . Dann ist
kfn kC 0 (I) = max |fn (x)| = max |an ||x|n = |an |ρn
|x|≤ρ
|x|≤ρ
n
ρ
n
≤ M γ n.
= |an ||x0 |
|x0 |
|{z}
=:γ
P
Da γ < 1 ist, konvergiert die geometrische Reihe n M γ n und mit dem Majorantenkriterium folgt nun die normale Konvergenz unserer Potenzreihe, d.h.
∞
X
n=0
kfn kC 0 (I) < ∞.
Kapitel 9. Differentialrechnung
114
P
P
Sei nun n fn = n an xn eine Potenzreihe wie in Satz 9.5.1. Sei R > 0 ihr Konvergenzradius und ρ eine beliebige positive reelle Zahl mit ρ < R. Mit Bemerkung
9.5.2 und Lemma 9.5.6 folgt,
(1) ∀n ∈ N: fn ist differenzierbar
(2)
P
fn und
P
fn0 konvergieren normal auf I = [−ρ, ρ].
Dann folgt Satz 9.5.1 aus der folgenden allgemeineren Aussage:
Theorem 9.5.7.
P
Sei
fn eine Reihe von Funktionen auf einem abgeschlossenen Intervall I. Falls
1.
P
fn (x) ∀x ∈ I konvergiert und
2.
P
fn0 normal konvergiert,
dann ist f überall differenzierbar mit f 0 =
P
fn0 .
Beweis. Sei x ∈ I. Die Differenzierbarkeit an dieser Stelle bedeutet:
f (x + h) − f (x)
0
− f (x) = 0.
lim h→0
h
Daher müssen wir beweisen, dass
∞ X
fn (x + h) − fn (x)
lim − fn0 (x) = 0.
h→0 h
n=0
|
{z
}
:=D
Für jedes N ∈ N und jedes h mit x + h ∈ I folgt mit der Dreiecksungleichung,
X
N ∞
X
fn (x + h) − fn (x)
f
(x
+
h)
−
f
(x)
n
n
D≤
− fn0 (x) + − fn0 (x) .
h
h
n=0
|
{z
} |n=N +1
{z
}
=:A
=:B
Sei nun ε > 0 gegeben. Wir zeigen, dass ∃N ∈ N und ∃h̄ > 0, so dass
A<
ε
2
und
B<
ε
2
∀h mit |h| < h̄.
Kapitel 9. Differentialrechnung
115
Zuerst wählen wir die Zahl N :
∞
∞
X
fn (x + h) − fn (x) Schrankensatz X 0
0
0
B≤
≤
kfn kC 0 (I) + kfn kC 0
+ |fn (x)|
h
n=N +1
n=N +1
!
∞
∞
N
X
X
X
ε
=
2kfn0 kC ◦ (I) = 2
kfn0 kC ◦ (I) −
kfn0 kC ◦ (I) <
2
n=0
n=0
n=N +1
|
{z
} |
{z
}
=:bN →b
=:b
für N gross genug. Diese Wahl von N garantiert sogar, dass B < ε/2 für jedes h!
Nun wählen wir h̄: Da N fixiert ist, gilt,
X
N h→0
fn (x + h) − fn (x)
− fn0 (x) −→ 0.
A = h
n=0 |
{z
}
→0
Also ∃h̄ > 0, so dass A < ε/2, wenn |h| < h̄ und damit ist das Theorem bewiesen.
9.6. Ableitungen höherer Ordnung und die
Taylorreihe
Definition 9.6.1.
Sei f im Intervall I differenzierbar. Falls die Funktion f 0 : I → R in x0 differenzierbar
ist, so heisst die Ableitung von f 0 in x0 die zweite Ableitung von f in x0 . Wir
bezeichnen diese mit f 00 (x0 ). Allgemein definieren wir rekursiv die n-te Ableitung
f (n) von f als Ableitung von f (n−1) , falls f (n−1) differenzierbar ist. Ist f n-mal
differenzierbar für jedes n ∈ N, so heisst f beliebig oft differenzierbar.
Bemerkung 9.6.2.
P
n
Sei f (x) = ∞
n=0 an x eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0. Dann ist f
beliebig oft differenzierbar auf ] − R, R[. Ausserdem können wir die k-te Ableitung
wie folgt bestimmen:
f
(k)
(x) =
∞
X
n=k
n(n − 1)(n − 2) · · · (n − k + 1)an xn−k .
Kapitel 9. Differentialrechnung
116
Es folgt, dass
f (0) = a0
f 0 (0) = a1
..
.
f (k) (0) = k!ak .
Definition 9.6.3.
Eine Funktion f heisst analytisch an der Stelle x0 , falls auf einem Intervall ]x0 −
ρ, x0 + ρ[ mit ρ > 0 gilt,
X
f (x) =
an (x − x0 )n .
Die Bemerkung 9.6.2 hat deswegen die folgende Konsequenz:
Korollar 9.6.4.
Sei f analytisch in x0 . Dann ∃ρ > 0, so dass
1. f beliebig oft differenzierbar in I =]x − ρ, x + ρ[ ist und
2. f (x) =
P∞
n=0
f (n) (x0 )
(x
n!
− x0 )n ∀x ∈ I.
Es ist jedoch Vorsicht geboten: beliebig oft differenzierbar impliziert nicht
analytisch!
Beispiel 9.6.5.
Sei x0 = 0 und f (x) := ex . Dann gilt,
f (0) (x) = ex = f 0 (x) = f 00 (x) = · · · = f (k) (x) = ex
und f (n) (0) = 1 ∀n ∈ N, d.h. ex =
P xk
k!
.
9.7. Die Lagrange-Fehlerabschätzung
Definition 9.7.1.
Sei f n-mal differenzierbar. Das Taylorpolynom der Ordnung n an der Stelle x0 ist
Kapitel 9. Differentialrechnung
117
wie folgt definiert:
Txn0 :=
n
X
f (i) (x0 )
i=0
i!
(x − x0 )i .
Satz 9.7.2 (Lagrange-Fehlerabschätzung).
Sei f (n + 1)-mal differenzierbar in I und x0 ∈ I. Dann gilt: ∀x ∈ I, ∃ξ ∈]x0 , x[, so
dass
f (n+1) (ξ)
Rxn0 (x) := f (x) − Txn0 (x) =
(x − x0 )n+1 .
(9.4)
(n + 1)!
Bemerkung 9.7.3.
(9.4) ist für n = 0,
f (x) − f (x0 ) = f 0 (ξ)(x − x0 ) ⇐⇒
| {z }
f (x) − f (x0 )
= f 0 (ξ).
x − x0
=Tx00 (x)
D.h. die Lagrange-Fehlerabschätzung ist eine Verallgemeinerung des Satzes von Lagrange (d.h. des Mittelwertsatzes).
Beweis. Seien h(x) := Rxn0 (x) und g(x) = (x − x0 )n+1 . Es ist dann leicht zu sehen,
dass
g(x0 ) = g 0 (x0 ) = . . . = g (n) (x0 ) = 0,
h(x0 ) = h0 (x0 ) = . . . = h(n) (x0 ) = 0,
und
h(n+1) (x) = f (n+1) (x) ∀x ∈ I.
Wir können also den verallgemeinerten Mittelwertsatz (vMWS) (n + 1)-mal anwenden und erhalten,
h(x)
h(x) − h(x0 ) vMWS h0 (ξ1 )
h0 (ξ1 ) − h0 (x0 )
=
=
=
g(x)
g(x) − g(x0 )
g 0 (ξ1 )
g 0 (ξ1 ) − g 0 (x0 )
(n+1)
(ξn+1 )
f (n+1) (ξn+1 )
vMWS h
= ··· =
=
,
g (n+1) (ξn+1 )
(n + 1)!
vMWS
=
h00 (ξ2 )
g 00 (ξ2 )
wobei ξ1 ∈]x, x0 [, ξ2 ∈]ξ1 , x0 [, . . . , ξn+1 ∈]ξn , x0 [. Nun setzen wir ξ := ξn+1 und es
Kapitel 9. Differentialrechnung
118
folgt,
f (x) − Txn0 (x) = Rxn0 (x) = h(x) =
f (n+1) (ξ)
f (n+1) (ξ)
g(x) =
(x − x0 )n+1 ,
(n + 1)!
(n + 1)!
was zu zeigen war.
Beispiel 9.7.4.
Wir haben bereits gesehen, dass
x
e =
∞
X
xj
j=0
j!
∀x ∈ R.
Diese Identität kann man auch aus der Lagrange-Fehlerabschätzung herleiten. Das
Taylorpolynom der Ordnung n in 0 ist gegeben durch
T0n (x) =
n
X
xj
j=0
j!
.
Sei nun x ∈ R fixiert. Dann ist
n
x X xj eξn xn+1 ,
e −
=
j! (n + 1)! j=0
|
{z
}
=R0n+1 (x)
wobei ξn ein Punkt zwischen x und 0 ist. Also ist |ξn | ≤ |x| und es folgt,
n
j
X
x
|x|n+1
x
e −
≤ e|x|
j! (n + 1)!
(9.5)
|x|n+1
= 0.
n→∞ (n + 1)!
(9.6)
j=0
Wir wissen schon, dass
lim
Zur Erinnerung: Sei N ∈ N, so dass N ≥ 2|x|. Dann ist
|x|n+1
|x|N |x|
|x|
|x|
|x|N
=
···
≤
(n + 1)!
N! N + 1 N + 2
n+1
N!
n+1−N
1
.
2
Kapitel 9. Differentialrechnung
119
Mit (9.5) und (9.6) folgt nun, dass
∞
j
X
x n
0 ≤ f (x) −
= f (x) − lim T0 (x)
n→∞
j! j=0
|x|n+1
= lim R0n (x) ≤ lim sup |R0n (x)| ≤ lim e|x|
= 0.
n→∞
n→∞
(n + 1)!
n→∞
Beispiel 9.7.5.
Sei f (x) := ln(x + 1). (Bemerkung: das Taylorpolynom (bzw. die Taylorreihe) in 0
von f ist das Taylorpolynom (bzw. die Taylorreihe) von ln(x) an der Stelle 1.) Dann
ist
T0n (x) =
n
X
f (j) (0)
j!
j=0
xj =
n
X
(−1)j−1
j=1
j
xj = x −
x2 x3 x4
xn
+
−
+ · · · + (−1)n−1 .
2
3
4
n
Wir wollen zeigen, dass
n
X
xj
ln(x + 1) =
(−1)j−1
j
j=1
x2 x3 x4
=x−
+
−
+ ···
2
3
4
(9.7)
in einer Umgebung von 0.
Dazu sei x > −1. Mit der Lagrange-Fehlerabschätzung folgt,
n!
(n+1)
(ξn )| n+1
(1+ξn )n+1
f (x) − T0n (x) = |f
|x|
=
|x|n+1 ,
|
{z
}
(n + 1)!
(n + 1)!
=R0n (x)
wobei ξn zwischen 0 und x liegt. Deswegen ist ξn > −1 und 1+ξn ≥ 1−|ξn | ≥ 1−|ξ|.
Folglich ist
1
|x|n+1
|R0n (x)| ≤
.
(n + 1) (1 − |x|)n+1
Da aber |x| ≤
1
2
=⇒
|x|
1−|x|
≤ 1 und
lim |R0n (x)|
n→∞
1
1 1
≤ lim
= 0 ∀x ∈ − ,
.
n→∞ n + 1
2 2
Kapitel 9. Differentialrechnung
120
Falls x ∈]0, 1], dann ist ξn > 0 und
|R0n (x)| ≤
|x|n+1
1
≤
.
n+1
n+1
Deshalb gilt die Gleichung (9.7) auch für x ∈] 21 , 1]. Tatsächlich gilt diese Gleichung
auch für x ∈] − 1, − 21 [; dies folgt aber aus einer (anderen) Formel für den Rest.
P
xj
j
Ferner hat die Reihe ∞
j=1 j (−1) Konvergenzradius R = 1. D.h. die Identität
(9.7) ist falsch, wenn x > 1.
