Die jaehrlichen Nachimpfungen

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Die jährlichen Nachimpfungen – ist das wirklich gut
für unsere Katzen?
Katzen in den USA werden nicht mehr jedes Jahr geimpft
Inhalt
1. Die Routineimpfung: Mit Risiko verbunden und oft unnötig
2. Nicht klarer Ursprung des Ein-Jahres-Schemas für Nachimpfungen
3. „Impfen wir zuviel?“
4. Forscher werden aktiv
5. Impfschutz hält viele Jahre lang
6. Neues offizielles Impfschema in den USA
- Hauptimpfungen für alle Katzen
- Optionale Impfungen
7. Impfsarkom – Vorbeugung ist möglich
8. Vorsicht, Spritze!
9. Noch viele Streitfragen
10.
Widerstand gegen neues Impfschema
11.
Zur Sicherheit Antikörpertiter messen?
12.
Ein vorläufiger Kompromiss
13.
Und was tut sich hierzulande?
14.
Tierarzt in der Haftungsfalle?
15.
Das Übliche kann ein Behandlungsfehler sein
16.
Impfen – ja, aber mit Mass
Katzen müssen jährlich geimpft werden, so steht’s in den allermeisten Broschüren und
Katzenbüchern. Auch auf den Empfehlungen der Impfhersteller wird dies so angegeben.
Warum eigentlich? Und warum werden wir Menschen nicht jedes Jahr geimpft?
Schliesslich haben Primaten und Kleinsäuger doch ein ganz ähnliches Immunsystem.
Die Antwort: Katzen (und Hunde) brauchen gegen Virusinfektionen gar nicht jährlich
geimpft zu werden. Die jährliche Auffrischung ist für die meisten Impfungen wissenschaftlich nicht begründet – und sie war es auch nie. In den USA wird darüber seit Jahren sehr offen diskutiert; vor allem aber wurde darüber geforscht. Das alles mündete
schliesslich in neue Impf-Richtlinien.
Positionen radikaler Impfgegner werden im folgenden Text nicht berücksichtigt. Hier
geht es ausschliesslich um die Forschungsergebnisse und Meinungen seriöser, in der
Fachwelt anerkannter Wissenschaftler.
1. Die Routineimpfung: Mit Risiko verbunden und oft
unnötig
Ausgelöst wurde die wissenschaftliche Kritik an der herkömmlichen Impfpraxis durch
zwei Faktoren:
Erstens wurden immer mehr gefährliche Impffolgen beobachtet: allergische
Reaktionen mit Erbrechen und Durchfall, Schockzustände (anaphylaktischer Schock);
das meist tödliche Impfsarkom der Katze (vakzine-assoziiertes felines Sarkom), ein
bösartiger Tumor, an dem nach Schätzungen in den USA jährlich rund 22.000 Katzen
erkranken; ausserdem Immunerkrankungen und anderes mehr.
Zweitens haben sich einige US-Forscher einfach gefragt, weshalb Menschen nur in
Abständen von vielen Jahren geimpft werden (gegen manche Krankheiten nur einmal
im Leben, als Kind), Katzen und Hunde aber jedes Jahr ihre Impfung erhalten müssen.
Eine vernünftige Begründung dafür fanden sie nicht. Es steht in den
Gebrauchsinformationen (Beipackzetteln) zu den Veterinärimpfstoffen, und zwar als
„Empfehlung“: Jährliche Wiederholung der Impfung wird „empfohlen“.
Fakt ist: Wie lange der Schutz nach einer Impfung tatsächlich anhält, wissen nicht
einmal die Impfstoff-Hersteller selbst, weil sie es nicht testen. Und wenn sie es doch
wissen sollten, so veröffentlichen sie diese Daten jedenfalls nicht. Für die amtliche
Zulassung eines Tierimpfstoffes (Vakzine) muss die Dauer des Immunschutzes
(duration of immunity, DOI) nicht vom Hersteller getestet und nachgewiesen werden.
Erst seit wenigen Jahren wird (in den USA) für Neuzulassungen der Ein-JahresZeitraum untersucht; die maximale DOI muss jedoch auch heute nicht getestet werden.
Anders verhält es sich mit den Tollwut-Impfstoffen (inzwischen auch mit ausgewiesener
Drei-Jahres-Dauer erhältlich). Für Tollwut-Impfungen bestanden schon früher strengere
Regelungen, weil diese Krankheit auf den Menschen übertragbar ist, für sie wurde
bereits in der Vergangenheit die Ein-Jahres-Wirksamkeit geprüft. Die Zulassungsbestimmungen für Tierimpfungen sind in Europa und in den USA ziemlich ähnlich.
2. Nicht klarer Ursprung des Ein-Jahres-Schemas für
Nachimpfungen
Der Ursprung der Ein-Jahres-Empfehlung auf den Beipackzetteln „ist mir nicht bekannt“,
schreibt David R. Hustead, Mitarbeiter des Pharmaunternehmens Fort Dodge, in dem
Beitrag „Why do vaccine labels say the funny things they do?“ („Warum stehen auf
Impfstoff-Beipackzetteln so komische Sachen?“, erschienen 1999 in dem Band
„Veterinary Vaccines and Diagnostics“). „Leute, die älter sind als ich, sagen mir, dass
diese Empfehlung zunächst – auf der Basis experimentellen Nachweises – auf TollwutImpfstoffe angewendet und dann auf andere Produkte ausgeweitet wurde.“ In den
Staaten müssen für neue Produkte, wie erwähnt, nunmehr Ein-Jahres-Studien
durchgeführt werden. Für den Impfstoff-Verwender ist laut Hustead jedoch nicht
erkennbar, ob eine Ein-Jahres-Empfehlung auf dem Beipackzettel tatsächlich auf
entsprechenden Untersuchungen des Herstellers beruht, denn diese sind eben nur für
Neuzulassungen vorgeschrieben. Und aus der Ein-Jahres-Empfehlung, sei sie nun
durch eine Studie fundiert oder nicht, geht schon gar nicht hervor, ob sie das
effizienteste oder beste Intervall für eine Auffrischung darstellt. „Studien zur
Bestimmung des besten Nachimpfungsintervalls sind sehr komplex und gegenwärtig
ausserhalb der finanziellen Reichweite der Hersteller“, so Hustead's aufschlussreiche
Anmerkung.
