Heinrich IV. in Canossa 1077

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Heinrich IV. in Canossa 1077
Margit Roy, 2005
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... 1
Vorwort ....................................................................................................................... 2
Kirche und Staat bis zum 11. Jahrhundert .................................................................. 3
Kloster- und Kirchenreform ......................................................................................... 4
Heinrich IV. und Gregor VII. (Hildebrand) bis zur Begegnung in Canossa ................. 5
Der eigentliche Canossagang begann ...................................................................... 10
Von Canossa bis zum Tod Gregors VII. ................................................................... 13
Zusammenfassung ................................................................................................... 15
Literaturverzeichnis .................................................................................................. 17
1
Vorwort
Heinrich IV. war König über das mächtigste Reich des christlichen Abendlandes. Er
fühlte sich, wie seine Vorgänger als Stellvertreter Christi auf Erden, dazu berufen,
sowohl über Volk und Adel, als auch über die Kirche zu herrschen. Dieser Heinrich,
sonst ausgestattet mit allen Insignien der königlichen Macht und Würde flehte im
Büßergewand um Gnade. Die Burg Canossa war der Ort, an dem sich vor nicht ganz
930 Jahren im Januar des Jahres 1077 dramatische Ereignisse abspielten. Das
mittelalterliche Europa war direkt oder indirekt betroffen. Bis heute gilt der Gang nach
Canossa als sprichwörtliches Beispiel für Bußfertigkeit und Reue. Ende des Jahres
1076 entschloss sich Heinrich IV., über die Alpen nach Italien zu ziehen. Dies war
eigentlich nichts Ungewöhnliches. Auch seine Vorgänger hatten sich wiederholt nach
Italien begeben. Mit Gefolge und Heer waren Sie Richtung Süden marschiert, um
sich Schätze anzueignen oder ihren Machtbereich nach Süden weiter auszudehnen,
oder um sich vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen. Das ein oder andere Mal
diente der Feldzug auch der Ein- oder Absetzung der Päpste. Heinrich IV. hatte ganz
andere Beweggründe.
Ein König mutete seiner Gemahlin, seinem zweijährigen Sohn und einem kleinen
Gefolge zu, bei Schnee und klirrendem Frost über ein Hochgebirge zu marschieren.
Wenn man das berühmte Bild des Canossagangs betrachtet, bietet Heinrich einen
jämmerlichen Eindruck in seinem schlichten wollenen Gewand.
Von königlicher Würde ist nichts zu spüren. Unter Tränen erbittet er drei Tage lang
die Fesseln des Bannfluches zu lösen und um Wiederaufnahme in den Schoß der
heiligen Mutter Kirche.
Warum belegte Papst Gregor VII. den deutschen König mit dem Kirchenbann?
Woher nahm er die Macht, einem Herrscher wie Heinrich IV. zu bestrafen und zu
demütigen? Dies sind die Fragen, die ich hier beantworten möchte.
2
Kirche und Staat bis zum 11. Jahrhundert
Dem römischen Kaiser der Antike oblag nicht nur der gesamte öffentliche Bereich,
der Ziviles, Militärisches und Kultisches beinhaltete, nein er war selbst Bestandteil
des öffentliches Kultes geworden. Er hatte die Funktion des obersten Priesters inne
und regierte so über den gesamten Sakralbereich. Unter Konstantin wurde diese
Aufgabe an die christlichen Kaiser übertragen. Theodosius I. erhob das Christentum
zu alleinigen Staatsreligion.1
Die abendländischen Königreiche erwuchsen linear aus dem Imperium Romanum
und transportierten die heidnischen Vorstellungen eines Sakralkönigtums in einen
christlichen Kontext. Da es zu den Pflichten der Herrscher gehörte, die Kirche zu
schützen, nahmen sie sich auch entsprechende Rechte heraus und missionierten
von oben.2 Zu ihren Aufgaben machten sie die Einberufung und die Leitung von
kirchlichen Versammlungen und das Beschließen von kirchlichen Verordnungen. Des
Weiteren
nahmen
sie
Einfluss
bei
der
Besetzung
der
Bischofs-
und
Patriarchenstühle.3
Unter Otto I. verstärkte sich die traditionelle Zusammenarbeit zwischen Kirche und
Königtum. Um seine königliche Macht gegenüber dem Adel zu stärken, baute Otto
die Herrschaft der geistlichen Würdenträger, die ohne rechtmäßige Erben blieben,
aus. Er verlieh
ihnen weltliche Lehen und setzte sie in wichtige Ämter ein. Die
Ernennung der Bischöfe und Äbte durch den König, ein Recht aus merowingischer
Zeit, lag in Ottos Hand und machte die Zusammenarbeit ersichtlich. Der König war
ein von Gott erwählter Herrscher. Durch das von Gott verliehene Amt gehörten der
Schutz und die Aufsicht über die Kirche zu seinen Pflichten. Der Ausdruck „ottonischsalisches Reichskirchensystem“ definiert die enge Zusammenarbeit zwischen den
Königen und der Kirche.4
1
Dieter Mertens, Königtum vor dem Investiturstreit, in: Geschichte der politischen Ideen. Von der Antike bis zur
Gegenwart, aktualisierte Ausgabe, Frankfurt am Main 2003, S. 185 – 192, hier S. 144.