9.8. Konvexität
Definition 9.8.1.
Eine Funktion f : I → R heisst konvex, wenn sie die folgende Eigenschaft hat:
∀x1 < x2 ∈ I gilt,
f (x) ≤
x − x1
x2 − x
f (x2 ) +
f (x1 ) =: g(x) ∀x ∈]x1 , x2 [.
x2 − x1
x 2 − x1
(9.8)
f heisst streng konvex, falls “<” in (9.8) gilt. Ferner heisst f konkav (bzw. streng
konkav ), falls “≥” (bzw. “>”) in (9.8) gilt.
Bemerkung 9.8.2.
Im Allgemeinen folgt aus der Konvexität einer Funktion f nicht deren Differenzierbarkeit. Betrachte z.B. die Funktion f (x) = |x| auf R.
Satz 9.8.3.
Sei f : I → R stetig und differenzierbar im Inneren von I. Dann gilt:
f konvex ⇐⇒ f 0 (x1 ) ≤ f 0 (x2 ) ∀x1 < x2
f streng konvex ⇐⇒ f 0 (x1 ) < f 0 (x2 ) ∀x1 < x2 .
Korollar 9.8.4.
Kapitel 9. Differentialrechnung
121
Sei f wie in Satz 9.8.3, aber 2-mal differenzierbar im Inneren von I. Dann gilt:
f 00 ≥ 0 ⇐⇒ f konvex
f 00 > 0 =⇒ f streng konvex.
Beispiel 9.8.5.
Sei f (x) = x4 . Dann ist f ist streng konvex und f 00 (x) = 12x2 . Nun verschwindet
die Ableitung von f an der Stelle x = 0, aber f ist trotzdem streng konvex.
Bemerkung 9.8.6.
Sei f überall differenzierbar und 2-mal differenzierbar in x0 mit f 0 (x0 ) = 0. Dann
gilt:
(i) Falls f 00 (x0 ) > 0 =⇒ x0 ist ein lokales Minimum.
(ii) Falls f 00 (x0 ) < 0 =⇒ x0 ist ein lokales Maximum.
Nehmen wir an, dass f 0 (x0 ) = 0, f 00 (x0 ) > 0. Dann ∃ε > 0, so dass
f 0 (x) > 0 ∀x ∈]x0 − ε, x0 [
und
f 0 (x) < 0 ∀x ∈]x0 , x0 + ε[.
Tatsächlich ist
f 0 (x)
f 0 (x) − f 0 (x0 )
= f 00 (x0 ) =⇒ lim
= f 00 (x0 ) > 0
x→x0 x − x0
x→x0
x − x0
f 0 (x)
=⇒ ∃ε :
> 0 ∀x ∈]x0 − ε, x0 + ε[\ {x0 }
x − x0
(
f 0 (x) > 0 ∀x ∈]x0 , x0 + ε[
=⇒
f 0 (x) < 0 ∀x ∈]x0 − ε, x0 [.
lim
Lemma 9.8.7.
(9.8) ⇐⇒ f (λx1 + (1 − λ)x2 ) ≤ λf (x1 ) + (1 − λ)f (x2 ) ∀x1 < x2 , ∀λ ∈]0, 1[.
Kapitel 9. Differentialrechnung
122
Beweis. Sei x1 < x2 . Es ist
f (x) =
Nun setzen wir λ :=
x − x1
x2 − x
f (x1 ) +
f (x2 ) ∀x ∈]x1 , x2 [ .
x2 − x1
x2 − x1
x2 −x
x2 −x1
(9.9)
und es gilt,
∀x ∈]x1 , x2 [ =⇒ λ =
x2 − x
∈]0, 1[
x2 − x1
∀λ ∈]0, 1[ =⇒ x = λx1 + (1 − λ)x2 ∈]x1 , x2 [
x2 − x
⇐⇒ λ(x2 − x1 ) = x2 − x ⇐⇒ x = λx1 + (1 − λ)x2 .
λ=
x2 − x1
Folglich ist die Abbildung
]0, 1[3 λ 7→ λx1 + (1 − λx2 ) ∈]x1 , x2 [
bijektiv. Wir können also λ statt x in der Identität (9.9) einsetzen. Es ist jedoch
λ=
x2 − x
x2 − x
6 x2 − x1 − 6 x2 + x
x − x1
⇐⇒ 1 − λ = 1 −
=
=
.
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x1
Deswegen ist (9.9) äquivalent zu
f (λx1 + (1 − λ)x2 ) ≤ λf (x1 ) + (1 − λ)f (x2 ) ∀x1 < x2 , ∀λ ∈]0, 1[,
was zu zeigen war.
Lemma 9.8.8.
Ein Funktion f : I → R ist genau dann konvex, wenn für jedes Tripel x1 < x <
x2 ∈ I die folgende Ungleichung gilt:
f (x) − f (x1 )
f (x2 ) − f (x)
≤
.
x − x1
x2 − x
(9.10)
f ist genau dann streng konvex, wenn für jedes Tripel x1 < x < x2 die echte Ungleichung in (9.10) gilt.
Kapitel 9. Differentialrechnung
123
Beweis. Es ist
f (x2 ) − f (x)
f (x) − f (x1 )
≤
x − x1
x2 − x
1
1
f (x1 )
f (x2 )
⇐⇒ f (x)
+
≤
+
x − x1 x2 − x
x − x1 x2 − x
x2 − x
x − x1
x2 − x + x − x1 (x2 − x)(x − x1 )
≤ f (x1 )
+ f (x2 )
⇐⇒ f (x)
(x − x1 )(x2 − x)
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x1
x2 − x
x − x1
⇐⇒ f (x) ≤ f (x1 )
+ f (x2 )
.
x2 − x1
x2 − x1
Beweis von Satz 9.8.3. f konvex =⇒ f 0 wachsend: Es ist
f (x + h) − f (x)
,
h↓0
(x + h) − x
f (y + h) − f (y)
f 0 (y) = lim
.
h↓0
(y + h) − y
f 0 (x) = lim
Wenn h sehr klein ist, gilt x < x + h < y < y + h. In diesem Fall impliziert Lemma
9.8.8 die Ungleichungen
f (y) − f (x + h)
f (y + h) − f (y)
f (x + h) − f (x)
≤
≤
.
(x + h) − x
y − (x + h)
(y + h) − y
Also ist
f 0 (x) = lim
h↓0
f (x + h) − f (x)
f (y + h) − f (y)
≤ lim
= f 0 (y).
h↓0
(x + h) − x
(y + h) − y
f 0 wachsend =⇒ f konvex: Sei x1 < x < x2 . Mit dem Satz von Lagrange folgt,
∃ξ1 ∈]x1 , x[, so dass
f (x) − f (x1 )
= f 0 (ξ1 )
x − x1
und ∃ξ2 ∈]x1 , x[, so dass
f (x2 ) − f (x)
= f 0 (ξ2 ).
x2 − x
NB: Es ist ξ2 > ξ1 . Weil f 0 (ξ2 ) ≥ f 0 (ξ1 ) ist, gilt (9.10). Mit Lemma 9.8.8 folgt dann
Kapitel 9. Differentialrechnung
124
die Konvexität von f . Die zweite Behauptung des Satzes kann analog zur ersten
bewiesen werden.
10. Integralrechnung
Sei f : [x0 , x1 ] = I → R eine nichtnegative stetige Funktion. Das Ziel der Integralrechnung ist, den Inhalt der folgenden Fläche zu berechnen:
G := {(x, y) : x ∈ I und 0 ≤ y ≤ f (x)} .
10.1. Treppenfunktionen
Definition 10.1.1.
Eine Funktion φ : [a, b] → R heisst Treppenfunktion, wenn es eine Zerlegung von
[a, b] gibt, d.h. ∃x0 , x1 , . . . , xn mit a = x0 < x1 < · · · < xn = b, so dass φ auf jedem
Intervall ]xk−1 , xk [ konstant ist.
Definition 10.1.2.
Sei φ eine Treppenfunktion und x0 < x1 < . . . < xn ein Zerlegung wie in der obigen
Definition. Falls ck der Wert von φ auf ]xk−1 , xk [ ist, dann ist das Integral von f auf
dem Intervall [a, b] definiert als
Z
b
f (x)dx :=
a
n
X
(xk − xk−1 )ck .
k=1
Übung 10.1.3.
Rb
Es ist leicht zu sehen (aber sehr wichtig), dass a f (x)dx unabhängig von der Zerlegung und deswegen wohldefiniert ist.
Deshalb definieren wir als nächstes die Verfeinerung einer Zerlegung.
Definition 10.1.4.
Eine Zerlegung des Intervalls [a, b] ist gegeben durch endlich viele Punkte a = x0 <
125
Kapitel 10. Integralrechnung
126
x1 < . . . < xn = b. Eine Zerlegung 0 = y0 < . . . < yN = b heisst Verfeinerung der
Zerlegung a = x0 < x1 < . . . < xn = b, wenn {y1 , . . . , yN } ⊃ {x1 , . . . , xn }.
Lemma 10.1.5.
Sei f eine Treppenfunktion und a = x0 < x1 < . . . < xn = b eine Zerlegung von
I, so dass f auf jedem Intevall ]xk−1 , xk [ einen konstanten Wert αk annimmt. Sei
0 = y0 < y1 < . . . < yN = b eine Verfeinerung dieser Zerlegung. Dann nimmt die
Funktion f einen konstanten Wert βj auf jedem Intervall ]yj−1 , yj [ an. Zudem ist
n
X
αk (xk − xk−1 ) =
N
X
βj (yj − yj−1 ).
j=1
k=1
Beweis. Der Beweis ist einfach und sei deshalb dem/der Leser/in überlassen.
Korollar 10.1.6.
Sei f eine Treppenfunktion und a = x0 < x1 < . . . < xn = b, a = z0 < z1 < . . . <
zm = b zwei Zerlegungen, so dass f |]xk−1 ,xk [ ≡ αk und f |]zj−1 ,zj [ ≡ γj . Dann gilt:
n
X
αk (xk − xk−1 ) =
m
X
γj (zj − zj−1 ).
j=1
k=1
Beweis. Wir konstruieren eine neue Zerlegung: Wir nehmen die Menge {x0 , . . . , xn }∪
{z0 , . . . , zm } und ordnen die entsprechenden Punkte wie folgt: a = y0 < . . . < aN =
b. Diese neue Zerlegung ist eine Verfeinerung von a = x0 < x1 < . . . < xn = b, aber
auch eine Verfeinerung von a = z0 < z1 < . . . < zm = b. Mit Lemma 10.1.5 folgt
dann,
n
X
αk (xk − xk−1 ) =
k=1
N
X
`=1
=
m
X
j=1
Bemerkung 10.1.7.
βj (y` − y`−1 )
γj (zj − zj−1 ).
Kapitel 10. Integralrechnung
127
Manchmal schreiben wir auch kurz
[a, b] bezeichnet).
Rb
a
f,
R
R
f oder
I
I
f (x)dx (wobei I das Intervall
Lemma 10.1.8.
Für Treppenfunktionen φ, ψ und beliebige α, β ∈ R gilt:
(i) αφ + βψ ist eine Treppenfunktion und
Z
b
b
Z
(αφ + βψ)dx = α
Z
ψdx + β
a
a
b
ψdx (Linearität).
a
(ii) |ψ| ist auch eine Treppenfunktion und
Z b
Z b
ψdx ≤
|ψ|dx ≤ (b − a) max |ψ(x)| (Beschränktheit).
x∈[a,b]
a
a
(iii) Falls φ ≤ ψ (d.h. φ(x) ≤ ψ(x) ∀x ∈ [a, b]), dann ist
Z
b
Z
φdx ≤
a
b
ψdx (Monotonie).
a
Beweis. (i) Es gibt eine Zerlegung a = x0 < x1 < · · · < xn = b, so dass φ|]xk ,xk+1 ≡
konstant und eine Zerlegung a = y0 < y1 < · · · < yn = b, so dass φ|]yk ,yk+1 ≡
konstant. Seien a = z0 < z1 < . . . < zN = b, so dass
{x0 , · · · , xn , y0 , · · · ym } = {z0 , z1 , · · · , zN } .