Nach Auskunft eines Insiders ist der Ursprung der Ein-Jahres-Empfehlung für die
Nachimpfung bei uns ebenso eigenartig wie in den Staaten. Die Veterinärbehörden
hätten für die Gültigkeit von Tollwut-Impfungen „par ordre de moufti“, also willkürlich,
den Ein-Jahres-Zeitraum festgelegt, und dieser sei dann eben einfach auf die anderen
Impfungen übertragen worden, die oft in Kombination mit der Tollwut-Impfung gegeben
werden. Die Tollwut-Impfung sei der „Taktgeber“ für die anderen Impfungen gewesen.
3. „Impfen wir zuviel?“
1995 stellte die Journalistin und Tierärztin Dr. Carin A. Smith einer Reihe von ImpfExperten die Frage: „Impfen wir zuviel?“, und die Veterinärmediziner waren sich im
Grundsatz einig: Ja, es wird zuviel geimpft. (Journal of the American Veterinary
Medical Society, JAVMA, August 1995) Vor allem kritisierten die Experten, dass es an
wissenschaftlichen Grundlagen für die jährliche Impfung mangelt. Ausserdem würden
viele Tiere ohne reales Ansteckungsrisiko geimpft. Wegen der wachsenden Zahl
gravierender Nebenwirkungen könne man sich nicht mehr auf den Standpunkt
zurückziehen, dass die Impferei den Tieren zwar vielleicht nicht nütze, aber
jedenfalls nicht schade! Auch beim Impfen müsse der ärztliche Grundsatz gelten: First
do no harm, auf Deutsch: Ärztliches Handeln darf dem Patienten vor allem nicht
schaden.
1997 schrieb Professor Niels C. Pedersen von der University of California in Davis:
„Viele Veterinäre und eine noch grössere Zahl von Patientenbesitzern bezweifeln
zunehmend die medizinische Grundlage für die routinemässigen jährlichen Impfungen
der Haustiere, und das mit Recht!
4. Forscher werden aktiv
Vor allem die immer häufiger auftretenden Sarkomerkrankungen bei Katzen
brachten die Forschung auf Trab (Näheres dazu im Abschnitt „Impfsarkom –
Vorbeugung ist möglich“). US-Vakzinologen und –Virologen untersuchen seit Anfang
der 90er Jahre, wie lange der Immunschutz nach Impfungen gegen Viruserkrankungen
eigentlich hält, und haben herausgefunden: Er hält viel länger als ein Jahr. Es zeigte
sich auch, dass der Immunschutz nach Auffrischungsimpfungen in den allermeisten
Fällen nicht signifikant ansteigt – die neue Impfung verpufft sozusagen. Durch die
vorhandene Immunität wird der Impfstoff unschädlich gemacht, wie auch ein richtiger
Erreger unschädlich gemacht würde.
Professor Ronald D. Schultz von der Universität von Wisconsin untersuchte
Antikörpertiter von Katzen und Hunden, die Auffrischungsimpfungen (Revakzinierungen)
gegen verschiedene Viruskrankheiten erhalten hatten, und stellte fest: Die
Antikörpertiter zeigten keinen signifikanten Anstieg. Als signifikant gilt ein Anstieg um
mindestens das Vierfache. So erhöhte sich in einer Gruppe von 106 Hunden, die gegen
Parvovirose revakziniert wurden, lediglich bei einem Tier der Antikörpertiter um das
Vierfache, und dieser Hund hatte zuvor einen sehr niedrigen Titer (offenbar ein
Impfversager). Auch Schultz stellt fest: „Die Empfehlung zur jährlichen Auffrischung war
nicht durch wissenschaftlich fundierte Studien belegt, und man wird für viele der
gebräuchlichen Produkte in der Literatur auch keine Veröffentlichungen finden, die die
Notwendigkeit der jährlichen Impfung nachweisen.“ (Veterinary Medicine, März 1998)
5. Impfschutz hält viele Jahre lang
Die für die Katzenhalter wichtigsten Studien stammen von Fred W. Scott (Cornell
University) und seinen Mitarbeitern. Er untersuchte die Dauer des Immunschutzes durch
Impfungen gegen Katzenseuche (felines Parvovirus) und Katzenschnupfen (Herpesund Calicivirus) über einen Zeitraum von bis zu 7,5 Jahren. Dabei wurde ein
handelsübliches trivalentes Vakzin mit inaktivierten Viren verwendet, also ein DreifachImpfstoff. Die Katzen erhielten als Welpen mit acht und mit zwölf Wochen eine
Grundimmunisierung und wurden danach nie wieder geimpft. Sie wiesen noch
siebeneinhalb Jahre später, als sie den Erregern ausgesetzt wurden, einen guten
Immunschutz auf. Der Schutz gegen Katzenseuche erwies sich als praktisch
hundertprozentig, der Schutz gegen Herpes- und Calicivirus betrug 52, resp. 63
Prozent. Die Schnupfen-Impfung verhinderte nicht vollständig die Erkrankung, doch dies
ist bei frisch geimpften oder nachgeimpften Katzen nicht anders. Diese Impfung kann
die Ansteckung oft nicht verhindern, sie mildert aber ganz entscheidend den
Krankheitsverlauf. In der ungeimpften Kontrollgruppe dieser Studie erkrankten einige
Tiere sehr schwer.
Scotts Schlussfolgerung: „Die Impfstoffhersteller sollten ihre Vakzinen auf die längere
Dauer des Immunschutzes hin testen und in ihren Empfehlungen auf dem Beipackzettel
eine realistischere Dauer des Immunschutzes angeben.“ (Feline Practice, Juli/August
1997; und Journal of Veterinary Research, Mai 1999; verwendet wurde in dieser Studie
Fel-O-Vax von Fort Dodge Laboratories)
6. Neues offizielles Impfschema in den USA
Auf der Basis der neueren Forschungsarbeiten haben die American Association of
Feline Practitioners (AAFP, Verband der praktizierenden Katzenärzte) und die Academy
of Feline Medicine (AFM, wissenschaftliche Vereinigung der Katzenspezialisten) Ende
1997 ein neues Impfschema für Katzen beschlossen. Es wird mittlerweile an vielen
Veterinärkliniken von US-Hochschulen angewendet. Die Praktiker brauchen, da es
ihnen direkt an den Geldbeutel geht, etwas länger, sich damit anzufreunden (siehe
Abschnitt „Widerstand gegen neues Impfschema“). Die neuen Richtlinien unterscheiden
zwischen core und non-core Impfungen, also zwischen Kern- oder Hauptimpfungen und
optionalen Impfungen, und empfehlen nach der Grundimmunisierung im Welpenalter
und einer Auffrischung bei Erreichen des ersten Lebensjahres nur noch
dreijährige Impfintervalle für die Hauptimpfungen.
