Donnerstag 4.2.2016 Freitag 5.2.2016 2. Abo D Herkulessaal 20.00 – ca. 22.15 Uhr KENT NAGANO Leitung MOON YUNG OH Tenor ANDREAS HIRTREITER Tenor CHRISTOF HARTKOPF Bariton MICHAEL MANTAJ Bass SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS KONZERTEINFÜHRUNG 18.45 Uhr Moderation: Renate Ulm LIVE-ÜBERTRAGUNG in Surround auf BR-KLASSIK Freitag, 5.2.2016 PausenZeichen: Julia Schölzel im Gespräch mit Kent Nagano On demand: eine Woche abrufbar auf www.br-klassik.de 15 / 16 Guillaume de Machaut Felix virgo / Inviolata genitrix / Ad te suspiramus gementes et flentes Vierstimmige Motette Johann Sebastian Bach Contrapunctus I aus: »Die Kunst der Fuge«, BWV 1080/1 Bearbeitet für 11 Instrumentalisten von Ichiro Nodaïra Guillaume de Machaut Bone pastor Guillerme / Bone pastor qui pastores / Bone pastor Dreistimmige Motette Johann Sebastian Bach Fuga a tre soggetti (Fragment) aus: »Die Kunst der Fuge«, BWV 1080/19 Bearbeitet für 15 Instrumentalisten von Ichiro Nodaïra Guillaume de Machaut Christe, qui lux es / Veni, creator Spiritus / Tribulatio proxima est et non est qui adiuvet Vierstimmige Motette Pause 4 Programm Olivier Messiaen »Éclairs sur l’au-delà …« pour grand orchestre »Streiflichter auf das Jenseits …« für großes Orchester Première partie I. II. III. IV. V. VI. Apparition du Christ glorieux (Erscheinung Christi in seiner Herrlichkeit) La constellation du Sagittaire (Das Sternbild des Schützen) L’Oiseau-Lyre et la Ville-Fiancée (Der Prachtleierschwanz und die bräutliche Stadt) Les élus marqués du sceau (Die mit dem Siegel gekennzeichneten Auserwählten) Demeurer dans l’Amour … (In der Liebe bleiben …) Les sept Anges aux sept trompettes (Die sieben Engel mit den sieben Trompeten) Deuxième partie VII. Et Dieu essuiera toute larme de leurs yeux … (Und Gott trocknete jede Träne von ihren Augen …) VIII. Les étoiles et la Gloire (Die Sterne und die Herrlichkeit) IX. Plusieurs oiseaux des arbres de Vie (Mehrere Vögel in den Bäumen des Lebens) X. Le chemin de l’Invisible (Der Weg des Unsichtbaren) XI. Le Christ, lumière du Paradis (Christus, Licht des Paradieses) 5 Programm »Großer Rhetoriker der neuen Form« Die spätmittelalterliche Motette und der Franzose Guillaume de Machaut Matthias Corvin Es ist die Musik einer längst vergangenen Zeit, und viele Menschen wussten schon damals kaum etwas von ihrer Existenz. Die mehrstimmigen Sakralwerke des ausgehenden Mittelalters waren eine Kunst für Auserwählte. Aufgeführt wurde diese Vokalpolyphonie im kirchlichen Rahmen und bei Festen an den Adelshöfen. Auch reiche Bürger und eine schmale Bildungsschicht hatten Zugang zu ihr, kultivierten sie als ausgesprochenes Luxusgut. Die seit dem 13. Jahrhundert gepflegte Motette war die Hauptgattung jener Tage. »Dieser Gesang darf nicht vor dem Volk dargeboten werden, weil es seine Subtilität nicht bemerkt, auch nicht durch sein Anhören ergötzt wird, sondern man muss ihn vor den Gebildeten darbieten und denjenigen, welche die Feinheiten der Künste suchen.« So formulierte es um 1300 der französische Musiktheoretiker Johannes de Grocheo in seinem Traktat Ars musicae. Das Volk auf der Straße genoss hingegen fröhliche Tänze und einfache Lieder. Entstehungszeit »Bone pastor Guillerme / Bone pastor qui pastores / Bone pastor« zur Ernennung des Guillaume de Trie zum Erzbischof von Reims im Jahr 1324; »Felix virgo / Inviolata genitrix / Ad te suspiramus gementes et flentes« sowie »Christe, qui lux es / Veni, creator Spiritus / Tribulatio proxima est et non est qui adiuvet« vermutlich anlässlich der Belagerung von Reims im Winter 1359/1360 