Dann gilt, ∀k ∈ {1, . . . , N } ist
φ|]zk−1 ,zk [ ≡ ck ∈ R
und
ψ|]zk−1 ,zk [ ≡ dk ∈ R.
Folglich ist F := αφ + βψ konstant auf jedem Intervall ]zk−1 , zk [ und das
Kapitel 10. Integralrechnung
128
beweist, dass F eine Treppenfunktion ist. Ferner gilt,
F |]zk−1 ,zn [ = αck + βdk ,
Z b
N
X
φ=
(zk − zk−1 )ck ,
a
b
Z
ψ=
a
k=1
N
X
(zk − zk−1 )dk
k=1
und
Z
b
F =
a
N
X
N
N
X
X
(zk − zk−1 )(αck + βdk ) = α
(zk − zk−1 )ck + β
(zk − zk−1 )ck
k=1
Z
k=1
b
Z
ψ.
φ+β
=α
a
k=1
b
a
(ii) Seien a = x0 < x1 < · · · < xn = b mit φ|]xk−1 ,xk = ck ∈ R. Dann ist
|φ||]xk−1 ,xk = |ck | ∈ R,
d.h. |φ| ist eine Treppenfunktion und
Z b n
Z b
n
X
X
(xk − xk−1 )|ck | =
|φ|.
φ = (xk − xk−1 )cn ≤
a
k=1
k=1
a
(iii) ist eine einfache Folgerung der gleichen Ideen.
10.2. Regelfunktionen
Definition 10.2.1.
Eine Funktion f : [a, b] → R heisst Regelfunktion, falls eine Folge von Treppenfunk-
Kapitel 10. Integralrechnung
129
tionen fn : [a, b] → R existiert, so dass
!
sup |fk (x) − f (x)|
lim
k→∞
= 0.
(10.1)
x∈[a,b]
|
{z
}
:=kfk −f k
Bemerkung 10.2.2.
Die obige Definition ist nicht die übliche, die man in Bücher findet: Normalerweise sagt man, dass eine Funktion f eine Regelfunktion ist, wenn die linksseitigen
und rechtsseitigen Grenzwerte überall existieren. Die obige Definition ist aber eine
Charakterisierung der Regelfunktionen.
Satz 10.2.3.
Sei f eine Regelfunktion und seien (fn ) und (gn ) zwei Folgen von Treppenfunktionen,
die beide (10.1) erfüllen. Dann existieren die Grenzwerte
b
Z
lim
k→∞
Z
gk (x)dx
und
lim
k→∞
a
b
fk (x)dx.
a
Des Weiteren stimmen diese Grenzwerte überein und gehören zu R.
Definition 10.2.4.
Sei f eine Regelfunktion und (fk ) eine Folge von Treppenfunktionen, die (10.1)
erfüllt. Dann existiert das Integral von f auf [a, b] und ist gegeben durch
Z
b
Z
a
k→∞
b
fk (x)dx.
f (x)dx = lim
a
Bemerkung 10.2.5.
Rb
Satz 10.2.3 garantiert, dass das Integral a f wohldefiniert ist. Sei f ≥ 0 eine Treppenfunktion und a = x0 < x1 < . . . < xN = b eine Zerlegung von [a, b], so dass
f |] xk , xk+1 [≡ ck . Es ist leicht zu sehen, dass die Fläche
G := {(x, y) : x ∈ [a, b], 0 ≤ y ≤ f (x)}
Kapitel 10. Integralrechnung
130
aus endlich vielen disjunkten Rechtecken der Form
Rk :=]xk , xk+1 [×[0, ck ]
besteht; genauer enthält die Menge G auch die Segmenten {xk } × [0, f (xk )], aber
dieses Detail spielt in der folgenden Diskussion keine Rolle. Der Inhalt von G ist
leicht zu berechnen:
Inhalt(G) =
N
−1
X
Inhalt(Rk ) =
k=0
N
−1
X
Z
ck (xk − xk−1 ) =
b
f.
a
k=0
Sei nun f eine Regelfunktion und fk eine Folge von Treppenfunktionen, die die
Bedingung (10.1) erfüllt. Dann ist auch die Folge (gk )k∈N := (max{fk , 0})k∈N eine
Folge von Treppenfunktionen mit der Eigenschaft (10.1). Wir können die Menge
Gk := {(x, y) : x ∈ [a, b], 0 ≤ y ≤ fk (x)} als eine gute Approximation der Menge
Rb
G := {(x, y) : x ∈ [a.b], 0 ≤ y ≤ f (x)} betrachten. Also können wir a f als den
Inhalt der Menge G interpretieren. Aber dies ist in unserem Fall nur eine Definition
(eine Alternative wäre eine geeignete “Masstheorie” zu entwickeln: die Gleichung
Rb
Inhalt(G) = a f wäre dann ein Theorem; dies ist aber Teil der Vorlesungen Analysis
II und III.)
Bemerkung 10.2.6.
Es ist leicht zu sehen, dass
R
 b f ≥ 0,
a
R b f = − R b (−f ) ≤ 0,
a
a
Wenn f ≤ 0, können wir also −
[a, b], f (x) ≤ y ≤ 0} interpretieren.
Rb
a
falls f ≥ 0
falls f ≤ 0.
f als den Inhalt von G := {(x, y) : x ∈
Kapitel 10. Integralrechnung
131
Beweis von Satz 10.2.3. Als erstes bemerken wir, dass ∀k, i gilt,
Z b
Z b Z b
≤ (b − a) sup |fk − fi |(x)
(f
−
f
)
f
=
f
−
k
i
i
k
x∈[a,b]
a
a
a
≤ (b − a) sup {|fk − f |(x) + |f − fi |(x)}
x∈[a,b]
!
≤ (b − a)
sup |fk − f |(x) + sup |f − fi |(x)
x∈[a,b]
x∈[a,b]
= (b − a) (kfk − f k + kf − fi k)
Sein nun ε > 0 gegeben. Dann ∃N ∈ N, so dass kf − fj k < ε/(2(b − a)) ∀i ≥ N .
Wenn k, i ≥ N ist, folgt also
Z b
Z b < ε.
f
−
f
k
i
a
D.h. (ak ) :=
R
b
a
a
Z
k→∞
b
fk ∈ R.
fk ist eine Cauchyfolge und somit existiert lim
a
Bemerkung 10.2.7.
Wir bemerken hier eine wichtige Eigenschaft von k · k, die sogenannte Dreiecksungleichung:
(iii) kf + gk ≤ kf k + kgk.
Dies ist leicht zu sehen, denn
kf + gk = |sup f (x)+g(x)| ≤ sup|f (x)|+|g(x)| ≤ sup|f (x)|+sup|g(x)| = kf k+kgk.
x
x
x
x
Die Ungleichung in (iii) ist ähnlich zur uns bereits bekannten Dreiecksungleichung
für den Betrag: |a + b| ≤ |a| + |b|. Es gilt auch
(i) kf k ≥ 0 und kf k = 0 ⇐⇒ f ≡ 0.
(ii) kλf k = |λ|kf k für jede Regelfunktion f und λ ∈ R;
Eine Abbildung k·k : V → [0, +∞[, die die Eigenschaften (i) - (iii) erfüllt, heisst
Norm. Wir werden später sehen, dass Linearkombinationen von Regelfunktionen
Kapitel 10. Integralrechnung
132
wieder Regelfunktionen sind, d.h. die Menge der Regelfunktionen auf einem Intervall
[a, b] bildet einen reellen Vektorraum. Wenn man einen reellen Vektorraum V und
eine Norm hat, dann heisst das Paar (V, k · k) ein normierter Vektorraum.
Zurück zum Beweis: Es gilt,
Z b
Z b
Z b Z b
Z b lim
fk − lim
gk = lim
fk −
gk = lim (fk − gk )
k→∞
k→∞ a
k→∞
k→∞
a
a
a
a
Z b
|fk − gk | ≤ lim sup(b − a)kfk − gk k
≤ lim sup
k→∞
k→∞
a



(iii)
≤ (b − a)  lim kfk − f k + kgk − f k = 0
k→∞
| {z } | {z }
→0
→0
Z b
Z b
fk = lim
gk ,
=⇒ lim
k→∞
a
k→∞
a
damit ist alles bewiesen.
Satz 10.2.8.
Jede stetige Funktion f : [a, b] → R ist eine Regelfunktion.
Beweis. Sei k ∈ N \ {0}, f stetig und [a, b] kompakt. Dann ist f ist gleichmässig
stetig auf [a, b]. Wir wählen ε := k1 in der Definition der gleichmässigen Stetigkeit.
Dann folgt:
1
∃δ > 0 : |x − y| < δ =⇒ |f (x) − f (y)| < .
k
Nun wählen wir die Zerlegung x0 := a, x1 := a + δ, . . ., xN := a + N δ, xN +1 = b,
wobei N = max {k ∈ N : a + kδ < b}.
x
+x
Sei yj := j−12 j (d.h. der Mittelpunkt von I = [xj−1 , xj ]). Wir definieren eine Folge
von Funktionen wie folgt:

f (y ),
j
fk (x) :=
f (y
N +1 ),
falls x ∈ [xj−1 , xj [
falls x = b.
Kapitel 10. Integralrechnung
133
Wir behaupten, dass
kf − fk k = sup|fk (x) − f (x)| <
x∈I
1
.
k
Denn, falls x ∈ I, dann ist x ∈ [xj−1 , xj [ oder x ∈ [xN , xN +1 ]. Also ist |x − yj | ≤
oder |x − yN +1 | ≤ 2δ und es folgt,
|f (x) − fk (x)| = |f (x) − f (yj )| <
1
k
oder |f (x) − fk (x)| = |f (x) − f (yN +1 )| <
δ
2
1
.
k
k→∞
D.h. ∀k ∈ N ist fk eine Treppenfunktion mit kfk − f k −→ 0. Dies zeigt, dass f eine
Regelfunktion ist.
Bemerkung 10.2.9.
Da (fk ) eine Folge von Treppenfunktion ist, gilt,
Z
N
+1
X
b
(xj − xj−1 )f (yj ).
fk =
a
Die Summe
j=1
N
+1
X
(xj − xj−1 )f (yj )
(10.2)
j=1
Rb
konvergiert gegen a f , wenn N → ∞.
Es ist nicht nötig, dass yj der Mittelpunkt des Intervalls [xj−1 , xj ] ist. Die gleiche
Konvergenz erreicht man für beliebige Stellen yj ∈ [xj−1 , xj ]. In diesem Fall heisst
die Summe in (10.2) eine Riemannsche Summe.
Definition 10.2.10.
Eine Funktion f : [a, b] → R heisst stückweise stetig, wenn es eine Zerlegung a =
x0 < x1 < . . . < xn = b von [a, b] gibt, so dass
(i) f auf ]xj−1 , xj [ stetig ist und
(ii) ∀j ∈ {0, 1, . . . , n} existieren die Grenzwerte limx↓xj f (x) ∈ R und limx↑xj f (x) ∈
R.
Kapitel 10. Integralrechnung
134
Korollar 10.2.11.
Jede stückweise stetige Funktion auf [a, b] ist eine Regelfunktion.
Theorem 10.2.12.
Seien f, g : [a, b] → R Regelfunktionen und α, β ∈ R. Dann gelten die folgenden
Eigenschaften:
(i) Linearität: αf + βg ist auch eine Regelfunktion und
Z
b
b
Z
(α + βg) = α
a
Z
f +β
a
b
g.
a
(ii) Beschränktheit:
Z b Z b
≤
f
|f | ≤ |b − a|kf k.
a
a
(iii) Monotonie: Falls f ≤ g, dann ist
Z
b
Z
b
f≤
a
g.
a
(iv) Additivität: ∀c ∈]a, b[ ist
b
Z
Z
f=
a
c
Z
f+
a
b
f.