Der „Vaccination Report 1998“, in dem die neuen Richtlinien ausführlich begründet und
dargelegt sind, wurde 2000 aktualisiert. An den Empfehlungen zu verlängerten
Impfintervallen hat sich nichts geändert, der neue Report befasst sich vor allem mit
zusätzlichen Aspekten wie Tierarzthaftung und Impfstoff-Beipackzetteln. In der Einführung wird noch einmal sehr deutlich gesagt, worauf es beim Impfen vor allem
ankommt, deshalb daraus nun ein Abschnitt:
„Impfstoffe spielen eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
Die meisten Impfstoffe bewirken jedoch weder einen vollständigen Schutz gegen
Infektion oder Erkrankung, noch bewirken sie in allen Tieren einen gleich hohen Schutz.
Faktoren, die den Impfschutz in einem Tier negativ beeinflussen können, sind:
mütterliche Antikörper, angeborene oder erworbene Immunschwächen, bestehende
Krankheiten, unzureichende Ernährung, abwehrschwächende Medikation und Stress (d.
h. zu dichte Population und schlechte Hygiene). Es sollte jede Anstrengung
unternommen werden, um sicherzustellen, dass die Patienten bei der Impfung gesund
sind. Weil die Impfung allein die Tiere nicht vollständig vor Infektion und Erkrankung
bewahrt, sollten Umweltbedingungen mitbedacht und Kontakt mit Erregern minimiert
werden.“
Und weiter schreibt die Expertengruppe der AAFP/AFM:
„Die Hauptziele der Impfung sind:
- möglichst viele Individuen einer Population, in der ein Risiko besteht, zu impfen
- jedes Tier nur so oft zu impfen wie nötig und
- nur gegen Erreger zu impfen, für die ein Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko vorliegt.
Kätzchen unter 16 Wochen sind allgemein empfänglicher für Infektionen als
erwachsene Tiere und entwickeln typischerweise schwerere Erkrankungen. Deshalb
stellen sie die Hauptzielgruppe für Impfungen dar. Die Störung durch maternale
Antikörper ist die Ursache dafür, dass manche Tiere nach der Impfung nicht immunisiert
sind, und das ist der Grund, weshalb für Kätzchen unter 12 Wochen eine Serie von
Impfungen nötig ist. Der Impfbedarf erwachsener Katzen sollte mindestens einmal im
Jahr überprüft und, falls nötig, entsprechend der Risikoabwägung geändert werden.“
Hauptimpfungen für alle Katzen
Katzenseuche: Grundimmunisierung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr,
danach Nachimpfung alle drei Jahre.
Katzenschnupfen: Grundimmunisierung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr,
danach Nachimpfung alle drei Jahre.
Wichtig: Beim Katzenschnupfen sollte nur gegen die Erreger Herpes- und Calicivirus
geimpft werden. Die Impfung gegen Chlamydien, die in Schnupfen-Impfstoffen oft mit
enthalten ist, gilt als meistens überflüssig. Chlamydien rufen keine lebensbedrohliche
Erkrankung hervor und sind normalerweise nur in Tierheimen oder Zuchten ein Problem. Die Impfung bietet, wie bei Herpes- und Calicivirus, keinen vollständigen oder
nahezu vollständigen Schutz, es kann also trotzdem zur Erkrankung kommen.
Anmerkung zum Herpesvirus: Herpesinfektionen können in Zuchten oder Tierheimen
sehr hartnäckig sein und immer wieder auftreten. Manche Experten, so zum Beispiel
Professor Marian Horzinek aus Utrecht, empfehlen, in solchen Fällen in sehr kurzen
Abständen dagegen zu impfen, alle vier bis sechs Monate.
Dies hält Professor Ronald D. Schultz aber für unsinnig. Warum, das soll hier dargestellt
werden, weil gelegentlich die Frage auftaucht, ob denn das Drei-Jahres-Impfschema
überhaupt auf Katzengruppen angewendet werden kann, in denen gewisse Infektionen
immer wieder auftreten, weil die Immunabwehr der Tiere vermindert ist (vor allem durch
Dauerstress).
Schultz sagt: „Gegen Herpes zweimal im Jahr zu impfen erscheint mir nutzlos, und es
würde die Gefahr von Immunerkrankungen erhöhen. Ironischerweise ist es so, dass die
Katzen, die ständig Viren ausscheiden, auch das Immunsystem der Kontaktkatzen
stimulieren; auf diese Weise ‚impfen‘ sie die anderen Tiere. Dies ist Bestandteil der
natürlichen Stimulation des Immunsystems, die in einer geimpften Population dauernd
stattfindet. Ein Risiko besteht für Katzen, die nie geimpft wurden, für sehr junge Katzen
oder sehr alte Katzen oder auch für Katzen, deren Immunabwehr ernsthaft geschwächt
ist. Diese abwehrgeschwächten Tiere sollte man, wenn möglich, isoliert halten, die
normal gesunden, geimpften Tiere dürften immun sein und entweder leicht oder gar
nicht an der Infektion erkranken“.