2
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, Stuttgart – Berlin – Köln 2000, S. 77.
3
Dieter Mertens, Königtum vor dem Investiturstreit, S. 144.
4
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, Stuttgart – Berlin – Köln – Mainz 1982, S. 45.
3
Kloster- und Kirchenreform
Vom
im
10.
Jahrhundert
gegründeten
Kloster
Cluny
ging
eine
starke
Reformbewegung aus. Die Erneuerung mönchischer Frömmigkeit durch Cluny war
von starker Wirkung auf Weltklerus und Laienwelt.5 Klöster in Frankreich, Italien und
Deutschland, die weithin durch Vernachlässigung der geistlichen und klösterlichen
Aufgaben, sowie durch wirtschaftliche Ausnutzung von Seiten des Adels infolge des
Eigenkirchenrechtes abgesunken waren, schlossen sich Cluny an. Die Reformer
erkannten, dass die Laieninvestitur nicht den alten Kirchengesetzen entsprach, und
führten auf sie den moralischen Verfall des damaligen Klerus zurück, insbesondere
dessen Nachsicht gegenüber dem Konkubinat sowie der weit verbreiteten Simonie,
dem Kauf und Verkauf von Kirchenämtern.6
Mit Papst Leo IX. kann sich der Reformgeist in Rom endgültig durchsetzen.7 Papst
Leo entwarf ein geistlich-politisches Programm und setzte es konsequent durch.
Seine Forderungen sind nichts Neues, aber er benutzte neue Mittel, um die Ideen zu
verwirklichen.
Er
verband
die
sittliche
Erneuerung
der
Kirche
mit
ihrer
organisatorischen.8
Im Jahr 1046 wurde durch Kaiser Heinrich III. ein Papstschisma beendet. Auf der
Synode von Sutri erklärte Heinrich die drei rivalisierenden Päpste, u.a. den
sittenstrengen Gregor VI. wegen Simonie, für abgesetzt und nominiert seinen
eigenen Kandidaten Suidger von Bamberg als Papst Clemens III..9 Im Jahr 1059
verkündete Papst Nikolaus II. schließlich die Papstwahlordnung. Der Papst ernennt
die Kardinäle, die Kardinäle wählen den Papst.10
5
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 15.
Claude Schaeffner (Hrsg.), Weltgeschichte in 24 Bänden, Bd. 6: Die Kirche im Mittelalter. Die Kreuzzüge.
Das mongolische Asien, Lausanne 1969, S. 13.
7
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 74.
8
Dieter Mertens, Königtum vor dem Investiturstreit, S. 196.
9
Kay Peter Jankrift, Das Mittelalter. Ein Jahrtausend in 12 Kapiteln, Ostfildern 2004, S. 170.
10
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, Darmstadt 21969, S. 34.
6
4
Heinrich IV. und Gregor VII. (Hildebrand) bis zur Begegnung in Canossa
Heinrich wurde am 11. November 1050 als Sohn Kaiser Heinrichs III. und Kaiserin
Agnes geboren.11 Er war erst sechs Jahre alt, als sein Vater am 5. Oktober 1956
starb. Papst Viktor II. versprach ihm an seinem Sterbelager für den kleinen Heinrich
Sorge zu tragen. In den folgenden Monaten bemühte sich der Papst erfolgreich um
Frieden im Reich. Ein halbes Jahr später starb Viktor II. im Juni 1057 in Arezzo.
Heinrichs fromme, aber politisch ungeschickte Mutter Agnes von Poitou übernahm
nach dem Tod Heinrichs III. die Regierung des Reiches - bis ihr Sohn volljährig
war.12
Nach dem Tod Papst Viktors II. wurde Friedrich von Lothringen zum neuen Papst
gewählt, als Papst nannte er sich Stephan IX.. Stephan hatte erst nach vollzogener
Wahl, durch den nach Deutschland entsandten Bischof Anselm von Lucca, die
Erlaubnis der deutschen Regierung eingeholt. Diese Wahl war seit 1046 die erste
gewesen, die ohne Beteiligung des deutschen Königs stattgefunden hatte. Im Herbst
1057 entsandte
Papst Stephan II. Anselm von Lucca erneut nach Deutschland,
zusammen mit dem Subdiakon Hildebrand. Papst Stephan IX. starb noch während
die Delegation in Deutschland war, nachdem er nur acht Monate an der Spitze der
westlichen Kirche stand.13
Vor seiner Abreise aus Rom ließ er das Kardinalskollegium schwören, dass es im
Falle seines Todes nicht zur Wahl eines neuen Papstes schreiten würde, bevor der
Subdiakon Hildebrand aus Deutschland zurückgekehrt sei. Die Gegner der
Reformpartei hielten sich nicht an ihr Versprechen, sondern benutzten die günstige
Gelegenheit und
wählten eiligst
einen der von Stephan eidlich verpflichteten
Kardinäle, den Kardinalbischof Johannes von Velletri, als Benedikt X. zum Papst.