(10.3)
c
(v) Mittelwertsatz: Falls f stetig ist, ∃ξ[a, b], so dass
Z
b
f = f (ξ)(b − a).
(10.4)
a
Bemerkung 10.2.13.
In der Tat es ist möglich zu beweisen dass es eine Stelle ξ im Inneren von [a, b] gibt
die die Gleichung (10.4), siehe Bemerkung 10.3.4
Beweis. (i) Da f und g Regelfunktionen sind, gibt es Folgen von Treppenfunktiok→∞
k→∞
nen (fk ) und (gk ), so dass kf − fk k −→ 0, kg − gk k −→ 0. Wir wissen, dass
Kapitel 10. Integralrechnung
135
dann auch αfk + βgk eine Treppenfunktion ist und
k→∞
k(αf + βg) − (αfk − βgk )k ≤ |α|kf − fk k + |β|kg − gk k −→ 0.
Des Weiteren ist
Z
a
b
Z b
Z b (αf + βg) = lim
(αfk + βgk ) = lim α
fk + β
gk
k→∞ a
k→∞
a
a
Z b
Z b
Z b
Z b
fk + lim β
gn = α lim
fk + β lim
gk
= lim α
k→∞
k→∞ a
k→∞ a
k→∞
a
a
Z a
Z b
g.
f +β
=α
Z
b
b
a
(ii) Sei (fk ) wie oben. Wegen der Dreiecksungleichung für die Norm k·k ist
−kf − fk k ≤ kf k − kfk k ≤ kf − fk k.
Damit erhalten wir
Z b Z b Z b
|fk | ≤ lim (b − a)kfk k = (b − a)kf k.
fk ≤ lim
f = lim k→∞
k→∞
k→∞
a
a
a
(iii) Seien (fk ) und (gk ) wie oben. Wir definieren f˜k := fk + kf − fk k ( =⇒ f˜k ≥ f )
und g˜k := gk + kg − gk k ( =⇒ g ≥ g˜k ). Damit folgt f˜k ≥ f ≥ g ≥ g˜k und
daher
Z b
Z b
Z b
Z b
g˜k =
g.
f˜k ≥ lim
f = lim
a
k→∞
k→∞
a
a
a
(iv) Sei fk wieder wie oben. Die zu zeigende Identität folgt aus den Identitäten für
die Treppenfunktionen fk , die wir bereits bewiesen haben.
(v) Mit der Monotonie erhalten wir
Z
(b − a) min(f ) ≤
b
f ≤ (b − a) max(f ).
a
Der Zwischenwertsatz für stetige Funktionen impliziert nun die Existenz einer
Kapitel 10. Integralrechnung
136
Stelle ξ ∈ [a, b] mit
1
f (ξ) =
b−a
b
Z
f.
a
10.3. Der Hauptsatz der Differential- und
Integralrechnung
Das Integral kann als eine Art von “Umkehrung” der Ableitung betrachtet werden.
Definition 10.3.1.
Sei f : [a, b] → R eine Regelfunktion. Dann setzen wir
Z
b
f :=
a
 R
− a f,
falls b < a
0,
falls a = b.
b
Theorem 10.3.2 (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung).
Sei f : I → R eine stetige Funktion und a ∈ I beliebig. Wir definieren die Funktion
Rx
F (x) := a f (y)dy. Dann ist F differenzierbar mit F 0 (x) = f (x) ∀x ∈ I. F heisst
eine Stammfunktion von f .
Bemerkung 10.3.3.
Falls F eine Stammfunktion von f ist, folgt dass auch F + c0 eine Stammfunktion
von f ist (d.h. Stammfunktionen sind nicht eindeutig!).
Beweis. Sei x ∈ I. Wir wollen zeigen, dass
F (x + h) − F (x)
.
h→0
h
(10.5)
f (x) = lim
Falls h > 0, dann ist
F (x + h) − F (x)
1
=
h
h
Z
x+h
Z
f (y)dy −
a
x
f (y)dy
a
1
=
h
Z
x+h
f (y)dy.
x
Kapitel 10. Integralrechnung
137
Ferner ist
Z
1 x+h
1
F (x + h) − F (x)
− f (x) =
f (y)dy − hf (x)
h
h x
h
Z x+h
Z
1
1 x+h
=
f (y)dy −
f (x)dy
h x
h x
Z
1 x+h
=
(f (y) − f (x))dy.
h x
Sei nun ε > 0 gegeben. Dann ∃δ > 0, so dass |y − x| < δ =⇒ |f (y) − f (x)| < ε.
Für h < δ gilt dann,
Z x+h
Z
Z
1
1 x+h
1 x+h
(f (y) − f (x))dy ≤
|f (y) − f (x)|dy ≤
εdy = ε
h
h x
h x
x
Z
1 x+h
(f (y) − f (x))dy = 0 =⇒ (10.5).
=⇒ lim
h↓0 h x
Falls h < 0 ist, setzen wir h := −k, wobei k > 0 ist und erhalten,
1
F (x) − F (x − k)
1
(F (x + h) − F (x)) =
(F (x − k) − F (x)) =
h
−k
k
Z x
Z x−k
Z
1
1 x
=
f (y)dy −
f (y)dy =
f (y)dy.
k
k x−k
a
a
Mit einem ähnlichen Argument wie oben folgt,
1
lim
k↓0 k
Z
x
f (y)dy = f (x).
x−k
Bemerkung 10.3.4.
Mit dem Hauptsatz können wir nun leicht beweisen dass es eine Stelle ξ ∈]a, b[ wie
Rx
im Satz 10.2.12(v) gibt. In der Tat sei f : [a, b] → R stetig und F (x) := a f . Die
Funktion F ist dann differenzierbar und wir können den Hauptsatz mit dem Satz
von Lagrange kombinieren: deshalb existiert ξ ∈]a, b[ mit
F (b) − F (a)
= F 0 (ξ) = f (ξ) .
b−a
Kapitel 10. Integralrechnung
138
An der anderen Seite haben wir
1
F (b) − F (a)
=
b−a
b−a
Z
b
f (x) dx .
a
Deshalb erfüllt ξ die Gleichung (10.4).
Bemerkung 10.3.5.
Sei f : [a, b] → R und seien F, G : [a, b] → R zwei Stammfunktionen von f . Dann
gilt,
(F − G)0 = F 0 − G0 = f − f = 0
=⇒
F − G = konstant.
R
Wir werden manchmal die Notation f verwenden, um die Stammfunktionen von
R
f zu bezeichnen. Das bedeutet, dass f keine eindeutig bestimmte Funktion ist: die
“Konstante” ist noch frei wählbar.
Korollar 10.3.6.
Sei f : [a, b] → R eine stetige Funktion und G : [a, b] → R eine Stammfunktion von
f . Dann ist
Z b
b
f (x)dx = G(b) − G(a) =: G .
a
a
Rx
Beweis. Es ist F (x) = a f (y)dy. Wir bemerken, das der Beweis des Hauptsatzes der
Differential- und Integralrechnung die Differenzierbarkeit von F auch an den Stellen
a und b impliziert, wobei (wegen unserer Konvention) F (a) = 0 ist. Deswegen ist F
eine Stammfunktion wie in der Bemerkung 10.3.5. D.h. ∃c ∈ R mit F (x) = G(x) + c
∀x ∈ [a, b]. Also ist
Z
b
f (y)dy = F (b) = F (b) − F (a) = (F (b) − c) − (F (a) − c) = G(b) − G(a).
a
Beispiel 10.3.7.
Sei f (x) = x2 , A := {(x, y) : |x| ≤ 1, x2 ≤ y ≤ 1} und B := {(x, y) : |x| ≤ 1, 0 ≤
y ≤ x2 }. Dann gilt für den Inhalt von A, |A| := Inhalt(A) = 2 − Inhalt(B) =: |B|.
Kapitel 10. Integralrechnung
Nun ist G(x) :=
x3
3
139
eine Stammfunktion von f , weil G0 (x) = x2 = f (x) ist. Also ist
1
x3 1
2
1
f (x)dx =
= .
|B| =
= − −
3 −1 3
3
3
−1
Z
1
Beispiel 10.3.8.
Wir möchten den Inhalt des Einheitskreises K mit Mittelpunkt (0, 0) berechnen. Sei
√
dazu f (x) = 1 − x2 und A := {(x, y) : 0 ≤ x ≤ 1, 0 ≤ y ≤ f (x)}. Dann ist
Z
|K| = 4|A| = 4
1
√
1 − x2 dx.
(10.6)
0
Das Integral in (10.6) ist nicht so einfach zu bestimmen. Wir bemerken, dass die
Ableitung des Arcsinus “fast” f ist:
arcsin0 (x) = √
1
.
1 − x2
Im nächsten Unterkapitel werden wir diese Bemerkung nutzen, um das Integral in
(10.6) zu berechnen. Dafür brauchen wir jedoch ein paar wichtige Integrationstechniken, um die Stammfunktionen von f zu finden.
10.4. Integrationstechniken
Es gibt zwei wichtige Methoden um Integrale zu berechnen:
(1) die Methode der partiellen Integration und
(2) die Substitutionsregel.
Satz 10.4.1 (Partielle Integration).
Seien f, g : [a, b] → R stetig und F, G die entsprechenden Stammfunktionen von f
und g. Dann gilt die Formel
Z
b
F (x)g(x)dx =
a
F G|ba
Z
−
b
f (x)G(x)dx.
a
(10.7)
Kapitel 10. Integralrechnung
140
Beweis. Es ist
Z
(10.7) ⇐⇒
a
b
b
(F (x)g(x) + f (x)G(x))dx = F G .
|
{z
}
a
(10.8)
=:h(x)
Ferner gilt
(F G)0 (x) = F (x)G0 (x) + F 0 (x)G(x) = F (x)g(x) + f (x)G(x),
D.h. F G ist eine Stammfunktion von h. Da h stetig ist, dürfen wir den Hauptsatz
der Differential- und Integralrechnung anwenden und erhalten die rechte Seite der
Gleichung in (10.8).
Beispiel 10.4.2.
Wir berechnen nun das Integral in (10.6). Es ist
Z
1
√
Z
1−
x2 dx
0
=
0
1
√
1 − x2 · 1 dx.
| {z } |{z}
=:F (x)
=:g(x)
Also folgt,
f (x) = F 0 (x) =
− 6 2x
x
√
= −√
,
6 2 1 − x2
1 − x2
und eine Stammfunktion von g(x) = 1 ist G(x) = x. Leider können wir Satz 10.4.1
nicht direkt anwenden, da die Funktion f (x) in x = 1 nicht definiert ist (es ist
limx→1 f (x) = −∞ und deswegen besitzt f keine stetige Fortsetzung auf [0, 1]). Wir
Kapitel 10. Integralrechnung
141
lösen dieses Problem wie folgt,
Z
1
√
1−ε
Z
1−
0
x2 dx
√
1 − x2 dx
1−ε Z 1−ε
√
x2
Satz 10.4.1
2
√
=
lim
1 − x x +
dx
ε↓0
0
1 − x2
0
Z 1−ε
1
√
x2
√
= 1 − x2 x + lim
dx
2
ε↓0 0
0
1
−
x
|
{z
}
=0
Z 1−ε 2
x −1
1
√
= lim
+√
dx
ε↓0 0
x2 − 1
x2 − 1
Z 1−ε √
Z 1−ε
dx
√
= lim
− 1 − x2 dx + lim
ε↓0 0
ε↓0 0
1 − x2
Z 1√
Z 1√
1−ε
1
2
2
=−
1 − x + lim arcsin =−
1 − x + arcsin ε↓0
0
0
Z0 1 √
Z 1√0
π
π
=−
1 − x2 +
−0 =−
1 − x2 + .
2
2
0
0
= lim
ε↓0
0
Folglich ist
Z
1
Z
√
2
1 − x dx = −
0
0
1
√
π
1 − x2 dx +
2
Z
=⇒
2
0
1
√
1 − x2 dx =
π
.
2
D.h. der Inhalt des Einheitskreis mit Mittelpunkt (0, 0) ist π (siehe Beispiel 10.3.8).
