Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 Universität Wien Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften Vorlesung Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof. Dr. Thomas A. BAUER LV-Nr. 696511 Wintersemester 2004/2005 Christlicher Glaube und Medienethik 01. Dezember 2004 Stefan NAGLIS, 0007741 Text: ROLFES, Helmuth: Christlicher Glaube und Medienethik. Der Beitrag von Theologie und Kirche zum medienethischen Gespräch der Gesellschaft. In: KARMASIN, Matthias (Hrsg): Medien und Ethik Stuttgart, 2002, Seite 238-261 Keywords: Medienethik / christlicher Glaube / Theologie / Moral / Menschenwürde / VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 1 von 7 Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 I. ABSTRACT Einen allgemein anerkannten und gültigen Wertekanon gibt es nicht und kann es in pluralistischen Gesellschaften auch weder vom Staat noch von institutionell gewachsenen und mutmaßlich kompetenten Organisationen wie Kirchen vorgeschrieben werden. Der gemeinsame Ausgangspunkt aller medienethischen Gespräche ist die Würde des Menschen und dies wiederum ist eine urchristliche Einstellung. Das Ziel und der Sinn aller Kommunikation wird in der katholischen Kirche durch die Dreifaltigkeit bestimmt. Demnach ist Kommunikation ein Vollzug von Gemeinschaft und nicht bloß Übertragung von Information. Die christlichen Kirchen verweisen umfassend auf ethische Missstände in der Medienwelt und wollen Medienkompetenz fördern. II. ZUSAMMENFASSUNG DES TEXTES 1. Das ethische Gespräch der Gesellschaft In unserer modernen Lebenswelt gibt es keinen öffentlich anerkannten Wertekanon mit den damit verbundenen Handlungsnormen. In unserer vom Wertepluralismus geprägten Gesellschaft ist der Staat zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet und weder der Kirche noch anderen Gruppen werden Positionen zugestanden, in welchen sie einen Wertekanon vorschreiben könnten. Diesen Umständen zufolge ist man auch von einer allgemeingültigen Medienethik weit entfernt. Zwar bestehen verschiedene theoretische Ansätze und noch mehr praktische Interpretationen zur Medienethik (dazu kommen freiwillige ethische Kodizes der Medienschaffenden), dennoch existiert kein offensichtlicher gemeinsamer Nenner. Dass die Medienethik trotzdem eine praktisch und faktisch normative Funktion erfüllt, führt zu der Annahme, dass es trotz des Wertepluralismus unhintergehbare Grundsätze gibt. Diese Hypothese wird durch daraus resultierendem Schutz des Pluralismus vor Relativismus und Beliebigkeit untermauert. Um sich auf eine gesellschaftlich konsensfähige ethische Position einigen zu können, bedarf es eines gesellschaftlichen Gespräches, an dem sich jeder einzelne und jede Gruppe beteiligen kann. “Auch Theologie und Kirche müssen sich mit ihren ethisch relevanten Überzeugungen in dieses Gespräch einmischen” (Rolfes 2002: 240). VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 2 von 7 Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 2. Was müssen Theologie und Kirche beachten, um im medienethischen Gespräch der Gesellschaft Gehör zu finden? Das Christentum als “Schriftenreligion” verwendet seit jeher Texte als Instrumente der Verkündigung. In der gesamten Geschichte des Christentums, war die Auseinandersetzung mit dem Umgang mit diesen Texten ein zentraler Bestandteil, vor allem auch für die Theologie. In ihrer langen Geschichte, übte die Kirche auch Zensur aus und erstellte einen “Index der verbotenen Bücher”. Dieser Umstand spricht der Kirche in der heutigen medienethischen Diskussion Kompetenz ab und widerspricht der moralischen Position die ihr nach eigenem Ermessen zustehen würde. Außerdem besteht der Vorwurf, dass sie kein ausgesöhntes Verhältnis zur modernen Welt und zu den dafür typischen Medien hat. Weiters versuche die Kirche über die Medien ihre Moralvorstellungen zu verbreiten und als verbindlich vorzuschreiben. Demzufolge werden die Medien von der Kirche in Gute und Schlechte kategorisiert. Dies “verkenne schon vom Ansatz her die Eigengesetzlichkeit der modernen Medien und ihre Funktion in unserer freiheitlichen, durch Pluralismus definierten demokratischen Gesellschaft” (Rolfes 2002: 241). Diese Vorwürfe entstammen aber historischen Beobachtungen. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), sind die Weichen für eine zeitgerechte Diskussion gestellt. Jeder Diskussionsbeitrag der Kirche und der Theologie sind an die Einsicht in den jeweiligen Sachverhalt und die Vernunft der Argumentation gebunden. Auch nicht auf den Glauben basierend kann gegen die Vernunft argumentiert werden. “Das Spezifikum des medienethischen Beitrages der Theologie und Kirche besteht darin, dass auf der Grundlage von ausgewiesener Sachkenntnis über vernunftorientierte Argumente vermittelte medienethische Aussagen im Anspruch des Glaubens reflektiert und formuliert werden.” Gemeinsamer Ausgangspunkt aller medienethischen Theorien ist die Würde des Menschen, welche eine urchristliche Einstellung ist. Damit eng verbunden ist das Menschenbild als Abbild Gottes. 3. Theologische Grundlagen a) Gottebenbildlichkeit Die Gottebenbildlichkeit hebt den Menschen in der Schöpfungsgeschichte einzigartig hervor und verweist dadurch auf seine besondere Würde. Demnach kommt dem Menschen auch ein besonders kommunikatives Verhältnis zu Gott zu. Die Gottebenbildlichkeit dürfe aber nicht so verstanden werden, dass der Mensch als Abbild Gottes auch an dessen Allmacht VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 3 von 7 Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 partizipieren und über die Schöpfung frei verfügen kann. Im Zusammenhang mit dem alttestamentarischen Verbot sich ein Bild Gottes zu machen, erhält die Gottebenbildlichkeit des Menschen einen ganz eigenen Sinn. b) Person Der Personenbegriff ist eine Relationsbezeichnung und kennzeichnet die Fähigkeit zur Kommunikation. Die antike Theatertradition meint mit “persona” die Maske, die der Schauspieler trug, durch die er zum Publikum sprach. In späterer Tradition ist Person, das vernunftbegabte Einzelwesen. Martin Luther definierte “Fides facit personam” (Übs.: Der Glaube macht die Person). Heute ist die Begriffsbestimmung rein philosophisch. Die biblische Ableitung der Menschenwürde ist aber nach wie vor zentraler Bestandteil der Diskussion. Theologie und Kirche werden daher im gesellschaftlichen Gespräch zur Medienethik darauf achten müssen, dass die Würde des Menschen nicht verletzt wird. c) Kommunikation Das Ziel und der Sinn aller Kommunikation wird in der katholischen Kirche durch die Dreifaltigkeit bestimmt. Das gilt also auch für die Medienkommunikation. Die vatikanische Pastoralinstruktion “Communio et progressio” (1971) sagt, die Verbundenheit und Gemeinschaft der Menschen ist das oberste Ziel jeder Kommunikation. Diese sei ursprünglich verwurzelt in der Gemeinschaft in Gott, zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, Kommunikation als Vollzug von Gemeinschaft und nicht bloß Mitteilung von Information. Dieses Modell soll als normative Sinnbestimmung verstanden werden. “Übertrüge man diesen Anspruch unvermittelt, abstrakt normativ auf die zwischenmenschliche Kommunikation, [...] erwiese sich die Norm sehr schnell als wirklichkeitsfremd und untauglich um überhaupt zu einer ethisch relevanten Urteilfindung zu kommen” (Rolfes 2002: 251). Medienethische Beiträge der Kirche werden vom Ansatz her den Medien gegenüber immer positiv gestimmt sein, weil die Medien durch ihr Wirken die Vergemeinschaftung fördern. Gleichzeitig bringt dieser Standpunkt die Kirche in die Lage eines gewichtigen Kritikers. 4. Grundsätzliche medienethische Prinzipien und medienethische Orientierungen unter dem Anspruch des christlichen Glaubens Den ethischen Prinzipien des christlichen Glaubens zu folge sollen die Medien dem Menschen helfen ein gutes Leben zu führen und als Person in der Gemeinschaft zu leben. Im Zentrum aller Überlegungen zur Medienethik steht der handelnde Mensch mit seiner VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 4 von 7 Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 Entscheidung. “Die Medien tun nichts von selbst; sie sind Instrumente, Werkzeuge, die so benutzt werden, wie die Menschen sie benutzen wollen.” (Ethik in der sozialen Kommunikation 2000, S.8). Die christlichen Kirchen stellen sich die Frage nach der Bewahrung der Würde des Menschen im Prozess der medialen Kommunikation. Die evangelischen und die katholischen Bischöfe Deutschlands haben gemeinsam Stellung genommen, zu den möglichen Bedrohungsbildern dieser Menschenwürde. Dazu gehören die Desintegration und Desorientierung des Menschen durch die Medien, die Fremdbestimmung menschlichen Handelns, die Dominanz von Einzelinteressen und die Entstehung