Anmerkung zum Calicivirus: Das Calicivirus zählt zu den Erregern, die in Zuchten,
Tierheimen und sonstigen dichten Katzenpopulationen Probleme bereiten – und das
trotz Impfung. Der Impfschutz könne lediglich die akute Form der Erkrankung mildern,
bekräftigte der US-Virologe Professor Niels Pedersen im November 2000 auf einem
Tierärzte-Kongress in Düsseldorf. Typische Anzeichen einer akuten CalicivirusErkrankung sind Hinken (wahrscheinlich, weil sich das Virus in Gelenken einnistet) und
Fieber. Kein Calici-Impfstoff verhindert den anschliessenden Virusträger-Status oder
schützt gegen solche chronischen Krankheitsbilder wie schwere Geschwüre der
Mundhöhle und des Zahnfleischs. „Je mehr man impft, desto höher ist die Rate der
Virusträger“, sagte Pedersen. „Das Vorkommen von Calicivirus-Trägern ist am höchsten
in stark geimpften Populationen und ist tatsächlich seit Einführung dieser Impfung
gestiegen.“ Bis zu 25 Prozent der Katzen, die die akute Form der Krankheit durchlitten
haben, scheiden das Virus noch eine längere Zeit aus. Zum Glück bleiben die meisten
Calicivirus-Träger symptomlos.
Optionale Impfungen
(nur für Katzen mit realem Ansteckungsrisiko)
Tollwut: Erstimpfung im Welpenalter, Auffrischung mit einem Jahr, danach alle drei
Jahre Nachimpfung.
Tollwut-Impfungen an Haustieren mit Freigang sind in den USA in vielen Bundesstaaten
per Gesetz vorgeschrieben. Da inzwischen Tollwut-Impfungen mit erwiesenem
dreijährigem Schutz erhältlich sind, empfiehlt die AAFP auch hierfür ein Drei-JahresIntervall.
Da die Tollwut bei uns sehr verbreitet war, ist diese Impfung auch bei uns sehr häufig.
Durch die Impfaktionen für Füchse ist die Fallzahl jedoch stark zurückgegangen, so
dass man die routinemässige Tollwutimpfung an Freigängern vielleicht auch einmal
überdenken könnte. Nach Angaben des Scientific Veterinary Committee on Rabies der
Europäischen Union (ein offizielles Veterinärkomitee, das die Ausbreitung von Tollwut
innerhalb der Europäischen Union untersuchte) ist die Anzahl der amtlich registrierten
Tollwut-Fälle zwischen 1986 und 1996 stark gesunken, und zwar sowohl bei Füchsen
und Nutztieren als auch bei Haustieren. Tierärzte sollten das reale TollwutInfektionsrisiko in ihrem Einzugsgebiet halbwegs einschätzen können. Reine
Wohnungskatzen benötigen diese Impfung jedenfalls nicht. Geimpft werden muss
jedoch dann, wenn das Tier in eine Tierpension oder ein Tierheim kommt, weil diese
Einrichtungen darauf bestehen. Wird eine Katze auf grenzüberschreitende Reisen
mitgenommen, kann je nach Einreiseland ebenfalls ein Impfnachweis fällig werden.
Feline Leukämievirus-Infektion: Der Begriff „feline Leukämievirus-Infektion“ wird fast
immer gleichbedeutend verwendet mit „Leukose“, was jedoch nicht korrekt ist. Leukose
ist ein Sammelbegriff für eine Erkrankung, die durch Tumore wie Lymphome, Leukämie,
Fibrosarkome und andere gekennzeichnet ist. Auch durch FeLV können Tumore
entstehen, doch bei den meisten Lymphomen etc. ist nicht FeLV die Ursache. Geimpft
werden kann nur gegen FeLV. – Die FeLV-Impfung wird im neuen Impfschema der
AAFP für alle Katzen empfohlen, die Freigang haben oder mit Freigängern
zusammenkommen können oder mit FeLV-positiven Katzen, resp. Katzen von unklarem
FeLV-Status zusammenleben. Geimpft werden dürfen nur FeLV-negative Tiere, das
heisst, die Impflinge müssen vorher getestet werden. Laut AAFP-Impfplan wird im
Welpenalter eine Grundimmunisierung gegeben, danach soll jährlich revakziniert
werden.
Einige Fachleute haben sich aber gegen die jährliche FeLV-Impfung
ausgesprochen, weil gesunde erwachsene Katzen eine gute körpereigene Abwehr
gegen das Virus besässen. Die AAFP hat die Empfehlung zur jährlichen Nachimpfung
selbst relativiert: Man rate nur zum Ein-Jahres-Intervall, weil für FeLV-Vakzinen noch
keine Studien über die Dauer des Immunschutzes vorlägen. Professor Hans Lutz aus
Zürich hat auf dem Tierärztekongress in Düsseldorf folgende persönliche Empfehlung
gegeben: Katzen, bei denen ein Kontakt mit FeLV nicht ausgeschlossen werden kann,
sollten im Alter von 9 und zwölf Wochen grundimmunisiert und danach bis zum 3.
Lebensjahr jährlich gegen FeLV geimpft werden, ab dann nicht mehr. Lutz wie auch
andere Kleintiervirologen betonen, dass Katzen gegen diesen Erreger eine
„Altersresistenz“ besitzen, das heisst, ein erwachsenes Tier wird mit dem
Erreger besser fertig als ein Welpe.
Auf demselben Kongress erläuterte Privatdozentin Dr. Katrin Hartmann aus München,
dass die Häufigkeit der FeLV-Infektion überall in Europa abnehme, sie habe sich seit
1988/89 halbiert auf 2, 8 Prozent, und zwar infolge der Impfungen und infolge der
Eliminierung infizierter Katzen. Die Expertin räumte ein, dass „mit Sicherheit“ viele
Katzen unnötig gegen FeLV geimpft würden, und empfahl, „restriktiver“ zu impfen. ´
Daten zur Dauer des Immunschutzes nach FeLV-Impfung sind inzwischen vorhanden.
Professor Lutz ermittelte in einer Studie mit geimpften Tieren, die mit FeLVAusscheidern zusammenlebten, einen Immunschutz von über acht Jahren. Die
geimpften Katzen erhielten durch den Kontakt mit den FeLV-Infizierten ständig ihren
„Booster“, ihre Impfauffrischung.
Vor diesem Hintergrund erscheint die lebenslange jährliche FeLV-Impfung von
Freigängern doch fragwürdig. Durch Kontakt mit FeLV-Ausscheidern bekommen sie ja
ihren Booster, während zugleich ihr Immunsystem mit den Jahren ohnehin immer
besser mit dem Erreger fertig wird.