Satz 10.4.3 (Substitutionsregel).
Seien f : [a, b] → R und g : f ([a, b]) =: [m, M ] → R zwei stetige Funktionen (wobei
m = min[a,b] f , M = max[a,b] f ). Falls f differenzierbar ist mit stetiger Ableitung f 0 ,
dann gilt die Formel
Z
b
0
Z
f (b)
g(f (x))f (x)dx =
a
g(y)dy.
f (a)
Beweis. Da g stetig ist, existiert eine Stammfunktion G von g (siehe Hauptsatz der
Kapitel 10. Integralrechnung
142
Differential- und Integralrechnung). D.h. es gilt,
Z
b
0
Z
0
G (f (x)f (x)dx =
a
Z
=⇒
a
a
b
b
b
(G(f (x)))0 dx = G ◦ f a
f (b) Z
0
=
g(f (x))f (x)dx = G(f (b)) − G(f (a)) = G
f (a)
f (b)
g(y)dy.
f (a)
Bemerkung 10.4.4.
Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung ist das erste Beispiel einer
Existenzaussage für Differentialgleichungen, d.h. er garantiert die Existenz einer
Lösung für Differentialgleichungen der Form
F0
|{z}
=
Die Unbekannte
f ,
|{z}
bekannt
falls f stetig (bzw. eine Regelfunktion) ist. (Der Hauptsatz der Differential- und
Integralrechnung gilt auch für Regelfunktionen)
10.5. Uneigentliche Integrale
Definition 10.5.1.
Sei I =]a, b[, wobei −∞ ≤ a < b ≤ +∞, d.h. auch I =] − ∞, ∞[= R ist möglich.
Sei f : I → R, so dass ∀a < α < β < b gilt: f |[α,β] ist eine Regelfunktion. Falls c ∈ I
und die folgenden Grenzwerten existieren und reell sind:
Z
Z
f ∈R
lim
β↑b
β
und
c
dann definieren wir
Z
b
Z
Bemerkung 10.5.2.
β↑b
α↓α
c
Z
c
f + lim
f := lim
a
f ∈ R,
lim
β
c
a↓0
α
f.
α
Kapitel 10. Integralrechnung
Rb
Das Integral
a
143
f hängt nicht von c ab: Sei c̃ eine andere Stelle in I. Dann ist
Z
lim
β↑b
b
β
Z
f−
f = lim
β↑b
c̃
c̃
Z
Z
f
Z
c̃
f−
= lim
β↑b
c
c
β
f
c
c
und analog
c̃
Z
lim
Z
c
f = lim
α↓a
f.
f+
α↓a
α
c̃
Z
c
α
Deswegen ist
Z
lim
β↑b
b
Z
c̃
f + lim
c̃
α↓a
β
Z
Z
c̃
Z
f−
f = lim
f + lim
β↑b c
α↓a
c
Z β
Z c
= lim
f + lim
f.
α
c
β↑b
a↓0
c
Z
f+
α
c̃
f
c
α
Definition 10.5.3 (Absolute Integrierbarkeit).
Sei I wie oben. Eine Funktion f : I → R heisst absolut integrierbar, falls
(i) f |[α,β] ∀a < α < β < b eine Regelfunktion ist und
(ii)
Z
b
Z
β
|f | < ∞.
|f | = lim
α↓a,β↑b
a
α
Bemerkung 10.5.4.
Rα
Da α 7→ x0 |f | eine monotone Funktion ist, existiert der Grenzwert
Z
β
|f |
lim
β→b
x0
in jedem Fall. D.h. wenn die Bedingung (i) erfüllt ist, aber (ii) nicht gilt, so setzen
wir
Z b
|f | := +∞.
a
Mit dieser Konvention ist die absolute Integrierbarkeit äquivalent zu (i) zusammen
mit der Forderung
Z b
|f | < ∞.
a
Kapitel 10. Integralrechnung
144
Bemerkung 10.5.5.
Sei f eine Regelfunktion auf [α, β]. Dann ist auch |f | eine Regelfunktion auf [α, β].
D.h. ∀ε > 0, ∃ eine Treppenfunktion g mit kf − gk < ε. Wiederum ist auch |g| eine
Treppenfunktion und k|f | − |g|k < ε. Des Weiteren gilt,
||f |(x) − |g|(x)| ≤ |f (x) − g(x)| =⇒ k|f | − |g|k ≤ kf − gk.
Satz 10.5.6.
Die absolute Integrierbarkeit impliziert die Existenz des uneigentlichen Integrals.
Rb
Beweis. Da a |f | < ∞ ist, gilt für jedes x0 ∈]a, b[,
Z
x0
Z
x0
|f | < ∞
|f | = lim
α↓a
a
b
Z
Z
β
|f | = lim
und
β↑b
x0
α
|f | < ∞.
x0
Wir behaupten, dass
x0
Z
|f | < ∞
lim
α↓a
=⇒
α
und
Z
β↑b
f existiert und ∈ R,
lim
α↓a
β
=⇒
x0
(10.9)
α
β
Z
|f | < ∞
lim
x0
Z
f existiert und ∈ R.
lim
β↑b
(10.10)
x0
Rx
Wir beweisen nur (10.9) ((10.10) folgt dann analog): Sei F (α) := α 0 |f |. Aus der
Existenz von lim F (α) folgt die Cauchy-Eigenschaft, d.h. ∀ε > 0, ∃δ > 0, so dass
α↓a
wenn ã, ā ∈]a, a + δ[, dann ist |F (ã) − F (ā)| < ε. Folglich ist
Z
|F (ã) − F (ā)| = x0
|f | −
ã
Sei nun G(α) :=
R x0
α
x0
Z
ā
Z ā
|f | =
|f | < ε.
ã
f . Für a < ã ≤ ā < a + δ gilt,
Z
|G(ã) − G(ā)| = ã
ā
Z
f ≤
ā
|f | < ε,
ã
d.h. G erfüllt die Cauchy-Bedingung. Also ist lim G(α) ∈ R.
α↓a
Kapitel 10. Integralrechnung
145
Beispiel 10.5.7.
Rb
Es gibt Funktionen f mit a f < +∞, die aber nicht absolut integrierbar sind. Sei
zum Beispiel
f (x) :=

(−1)n n,
falls x ∈
0,
sonst.
1
,1
n+1 n
für n ∈ N \ {0}
Dann ist f :]0, 1] → R und ∀α > 0 ist f |[α,1] offenbar eine Regelfunktion (f |[α,1] ist
sogar eine Treppenfunktion). Sei nun α ∈ N1+2 , N1+1 . Dann gilt,
Z
1
f (x)dx =
N X
1
α
1
−
n n+1
n=1
n
n(−1) + (N + 1)
1
− α (−1)N +1 .
N +1
Beachte, dass:
(i)
N X
1
n=1
(ii)
(−1)n
n=1 n+1
P∞
1
−
n n+1
n(−1)n =
N
X
n=1
1
(−1)n ,
n+1
konvergiert (Kriterium von Leibnitz),
(iii)
0 ≤ (N + 1)
1
−α
N +1
≤ (N + 1)
1
1
−
N +1 N +2
=
1 N →∞
−→ 0.
N +2
1
Z
Somit existiert lim
f . Aber es ist
α↓0
α
Z
1
|f (x)|dx =
α
N X
1
n=1
1
−
n n+1
n=
N
X
n=1
1
n+1
P 1
und
divergiert (harmonische Reihe)! Also ist f integrierbar, aber nicht absolut
n+1
integrierbar.
Kapitel 10. Integralrechnung
146
Korollar 10.5.8 (Majorantenkriterium).
Sei f : I → R eine Funktion mit den folgenden Eigenschaften:
(i) ∀α < β ∈ I ist f |[α,β] eine Regelfunktion,
(ii) ∃g integrierbar auf I mit |f | ≤ g.
Dann ist f absolut integrierbar.
Bemerkung 10.5.9.
Korollar 10.5.8 ist sehr nützlich, um die Integrierbarkeit von Funktionen zu beweisen.
Beispiel 10.5.10.
Wir möchten zeigen, dass das folgende (uneigentliche) Integral endlich ist:
∞
Z
2
e−x dx.
−∞
2
2
Auf [1, +∞[ ist e−x ≤ xe−x und daher
Z
+∞
xe
1
−x2
R
1 −x2
xe dx = lim − e
R→∞
2
1
x=1
!
1
1 −1 1 −R
e − |{z}
e
= .
2
2
2e
Z
dx = lim
R→∞
= lim
R→∞
2
R
−x2
→0
2
Analog benutzt man, dass e−x ≤ −xe−x für x ∈] − ∞, −1].
Ry
2
In diesem Fall kann man nicht “direkt” eine Stammfunktion F (y) = 0 e−x dx angeben. Es ist bekannt, dass die Funktion F keine “elementare Funktion ist” (d.h. F
kann nicht als Verkettung von bekannten Funktionen geschrieben werden, d.h. nicht
mittels Verkettung von Polynomen, Exponential-, Logarithmus- oder trigonometrischen Funktionen).
Korollar 10.5.8 kann auch benutzt werden, um die Konvergenz von Reihen zu
beweisen, wie das folgende Korollar zeigt.
Korollar 10.5.11 (“Integralkriterium” für Reihen).
Kapitel 10. Integralrechnung
P∞
Sei
n=0
147
an eine Reihe. Wir definieren eine Funktion f : [0, +∞] durch

a ,
n
f (x) :=
0,
falls x ∈ [n, n + 1[, n ∈ N
sonst.
Dann gilt:
+∞
Z
f
⇐⇒
existiert
0
∞
X
an konvergiert,
n=0
und
∞
X
⇐⇒
f ist absolut integrierbar
an konvergiert absolut.
n=0
Beweis. “⇐=”: Es ist
Z
R
N
Z
f=
0
R
Z
f+
0
f,
N
wobei N := bRc := max{n ∈ N : n ≤ R} und
Z
N
f=
0
Da
P
N
−1
X
n=0
N →∞
an −→
∞
X
an < ∞.
n=0
an konvergiert, ist an eine Nullfolge. D.h.
R
Z
N
R N +1
“ =⇒ ”: Es ist
P
genz von
an .
0
f=
R→∞
f = |(R − N )aN | ≤ |aN | =⇒ 0.
Z
P∞
N +1
n=0 an , und da lim
N →∞
f existiert, folgt die Konver0
Beispiel 10.5.12.
Wir möchten zeigen, dass
X
n≥2
1
< ∞.
n(ln n)2
Wir werden Korollar 10.5.11 zwischen 3 und ∞ statt zwischen 0 und ∞ anwenden.
Sei f (x) = n(ln1n)2 , falls x ∈ [n, n + 1[ (n ≥ 3) und g(x) = x(ln1x)2 . Wir halten fest,
Kapitel 10. Integralrechnung
148
dass ln x > 0 ∀x > 1. Falls also x ∈ [n, n + 1[ mit n ≥ 3, gilt n > x − 1 und somit
ln n > ln(x − 1) ≥ ln(n − 1) ≥ ln 2 > 0
1
1
=⇒ f (x) =
<
= g(x − 1).
2
n(ln n)
(x − 1)(ln(x − 1))2
Zudem ist
+∞
Z
+∞
Z
+∞
1
dx
x(ln x)2
2
2
R
Z R
1
1
dx = lim −
= lim
R→∞
R→∞ 2 x(ln x)2
ln x x=2
1
1
1
=
− lim
.
=
ln 2 R→∞
| {zln R} ln 2
g(x − 1)dx =
3
Z
g(x)dx =
=0
Also folgt,
X
n≥2
X
1
1
1
1
1
=
+
≤
+
< +∞.
2
2
2
2
n(ln n)
2(ln 2)
n(ln n)
2(ln 2)
ln 2
n≥3
10.6. Integration einer Potenzreihe
Zur Erinnerung: Wir haben den folgenden Satz bewiesen:
Satz 10.6.1.
P
P
Ist
fn =
an xn eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0, so konvergiert
P
fn normal auf jedem Intervall [−ρ, ρ], wobei 0 < ρ < R.
