Lars Hillebold Das Brot des Lebens und die Leben ohne Brot Eine Predigt zu Johannes 6, 47-51 Kassel, Christuskirche / Schlosskapelle, 10.3.2013 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. Johannes 6, 47-51 Das lebendige Brot vom Himmel und das fehlende Brot in der Welt Das lebendige Brot vom Himmel und das fehlende Brot in der Welt. Das Brot des Lebens und all die Leben ohne Brot. Wer kann das mit gutem Gefühl zusammen hören und wie ertragen wir es? Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Über 900 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen: Jeder siebte Mensch auf der Erde hungert. Jedes Jahr sterben rund zehn Millionen Kinder an Unterernährung. Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu frischem Trinkwasser. Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. In Indien gehen 65 Millionen Kinder zwischen sechs und 14 Jahren nicht zur Schule. Sie arbeiten. Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. Nicht nur in Heltau, Rumänien, wohnen Menschen in Bretterverschlägen. Man friert allein bei dem Gedanken, darin wohnen zu müssen. Kinder spielen davor in Schlappen im Schnee, weil es die einzigen Schuhe sind, die sie haben. Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. In Deutschland leben über 2 Mio. Kinder in Haushalten, die Sozialhilfe empfangen. Sie leiden aufgrund der wirtschaftlichen Situation ihrer Familie unter körperlichen und seelischen Belastungen. Sie haben schlechtere Aussichten für ihre schulische und berufliche Ausbildung. Sie werden schlechter mit materiellen Gütern versorgt. Sie sind zuweilen fehlernährt, haben oft weniger soziale Kontakte und Freunde. Gerade weil deutsche Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren insgesamt über 10 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung haben, wird die eigene Armut als ausgrenzend und beschämend empfunden. Gewiss ist das andere Armut als die Sorge ums tägliche Brot und sauberes Wasser und doch bleibt mir der Bissen im Hals stecken. Sollen wir warten? Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Sollen wir bis dahin warten? Sollen wir bis dahin warten, dass wir Menschen auf der Welt satt werden, alle gesundes Wasser zu trinken haben, jedes Kinder in eine Schule gehen kann und Bildung keine Frage des Gehalts der Eltern ist. Das lebendige Brot vom Himmel und das fehlende Brot in der Welt. Wie leicht ist es vom Brot des Lebens zu reden? Und wie schwer ist das Leben ohne Brot? Wie leicht spricht es sich beim Abendmahl: „Schmecket und sehet wie freundlich der Herr ist“ Wie geschmacklos und unfreundlich hinterlassen wir Menschen unsere Welt? Das Brot des Lebens und all die Leben ohne Brot. Wer kann das mit gutem Gefühl zusammen hören und wie ertragen wir es? Ich frage, weil das Brot des Lebens keiner backen kann. Und weil Jesus nicht den Hunger in der Welt stillt. Ich frage aber auch, wie kommen wir damit zurecht, dass uns beides widersprüchlich und damit ja nicht gleichgültig vor Augen ist: das Brot des Lebens und die Leben ohne Brot. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Geht Johannes mit dem Glauben an die Ewigkeit einfach über das Hier und Jetzt hinweg? Wartet der Glaube an Jesus so lange auf das Brot des Lebens, bis es vom Himmel fällt und alle satt macht und warten und wartet und wartet? Mit anderen Worten: Fehlt es Menschen an Glauben, wenn für sie zu wenig vom Himmel fällt; an Manna und Regen, an Geld und Segen? Woran ist Johannes in seinem Evangelium gelegen? „Was ist das?“ fragten sie früher und nannten es Manna Das Brot, das wie Manna scheinbar vom Himmel fällt, ist trügerisch. Die Väter haben es in der Wüste gegessen und sind gestorben. Manna heißt aus dem Hebräischen wörtlich übersetzt einfach nur: „Was ist das?“ Also: es bleibt offen, was das ist, dass da sagenhaft vom Himmel fällt. Während die einen es als Zeichen des Himmels deuten, schaut Johannes der Evangelist kritischer. Die Väter haben das nicht nur gegessen, sondern er schreibt im griechischen: Die haben es verschlungen und sind gestorben. Das Brot fällt nicht vom Himmel und auch nicht überall gleich gerecht verteilt auf die Erde. Das Brot des Lebens ist nicht das Brot, das vom Himmel fällt. Die sagenhafte Geschichte, dass Menschen vom Himmel satt werden, war einmal eine Vertrauensgeschichte für hungernde Menschen in einer ganz und gar nicht globalisierten Welt. 3000 Jahre später hungert ein Teil unseres Globus und der andere weiß, es ist genug für alle da. Es ist eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit und nicht das Glaubens an Gott. Es ist eine Frage an den Menschen. Denn während einige schlingen, sterben andere. Das war leider schon bei den Vätern so. Und wir Kinder machen es nicht immer besser als die Väter und Mütter. Was ist das?, fragten sie früher und nannten es Manna. Heute müssen wir uns fragen lassen: Was soll das? Was soll das, das genug für alle da ist, wir es aber nicht gerecht verteilen können? Und aus der sagenhaften Geschichte vom Brot des Himmels ist eine tragische geworden. Brot des Lebens und die Leben ohne Brot. Eigentlich ist genug für alle da, an einigen Orten verschlingen wenige zu viel und an anderen Orten verhungern sie. Leben ohne Brot schreit zum Himmel und schreit zu dem, der von sich sagt: Ich bin das Brot des Lebens und bringt die Frage mit sich: Haben wir Johannes richtig verstanden? Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Geht es um eine Ewigkeit irgendwann, irgendwo, egal was hier ist? Geht es um eine gelangweilte Gegenwart, um eine verantwortungslose Vergangenheit und um eine zufällige Zukunft. Mit anderen Worten: Findet euch damit ab: den einen geht es gut, den anderen nicht. Die globalisierte Welt ist sowieso zu kompliziert, konträr, komplex, kontrafaktisch - Fremdwörter sind da genau das richtige, damit wir Menschen abschalten und gelähmt werden. Doch selbst wenn man das lebensbegleitende Radio in diesen Tagen anschaltet, kommt nichts Besseres heraus. Da geht es nur um die Wurst, aber nicht wirklich ums Leben. Kennste Currywurst? Kennste Currywurst? Kennste? Kenkennste! Na klar, kennste! Aber kennste McCurrywurst? Jaahaa, gibt et jetze, mit Brötchen..., mit Pommes..., kannste mit Coke..., zum hier essen oder zum mitnehmen... 2 Kennste nich? Na dann kommste, und probierste.. Neu! McCurrywurst, bei McDonalds, in mild oder scharf, und nur für kurze Zeit... Die Ewigkeit im Sinn Es geht nicht um die Wurst, sondern ums Leben. Es geht nicht um kurzfristige Sättigung, sondern um die Ewigkeit. Es geht nicht um mild oder scharf, sondern um das Profil unseren Glaubens und Handelns. Wer kommt und probiert vom Brot des Lebens, der wird leben - nicht kurze Zeit, sondern in Ewigkeit. Was Mario Barth will ist klar. Wovon redet Johannes? Was meint Jesus? Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Leben in Ewigkeit ist kein Raum und keine Zeit, sondern ein Leben in einer Haltung, mit einem Profil, in einer Erkennbarkeit. Ewigkeit ist nicht das, was noch aussteht, sondern was alle angeht. Ewigkeit ist nicht die Zeit, die noch kommt. Ewigkeit meint den Blick für das Ganze. Für die Vergangenheit und für die Gegenwart und für die Zukunft. Leben in Ewigkeit ist nicht billige Vertröstung, sondern teure Verantwortung. Wer von diesem Brot isst, der ist ein Teil des großen Ganzen. Der sieht das Ganze mit offenen Augen für die Sorgen dieser Welt. Brot des Lebens hat die Leben ohne Brot im Blick. Das ist der eine Sinn von Ewigkeit, die Johannes meint: die Weite, den Horizont, das große Ganze. Der andere Sinn von Ewigkeit ist mit dem ersten untrennbar verbunden. Die Ewigkeit Gottes begrenzt unseren Glauben und unser Handeln. 1) Wir retten nicht die ganze Welt. Nicht alle bekommen Brot, Trinkwasser, Bildung, Arbeit. Aber ein kleiner und hoffentlich größer werdender Teil. Wir kennen unsere Grenzen, wir sterben wie die Väter und doch verschlingen wir nicht alles, was uns vor die Füße fällt und andere so dringend brauchen. Das ist die Grenze unseres Handelns. 2) Gottes Ewigkeit begrenzt unseren Glauben. Wir glauben als Menschen. Wir handeln nicht an Gottes statt. Nicht dass wir Gott und Mensch verwechseln, wie es immer wieder geschah und geschieht. Wir handeln - auch im Namen Gottes und als Kirche - immer als Menschen: vorläufig und fehlerhaft. Wir haben Menschen um Entschuldigung und Gott um Vergebung zu bitten. Wir sind als Christen begrenzt. Gottes Ewigkeit ist die Grenze unseres menschlichen Glaubens. 3) Die Ewigkeit Gottes begrenzt unser Handeln, sie begrenzt unseren Glauben und sie führt unser Leben an die Grenze des Lebens anderer. Wo das nächste Leben ohne Brot ist, verändert das Brot des Lebens meine Einstellung. Wo das Leben meiner Nächsten missbraucht und missachtet wird, ist Christus meine Mahnung. Wo andere gewaltsam grenzenlos geschmacklos werden, gilt auch ihnen seine Einladung zum Abendmahl: Sehet und schmecket, wie freundlich der Herr ist. Brot des Lebens, um zu leben Denn das Brot des Lebens und die Leben ohne Brot - sie gehören zusammen. Mit gutem Gefühl kann das wohl keiner hören. Schwer ist es zu ertragen. Abschalten scheint manchmal verführerisch. Aber nur für kurze Zeit - wer will das schon? Gottes Ewigkeit im Sinn haben: grenzenlos - gestern und heute, morgen, hier und dort. Gottes Ewigkeit im Sinn haben, die mir meine Grenzen zeigt. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Amen. 3