Laut AAFP sind nicht alle FeLV-Impfstoffe gleichermassen gut und wirksam. Die
Veterinärklinik der Universität von Colorado zum Beispiel bevorzugt in ihrem Impfplan
das Produkt Fel-O-Vax Lv-K von Fort Dodge. Professor Marian Horzinek berichtete auf
dem Düsseldorfer Kongress von einer Blindstudie mit drei FeLV-Vakzinen. Am besten
sei der rekombinante Impfstoff eines französischen Herstellers gewesen (es handelte
sich um Leucogen von Virbac), gefolgt von den Fort-Dodge-Vakzinen.
Feline infektiöse Peritonitis: Der Impfstoff gegen die gefürchtete FIP ist in den USA
genauso wie bei uns sehr umstritten. Unabhängige Studien haben laut US-Forschern
gezeigt, dass die Wirksamkeit der Vakzine längst nicht so gut ist, wie es die Hersteller
behaupten. Die AAFP-Expertengruppe, die die neuen Impfrichtlinien ausarbeitete,
erzielte über die FIP-Impfung keine Einigkeit. Die Mehrheit sprach sich dafür aus, gegen
FIP nur solche Katzen zu impfen, die ein spezielles Risiko haben, zum Beispiel Katzen
in Haushalten, wo FIP schon aufgetreten ist. Über die tatsächliche Dauer des
Immunschutzes nach dieser Impfung ist mangels Studien noch nichts bekannt.
Das Coronavirus ist sehr weit verbreitet, über 80 Prozent aller Katzen sollen es haben.
Es verursacht Durchfall, der für gewöhnlich rasch wieder abklingt. Die allermeisten
Corona- Träger bekommen keine FIP. „Es gibt keine FIP-Epidemie, es ist immer eine
sporadische Erkrankung“, so Professor Lutz. Bei der Mutation der Coronaviren zur
gefährlichen FIPVariante ist immer eine genetische Veranlagung wie ggf. auch
Stress beteiligt, so dass es sich wohl um ein „Immungeschehen“ handelt, wie die
Mediziner sagen. Der klassische FIP-Ausbruch ereignet sich, wenn ein Kätzchen in ein
neues Zuhause gebracht wurde – auf einmal wird es sterbenskrank. Doch auch bei
älteren Katzen kann FIP ausbrechen.
Kann die Impfung angesichts der hohen Durchseuchung mit Corona überhaupt etwas
bringen? Professor Niels Pedersen äusserte sich dazu in Düsseldorf, und zwar sehr
klar: „Die FIP-Impfung ist absolut harmlos, sie bringt Geld, und sie hat keinen
Sinn.“
7.
Impfsarkom – Vorbeugung ist möglich
Das Impfsarkom oder vakzine-assoziiertes Fibrosarkom ist eine bösartige KrebsGeschwulst, die ein paar Wochen oder Monate nach einer Impfung an der
Injektionsstelle als Knubbel unter dem Fell auftritt und sehr breit wuchern kann. In der
US-Veterinärmedizin wird der Zusammenhang von Impfung und Sarkomentstehung bei
Katzen nicht mehr ernsthaft bezweifelt. Bei uns neigt man dazu, das Thema
herunterzuspielen. Ein grosses veterinärmedizinisches Labor hat aber schon 1998 in
einem Rundschreiben an seine Kunden, die Tierärzte, darauf hingewiesen, dass das
Impfsarkom auch hierzulande immer häufiger wird. Nach Auskunft des Labors
stammten die Sarkom-Gewebsproben, die es eingeschickt bekam, praktisch immer von
typischen Impfstellen. Auch der in Deutschland sehr bekannte Veterinärmediziner
Professor Dr. Marian Horzinek von der Universität Utrecht schreibt in einem Info-Blatt
für Tierärzte: „... eine Umfrage bei Praktikern auf einem Kongress in Deutschland hat
mir bestätigt, dass fast alle Kollegen solche Tumoren am Injektionsort ebenfalls
gesehen haben“. Dr. Herman Egberink, ein Mitarbeiter von Horzinek, berichtete, dass
man in den Niederlanden keine Sarkome zu sehen bekommt: In den Niederlanden sind
Tollwut und Leukose so wenig verbreitet, dass Katzen üblicherweise dagegen nicht
geimpft werden (Auskunft von Egberink).
Nicht jedes Sarkom bei Katzen ist ein Impfsarkom, aber doch so viele, dass man
handeln muss. Die Häufigkeit wird in der Forschungsliteratur mit 1 bis 3,6 Fällen pro
10.000 Impfungen angegeben. Dieses Risiko ist nach Meinung führender USVeterinärmediziner nicht mehr tolerabel und Grund genug, die bisherige Impfpraxis zu
überdenken. An Impfsarkomen erkranken vor allem Katzen, die schon eine ganze
Reihe von Jahresimpfungen erhalten haben.
Neben den verlängerten Impfintervallen, wie sie die AAFP empfiehlt, lassen sich noch
weitere Vorsichtsmassnahmen treffen. Die Vaccine-Associated Feline Sarcoma Task
Force, eine Arbeitsgruppe von Veterinär-Spezialisten für Tumorerkrankungen,
Vakzinologie etc., hat zur Vorbeugung Richtlinien erarbeitet.
Auf Mischspritzen und multivalente Vakzinen sollte weitgehend verzichtet
werden. Das heisst, es sollen nicht alle Impfungen mit einer einzigen Spritze und
an einer einzigen Stelle gegeben werden, auch wenn es für Tierarzt und Patient
so am bequemsten ist und am schnellsten geht. Je mehr Vakzinen auf einmal,
desto höher das Sarkomrisiko.
Die Impfung gegen Seuche und Schnupfen soll an der seitlichen Brustwand
verabreicht werden, die Impfung gegen Tollwut am rechten Hinterbein (rabies = r
= rechts) und die Impfung gegen Leukose am linken Hinterbein (Leukose = l =
links). Ein Bein kann zur Not amputiert werden, um dem Tumorwachstum Einhalt
zu gebieten. Katzen können auf drei Beinen prima leben.
Zwischen den Schultern sollte überhaupt nicht mehr geimpft werden, da man
einen Tumor dort nur sehr schlecht operieren kann.