Uraufführungen Wahrscheinlich im Jahr ihrer jeweiligen Entstehungszeit Lebensdaten des Komponisten Geboren zwischen 1300 und 1305 nahe Reims in der Champagne, möglicherweise im Ardennendorf Machault – 13. April 1377 in Reims Ihre große Zeit erlebte die Motette in Frankreich und ganz besonders in Paris, wo mit der neu erbauten gotischen Kathedrale Notre Dame ein Zentrum des christlichen Glaubens und der Musikpflege entstand. Ihre Bezeichnung leitet sich daher aus dem französischen »Mot« für Wort oder Vers ab. Neben der sakralen bildete sich auch die weltliche Motette für Adel und Bürgertum heraus, deren Thema nicht mehr Gott und Glaube, sondern etwa die Liebe war. Zu einer zweiten Blüte kam der Motettengesang ab ca. 1320. Nun sprach man von einer »ars nova« in Abgrenzung 6 Guillaume de Machaut Im »Prologue«, dem Vorwort zu den vermutlich zwischen 1360 und 1370 verfassten Handschriften mit seinen Werken, erzählt der Dichterkomponist Guillaume de Machaut, er habe den Auftrag der personifizierten Natur angenommen, mehr in der Musik zu leisten, als bisher geschehen ist. Dafür übergibt ihm die Königin Natur drei ihrer Kinder: Verstand, Rhetorik und Musik. Dem »Prologue« ist die im Ausschnitt abgebildete Miniatur dieser allegorischen Szene vorangestellt. Machaut steht rechts im Bild. zur älteren »ars antiqua«: Alte und Neue Musik – solche Klassifizierungen gab es später immer wieder. Der französische Komponist Philippe de Vitry, der den Begriff »ars nova« in seiner gleichnamigen Abhandlung prägte, meinte damit vor allem die neue, differenziertere rhythmische Notenschreibweise: die Mensuralnotation. So wurden die Notenwerte in noch kleinere Einheiten aufgeteilt, und es etablierte sich eine »neue« Variabilität der Rhythmen und Taktarten. Vor allem wurde das alte System der »perfekten« Dreiermetren (als Glaubenssymbol für die Dreifaltigkeit) mit »imperfekten« Zweiermetren bereichert. Innerhalb einer Motette kam es nun zu zahlreichen Taktwechseln, was auf die Zeitgenossen geradezu avantgardistisch gewirkt haben muss. In den handschriftlich überlieferten Notenausgaben sind die Wechsel mit einem »Farbcode« versehen: Dreiertakte wurden schwarz, Zweiertakte rot geschrieben. So erkannten sie die Sänger auch aus einiger Entfernung und 7 Guillaume de Machaut »Ad te suspiramus gementes et flentes« – »Klagend und weinend seufzen wir nach dir«, Ausschnitt aus einer französischen Handschrift, in der sich die »perfekten«, also die schwarzen dreizeitigen Notenwerte, und die »imperfekten«, die roten zweizeitigen, farblich voneinander abheben. bei Kerzenschein. Die Symbolsprache dieser Zeit ist ohnehin aufschlussreich: Der perfekte Kreis vor einem Notensystem kennzeichnet etwa einen vollkommenen Dreiertakt (noch Johann Sebastian Bach verwendet ihn), der imperfekte Halbkreis bezeichnet hingegen den unvollkommenen Zweiertakt. Als Bezeichnung für den Viervierteltakt ist das C bis heute gebräuchlich, Spuren der damals entwickelten Notation finden sich also bis in unsere Tage. Charakteristisch für die Isorhythmische Motette jener Zeit ist die Schichtung mehrerer Melodielinien über einem bestimmten rhythmischen Schema. Grundlage ist der »Tenor« [sprich: Te- nor], die untere Stützstimme in langen Notenwerten. Meist enthält sie eine gregorianische oder eine andere bekannte geistliche Melodie. Sie wurde als Vokalise oder instrumental ausgeführt. Der gebildete Zuhörer und die Sänger kannten den Text damals ohnehin. Die eigentliche Kunst der Motette bestand in den genau berechneten Zusammenklängen der zwei deutlich bewegter gestalteten Oberstimmen, dem »Triplum« und dem »Motetus«. Beide bezogen sich inhaltlich wiederum auf den »Tenor«, nutzten aber ganz unterschiedliche Texte, bisweilen sogar verschiedene Sprachen. Drei Gesangslinien treten so in einen wundersamen Dialog, bereichert durch die bewusste Einbeziehung von Asymmetrien. So bildeten die Komponisten in solchen Motetten metrisch-melodisch äußerst raffinierte Kunstwerke, die Modellen der Architektur nachgebildet waren. Die filigrane Konstruktion begeisterte noch Komponisten im 20. Jahrhundert wie Pierre Boulez oder 8 Guillaume de Machaut Die Kathedrale von Reims, Krönungskirche der französischen Könige, hier in einem Kupferstich anlässlich des Einzugs Louis XVI. in Reims Karlheinz Stockhausen. Kirchenväter des Mittelalters sahen diese L’art pour l’art jedoch zunehmend kritisch, da sie von der Andacht ablenkte. Guillaume de Machaut gehörte zu den bedeutendsten Komponisten solcher Stücke im 14. Jahrhundert. Um 1300 in der Champagne (vermutlich in Machault) geboren, war er gleichermaßen Musiker und Dichter. In Reims und in Paris wurde er ausgebildet, trat später in den Dienst des böhmischen Königs Jean de Luxembourg. Dieser nahm ihn als Sekretär auf zahlreiche Reisen mit, vor allem nach Osteuropa. Um 1340 ist seine Anstellung als Kanoniker an der Kathedrale in Reims belegt. In dieser Salbungsstadt der französischen Regenten besuchte ihn später sogar der Herzog der Normandie und zukünftige König Karl V. Machaut arbeitete weiterhin für höfisch-aristokratische Kreise, erlebte Kriege und den in Europa wütenden »schwarzen Tod«, die Pest. Seine Gedichte, Versromane und Schriften bieten ein anschauliches Zeitbild. Gegen Ende seines Lebens archivierte er sein musikalisches und literarisches Schaffen akribisch, es ist daher vermutlich vollständig dokumentiert. Allein seine Messe de Nostre Dame, eine der ersten mehrstimmigen Vertonungen des lateinischen Messordinariums, begründete seinen Rang. 9 Guillaume de Machaut Albani-Psalter, ein Hauptwerk der englischen romanischen Buchmalerei aus dem 12. Jahrhundert aus der Abtei St. Alban in Hertfordshire, der sich heute in der Dombibliothek Hildesheim befindet. Die reich ausgezierte Initiale D sowie die folgenden Großbuchstaben SDSMS sind Abkürzungen für »Deus, deus meus« und weiter: »respice me: quare me dereliquisti« (»MEin Gott, mein Gott, schütze mich, warumb hastu mich verlassen?«). Aus diesem Psalm 22 hat Guillaume de Machaut den zwölften Vers als Tenor für seine Motette herangezogen: »Tribulatio proxima est et non est qui adiuvet« (»Die Heimsuchung ist nahe, und niemand ist da, der hilft.«) 10 Guillaume de Machaut Zwar lieferte Machaut auch weltliche Beiträge zur Gesangskunst (Balladen, Rondeaux und Virelais), doch gelten seine 23 (geistlichen) Motetten als absolute Meisterwerke. In ihnen zeigt er sich als jener »grant retthorique de nouvelle fourme« (»großer Rhetoriker der neuen Form«), als den ihn bereits die unmittelbare Nachwelt verehrte. Die beiden Motetten Felix virgo / Inviolata genitrix / Ad te suspiramus gementes et flentes sowie Christe, qui lux es / Veni, creator Spiritus / Tribulatio proxima est et non est qui adiuvet entstanden vermutlich während der Belagerung von Reims im Winter 1359/1360 durch die Engländer im Hundertjährigen Krieg. Darauf verweisen entsprechend gewählte Textpassagen, die um göttliche Hilfe zur Überwindung der anrückenden Feinde flehen, gegen die man sich immer erschöpfter zur Wehr setzte. Die jeweils drei Titel geben die den Stimmen zugeordneten Texte als Incipits an. Die Tenormelodie in Felix virgo stammt aus der marianischen