Zunächst beweisen wir den nächsten Satz. Als Korollar erhalten wir dann eine
entsprechende Potenzreihendarstellung für das Integral einer Potenzreihe.
Satz 10.6.2.
P
Ist f =
fn eine Reihe von Regelfunktionen auf [a, b], welche auf [a, b] normal
konvergiert, so ist f selber eine Regelfunktion auf [a, b] und es gilt:
Z
b
f=
a
XZ
a
b
fn .
(10.11)
Kapitel 10. Integralrechnung
149
Beweis. Sei ε > 0 gegeben. Wir wählen ein N ∈ N, so dass
∞
X
kfn k <
n=N +1
ε
2
sowie eine Folge von Treppenfunktionen (gn ), so dass
kfn − gn k <
Dann ist g :=
PN
n=0
ε
2n+1
∀n ∈ {0, . . . , N } .
gn auch eine Treppenfunktion und es gilt,
n
N
X
X
fk (x) −
gk (x)
|f (x) − g(x)| = lim n→∞ k=0
≤
N
X
k=0
|fk (x) − gk (x)| + lim
n→∞
k=0
≤
N
X
kfk − gk k +
n=0
<
N
X
k=0
n
X
∞
X
|fk (x)|
k=N +1
kfk k
k=N +1
∞
−k−1
ε2
ε X −k−1 ε
ε ε
+ <
2
+ = + = ε.
2 k=0
2
2 2
Daraus folgt, dass f eine Regelfunktion ist. Somit gilt auch
Z
Z
X
N Z b
N Z b
b
b
X
(f
−
g
)
f
≤
(f
−
g)
+
f
−
n
n
n a
a
n=0 a
n=0 a
ε
< (b − a)ε + (b − a)
2
und
Z b ∞ Z b
N Z b
k
k
X
X
X
X
fn −
fn = lim fn ≤ lim
(b − a)kfn k
n=0 a
k→∞ k→∞
a
n=0 a
n=N +1
n=N +1
ε
< (b − a) .
2
Kapitel 10. Integralrechnung
150
Folglich ist
Z
∞ Z b
b
X
f−
fn < 2ε(b − a).
a
a
n=0
Da ε beliebig war, folgt die Behauptung.
Korollar 10.6.3.
P
Sei f (x) = ∞
an xn eine analytische Funktion mit Konvergenzradius R > 0. Dann
R xn=0
ist F (x) = 0 f (y)dy ebenfalls analytisch und die Potenzreihe ist gegeben durch
∞
X
an n+1
F (x) =
x
n+1
n=0
(10.12)
mit Konvergenzradius R.
Beweis. Gleichung (10.12) für |x| < R ist ein Korollar von Satz 10.6.1 und Satz
10.6.2. Der Konvergenzradius der Reihe in (10.12) ist gegeben durch
R0 =
1
lim supn→+∞
p
n
an
n+1
1
=
Beispiel 10.6.4.
Wir betrachten
lim supn→+∞
x
Z
ln(1 + x) =
0
= R.
√
n a
n
dy
.
1+y
Für |x| < 1 ist
∞
X
1
=
(−1)n xn
1 + x n=0
und somit gilt
ln(1 + x) =
∞
X
(−1)n
n=0
n+1
xn+1 .
(10.13)
Wir haben diese Formel bereits für x ∈]− 21 , 1] bewiesen. Dank Korollar 10.6.3 können
wir nun diese Identität auf ] − 1, − 12 ] erweitern. Der Bereich I =] − 1, 1] ist aber auch
die optimale Menge: ausserhalb dieses Intervalls konvergiert die Potenzreihe auf der
rechten Seite in (10.13) nicht.
Kapitel 10. Integralrechnung
151
Beispiel 10.6.5.
Es ist
Z
x
1
dy
1 + y2
arctan(x) =
0
und
∞
X
1
=
(−1)n x2n
1 + x2
n=0
∀x ∈] − 1, 1[.
(10.14)
Damit erhalten wir die Potenzreihe für den Arcustangens:
arctan(x) =
∞
X
(−1)n 2n+1
x
2n
+
1
n=0
∀x ∈] − 1, 1[ .
(10.15)
Hier sehen wir ein interessantes Phänomen: die Reihe in (10.14) konvergiert nicht
für x = ±1. Aber die Reihe (10.15) konvergiert auch für x = ±1. Eine natürliche
Frage ist, ob die Identität (10.15) auf dem ganzen Intervall [−1, 1] wahr ist. Die
Antwort ist “ja”, siege Beispiel 10.7.2 unten. Als Korollar erhalten wir die berühmte
Leibnitz-Formel:
∞
X (−1)n
1 1 1
π
= arctan 1 =
= 1 − + − + ....
4
2n + 1
3 5 7
n=0
(10.16)
10.7. Integralformel für den Rest der
Taylorenwicklung
Mit der Integralrechnung können wir eine alternative Formel für den Rest der Taylorentwicklung geben, die oft eine bessere Abschätzung als die von Lagrange gibt
(siehe Satz 9.7.2).
Satz 10.7.1.
Sei f : [a, b] → R n + 1 Mal differenzierbar und f (n+1) stetig. Dann für alle x0 , x ∈
[a, b] gilt
f (x) =
n
X
f (k) (x0 )
k=0
k!
1
(x − x0 ) +
n!
k
Z
x
x0
(x − t)n f (n+1) (t) dt .
(10.17)
Kapitel 10. Integralrechnung
152
Beweis. Für n = 0 ist die Identität (10.17) eine alternative Formulierung des Fundamentalsatzes der Integralrechnung, d.h.
Z
x
f (x) = f (x0 ) +
f 0 (t) dt .
x0
Also nehmen wir an dass n > 0. Wir definieren die Funktion
g(t) := f (t) −
n
X
f (k) (x0 )
k!
k=0
(t − x0 )k .
g is n + 1 Mal differenzierbar und g (n+1) (t) = f (n+1) (t). Ausserdem, g(x0 ) = g 0 (x0 ) =
. . . = g (n) (x0 ) = 0. Der Fundamentalsatz der Integralrechung gibt
Z
x
Z
0
g(x) = g(x0 ) +
x
g (t) dt =
x0
g 0 (t) .
x0
Mittels einer partiellen Integration schreiben wir auch
Z x
Z x
x
00
g(x) = g (t)(t − x) −
(t − x)g (t) dt =
(x − t)g 00 (t) dt ,
0
x0
x0
x0
wo wir g 0 (x0 ) = 0 benutzt haben. Wenn n = 1, dann sind wir fertig, weil g 00 (t) =
f 00 (t). Sonst g 00 (x0 ) = 0 und wir können noch ein Mal partiell integrieren um die
folgende Identität zu schliessen:
1
g(x) =
2
Z
(x − t)2 g (3) (t) dt .
x0
Wenn n = 2 dann sind wir fertig. Sonst können noch n − 2 Mal die gleiche Idee
anwenden und schliesslich kriegen wir
1
g(x) =
n!
Z
x
n (n+1)
(x − t) g
x0
1
(t) dt =
n!
Z
x
(x − t)n f (n+1) (t) dt .
x0
Beispiel 10.7.2.
Wir nutzen nur die Ingteralformel um zu zeigen dass die Identität (10.15) auch in
Kapitel 10. Integralrechnung
153
x = 1 gilt, d.h. (10.16). Wir rechnen zuerst
Z 1
n
n
X
X
1
(−1)k
k 2k
=
arctan 1 −
−
dx
(−1)
x
2
2k
+
1
1
+
x
0
k=0
k=0
{z
}
|
(10.18)
g(x)
Dann führen wir die Funktion
h(x) =
1
1+x
ein und erknennen wir dass
R(y) = h(y) −
n
X
(−1)k y k
k=0
der Rest der Taylorentwicklung ist und dass g(x) = R(x2 ).
Die Integralformel impliziert dann
1
R(y) =
n!
Z
y
(y − t)n h(n+1) (t) dt .
0
(n+1)!
n
Wir rechnen hn+1 (t) = (−1)n+1 (1+t)
n+2 . Ausserdem, wenn y ≥ 0 haben wir (y−t) ≤
y n für alle t ∈ [0, y]. Deswegen
Z
|R(y)| ≤ (n + 1)
0
y
1
1
n
dt ≤ y 1 −
y
≤ yn
(1 + t)n+2
(1 + y)n+1
n
und |g(x)| = |R(x2 )| ≤ x2n .
Aus (10.18) schliessen wir dann
Z
Z 1
n
1
k X
(−1) 1
|g(x)| dx ≤
x2n dx =
.
≤
arctan 1 −
2k + 1 2n + 1
0
0
k=0
Für n ↑ ∞ haben wir dann
∞
X (−1)k
π
= arctan 1 =
.
4
2k + 1
k=0
A. Die Konstruktion der reellen
Zahlen
In diesem Kapitel werden wir einen Beweis der Existenz der reellen Zahlen geben.
Satz A.0.1.
Es gibt einen geordneten Körper K der
i) die Supremums-Eigenschaft hat;
ii) Q als geordnete Unterkörper enthält;
iii) das Axiom von Archimedes erfüllt.
K ist ein geordneter Köper falls
• K ein Köper ist, d.h. es gibt zwei Operationen +, · die die Axiomen (K1)–(K4)
im Kapitel 2.1 erfüllen;
• Es gibt eine Ordnungsrelation > die die Eigenschaften (A1) und (A2) im Kapitel 2.2 besitzt.
Q ist ein geordneter Unterkörper von K wenn:
• Q eine Teilmenge von K ist;
• die Operationen +, · und die Ordnungsrelation > eingeschränkt auf Q mit den
üblichen Operationen und der üblichen Relation übereinstimmen.
Das Axiom von Archimedes ist das Axiom (A3) im Kapitel 2.2, d.h.
(A3) ∀x ∈ K ∃n ∈ N mit x < n.
154
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
155
Schliesslich die Supremumseigenschaft ist die folgende:
(S) jede nach oben beschränkte nichtleere Teilmenge A ⊂ K besitzt das Supremum, d.h. die kleinste obere Schranke von Z existiert.
Die Supremumseigenschaft ist äquivalent zum Vollständigkeitsaxiom 2.3.4 (oder
Intervallschachtelungsprinzip). Mit dem Satz 2.4.6 haben wir schon gesehen, dass
das Axiom 2.3.4 die Supremumseigenschaft impliziert. Wir werden nun sehen, dass
das Intervallschachtelungsprinzip aus der Supremumseigenschaft folgt.
Satz A.0.2.
Ein Körper K wie im Satz A.0.1 erfüllt das Intervallschachtelungsprinzip.
Beweis. Sei I0 ⊃ I1 ⊃ I2 ⊃ . . . eine Intervallschachtelung, wobei In = [an , bn ]. Das
Ziel ist es, ein Element x ∈ K zu finden das zu jedem Intervall Ij gehört.
Zuerst bemerken wir dass
a0 ≤ a1 ≤ a2 ≤ . . . ≤ an ≤ . . .
b0 ≥ b1 ≥ b2 ≥ . . . ≥ bn ≥ . . . .
Da aj ≤ bj ∀j ∈ N, ist jedes bj eine obere Schranke für die Menge A = {ai : i ∈ N}.
Wegen der Supremumseigenschaft besitzt A das Supremum, das wir x nennen. x ist
eine obere Schranke für A und deshalb
aj ≤ x
∀j ∈ N .
(A.1)
Aber S ist auch die kleinste obere Schranke, daher
x ≤ bj
Aus (A.1) und (A.2) folgt x ∈ Ij ∀j ∈ N.
∀j ∈ N .
(A.2)
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
156
A.1. Beweis des Satzes A.0.1: Teil I, die
Dedekindschen Schnitte
In diesem Beweis konstruieren wir eine Menge K die die Eigenschaften i), ii) und iii)
des Satzes A.0.1 besitzt. Die Menge K besteht aus den sogenannten Dedekindschen
Schnitten von Q.
Definition A.1.1.