Behandelt werden kann das Impfsarkom bisher nur durch radikale Operation weit ins
gesunde Gewebe hinein. Nach der Operation treten in etwa 80 Prozent aller Fälle
Rezidive (also neues Tumorwachstum) auf. Das liege in erster Linie an der
Unterschätzung der Invasivität (Wucherungsneigung) dieser Tumore durch den Tierarzt,
elementare Grundregeln der Tumorchirurgie würden missachtet, rügt Dr. Martin Kessler
in der Zeitschrift „Kleintiermedizin“ (Juli-August 1999).
8.
Vorsicht, Spritze!
Die meisten Sarkome wurden nach Impfung gegen Tollwut und Leukose
festgestellt, doch auch Seuche- und Schnupfen-Impfung können eine Geschwulst
hervorrufen. Manche US-Spezialisten für Krebserkrankungen der Kleintiere sprechen indessen gar nicht vom Impfsarkom, sondern vom injection-site sarcoma, also
Injektionsstellen-Sarkom, weil dieser Tumor auch schon nach anderen Injektionen
beobachtet wurde. So wurde im Newsletter der Veterinary Cancer Society (Sommer
1999) ein Sarkomfall nach Injektion des Flohmittels Lufenuron beschrieben.
Französische Veterinäre beschrieben einen Sarkom-Fall nach Injektion von Antibiotika.
Katzen reagieren auf Injektionen viel empfindlicher als andere Kleintiere, sie zeigen eine
starke Neigung zu Zellentartung. Vor allem solche Katzen, die nach Impfungen oder
anderen Injektionen schon einmal einen Knubbel entwickelt haben, sollten Spritzen nur
dann bekommen, wenn sich der Wirkstoff nicht anders verabreichen lässt. Längst nicht
jede Katze entwickelt Knubbel nach (Impf-) Injektionen, und längst nicht jeder Knubbel
ist ein Sarkom. Aber wenn eine Katze dazu neigt, Knubbel zu entwickeln, sollte man mit
Injektionen besser sparsam umgehen.
9.
Noch viele Streitfragen
Unter den führenden US-Kleintiervakzinologen gibt es darüber, das nicht mehr so oft
geimpft werden sollte, eine grosse Zustimmung. Sie unterstützen die Bestrebungen der
einschlägigen Fachverbände, die neuen Impfrichtlinien zu verbreiten. Darüber hinaus
jedoch gibt es viele Meinungsverschiedenheiten in speziellen Fragen. So plädiert der
eine Impfexperte dafür, möglichst Impfstoffe mit lebenden Erregern zu verwenden, weil
diese wirksamer seien. Andere sagen, die Impfstoffe aus abgetöteten Erregern seien
heutzutage ebenfalls wirksam genug. Dann gibt es wieder die Auffassung, dass man für
die Atemwegsinfekte statt Spritzen möglichst Impfstoffe verwenden sollte, die auf die
Nasenschleimhaut aufgebracht werden (nasale Impfungen). Die Applikation am
Angriffsort des Erregers sei immer die effektivste.
Auch darüber, ob multivalente Impfprodukte gut oder schlecht sind, gehen die
Meinungen auseinander. Für Hunde gibt es Impfprodukte mit bis zu sieben
verschiedenen Vakzinen darin, für Katzen mit bis zu fünf. Kritiker der MehrfachImpfungen verweisen auf Erfahrungen aus der Humanmedizin: Multivalente
Humanvakzinen hätten eine höhere Rate von Nebenwirkungen als einzeln gegebene.
Die bequeme Handhabung der Multi-Vakzine verführe auch dazu, mehr Impfungen
zu geben, als das Tier eigentlich benötige.
Einigkeit besteht aber darüber, dass einige Impfungen, die von den Herstellern angepriesen werden, in vielen Fällen überflüssig sind und nicht routinemässig verabreicht
werden sollten, so zum Beispiel Chlamydien oder Microsporum canis bei der Katze oder
Leptospirose und Borreliose beim Hund. Anzumerken ist hier, dass Impfungen gegen
bakterielle Erkrankungen oder Chlamydien – falls sie tatsächlich erforderlich sind, zum
Beispiel in einem Tierheim – in kürzeren Abständen gegeben werden müssen als die
Impfungen gegen Viruskrankheiten.
10. Widerstand gegen neues Impfschema
In der Impfpraxis für Katzen (und Hunde) ist, in den USA, gegenwärtig viel Bewegung.
Die neuen Richtlinien der AAFP sind vor allem an den Hochschul-Veterinärkliniken
inzwischen verbreitet. Die praktischen Tierärzte dagegen tun sich teilweise schwer, von
ihren gewohnten Impfplänen abzugehen. Sie argumentieren, dass die Tiere ohne jährlichen Impftermin nicht mehr regelmässig gecheckt würden. Dass hierbei wirtschaftliche
Motive mitschwingen, ist offensichtlich, man befürchtet Patientenschwund. Nach
einer Untersuchung von 1996 sind Impfungen der grösste einzelne Einnahmeposten in
den Tierarztpraxen, gerade bei Kleintierärzten. In Europa stammen nach Angaben von
Professor Horzinek bis zu 60% der Tierarzteinnahmen aus Impfungen: „Für die
durchschnittliche Kleintierpraxis liefern Impfungen die finanzielle Basis.“
Die Sorge, dass die Tiere nicht mehr jährlich zum Check-up gebracht werden,
rechtfertigt zwar keine überflüssigen und vereinzelt sogar schädlichen Impfungen, das
Argument ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen. Manche Tiere werden nur zum
Impfen zum Doktor gebracht, so dass Krankheiten erst bei dieser Gelegenheit entdeckt
und behandelt werden. Einige Veterinäre raten daher, die Revakzinierungen nach dem
neuen Drei-Jahres-Schema jährlich versetzt zu geben. Das heisst beispielsweise bei
einer Katze mit Freigang: In einem Jahr wird gegen Seuche und Schnupfen geimpft, im
nächsten gegen Tollwut, im Jahr darauf gegen Leukose, und dann wieder von vorn.
Sinnvoller ist es aber, wie von anderen Experten vorgeschlagen wird, die
Patientenbesitzer durch Information und Aufklärung vom jährlichen Impftermin auf den
jährlichen Gesundheits-Check „umzuerziehen“.