von Macholigopolen, die fortschreitende Einschränkung eigenverantwortlichen Handelns durch eine immer schwerer zu steuernde Eigendynamik der Mediensysteme und die Herabwürdigung von Menschen zu Objekten eines öffentlichen Voyeurismus. Im Gegenzug dazu geht es darum Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Kompetenz im Umgang mit Medien zu stärken. Medienpolitik soll für Transparenz und möglichst breite Zugangsberechtigungen (zu den Medien) schaffen. Die Wege zur Erreichung all dieser Ziele können Kirche und Theologie weder vorgeben noch bestimmen. Vielmehr wird der Kirche die Anwaltschaft der Menschenwürde im medienethischen Gespräch zugestanden. III. Auswertung und Besprechung des Textes 1. Zusammenhang mit Medienpädagogik Die Tatsache, dass in pluralistischen Gesellschaften kein konsensualer Wertekanon zustande kommen bzw. existieren kann, muss nicht systemimmanent sein, sondern ist vielleicht auch kulturell bedingt. Die in der Vorlesung besprochene Definition von Kommunikation als Vergemeinschaftung von Unterschieden, aus dessen Prinzip der Unterschied erst Sinn bekommt, kommt der christlichen Begriffbeschreibung sehr nahe. Dies könnte wiederum auf den gemeinsamen Ausgangspunkt der Menschenwürde zurückzuführen zu sein. Wenn der Sinn der Kommunikation im Katholizismus durch die Dreifaltigkeit bestimmt wird und diese durch die Gemeinschaft in Gott, die Kommunikation als Vollzug von Gemeinschaft sieht, dann lassen sich daraus Ideale für die gesellschaftliche Kommunikation ableiten. In der medienpädagogischen Beschäftigung mit Ethik führt Bauer dazu aus: „Soll die gesellschaftliche Verständigung auch gesellschaftlichen Sinn produzieren bzw. den Sinn gesellschaftlicher Existent abbilden, dann müssen Inhalt und Gestaltung der Kommunikation Werte der gesellschaftlichen Existenz relevieren“ (Bauer 2002: 196) VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 5 von 7 Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 2. Relevanz für Medienpädagogik Medienpädagogisch betrachtet spielt der Glaube und somit zumeist auch die Kirche eine große Rolle, demnach auch ihr Beitrag zum medienethischen Gespräch. Kirche oder Glaube als Gemeinschaft ist ein gewichtiger Faktor der Sozialisation von ihren Mitgliedern. Darüber hinaus wirken die Moralvorstellungen der Kirche auf ihre Mitglieder auch in deren Alltagsleben ein. Somit erfährt die direkte Sozialisationskraft eine Multiplikation. „Die Frage der Medienethik ist eine Frage der Qualität des sozialen settings bzw. des sozialen Gebrauchs von Medien (vgl. Karmasin 1993). 3. Kritischer Kommentar zum Artikel Welche Rolle spielt die Kirche oder die Theologie im medienethischen Diskurs wirklich? Der Theologie als Wissenschaft an sich wird in ethischen Fragen Kompetenz zuerkannt, der Kirche als jahrtausende alte Institution mit ihrem fixen Platz in der Gesellschaft bereits nur mehr in einem geringeren Ausmaß. Darauf geht der Artikel zwar zu Beginn kurz ein, klärt die Frage aber nicht. Es wird wegen des gemeinsamen Ursprunges, nämlich der Menschwürde, davon ausgegangen, dass die Kirche und die Theologie Teil des medienethischen gesellschaftlichen Gespräches sind. Wenn die Medien die Gesellschaft ob deren kritischen Postulates und die Gesellschaft die Medien deren kritischen Potentiales wegen brauchen (vgl. Bauer 2002), welche Rolle wird der Kirche in dieser Wechselwirkung zu Teil? Ist es nur die als Bestandteil der Gesellschaft? Und wenn ja, entspricht das auch dem Selbstverständnis der Kirche? VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 6 von 7 Stefan NAGLIS 0007741 | Christlicher Glaube und Medienethik | WS 2004/05 IV. Bibliographie BAUER, Thomas: Die Kompetenz ethischen und ästhetischen Handelns: Medienethik aus Medienpädagogischer Perspektive. In: KARMASIN, Matthias (Hrsg): Medien und Ethik Stuttgart, 2002, Seite 238-261 Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg): Ethik in der sozialen Kommunikation. Bonn, 2000 KARMASIN, Matthias: Das Oligopol der Wahrheit. Medienunternehmen zwischen Ökonomie und Ethik. Wien, 1993 ROLFES, Helmuth: Christlicher Glaube und Medienethik. Der Beitrag von Theologie und Kirche zum medienethischen Gespräch der Gesellschaft. In: KARMASIN, Matthias (Hrsg): Medien und Ethik. Stuttgart, 2002, Seite 238-261 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur o.Univ.Prof.Dr. Thomas A. BAUER Seite 7 von 7