Eine Teilmenge α ⊂ Q heisst Schnitt falls
(i) α 6= ∅ und α 6= Q;
(ii) ∀p ∈ α und ∀q ∈ Q mit q < p, gilt q ∈ α;
(iii) ∀p ∈ α ∃r ∈ α mit p < r (also α besitzt kein Maximum).
Also, unsere Definition von K lautet
K := {α ⊂ Q : α ist ein Schnitt} .
Falls q ∈ Q, setzen wir
[q] := {p < q : p ∈ Q} .
Also ist [q] ein Schnitt von Q. Falls q 6= q 0 ∈ Q, dann sind [q] 6= [q 0 ]. Deshalb können
wir die Teilmenge {[q] : q ∈ Q} ⊂ K als eine “Kopie” von Q in K auffassen und, in
diesem Sinne, betrachten wir Q selber als eine Teilmenge von K.
A.2. Teil II: die Anordnung
Wir definiere nur eine Anordnung < auf K wie folgt. α < β falls α ⊂ β und α 6= β.
Zuerst kontrollieren wir, dass diese Relation wirklich eine Anordnung ist:
a) Sei α 6= β. Falls α eine Teilmenge von β ist, dann α < β. Sonst gibt es
mindestens ein Element q ∈ α mit q 6∈ β. Das impliziert, dass r ≤ q für jedes
r ∈ β, weil sonst aus der Definition A.1.1(ii) folgt q ∈ β. Aber wenn r ≤ q
∀r ∈ β, dann, nochmals aus der Definition A.1.1(ii), schliessen wir β ⊂ α, d.h.
β < α.
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
157
b) Falls α < β < γ, dann α ⊂ β ⊂ γ und α 6= β 6= γ. Also α ⊂ γ aber auch
α 6= γ, d.h. α < γ.
Es ist auch klar dass diese Anordnung, eingeschränkt auf Q, die alte Anordnung von
Q gibt: in der Tat [q] ⊂ [q 0 ] genau dann wenn q ≤ q 0 .
A.3. Teill III: das Axiom von Archimedes
Sei q ∈ Q und schreiben wir q =
m
n
mit m ∈ N und n ∈ Z \ {0}. Also q ≤ m. D.h.
∀q ∈ Q ∃m ∈ N mit q ≤ m.
(A.3)
Sei α ∈ K. Dann aus der Definition A.1.1(i) folgt die Existenz einer Zahl q ∈ Q \ α.
Daher, p < q ∀q ∈ α, d.h. α ⊂ q. Aber aus (A.3) folgt auch α ⊂ [m]. Da q 6∈ α,
[m] 6= α. Deshalb α < [m]. Also für jedes Element α ∈ K haben wir eine Zahl m ∈ N
mit α < [m] gefunden und das beweist das Axiom von Archimedes.
A.4. Teil IV: die Supremumseigenschaft
Sei nun A ⊂ K eine nichleere Teilmenge, die nach oben beschränkt ist. Also, A
ist eine Menge deren Elemente einige Schnitte sind, und die eine obere Schranke ω
besitzt. Das bedeutet:
α⊂ω
∀α ∈ A .
Wir bezeichnen mit γ die Teilmenge von Q die die Vereinigung aller Elementen
α ∈ A ist:
[
γ=
α.
α∈A
Da A nichtleer ist, enthält γ mindestens ein Element. Ausserdem, γ ⊂ ω, und da ω
ein Schnitt ist, ω 6= Q. Also auch γ 6= Q. Deshalb erfüllt γ die Bedingung (i) der
Definition A.1.1. Sei nun p ∈ γ. Also gehört p zu einem Element α von A. Falls
q ∈ Q und q < p, dann q ∈ α, weil α ein Schnitt ist. Aber dann gehört q auch zu γ,
weil α ⊂ γ. Also, γ erfüllt die Bedindung (ii) der Definition A.1.1. Ausserdem, da α
ein Schnitt ist, gibt es auch ein Element r ∈ α mit r > p und nochmals haben wir
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
158
r ∈ γ. Also, γ erfüllt auch die dritte Bedingung der Definition A.1.1. Daraus folgt,
dass γ ein Schnitt ist.
Da α ⊂ γ ∀α ∈ A, ist γ eine obere Schranke von A. Sei nun γ 0 irgendeine andere
obere Schranke von A. Dann α ⊂ γ 0 für jede α ∈ A. Deshalb sind alle Elementen von
γ auch in γ 0 enthalten. Wir schliessen γ < γ 0 . Da γ 0 eine beliebige obere Schranke
anders als γ war, schliessen wir dass γ die kleinste obere Schranke ist, d.h. das
Supremum von A.
Wir haben bewiesen dass jede nach oben beschränkte nichleere Menge A ⊂ K das
Supremum in K besitzt: dies ist aber die Behauptung der Supremumseigenschaft.
A.5. Teil V: die Summe
Definition A.5.1.
Falls α, β ∈ K definieren wir die Summe als
α + β = {p + q : p ∈ α, q ∈ β} .
(A.4)
Es ist ganz klar dass α + β ein Schnitt ist:
i) α + β ist sicher nicht leer. Da α 6= Q und β 6= Q, ∃p, p0 ∈ Q sodass
q<p
∀q ∈ α
q < p0
∀q ∈ β .
Deshalb p + p0 > r ∀r ∈ α + β und so p + p0 6∈ α + β. Das beweist dass
α + β 6= Q.
ii) Sei p ∈ α + β. Es gibt dann r ∈ α und r0 ∈ β mit r + r0 = p. Wenn q ∈ Q eine
rationale Zahl kleiner als p ist, dann haben wir r00 := r0 − (p − q) ∈ β, weill
r00 < r0 . Also ist r + r00 = q ein Element von α + β.
iii) Schliesslich, seien p, r und r0 wie in ii) oben. Es gibt dann s ∈ α und s0 ∈ β
mit s > q und s0 > q 0 . Deshalb gehört t = s + s0 zu α + β und ist grösser als p.
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
159
Die Summe ist dann eine wohldefinierte Operation auf Q. Ausserdem, es ist klar
dass
• die Summe kommutativ ist;
• die Summe assoziativ ist;
• α + [0] = α ∀α ∈ K, also [0] ist das neutrale Element der Summe.
Für jedes α definieren wir nun
− α = {q : ∃p 6∈ α mit q < −p} .
(A.5)
Die Menge −α ist ebenfalls ein Schnitt:
i) Sie ist nicht leer. Um zu zeigen, dass −α eine echte Teilmenge von Q ist,
bemerken wir zuerst, dass α mindestens eine negative Zahl enthält. Sei −q
irgendeine solche Zahl, die zu α gehört. Dann ist q sicher kein Element von
−α, weil für jedes p 6∈ α haben wir −q < p und also q > −p.
ii) Wenn q ∈ −α und q 0 ∈ Q eine kleinere Zahl ist, dann gibt es ein p 6∈ α mit
q 0 < q < −p, also gehört auch q 0 zu −α.
iii) Wenn q ∈ −α, sei nochmals p 6∈ α mit q < p0 . Dann gibt es r ∈ Q mit
q < r < p0 und deswegen r ∈ −α.
Schliesslich, behaupten wir dass α + (−α) = [0]. In der Tat:
a) α + (−α) enthält keine positive Zahl r. Tatsächlich, sei q ∈ α. Dann für jedes
p 6∈ α haben wir q < p und also −q > −p, d.h. −q 6∈ −α.
b) Sei nun r ∈ Q irgendeine negative Zahl und setzwen wir v = − 2r . Sei q 0 ∈ Q \ α
und q irgendeine positive rationale Zahl grösser als q 0 . Wenn n ∈ N grösser
als q/v ist, dann haben wir nv > q > q 0 und somit mv 6∈ α. Ausserdem,
enthält α sicher eine negative Zahl −q und wenn n ∈ N kleiner als −q/v ist,
dann gehört nv zu α. Sei deshalb n0 ∈ Z mit n0 v ∈ α. Die Menge A = {n ∈
Z : n ≥ n0 und nv ∈ α} ist eine endliche nichleere Menge und besitzt das
Maximum, das wir m nennen. Dann haben wir mv ∈ α und (m + 1)v 6∈ α.
Deshalb −(m + 2)v ∈ −α und dann r = −2v = mv + (−(m + 2)v) ∈ α + (−α).
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
160
Wir haben bewiesen, dass jede negative Zahl zu α + (−α) gehört, aber auch, dass
jedes Element von α + (−α) negativ ist. Also ist unbedingt α + (−α) = [0].
Aus der Definition ist es auch klar dass −α < [0] wenn α > [0] und dass −(−α) =
α.
A.6. Teil VI: das Produkt
Die Definition des Produktes ist ein wenig aufwendiger als die Definition der Summe.
Definition A.6.1.
Seien α, β ∈ K. Wenn α > [0] und β > [0], dann definieren wir das Produkt als
αβ = {q : ∃r ∈ α, s ∈ β
mit r, s ≥ 0 und q ≤ rs} .
(A.6)
Wenn α = [0] oder β = [0], dann definieren wir αβ = [0]. Wenn α < [0] und
β > [0], dann definieren wir αβ = −((−α)β). Wenn α > [0] und β < [0], dann
setzen wir αβ = −(α(−β)) und schliesslich, wenn α < [0] und β < [0], definieren
wir αβ = (−α)(−β).
Die folgenden Behauptungen sind leicht zu verifizieren mit ähnlichen Argumenten
wie im Teil V:
• αβ ist immer ein Schnitt;
• · ist assoziativ;
• · ist kommutativ;
• [1] · α = α.
Um das Inverse zu definieren, nehmen wir zuerst an, dass α > 0. Wir setzen dann
1
=
α
1
p : ∃q 6∈ α mit p <
.
q
Für α < [0] setzten wir
1
1
=−
.
α
(−α)
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
161
Die Identität
1
= [1]
α
folgt aus einem Argument ähnlich zu dem vom Teil V für die Identität α+(−α) = [0].
α·
A.7. Teil VII: das Distributivgesetz
Wir behaupten, dass
α(β + γ) = αβ + αγ
∀α, β, γ ∈ K .
(A.7)
Wir betrachten den Fall wo alle Elemente positiv sind: der Fall, wo ein Element null
ist, ist einfacher und der Fall, wo einige Zahlen positiv und einige negativ sind, folgt
aus dem Fall wo alle positiv sind.
Zuerst bemerken wir, dass β + γ auch positiv ist, weil es sicher einige positive
Elemente enthält. Deshalb gehört s ∈ Q zu α(β + γ) genau dann wenn s < ar für
a ∈ α und r ∈ β + γ mit a, r > 0. Ausserdem, r ∈ β + γ wenn es b0 ∈ β und
c0 ∈ γ gibt mit b0 + c0 = r. Wenn wir b ∈ β und c ∈ γ positiv und grosser als b0 ,
beziehungsweise c0 , wählen, dann s < a(b + c). Also schliessen wir
α(β + γ) = {s : ∃a ∈ α, b ∈ β, c ∈ γ
mit a, b, c > 0 und s < a(b + c)} .
(A.8)
Nun sei s ∈ αβ + αγ. Dann ∃r ∈ αβ und t ∈ αγ mit s = r + t. Wegen der
Definition von αβ, gibt es a0 ∈ α und b ∈ β beide positiv mit s < a0 b; ähnlicherweise
gibt es a00 ∈ α und c ∈ γ beide positiv mit t < a00 c. Sei nun a = max{a0 , a00 }. Dann
ist a positiv, gehört zu α und s < ab + ac. An der anderen Seite, wenn a ∈ α,
b ∈ β und c ∈ γ alle positiv sind, gehört ab zu αβ und ac zu αγ. Deshalb haben wir
ab + ac ∈ αβ + αγ. Also gehört es jede s ∈ Q kleiner als ab + ac gehört zu α(β + γ).
Schliesslich,
αβ + αγ = {s : ∃a ∈ α, b ∈ β, c ∈ γ
mit a, b, c > 0 und s < a(b + c)} .