11. Zur Sicherheit Antikörpertiter messen?
Vereinzelt empfehlen niedergelassene Tierärzte in den USA heute statt routinemässiger
Revakzinierungen eine jährliche Antikörpertiter-Messung. Experten halten das für nicht
gerade sinnvoll, unter anderem deshalb, weil der Antikörpertiter nicht unbedingt
einen Rückschluss auf den Immunschutz zulässt. Eine wichtige Rolle spielt nämlich
die zellvermittelte Immunität, die nur schwer zu messen ist. Professor Wolf: „Ich wette,
dass ich keine Antikörper gegen Windpocken mehr habe, weil es viele Jahre her ist, seit
ich diese Krankheit hatte. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass ich dagegen immer noch
immun bin, denn es ist wohlbekannt, dass der Immunschutz lebenslang andauert. Dabei
ist es gleich, ob der Immunschutz infolge einer natürlichen Infektion oder infolge einer
Impfung entstanden ist.“
Auch Professor Horzinek zieht zur Erläuterung fragwürdiger Nachimpfungsintervalle den
Vergleich zwischen Mensch und Tier: „Immunität gegen Masern hält lebenslang, und ich
weiss von keinem Veterinär, der von seinem Hausarzt eine jährliche Masernimpfung
verlangt. Aber die meisten Kleintierärzte in Europa impfen Hunde jährlich gegen Staupe
nach, und Staupe ist nichts anderes als Hundemasern.“ Horzinek's Worten könnte man
hinzufügen: Es dürfte auch kein Veterinär von seinem Hausarzt irgendwelche jährlichen
Antikörpertiter-Messungen für Masern, Polio usw. verlangen.
Man muss sich einfach mal fragen, weshalb eigentlich bei Menschen so gut wie nie
Antikörpertiter gemessen werden, um festzustellen, ob jemand eine Auffrischungsimpfung braucht. Wenn man beim Menschen diesen Aufwand nicht treibt, warum dann
beim Haustier? Dessen Leben zählt ja nach landläufiger Auffassung und vor dem
Gesetz nicht so viel wie das eines Menschen.
12. Ein vorläufiger Kompromiss
In den USA bemühen sich die Fachverbände, die Impfhäufigkeit in breiter Front auf ein
begründetes Mass zurückzuführen und das neue Schema durchzusetzen. Die DreiJahres- Intervalle gemäss AAFP-Schema sind ja auch nur ein Kompromiss, denn man
weiss, dass die Impfung gegen Seuche und Schnupfen längeren Immunschutz bietet.
So betont die Hochschulveterinärin Alice M. Wolf denn auch, dass die Impfrichtlinien der
AAFP nicht in Stein gemeisselt sind: „Es gibt gute klinische Beweise dafür, dass eine
anständige Impfung im Welpenalter die Katze ihr ganzes Leben lang vor Panleukopenie
schützt, und es laufen derzeit Studien, die das belegen sollen. Ähnliche Studien werden
gerade gemacht oder stehen vor der Veröffentlichung, die zeigen, dass die StaupeImpfung (für Hunde) mehr als drei Jahre Immunschutz bringt.“ Wahrscheinlich würden
die Impfrichtlinien in der Zukunft entsprechend den neuen wissenschaftlichen
Erkenntnissen weiter revidiert.
13. Und was tut sich hierzulande?
Während in den USA über lebenslangen Immunschutz durch einmalige Impfung
nachgedacht wird, wofür jetzt schon manches spricht, erweist sich die Impfszene in der
Schweiz nicht gerade als innovationsfreudig. Professor Hans Lutz stellte Ende 1999 auf
einem Tierärzte-Kongress in Nürnberg ein eigenes Impfschema vor, ohne es allerdings
näher zu begründen. Nach seinem Impfplan sollten Katzen eine Grundimmunisierung im
Welpenalter erhalten und ab dem ersten Lebensjahr jeweils jährlich gegen Seuche und
Schnupfen geimpft werden, bis sie drei Jahre alt sind. Ab dann könne man die
Impffrequenz bei Katzen ohne Auslauf, die keine Kontaktmöglichkeit mit anderen
Katzen hätten, „wohl problemlos auf zwei bis drei Jahre vergrössern“, so Lutz.
(Vortragsmanuskript, Nürnberg 1999). Auf welche Erkenntnisse über die Dauer des
Immunschutzes sich dieser Impfplan stützt, teilte Lutz nicht mit.
Auch auf dem Düsseldorfer Veterinärkongress im November 2000 waren die
Impfintervalle nur am Rande ein Thema, eine Grundsatzdebatte wurde darüber nicht
geführt. Immerhin sagte Professor Horzinek: „Die jährliche Impfung gegen alles und
jedes ist eher Folklore.“ Er forderte die Impfstoff-Hersteller auf, wieder
Monokomponenten-Vakzinen anzubieten, also alle Impfstoffe einzeln, so dass
jede Katze individuell und entsprechend ihrer Risikosituation geimpft werden
können. Und Professor Pedersen stellte klar: „Impfen ist keine ökonomische, sondern
