Legionellen in Schwimm- und Badebeckenwasser Markus Funcke Dipl.-Ing. Lehr- und Versuchsgesellschaft für innovative Hygienetechnik mbH (LVHT) Mülheim an der Ruhr ♦ Trinkwasser > TrinkwV > DVGW W270 > Gefährdungsanalysen ♦ Schwimm- und Badebecken > DIN 19643 > KSW-Prüfungen > Betriebsmitteloptimierung > DGfdB: Merkblatt 65.04 Funktionsprüfungen ♦ Lufthygiene > VDI 6022 … Legionellen Markus Funcke, Dipl.-Ing. L.V.H.T. Lehr- und Versuchsgesellschaft für innovative Hygienetechnik mbH, Mülheim/Ruhr http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/lungenentzuendung/article/845826/leitartikel-legionellen-ausbruch-haelt-warstein-atem.html Was sind Legionellen? Erreger der Legionärs-Krankheit Erreger • Legionellen sind gramnegative, nicht sporenbildende aerobe Bakterien; Länge 2 – 20 µm, Durchmesser 0,3 – 0,9 µm • etwa 48 Arten, die 70 verschiedene Serogruppen umfassen Erreger • bedeutsamste Art ist Legionella pneumophila, die für etwa 90 % aller Erkrankungen verantwortlich ist • Legionella pneumophila sind 16 Serogruppen bekannt, von denen die Serogruppe 1 die größte Bedeutung besitzt. Î DIN 19643-1:1997 • alle Legionellen sind als potenziell humanpathogen einzustufen Natürliches Habitat • weltweit verbreitete Wasserbakterien • primäres Reservoir ist Süßwasser • in geringer Zahl (natürlicher Bestandteil) – Oberflächengewässern und – Grundwasser • Fähigkeit zur Vermehrung in Protozoen z. B. Amöben Mikrobielle Besiedelung des Menschen Haut ca. 1015 Keime = 1.000.000.000.000.000 Mundhöhle ca. 106/mL = 1.000.000 ca. 200 Spezies Gastroinestinaltrakt ca. 1014 Keime = 100.000.000.000.000 Legionellen gehören NICHT zur natürlichen Flora des Menschen! Günstige Lebensbedingungen • in künstlichen Wassersystemen • Biofilme • Protozoen (z. B. Amöben) Legionellen können komplette Systeme besiedeln! Temperatureinfluss • lebensfähig von 5 °C bis 55 °C • optimale Vermehrung 25 °C bis 45 °C • Absterben ab 60 °C • schnelles Absterben oberhalb 70°C („Thermische Desinfektion“) wichtige Vermehrungsfaktoren • Temperaturen 25 °C - 45 °C • Stagnation – Totleitungen (permanente Stagnation) – wenig durchströmte Wasserleitungen • Rückzugsorte (z. B. Biofilme, Sedimente) • Ungeeignete Werkstoffe Î Legionellen zeigen einen technischen Mißstand an! Legionärskrankheit Bellevue Stratford Hotel Phiadelphia: 1976 http://bellevuephiladelphia.net/images/home3.jpg Bild: www.hrs.de Legionärskrankeit • Bellevue Stratford Hotel, Phiadelphia, 1976 • ca. 4000 Teilnehmer am Treffen der American Legion • ca. 221 Personen erkrankten • 34 Todesfälle Ausbruch einer bisher unbekannten Erkrankung bei ehemaligen Legionären Gesundheitliche Bedeutung • alle Legionellen sind als potenziell humanpathogen einzustufen • Verbreitung über Wasser, das versprüht oder vernebelt wird • Zielorgan ist die Lunge • Übertragung von Mensch zu Mensch nicht bekannt • Verschlucken wird bei immunkompetenten Personen nicht als kritisch angesehen „Dosis-Wirkung-Paradox“ Erkrankung • Legionärskrankheit – schwerer Verlauf Legionellose mit Pneumonie Inkubation: ca. 2-10 Tage • Pontiac-Fieber - leichter Verlauf Legionellose ohne Pneumonie Inkubation: ca. 5 – 66 Stunden; im Durchschnitt 24 - 48 Stunden Keine spezifischen Symptome • Legionärskrankheit – schwerer Verlauf allg. Unwohlsein, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, unproduktivem Reizhusten, Schüttelfrost, Fieber 39-40,5°C, Benommenheit, Verwirrtheit; schwere Lungenentzündung… hohe Letalitätsrate • Pontiac-Fieber - leichter Verlauf grippeähnliches Krankheitsbild, Kopf-, Gliederschmerzen, Husten, Fieber… keine Lungenentzündung, selbstlimitierende Krankheit, Todesfälle nicht bekannt. Wahrscheinlich