Während Hildebrands Anhänger gezwungen waren, Rom zu verlassen, eilte
Hildebrand selbst nach Rom zurück. Er sorgte sich nicht um die Unanfechtbarkeit
11
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, S. 13.
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910- 1122, S. 101.
13
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 96f.
12
5
der rechtsgültigen Wahl Benedikts. Er berief eine Synode nach Siena, mit dem Ziel
den Bischof von Florenz, einen überzeugten Cluniazenser, als Nikolaus II. zum
Gegenpapst aufstellen zu lassen.14
Nikolaus II., gerade eben Papst geworden, führte mit Hilfe von Humbert und
Hildebrand, die seine „beiden Augen“ genannt wurden, die entscheidende Wendung
herbei. Er nutzte eine feierliche Ostersynode, um das Recht der Papstwahl vom
römischen Volk auf das Kollegium der Kardinäle – damals noch unter der Führung
der sieben Kardinalbischöfe - zu übertragen. Dem Kaiser wurde somit sein
„gebührendes Hoheitsrecht“ vorbehalten.15 Auf der Lateransynode 1059 fasste
Nikolaus II. noch andere Beschlüsse. Es wurde Laien verboten, an Gottesdiensten
teilzunehmen, die von verheirateten Geistlichen abgehalten wurden. Die Laien
wurden direkt in das Ringen um das Zölibat einbezogen. Ferner wurde das
Simonieverbot ausgeweitet. Nach dem Beschluss der Synode galt es als Simonie,
wenn man ein geistliches Amt aus der Hand eines Laien erhielt. Damit wurde 1059
erstmals ein allgemeines Investiturverbot ausgesprochen.16
Nikolaus II. beendete die antinormannische Politik seiner Vorgänger, indem er mit
den Normannen einen Friedensvertrag schloss. Er übergab den Normannen ihre in
Unteritalien eroberten Gebiete als Lehen. Diese Wende in der Normannenpolitik des
Papstes verletzte eindeutig Reichsrechte in Unteritalien. Der deutsche Königshof
missbilligte dieses Verhalten und weigerte sich, einen päpstlichen Legaten zu
empfangen. Papst Nikolaus II. starb aber schon 1061 und so blieb die Reaktion der
Deutschen ohne unmittelbare Folgen.17
Entgegen dem Dekret Nikolaus’ II. baten die Römer ihren König Heinrich IV. nach
den alten Rechtsnormen um Benennung eines neuen Papstes.18 Hildebrand ergriff
die Initiative und sorgte dafür, dass Bischof Anselm von Lucca zum neuen Papst
geweiht wurde. Dieser wurde als Papst Alexander II. inthronisiert.19 Diese Nachricht
14
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., München 31977, S. 48.
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, S. 34.
16
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 106.
17
August Nitschke, Frühe christliche Reiche, in: Propyläen-Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte in 10
Bänden, Bd.5: Islam. Die Entstehung Europas, Berlin – Frankfurt am Main 1963, S. 273 – 393, hier S. 371.
18
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. Und die Kirche, S. 35.
19
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 109f.
15
6
ignorierend wurde in Basel der Bischof Kadalo von Parma als kaiserlicher Papst
Honorius II. aufgestellt. Es gab also ein Schisma, nicht zwischen Staat und Kirche,
sondern zwischen der bewahrenden und der reformierenden Macht. In den lange
andauernden Kämpfen, hatte Kadalo zunächst gute Aussichten. Jedoch schwächte
ihn die Tatsache einer uneinigen Regentschaft mit einem Kind als König. Die
gegnerische
Seite
war
einerseits
gestärkt
durch
die
überlegene
Führung
Hildebrands, andererseits durch die Leidenschaft der Reformer. Nachdem Alexander
eindeutig als Sieger hervorging, übernahm sein Erzdiakon Hildebrand die Geschäfte
des Papstes soweit, dass der bedeutendste Geist von damals, Peter Damiani, ihn als
den Herrn des Papstes bezeichnete.20
Nachdem Heinrichs Mutter Agnes 1062 durch den Staatsstreich von Kaiserswerth
entmachtet wurde, übernahmen unter anderem die Erzbischöfe Anno von Köln und
Adalbert von Hamburg-Bremen die Regentschaft für den unmündigen König. Im Alter
von 15 Jahren wurde Heinrich drei Jahre später mündig erklärt. Er duldete wie sein
Vater keine Bevormundung. Er wollte seinem Vater auch im Verhalten gegenüber der
Kirche, gegenüber Rom und dem Papst nacheifern. Während sein Vater aber Rom
beherrscht hatte wie andere geistliche Territorien des Reiches, stand der Sohn vor
einer völlig gewandelten Situation.21
1073 kam es in Rom zu einem Pontifikatwechsel. Während der von Hildebrand
geleiteten Beisetzungsfeier für Alexander II., wurde Hildebrand selbst spontan zu
dessen Nachfolger gewählt. Unter dem Namen Gregor VII. nahm er die Wahl an.