eine medizinische Prozedur.“
14. Tierarzt in der Haftungsfalle?
Manche unserer Tierärzte lehnen ein neues Impfschema mit dem Argument ab, sie
müssten sich schon aus Haftungsgründen an die Hersteller-Empfehlung halten. In den
USA hat die Arzthaftung einen ganz anderen Stellenwert als bei uns, bei
Behandlungsfehlern werden viel höhere Entschädigungen gezahlt als bei uns. Daher ist
diese Frage selbstverständlich auch geklärt worden, und zwar positiv für die Anhänger
einer wissenschaftlich fundierten neuen Impfpraxis. Die wichtige American Animal
Hospital Association (AAHA, Verband der Veterinärkliniken) hat im August 1999 eine
Stellungnahme zur Haftungsfrage bei vom Beipackzettel abweichendem Gebrauch von
Vakzinen veröffentlicht. Darin heisst es: „Immer mehr Hochschuleinrichtungen,
anerkannte Experten und Praktiker empfehlen eine reduzierte Verabreichung von
Biologika bei Haustieren. Das hat den sehr realen Vorteil, dass damit negative
Nebenwirkungen und ungerechtfertigte Ausgaben der Klienten reduziert werden. Auf
der anderen Seite gibt es ein gewisses Risiko, dass eine Krankheit bei einem
bestimmten Patienten oder einer Gruppe von Tieren auftreten könnte, die hätte
verhindert werden können. Nichtsdestoweniger werden Abweichungen von der
empfohlenen Anwendung zunehmend üblich und in immer weiterem Umfang gebilligt
und sollten daher als akzeptierter Behandlungsstandard angesehen werden.“
Tierärzte, die weniger häufig impfen, befinden sich nach Aussagen der AAHA „in
Übereinstimmung mit der Meinung anerkannter Fachleute“. Der Berufshaftpflicht-Trust
der American Veterinary Medical Association (= grösster US-Tierärzteverband) habe
bestätigt, dass diejenigen Tierärzte unterstützt und verteidigt würden, die sich nach den
weithin anerkannten Standards richteten, sofern sie sich nichts Illegales oder
Unethisches zuschulden kommen liessen. Das heisst: Sowohl die Anhänger der
herkömmlichen Richtlinien als auch die Verfechter des neuen Impfschemas geniessen
den Schutz ihrer Berufshaftpflichtversicherung.
15. Das Übliche kann ein Behandlungsfehler sein
In einer deutschen Fachpublikation zur tierärztlichen Haftung schreibt der Autor Cord
Gaus: „Der Arzt ist stets verpflichtet, die nach den jeweiligen Erkenntnissen der
medizinischen Wissenschaft erforderliche (nicht übliche!) Sorgfalt anzuwenden.“ Wichtig
ist in diesem Satz die Klammer. Sie besagt, dass die „erforderliche“ Sorgfalt durchaus
nicht gleichzusetzen ist mit der „üblichen“ Sorgfalt. Und weiter heisst es: „Auch der
Tierarzt schuldet seinem Patienten oder besser dem Tierbesitzer grundsätzlich die Wahl
der sichersten Methode.
Die Gebräuchlichkeit eines Verfahrens reicht nicht aus zur Verneinung eines
Kunstfehlers, wenn nicht zugleich alles getan wird, was nach den Regeln und
Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zur Bewahrung des Patienten vor
körperlichen Schäden getan werden muss.“
Wann hätte ein Arzt also eher Haftungsfolgen zu befürchten: Wenn eine Katze durch zu
häufige und/oder für ihre individuelle Lebenssituation überflüssige Impfungen an einem
Fibrosarkom erkrankt, oder wenn eine Katze, die nur alle paar Jahre von ihm geimpft
wird, Katzenschnupfen bekommt? (Der auch durch eine jährliche Impfung nicht
hundertprozentig zu verhüten wäre.) Den Katzenschnupfen würde das Tier mit hoher
Wahrscheinlichkeit überleben, das Sarkom hingegen nicht. Im Übrigen können
Impfungen aus verschiedenen Gründen fehlschlagen: weil noch maternale Antikörper
(im Jungtier) vorhanden waren, weil der Impfstoff nichts taugte (auch das kommt vor),
weil ein neuer Erregerstamm auftritt (gegen den die am Markt befindlichen Produkte
versagen), usw. Kein Tierarzt kann die hundertprozentige Wirksamkeit einer Impfung
garantieren, und das verlangt auch niemand von ihm. Verlangt werden kann aber wohl,
dass ein Tierarzt die neuere Forschung zur Kenntnis nimmt und Schaden von seinem
Patienten abwendet, indem er in Übereinstimmung mit der Meinung führender Experten
ein wissenschaftlich begründetes und weniger risikoträchtiges Impfschema praktiziert.
16. Impfen – ja, aber mit Mass
Alle Katzen (und Hunde) sollten ordentlich geimpft sein – aber bitte nach dem neuesten
Stand der Forschung und nicht nach über 20 Jahre alten Schemata, denen es an
wissenschaftlichen Grundlagen mangelt. Wer seine Katzen gemäss den US-Richtlinien
und nach Abwägung der individuellen Infektionsgefahr impfen lässt, geht sicherlich kein
Risiko ein, denn die Katzen diesseits und jenseits des Atlantiks haben die gleiche
Physis.
Jede/r Tierhalter/in kann über die Art und Häufigkeit von Impfungen selbst bestimmen,
denn es gibt bei uns keine Impfpflicht für Haustiere. Einzig bei Tollwut tritt der
Gesetzgeber auf den Plan: Wenn in einer Gegend Tollwut auftritt, können ungeimpfte
Katzen, von Amts wegen getötet werden, egal ob sie infiziert sind oder nicht. Auf
Tollwutschutz sollte man daher nicht verzichten, wenn ein Infektionsrisiko anzunehmen
ist. Auch wer sein Tier in einer Tierpension unterbringen will, muss wohl oder übel
nachimpfen lassen. Aber sonst hat man freie Hand, und das sollte man auch nutzen.
Zum Schluss noch ein Wort von Professor Ronald D. Schultz:
„Meine eigenen Haustiere werden als Welpen ein- oder zweimal geimpft
und dann nie wieder, mit Ausnahme der Tollwut-Impfung, die alle drei
Jahre gegeben wird, seit ein Drei-Jahres-Produkt erhältlich ist. Ich
verfahre nach diesem Programm seit 1974, und es ist weder bei meinen
Haustieren noch bei den Haustieren meiner Kinder und Enkel jemals
eine Infektionskrankheit aufgetreten.“
Info im Internet:
www.cvmbs.colostate.edu (Impfplan der Veterinärklinik der Colorado State University,
mit Angabe der verwendeten Impfprodukte und mit Literaturliste)
www.maxshouse.com/vaccines.htm (Impfplan der Cornell University)
www.avma.org/vafstf (Informationen zum Impfsarkom)
www.api4animals.org/default.asp?ID=558 (AAFP/AFM-Report
Darstellung der Infektionskrankheiten und der Impfintervalle)
1998,
ausführliche
www.geocities.com/~kremersark/aafp.html (AAFP/AFM-Report 2000, im wesentlichen
Ergänzungen zum ersten Report, z.B. zur Frage der Tierarzthaftung)
Urheber: Monika Peichl
Aktualisiert und ergänzt März 2009 Monika Scheuner (Copyright)
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