unterdiagnostiziert Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankeiten bei Menschen Infektionsschutzgesetz - IfSG § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern ((1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen: 1. Adenoviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich 2. Bacillus anthracis … 11. Ebolavirus 12. a) Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC) b) Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme … 26. Legionella spp. … 46. Yersinia pestis 47. andere Erreger hämorrhagischer Fieber Geschätzte Erkankungen • Nach Schätzungen des Kompetenznetzwerkes für ambulant erworbene Pneumonien (CAPNETZ) geht man in Deutschland von etwa 15.000 bis 30.000 Fällen von Legionärskrankheit pro Jahr aus. • Wahrscheinlich unterdiagnostiziert Legionellose Erkrankungsfälle Jahr RKI- Statistik 2007 532 2008 525 2009 502 2010 691 2011 644 2012 654 2013 920 Potentielle Infektionsquellen • Hausinstallationen mit Wassertemperaturen >25°C • Stagnierendes Wasser • Schwimmbäder/Badebecken, insbesondere Warmsprudelbecken (z. B. Whirlpools) Potentielle Infektionsquellen • Geräte für die Mundhygiene oder zur Behandlung von Atemwegserkrankungen (z. B. Inhalatoren, Dentaleinheiten, Mundduschen) • Luftbefeuchter im häuslichen Bereich. • Autowaschanlagen, • Springbrunnen • Zahnarztstühle Häufige Infektionsorte • Medizinische Einrichtungen (Krankenhaus, Kurklinik, Rehabilitationseinrichtung) • Pflegeeinrichtungen (Seniorenheim, Behindertenheim) • Hotels und anderen Unterkünften (Pension, Campingplatz, Kreuzfahrtschiff) • Infektionsort im privaten bzw. beruflichen Umfeld Schwimmbad Potentielle Vermehrungsorte • Beckenkreisläufe insb. aerosolbildende Einheiten (Whirlpool, Rutsche…) • Trinkwasserinstallation, warm und kalt insb. Duschen • Lüftung • ggf. Springbrunnen… Vergleich: Trinkwasser - Beckenwasser • Trinkwasser Î „Einbahnstraße“ oder zirkulierendes System mit Stichleitungen • Badebeckenwasser Î Kreislauf! (Becken: >2 m ) DIN 19643: Technisches Regelwerk 3 DIN 19643-1:2012-11 Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser Labordiagnostik Wasser Dauer der Untersuchungen • E. Coli • Pseudomonas aeruginosa • Koloniezahl bei 36°C - 1-2 Tage 2-3 Tage 2-3 Tage • Legionellen ca. 10 Tage - Labordiagnostik Wasser Methode ISO 11731 DIN EN ISO 11731-2 Probevolumen 1 mL (Direktansatz) 100 mL (Membranfiltration) DIN 19643 1997: - BW: 1 mL - Filtrat 100 mL 2012: - BW und Filtrat: 1 und 100 mL 0,5 mL Direkt-Ansatz (2 Platten pro Ansatz) 100 mL Membran-Ansatz Hinweise zu mikrobiologischen Ergebnissen Koloniezahl ist keine Bakterienzahl (!) Hinweise zu mikrobiologischen Ergebnissen „Koloniebildende Einheiten“ Hinweise zu mikrobiologischen Ergebnissen Badewasser KBE/100 ml <1 1 bis <100 100 bis 1.000 >1.000 Trinkwasser KBE/100 mL <1 1 bis <100 100 bis 1.000 1.000 bis 10000 >10.000 Bewertung • Tabellarische Darstellung impliziert eine nicht vorhandene Präzision vor • Mikrobiologische Parameter sind großen Schwankungen unterworfen. • Ein Grenzwertkonzept wie bei einer chemischen Noxe ist undenkbar. Ergebnisse im Ringversuch I/2014 Mittelwert: 28 KBE/100 mL Untere Grenze: 12 KBE/100 mL Obere Grenze: 50 KBE/100 mL Ergebnisse im Ringversuch I/2014 Mittelwert: 64 KBE/1mL Î 6.400 KBE/100 mL Untere Grenze: 34 KBE/1mL Î 3.400 KBE/100 mL Obere Grenze: 102 KBE/1mL Î 10.200 KBE/100 mL Fazit • Alle Legionellen sind als potenziell humanpathogen einzustufen • Größte Sicherheit kann nur ein dauerhaft Legionellen-freier Kreislauf gewährleisten Danke für die Aufmerksamkeit! Markus Funcke L.V.H.T. Lehr- und Versuchsgesellschaft für innovative Hygienetechnik mbH Mülheim an der Ruhr