22
Die Ideen der Kirchenreform bestimmten nun das kirchenpolitische Konzept Gregors.
Sich seines Amtes und seiner hohen Würde bewusst, wollte der Papst in der ihm
anvertrauten Kirche in keinster Weise weltliche Abhängigkeit zulassen. Im „Dictatus
papae“ legte Gregor seine Gedanken über die universale Stellung des Papstes
nieder, dem es auch erlaubt ist, Kaiser abzusetzen. Gregor forderte für sich den
Vorrang nicht nur im kirchlichen, sondern auch im weltlichen Bereich. Er sollte allen
20
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, S. 35f.
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit (Akademie der
Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang
1975, Nr. 5), Mainz 1975, S. 22.
22
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 120.
21
7
Königen übergeordnet sein. Nur ihm sollte es zustehen, kaiserliche Insignien zu
tragen.23
Es kam wegen der Frage um die Nachfolge des 1070 zurückgetretenen Mailänder
Erzbischofs Wido zu einem Konflikt zwischen dem König Heinrich IV. und Papst
Gregor VII. Heinrich setzte einen vornehmen Mailänder, Gottfried, als Nachfolger
ein.24 Die Pataria, eine Bewegung im niederen Klerus Mailands, die entschieden
gegen Priesterehe und Simonie vorging, erhob hingegen Atto, einen Geistlichen
niederer Herkunft, mit Zustimmung des Papstes zum Nachfolger. Heinrich wollte
sich durchsetzen und ließ seinem Kandidaten Gottfried weiterhin Unterstützung zukommen. Daraufhin wurden fünf Räte Heinrichs 1073 von Alexander
II.
exkommuniziert. Jedoch noch im selben Jahr, am 21. April, starb Alexander II..25
Diese Auseinandersetzungen endeten zwei Jahre später mit einer Niederlage der
Pataria. Deren Führer Erembald fiel in einer Straßenschlacht. Die Sieger wandten
sich indes an den König, um von ihm Hilfe zur Friedensfestigung zu erhalten. Des
Königs beste Idee war es, weder den einen noch den anderen Kandidaten zu
unterstützen, sondern einfach einen Dritten zu ernennen, den Kappelans Tebald.
Diese, wie auch andere königliche Bischofsnominationen, die im selben Jahr in
Spoleto und Fermo erfolgten, widersprachen dem strikten Verbot der Laieninvestitur
von Papst Gregor gänzlich. Dieses Verbot wurde 1075 auf der letzten Fastensynode
von Gregor erlassen und untersagte jedem König das Recht auf Vergebung von
Bistümern. Da seine Beschlüsse nicht ernst genommen wurden, wollte der Papst in
Zukunft energischer vorgehen.26
Er schrieb Heinrich einen Brief, indem er ihm vorwarf, die Rechte Roms verletzt zu
haben,27 und dass er noch immer nicht jene Räte aus seiner Umgebung entfernt
habe, über die sein Vorgänger Alexander II. schon 1073 Kirchenbann verhängt hatte.
Weiters drohte Gregor Heinrich selbst auch mit Kirchenbann und Absetzung und
verweigerte ihm die Kaiserkrönung, wenn er nicht schnell seinen Willen dem des
23
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, S. 39
Ebd. S. 44.
25
August Nitschke, Frühe Christliche Reiche, S. 376.
26
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, S. 23.
27
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 124.
24
8
päpstlichen unterordnet und Buße tue.28 Heinrich verbündete sich daraufhin mit
einem großen Teil der deutschen Bischöfe auf einer Reichsversammlung in Worms.
Diese kündigten dem Papst den Gehorsam auf
und beschlossen den „falschen
Mönch“ abzusetzen.29
Gregors Reaktion war überraschend. In einem feierlichen Gebet an den Apostel
Petrus erklärte er auf der Fastensynode 1076 den deutschen König für abgesetzt,
sprach über ihn den Bann aus und löste seine Untertanen vom Treueid.30 Die
Verbannung Heinrichs zerstörte das Bündnis zwischen Heinrich und den Bischöfen,
nur wenige blieben an der Seite des gebannten Königs. 1076 hatten sich Heinrichs
Gegner, hauptsächlich die sächsischen und süddeutschen Fürsten in Tribur vereinigt.
Heinrich hatte von der Zusammenkunft der süddeutschen Fürsten erfahren und war
gleichfalls zur Stelle.31
Heinrich lagerte auf der anderen Rheinseite in Oppenheim. Es blieb ihm nichts
anderes übrig, als von dort aus mit den Fürsten und Bischöfen zu verhandeln.32 Als
er sah, dass er immer weniger Anhänger hatte, widerrief er seine Absageerklärung
vom Januar in Worms und entließ die von Alexander II. gebannten Ratgeber. Die
Fürstenversammlung
in
Tribur
beschloss,
Heinrich
nicht
mehr
als
König
anzuerkennen, wenn dieser nicht bis zum ersten Jahrestag seiner Verbannung die
Loslösung vom Bann erreicht hätte. Der Stichtag zur Wahl eines neuen Königs war
der 2. Februar 1077. Auch Gregor wurde zu dieser Wahl nach Augsburg eingeladen.
Heinrich geriet nun in Zeitdruck. Um ein Bündnis seiner deutschen Gegner mit
Gregor zu verhindern, beschloss er dem Papst selbst entgegenzureisen, um die
Absolution zu erlangen.33
28
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit S. 24f.
August Nitschke, Frühe Christliche Reiche S. 379.
30
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 133.
31
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 129f.
32
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 134.
33
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 129.f.
29
9
Der eigentliche Canossagang begann
Kurz vor Weihnachten brach Heinrich, gemeinsam mit seiner Frau Bertha von Turin
und dem kleinen Thronfolger Konrad, heimlich in Speyer auf, um wenige Tage später
in Genf bei der Markgräfin Adelheid, Bertas Mutter, anzukommen. Heinrich wollte
nicht lange in Genf verweilen. Er musste Adelheid jedoch eine reiche Abtei am
Genfer See überschreiben, um den Mont Cenis, den einzigen Alpenpass, den die
deutschen Herzöge Rudolf und Welf nicht hatten sperren können, überschreiten zu
dürfen. An die Übertragung des Bistums knüpfte Heinrich jedoch die Bedingung, die
Adelheid dazu verpflichtete, sich sogleich nach Italien aufzumachen, um Gregor
positiv zu beeinflussen. 34
Unter Führung von Einheimischen drangen sie bis zur Scheitelhöhe des Passes vor.
Die Königin und ihr Gefolge wurden auf Rinderhäuten über den schneebedeckten
Pass gezogen.35
Ohne zu Wissen, dass Heinrich ihm bereits entgegenkam, startete Gregor VII. seine
Reise in Richtung Norden. Laut Abmachung sollte ihm ein deutscher Herzog
entgegenkommen, um ihn sicher über die Alpen zu begleiten. Der Herzog blieb aus.
Im Wissen um Heinrichs Entweichen wagten es weder die Deutschen ihr Land noch
zu verlassen, noch setzte Papst Gregor seine Reise fort. Auf den Rat seiner treuen
Mathilde hin, zog er sich auf ihre Burg Canossa zurück. Hier sollte er selbst vor
einem großen Heer sicher sein. Somit wurde Canossa zum Schauplatz der
welthistorischen Begegnung zwischen Gregor VII. und Heinrich IV.36
Nachdem Heinrich erfuhr, dass Gregor sich auf die Burg Canossa zurückgezogen
hatte, folgte er ihm und schlug in dem nahe gelegenen Bianello sein Hauptquartier
auf. Er schickte Boten zum Papst, um ihm seine Ankunft kund zu tun. Gleichzeitig
sollten sie Mathilde und Hugo von Cluny, die sich ebenfalls auf Canossa befanden,
zu einer Aussprache bewegen. Beim Wiedersehen mit den beiden, erklärt Heinrich
34
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 225f.
August Nitschke, Frühe christliche Reiche, S. 380.
36
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, S. 70f.
35
10
unter Tränen, wie sehr er unter dem Bann litt, der ihn als Christenmenschen verdient
getroffen habe, weshalb er jede Kirchenstrafe auf sich nehmen würde. Nun aber sei
er hier und wolle Buße tun und müsse von Gregor erlöst werden. Es ginge nicht nur
um sein persönliches Seelenheil, sondern vielmehr um den Fortbestand der
salischen Dynastie. Die ihm anvertraute Ehre des Reiches stünde auf dem Spiel. Mit
diesen Argumenten wirkte er besonders auf
Mathildes Familienstolz. Der
Fortbestand der Salier, zu deren Sippe sie sich gerne bekannte, lag ihr sehr am
Herzen. Für Hugo von Cluny war es ein Herzenswunsch sein Patenkind auf dem
deutschen Thron zu sehen.37
In der Zwischenzeit waren weitere gebannte Deutsche, Bischöfe und Laien in
Canossa eingetroffen, um hier die päpstliche Absolution er erhalten. Gregor
verlangte von ihnen Buße. Die Bischöfe wurden in härteste Einzelhaft gesteckt, mit
den Laien hatte er etwas mehr Nachsicht. Einige Tage später durften sie alle
vortreten, Gregor verwarnte sie noch einmal und löste sie dann von ihrem Bann.38
Heinrich zeigte sich am 25. Dezember barfuss in härenem Gewand vor den
Burgmauern. Der Termin war beziehungsreich gewählt, war es doch der Gedenktag
der Bekehrung des Paulus, der aus dem Christenverfolger Saulus ein Apostel wurde.
Heinrich wurde nicht eingelassen.39
Gregor wollte seine Entscheidung erst nach einer gründlichen Untersuchung durch
das Fürstengericht in Augsburg treffen. Heinrich habe die heilige Kirche zu sehr
beleidigt. Es folgte ein Wechsel von Botschaften. Heinrich teilte Gregor mit, wie sehr
er sein Fehlverhalten bereue, stieß jedoch beim Papst nicht auf Gehör. So
entschloss sich Heinrich, ohne auf Gregors Aufforderung zu warten, die Buße zu tun,
die zur Erlangung der Absolution vorgeschrieben war. Dies war aber nicht die
Kapitulation des deutschen Königs vor dem Papst, nicht die Unterwerfung unter den
Willen eines Stärkeren - es war ein gepeinigter Sünder, der barfuss und im
Pilgergewand vor seinem Gott lag.40 Angeblich soll der König fastend und frierend
37
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 228f.
Wolfram Von den Steinen, Canossa. Heinrich IV. und die Kirche, S. 72.
39
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910- 1122, S. 131.
40
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 229.
38
11
drei volle Tage von morgens bis abends hier in Schnee und Eis gestanden haben.41
Am dritten Tag, dem 28. Januar, verließen Heinrich die Kräfte und er wollte sich
aufmachen, um seinem Elend ein Ende zu machen. 42
Gregors Freunde sprachen von „Grausamkeit“ und „Barbarei“.43 Durch seinen Paten,
den Abt Hugo von Cluny, dazu ermuntert, erreichte Heinrich zuletzt und angeblich
durch einen Fußfall in der Nikolauskapelle vor seiner Cousine Mathilde deren
Fürsprache. Auch Hugo selbst und des Königs Schwiegermutter Adelheid von Turin
sowie Markgraf Azzo von Este setzten sich bei Gregor für ihn ein. Heinrich zeigt sich
als Büßer, ohne königliche Insignien.44
Endlich folgte der Papst seiner priesterlichen Pflicht und öffnete dem König das
Tor.45 Heinrich warf sich mit weit ausgebreiteten Armen in Kreuzform zu Boden.
Gregor, der gerührt war, richtete ihn auf, umarmte und segnete ihn.46
Heinrich und Gregor standen sich zum ersten Mal und zum letzten Mal gegenüber.
Sie waren sich zum ersten Mal und ebenso zum letzten Mal einander nahe, ein jeder
vom anderen überwunden. „Es sind die beiden Menschen, in denen die Kräfte ihres
Zeitalters münden, die Macht der Idee und die Idee der Macht.“47
Im Anschluss versammelte man sich in der Burgkapelle zum Essen, wobei der Papst
den vom Bann erlösten König das Sakrament spendete, indem er die Hostie mit ihm
teilte. Gregor habe sich dabei unschuldig erklärt, was alle gegen ihn laut gewordene
Klagen betraf, Heinrich im Gegensatz dazu, erklärte sich als der Kommunion
unwürdig. Dieses Szenario wird in der Geschichte oft als eine Art Gottesgericht
gedeutet. Die Abmachung zwischen König und Papst wurde schriftlich festgehalten,
wobei Heinrich nochmals vom Papst zur strikten Einhaltung dieser aufgefordert
wurde. Die urkundliche Abmachung datiert vom 28. Januar 1077.48
41
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, S. 37f.
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 230f.
43
August Nitschke, Frühe christliche Reiche, S. 380.
44
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, S. 37f.
45
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 132.
46
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, S. 37f.
47
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 231.
48
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, S. 38f.
42
12
Nicht angesprochen wurden die Absetzung des Königs und die Lösung der Treueide,
auch nicht in dem Gelübde, das Heinrich durch zwei Bischöfe beschwören und den
Abt von Cluny „auf sein Seelenheil“ mit Handschlag bekräftigen ließ. Heinrich legte
diesen Eid durch Vertreter ab, was dafür stand, dass er selbst keinen Zweifel hegte,
nicht mehr König zu sein, denn nur Könige mussten keinen Schwur persönlich
leisten. Dies galt im Hochmittelalter als königliches Exklusivrecht.49
Heinrich wurde vom Papst schließlich mit dem Friedenskuss entlassen. Gleich
darauf wurden die deutschen Fürsten vom Papst über das Geschehen in Canossa
informiert. In seinem Brief bemängelte Gregor das Nichterscheinen des zugesagten
Geleits und betonte, dass er sich durch die bezeugte Bußgesinnung Heinrichs und
durch die Kritik in seiner Umgebung in einer Zwangslage befunden habe.50
Von Canossa bis zum Tod Gregors VII.
Während sich Heinrich nach Abschluss der Verhandlungen von Canossa noch in
Italien aufhielt, wählte der Kern seiner Gegner im März 1077 in Forchheim Heinrichs
Schwager Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig. Um die Zustimmung der zwei
päpstlichen Legaten und der Fürsten zu erhalten, verpflichtete Rudolf sich, die
Bischofsstühle in einer freien kanonischen Wahl unter Ausschluss der Simonie zu
besetzen und außerdem auf eine Designation seines Sohnes als Nachfolger zu
verzichten und eine freie Königswahl beizubehalten.51
Gregor selbst vermied es, sich zwischen den beiden Thronaspiranten zu
entscheiden.52 Trotz heftigsten Bitten Rudolfs, der Papst möge endlich offen Stellung
für ihn beziehen, schickte sich Gregor an, seine Neutralität zu bewahren, um das
Zustandekommen des großen Schiedsgerichtes nicht zu gefährden.53
49
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, s. 133f.
Harald Zimmermann, Der Canossagang von 1077. Wirkungen und Wirklichkeit, S. 39.
51
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 136.
52
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 139.
53
Rudolf Wahl, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 248.
50
13
Auf der Fastensynode von 1080 bekräftigte Gregor das Investiturverbot, drohte mit
dem Bann für alle, die Laieninvestitur betrieben, exkommunizierte erneut Heinrich IV.
und übergab das deutsche Reich an Rudolf. Ein halbes Jahr später kam es unweit
von Merseburg zwischen Heinrichs Truppen und Rudolf von Schwaben zu einem
Gefecht, in dem Rudolf als Sieger hervorging. Er selbst verlor bei dem Kampf die
rechte Hand und starb noch am gleichen Tag an der Verletzung.54
Allgemein sah man darin ein Gottesurteil. Mit dieser Hand hatte Rudolf seinem König
und Schwager einst Treue geschworen.55 Schon Monate vor Rudolfs Tod hatte
Heinrich auf der Reichsversammlung von Brixen den päpstlichen Bann mit Gregors
Absetzung und der Erhebung Erzbischofs Wibert von Ravenna zum Gegenpapst
beantwortet.56
Nach dem Tode Rudolfs wollte Heinrich endlich selbst für klare Verhältnisse sorgen
und zog nach Rom. Er konnte trotz längerer Belagerung die Stadt des Papstes nicht
erobern. Gregor rief den Normannenherzog Robert Guiscard zu Hilfe. Da er sich auf
keine Verhandlungen einließ, während Rom und der Kirchenstaat schwer verwüstet
wurde, fielen zahlreiche Römer, zuletzt auch ein großer Teil der Kardinäle, von ihm
ab. Nach dreijährigen Kämpfen wollte Heinrich nach Deutschland zurück, als ihn
Gesandte der Römer zum Einzuge einluden wieder Frieden herzustellen. Erneut
wurde Gregor VII durch eine Synode in der Peterskirche
abgesetzt erklärt. Wibert
wurde als Clemens III.
als Hochverräter
für
zum Papste erhoben und am
Ostertage 1084 empfing Heinrich die Kaiserkrone von ihm.57
Inzwischen hatte sich Gregor auf die Engelsburg zurückgezogen. Die Normannen,
seit 1059 Vasallen des Papstes, konnten Gregor befreien. Sie verwüsteten die Stadt
dermaßen, dass Gregor mit ihnen zusammen Rom verlassen musste. Er starb unter
ihrem
Schutz
am
25.
Mai
1085.
Der
Tod
Gregors
Auseinandersetzungen mit Heinrich IV.58
54
Wolfram Von den Steinen, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 81.
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 136.
56
Werner Goez, Kirchenreform und Investiturstreit. 910 – 1122, S. 140.
57
Wolfram Von den Steinen, Der Gang nach Canossa. Kaiser Heinrich IV., S. 82.
58
Uta-Renate Blumenthal, Der Investiturstreit, S. 138.
55
14
VII.
beendete
die
Zusammenfassung
Die Geschichte der Kirche von Konstantin dem Großen über die Merowinger bis hin
zu Karl dem Großen zeigte eine wichtige, aber auch problematische Tendenz, die
enge Verbindung von weltlicher und geistlicher Macht. Unter Otto I. stellte die
Kirchenpolitik einen wesentlichen Bestandteil der innenpolitischen Interessen des
Reiches dar. Da die Geistlichkeit aufgrund von fehlenden Erbinteressen viel besser
dafür geeignet war, Güter zu verwalten, weitete er das Lehnswesen auf die
Geistlichkeit aus. Somit erhielt die Geistlichkeit weltliche Herrschaftsrechte. Weiters
wurden Geistliche in die Politik eingegliedert. Bischöfe und Reichsäbte unterstanden
dem Kaiser unmittelbar, er setzte sie in ihre Ämter ein und übergab ihnen die
weltlichen Insignien (= Investitur).
Die Einsetzung in ein geistliches Amt durch einen Laien hatte zur Folge, dass die
geistlichen Ämter oft käuflich wurden. Weiters verloren Geistliche im weltlichen
Leben oft ihre Tugenden. Auch unter der Regentschaft der Salier änderte sich nichts
daran, bis Heinrich IV. an die Macht kam. Das Papsttum hatte sich inzwischen zu
einer eigenen Größe etabliert und ist zur Konkurrenz der weltlichen Macht geworden.
So kommt es im 11. Jahrhundert zum Konflikt zwischen kaiserlicher und päpstlicher
Macht. Die beiden Kontrahenten, die diesen Konflikt austrugen, waren Papst Gregor
VII. und König Heinrich IV.. Der König des Heiligen Römischen Reiches war seit den
Karolingern Schutzherr der Kirche, er war von Gott verpflichtet und auserkoren, der
weltlichen und auch der geistlichen Macht Obrigkeit zu sein. Gregor VII. wollte dieses
Machtverhältnis jetzt umdrehen. Wie schon Papst Leo IX. und Nikolaus II., der 1059
den Kaisern verbot Päpste zu wählen, drängte auch Gregor den Einfluss des Kaisers
und des Adels gegenüber der Geistlichkeit deutlich zurück.
Gregor führte die
Machtansprüche des Papstes an den Höhepunkt.
Im „Dictatus papae“ von 1075 forderte er die Vormachtstellung des Papstes
gegenüber dem Kaiser. Solange das „Dictatus papae“ nur ein innerkirchliches Papier
war, berührte es den Kaiser nicht wesentlich. Bald aber erhielt dieses Dokument
Öffentlichkeitscharakter und drängte sich in die weltlichen Belange. Das „Dictatus
15
papae“ hätte in Ausführung den Umsturz der bisherigen Kirchenpolitik und die
Umkehrung
der
bisherigen
Machtverhältnisse
bedeutet.
Höhepunkt
der
Auseinandersetzungen zwischen Gregor und Heinrich war schließlich die Absetzung
und Verbannung Heinrichs im Jahr 1076. Die Reaktion Heinrichs auf die Verbannung
war zunächst seinerseits die Absetzung Gregors. Als Heinrich jedoch seine
verbündeten Fürsten aufgrund der Exkommunizierung verlor, musste er handeln, er
musste die Loslösung vom Bann innerhalb einer Jahresfrist erreichen. So kam es
zum Treffen zwischen Gregor und Heinrich auf der Burg Canossa.
Der berühmte und sprichwörtliche gewordenen Canossagang von 1077, bei dem
Heinrich mehrfach vergebens bei Gregor um die Loslösung vom Bann flehte, war
eine unglaubliche Demütigung für den Kaiser. Er erlangte schließlich eine Lösung
des Bannes, allerdings war seine Stellung als Kaiser jetzt fragwürdig. In der
Zwischenzeit wurde ein Gegenkönig, Rudolf von Rheinfelden, aufgestellt. Erst nach
dessen Tod erlangte Heinrich wieder seine ursprüngliche Kaiserposition. Die
Geschichte wiederholte sich. Gregor bannte Heinrich ein zweites Mal, worauf sich
Heinrich mit der Ernennung eines Gegenpapstes revanchierte, der ihn 1084 zum
Kaiser krönte. Der Streit zwischen Papst Gregor VII. und Heinrich IV. endete 1085
mit dem Tod des Papstes.
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Literaturverzeichnis
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Blumenthal, Uta-Renate, Der Investiturstreit, Stuttgart – Berlin – Köln – Mainz
1982.
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2004.
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politischen Ideen. Von der Antike bis zur Gegenwart, aktualisierte Ausgabe,
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393.
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Mittelalter. Die Kreuzzüge. Das mongolische Asien, Lausanne 1969.
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21969.
•
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•
Zimmermann,
Harald,
Der
Canossagang
von
1077.
Wirkungen
und
Wirklichkeit (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen
der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 1975, Nr. 5),
Mainz 1975.
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