Aus (A.9) und (A.8) folgt dann α(β + γ) = αβ + αγ.
(A.9)
Anhang A. Die Konstruktion der reellen Zahlen
162
A.8. Teil VIII: die Anordnungsaxiomen
Es ist ganz klar, dass wenn α ⊂ β, dann α + γ ⊂ β + γ. In der Tat, falls r ∈ α + γ,
müssen wir zeigen dass r ∈ β + γ. Wir haben aber, dass es a ∈ α und c ∈ γ gibt mit
a + b = c. Da a aber auch zu β gehört, folgt sofort, dass r = a + c ∈ β + γ.
Wenn α und β beide positiv sind, dann besitzen beide mindestens ein positiv
zu αβ. Also ist
Element. Sei dann a ∈ α und b ∈ β mit a, b > 0. Dann gehört ab
2
auch αβ positiv.
A.9. Teil IX: Q als geordneter Unterkörper
Wir haben schon bemerkt dass [q + r] = [q] + [r] wenn q, r ∈ Q. Auch für die
Anordnung ist es klar, dass [q] ⊂ [r] genau dann wenn q ≤ r. Also bleibt nur
zu zeigen, dass [qr] = [q][r]. Wenn q oder r null ist, dann folgt die Identität aus
der Definition des Produktes. Seien nun q und r beide positiv. Falls s ∈ [qr] dann
s < qr. Nehmen wir an dass s positiv ist: dann s/q ∈ [r]. Sei nun r0 eine rationale
Zahl grosser als s/q und kleiner als r. Dann q 0 := s/r0 ist sicher kleiner als q und es
gibt eine rationale Zahl q 00 grosser als q 0 aber kleiner als q. Dann haben wir s < q 00 r0
und deshalb s ∈ [q][r]. Wir schliessen, dass alle positive rationale Zahlen kleiner als
qr in [q][r] enthalten sind: deswegen haben wir [qr] ⊂ [q][r]. An der anderen Seite,
wenn s ∈ [qr] dann gibt es zwei positive Zahlen q 0 ∈ [q] und r0 ∈ [r] mit s < q 0 r0 . Da
q 0 r0 < qr schliessen wir s ∈ [qr]. Deswegen haben wir auch [q][r] ⊂ [qr].
Wir wollen nun die Identität [qr] = [q][r] zeigen, wenn ein der Elementen negativ
ist. Aus der Definition des Produktes genügt es, die Identität [−q] = −[q] für alle
q ∈ Q zu zeigen. Diese ist aber einfach, da
−[q] = {p ∈ Q : ∃r ∈ Q \ [q] mit p < −r}
= {p ∈ Q : ∃r ≥ q
mit p < −r}
= {p ∈ Q : p < −q} = [−q] .
Index
n-te Ableitung
einer Funktion, 115
Archimedisches Axiom, 15
Asymptote, 75
Axiom
von Archimedes, 15
Abbildung, 29
abgeschlossenes Intervall, 17
Ableitung, 95
n-te, 115
einer Potenzreihe, 111
Ableitungsoperator, 167
absolut
integrierbar, 142
absolut konvergente Reihe, 55
Absolutbetrag
einer Funktion, 30
einer komplexen Zahl, 27
abzählbare Menge, 23
Abzählbarkeit
einer Menge, 23
Additionstheoreme, 89
affine Funktion, 95
algebraische Operation, 30
alternierende Reihe, 53
analytische Funktion, 116
Anfangswertproblem, 156
Anordnungsaxiome, 14
beliebig oft differenzierbar, 115
Bernoullische Differentialgleichung, 160
Bernoullische Ungleichung, 15
beschränkte
Folge, 40
Betrag
einer Funktion, 30
einer komplexen Zahl, 27
Bijektion, 22, 31
bijektive Abbildung, 22
bijektive Funktion, 31
Bild einer Menge unter einer Funktion,
29
Binomialentwicklung, 8
Binomialkoeffizient, 8
Cauchy-Bedingung
für Grenzwerte, 73
Cauchy-Eigenschaft
für Folgen, 47
163
Index
Cauchy-Folge, 48
Cauchy-Kriterium
für Folgen, 47
für Reihen, 54
Cauchy-Produkt, 58
charakteristisches Polynom
einer Differentialgleichung, 165
De L’Hospitalsche Regel, 108
Dedekindsche Schnitte, 171
Definition
rekursive, 6
Definitionsbereich einer Funktion, 29
Dichtheit der rationalen Zahlen, 22
Differentialgleichung
gewöhnliche, 151
gewöhnliche 1. Ordnung mit getrennten Variablen, 157
lineare gewöhnliche, 153
lineare gewöhnliche mit konstanten Koeffizienten, 161
lineare homogene, 153
von Bernoulli, 160
Differentiation
einer Potenzreihe, 111
differenzierbar, 95
beliebig oft, 115
Einschränkung
einer Funktion, 72
Euklidischer Raum, 30
Euler-Identität, 89
eulersche Zahl, 76
164
Faktorisierung
reelle eines Polynoms, 165
Fakultät, 7
Fehlerabschätzung
von Lagrange, 120
Fixpunkt
einer Funktion, 68
Fixpunktsatz
für stetige Funktionen, 68
Folge
von Zahlen, 35
konvergente, 35
monoton fallende, 43
monoton wachsende, 43
monotone, 43
von Funktionen, 112
Folgenkriterium
für Stetigkeit, 65
Folgenstetigkeit
einer Funktion, 65
Formel
von Cauchy-Hadamard, 62
von Leibnitz, 150
von Newton, 8
Formel von de Moivre, 92
Fortsetzung
stetige, 72
Fundamentalllemma
für die Exponentialfunktion, 77
Fundamentalsatz
der Algebra, 165
Funktion, 29
Index
affine, 95
analytische, 116
konkave, 116
konvexe, 116
lineare, 95
rationale, 34
stückweise stetige, 133
streng konkave, 116
streng konvexe, 116
Funktionenfolge, 112
165
homogene lineare Differentialgleichung,
153
ganze Zahlen, 2
geometrische Reihe, 51
gewöhnliche Differentialgleichung, 151
gleichmächtige Mengen, 22
gleichmässig stetig, 71
Glieder
einer Reihe, 50
Grad eines Polynoms, 33
Graph einer Funktion, 30
Grenzwert
einer Folge, 35
einer Funktion, 73
Gronwallsches Lemma
1. Version, 163
2. Version, 164
Identitätsabbildung, 32
Identitätsfunktion, 32
Imaginärteil
einer Funktion, 30
einer komplexen Zahl, 26
Induktion
vollständige, 4
Infimum, 21
Injektion, 31
injektive Funktion, 31
Integral, 125
Integralkriterium für Reihem, 146
Integration
partielle, 139
Integrierbarkeit
absolute, 142
Intervall
abgeschlossenes, 17
halboffenes, 17
offenes, 17
Intervalllänge, 17
Intervallschachtelung, 18
Intervallschachtelungsprinzip, 18
Häufungswert
einer Folge, 45
Häufungspunkt
einer Menge, 72
halboffenes Intervall, 17
harmonische Reihe, 51
kartesisches Produkt, 24
Kettenregel
für die Ableitung, 100
Koeffizienten eines Polynoms, 33
Körperaxiome, 12
Körper
Index
geordenete, 169
kompakte Menge, 70
komplexe Zahlen, 24
Komposition
von Funktionen, 31
Konjugation
einer Funktion, 30
einer komplexen Zahl, 26
konjugierte komplexe Zahl, 26
konkave Funktion, 116
Konstante von Napier, 76
konvergente
Folge, 35
Konvergenz
normale, 112
Konvergenzkriterium
von Leibnitz, 53
Konvergenzkriterum von Cauchy, 47
Konvergenzradius
Formel von Cauchy-Hadamard, 62
konvexe Funktion, 116
Kreuzprodukt
siehe kartesisches Produkt, 24
Kriterium
für Extrema, 106
für Konstanz, 106
Länge
eines Intervalls, 17
Lagrange-Fehlerabschätzung, 120
Leibnitz-Formel, 150
Lemma
von Gronwall (1. Version), 163
166
von Gronwall (2. Version), 164
Limes
einer Folge, 35
Limes inferior, 45
Limes superior, 45
lineare Funktion, 95
lineare gewöhnliche Differentialgleichung,
153
lineare gewöhnliche Differentialgleichung
mit konstanten Koeffizienten,
161
Lipschitz-stetig, 64
Logarithmusfunktion, 84
Majorantenkriterium
für Integrale, 145
Majorantenkriterum
für Reihen, 54
Maximum
einer Menge, 21
Menge, 1
Minimum
einer Menge, 21
Mittelwertsatz, 105
verallgemeinerter, 107
monoton fallende Folge, 43
monoton wachsende Folge, 43
monotone Folge, 43
Monotoniekriterium
für differenzierbare Funktionen, 106
Napier-Konstante, 76
natürliche Zahlen, 2
Index
natürlicher Logarithmus, 84
Newtonsche Formel, 8
Norm, 131
normal konvergent Reihe, 112
normierter Vektorraum, 131
Nullfolge, 52
obere Schranke
einer Menge, 20
offenes Intervall, 17
Operator, 167
Partialsumme, 50
partielle Integrationsregel, 139
Permutation, 7
Polynom, 33
charakteristisches einer Differentialgleichung, 165
Potenzreihe, 60
Prinzip
der vollständigen Induktion, 4
Produkt
kartesisches, 24
Produkteregel
für die Ableitung, 99
Quotientenregel
für die Ableitung, 99
Quotiontenkriterum
für Reihen, 55
Randpunkt
eines Intervalls, 17
rationale
167
Funktion, 34
rationale Zahlen, 2
Realteil
einer Funktion, 30
einer komplexen Zahl, 26
reelle Faktorisierung
eines Polynoms, 165
reelle Zahlen, 12
Regel
von L’Hospital, 108
Regelfunktion, 128
Reihe, 50
absolut konvergente, 55
alternierende, 53
geometrische, 51
harmonische, 51
unendliche, 50
von Funktionen, 112
Rekursionsformel, 6
für Binomialkoeffizienten, 9
rekursive Definition, 6
Riemannsche Summe, 133
Satz
von der Division mit Rest, 33
vom Maximum und Minimum, 70
von Bolzano-Weierstrass, 44
von Cauchy, 107
von de Moivre, 92
von der Differentiation der Umkehrfunktion, 102
von der Differenzierbarkeit einer Potenzreihe, 111
Index
von Lagrange, 105
von Rolle, 105
Schranke
obere, 20
untere, 20
Schrankensatz, 107
stückweise stetig, 133
Stammfunktion, 136
stetig
gleichmässig, 71
stetige Fortsetzung, 72
stetige Funktion, 63
Stetigkeit, 63
der Umkehrfunktion, 67
streng konkave Funktion, 116
streng konvexe Funktion, 116
Substitutionsregel, 141
Summe, 50
Riemannsche, 133
Summenregel
für die Ableitung, 99
Supremum, 20
Supremumseigenschaft
der reellen Zahlen, 21
von R, 21
Surjektion, 31
surjektive Funktion, 31
Taylorpolynom, 120
Teilfolge, 44
Treppenfunktion, 125
triviales Polynom, 34
Trivialpolynom, 34
168
Umkehrfunktion, 32
Ungleichung
von Bernoulli, 15
Unstetigkeitsstelle, 63
untere Schranke
einer Menge, 20
Unterkörper
geordnete, 169
Urbild einer Menge, 29
Vektorraum
normierter, 131
Verallgemeinerter Mittelwertsatz, 107
Verfeinerung
einer Zerlegung, 125
Verkettung
von Funktionen, 31
Vielfachheit einer Nullstelle, 165
vollständige Induktion, 4
Wert
einer Reihe, 50
Wertebereich einer Funktion, 29
Wurzelkriterium
für Reihen, 56
Zahlen
ganze, 2
komplexe, 24
natürliche, 2
rationale, 2
reelle, 12
Zahlenfolge, 35
Zerlegung
Index
eines Intervalls, 125
Zwischenwertsatz, 68
169
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen