Kantonsschule Wattwil Corinne Eicher Saxifraga mutata im Toggenburg Im Zentrum dieser Maturaarbeit steht die Ökologie des Kiessteinbrechs Saxifraga mutata L.. Dass die Wahl gerade auf diese Pflanze fiel, hängt zunächst einmal damit zusammen, dass es sich um eine lokale Rarität der Voralpen handelt. Ihre stattlichen Blütenstände mit den dunkelgelb bis orange gefärbten Blüten lassen den Kiessteinbrech aber auch optisch sehr attraktiv erscheinen. Die Arbeit, die von Dr. Rolf Heeb betreut wurde, gliedert sich in fünf anspruchsvolle Teilprojekte. Das Hauptprojekt bestand darin, während dem ganzen Jahr alle vierzehn Tage – während der Blütezeit sogar jede Woche – alle weit über 200 Einzelrosetten der beiden gewählten Kernpopulationen im Wattwiler Steintal minutiös auszumessen. Aus den gewonnenen Daten wurden unter anderem Wachstumskurven aufgezeichnet, Zuwachsraten berechnet sowie nach Korrelationen zwischen den gemessenen Grössen gesucht. Signifikante Korrelationen wurden zwischen dem Rosettendurchmesser und der Rosettenhöhe, dem Nettowachstum sowie der Anzahl Blüten gefunden. Bei den Wachstumskurven der Blütentriebe erstaunte, dass sie trotz unterschiedlichen klimatischen Bedingungen an beiden Standorten praktisch gleichzeitig beginnen und die Wachstumszeit übereinstimmt. Natürlich gehen auch der Anteil an Verlusten sowie blühenden Individuen aus diesen Daten hervor. Neben dem Vermessen wurde die Begleitflora der Kernpopulationen aufgenommen. Das bedeutet, dass in einem definierten Gebiet sämtliche Pflanzen bestimmt wurden, um die untersuchten Standorte zu charakterisieren. Demselben Zweck diente auch die Untersuchung einiger Bodenproben. Hierbei wurden wichtige physikalisch-chemische Parameter wie die Leitfähigkeit und der pH-Wert des Bodens bestimmt, sowie auch die elementare Zusammensetzung des Bodens ermittelt. In einem vierten Teilprojekt wurde das Klima bei den Kernpopulationen aufgezeichnet, um Aussagen darüber machen zu können, mit welchen Temperaturschwankungen der Kiessteinbrech umgehen muss und ob er dazu eventuell ein Mikroklima aufbaut, also die Temperaturschwankungen ausgleicht. Überraschenderweise wurde kein stabilisierendes, sondern ein überhöhendes Mikroklima festgestellt. Das bedeutet, dass die Temperaturschwankungen zwischen den Rosettenblättern grösser sind als neben ihnen. Für diesen Effekt wurde bisher noch keine gesicherte Erklärung gefunden. Beim fünften und letzten Teilprojekt handelt es sich um die Planung, Organisation und Durchführung einer gross angelegten Suchaktion, um eine möglichst vollständige Kartierung von Saxifraga mutata in einem ungefähr 1.5km2 grossen Suchgebiet zu erlangen. 15 freiwillige Helfer suchten während einem Tag das ganze, ziemlich unwegsame Gebiet systematisch auf alle Vorkommen des Kiessteinbrechs ab. Die Suchaktion ergab, dass der Kiessteinbrech im Wattwiler Steintal bevorzugt auf Hängen mit einer mittleren Hangneigung von 20-30° und einer nordöstlichen Exposition vorkommt. Beide Parameter stellen Kompromisslösungen dar. Bei tiefen Hangneigungen würde der Kiessteinbrech von anderen Pflanzen verdrängt werden, bei höheren ist die stärkere Erosion das Problem. Die nordöstliche Exposition ist der Mittelweg zwischen Sonnenlicht, das für die Photosynthese benötigt wird, und Feuchtigkeit, die an schattigen Hängen höher ist. Mit der Suchaktion hat sich die Anzahl bekannter Vorkommen des Kiessteinbrechs wesentlich erhöht, die Daten sind für das nationale Datensammelzentrum „info flora“ von grossem Interesse. Dieser gesamte, sehr umfangreiche Datensatz ermöglicht Aussagen über die Überlebensfähigkeit der untersuchten Populationen. Diese konnte zuerst nur anhand der Verteilung der Rosettendurchmesser, also der Verjüngung, bestimmt werden. Im Rahmen von „Schweizer Jugend forscht“ wurde die Arbeit weitergeführt, und mit dem kompletten Jahressatz an Daten konnte die Aussterbenswahrscheinlichkeit mittels Gefährdungsanalyse simuliert werden. Am Samstag, 3. Mai 2014 wurde Corinne Eicher am nationalen Wettbewerb „Schweizer Jugend forscht“ in Lausanne mit einem Hauptpreis ausgezeichnet: Ihre Arbeit erhielt das Kantonsschule Wattwil Corinne Eicher Prädikat „hervorragend“, und sie darf als einzige Repräsentantin die Schweiz am internationalen SIYSS-Kongress in Schweden vertreten. Teil dieses Kongresses ist eine Einladung an die Verleihungszeremonie der Nobelpreise 2014. In der Laudatio wies der Experte Dr. Peter Stoll darauf hin, dass die Arbeit eine aussergewöhnliche Breite und Tiefe aufweist, und ein Niveau hat, das man sonst nur bei fortgeschrittenen Fachstudenten findet.