Antiphon Salve regina. Es ist die Passage »Ad te suspiramus gementes et flentes« (»Klagend und weinend seufzen wir nach Dir«). Der melodische Verlauf in Felix virgo weist vielfach absteigende Tendenz auf, der den klagenden Duktus des Textes (»werden wir vom Höchsten zum Niedrigsten hinabgeführt«) in die Gesangslinie überträgt. Der Motette Christe, qui lux es liegt ein Psalmzitat (22/12) zugrunde: »Tribulatio proxima est« (»Die Heimsuchung ist nahe«). Die Motette startet zunächst mit einer Introduktion auf der verzierten ersten Silbe, bevor der bewegte Hauptteil anfängt. Der Pfingsthymnus »Veni, creator Spiritus« (»Komm, Schöpfer Geist«) bildet hier die Mittelstimme. Am Ende kommt es zu einer Beschleunigung der stützenden Tenorstimme, ganz typisch für die Motette der »ars nova«. Beide Werke sind vierstimmig, da dem Tenor noch eine ruhige Gegenstimme (Contratenor) zugeordnet wird. Überwiegend komponierte Machaut seine Motetten dreistimmig, so auch Bone pastor. Sie entstand bereits 1324 zur Ernennung des Guillaume de Trie zum Erzbischof von Reims und preist den Kirchenmann als »guten Hirten« seiner Gemeinde. Die Motette ist etwas strenger und blockartiger im Charakter als die beiden später komponierten Werke des heutigen Programms und weist daher noch eine deutliche Anbindung an die »ars antiqua« auf. Sie gilt als erstes genau datierbares Werk Machauts und zugleich der abendländischen Musik. 11 Guillaume de Machaut Felix virgo / Inviolata genitrix / Ad te suspiramus gementes et flentes Glückliche Jungfrau / Unbefleckte Mutter / Klagend und weinend seufzen wir nach dir Triplum Felix virgo, mater Christi, que gaudium mundo tristi ortu tui contulisti, dulcissima; sic hereses peremisti, dum angelo credidisti filiumque genuisti, castissima. Triplum Glückliche Jungfrau, Mutter Christi, die du Freude in diese traurige Welt mit deiner Geburt brachtest, du Süßeste; so hast du das Ketzertum vernichtet, indem du dem Engel glaubtest, und einen Sohn hervorgebracht hast, du Reinste. Roga natum, piissima, ut pellat mala plurima tormentaque gravissima, que patimur. Nam a gente ditissima, lux lucis splendidissima, de sublimi ad infima deducimur. Bitte den Geborenen, du Frommeste, damit er das größte Übel und die schlimmsten Qualen vertreibt, die wir erleiden. Denn von einem überreichen Volk, du alles überstrahlendes Licht, werden wir vom Höchsten zum Niedrigsten hinabgeführt. Cunctis bonis exuimur, ab impiis persequimur, per quos jugo subicimur servitutis. Nam sicut ceci gradimur nec directorem sequimur, sed a viis retrahimur nobis tutis. Wir werden aller Güter beraubt, von den Ungläubigen verfolgt, durch die wir unter das Joch der Knechtschaft gezwungen werden. Denn wie Blinde gehen wir dahin, folgen keinem Anführer, sondern werden von den für uns sicheren Wegen weggezogen. Quelle der Anmut und Tugend, einzige Hoffnung auf unsere Rettung, erbarme dich den von jeder Hilfe Verlassenen, damit uns, von Schuld erlöst, und auf den rechten Weg geführt, und von den Feinden befreit, der Friede voller Freude sei. Gracie fons et virtutis, sola nostre spes salutis, miserere destitutis auxilio, ut a culpis absolutis et ad rectum iter ductis inimicisque destructis pax sit nobis cum gaudio. 12 Gesangstexte Motetus Inviolata genitrix, superbie grata victrix expers paris, celestis aule ianitrix, miserorum exauditrix, stella maris, Motetus Unbefleckte Mutter, anmutige Überwinderin des Hochmuts ohne gleichen, Pförtnerin der Himmelsburg, Wächterin der Elenden, Stern des Meeres, que ut mater consolaris et pro lapsis deprecaris humiliter, gracie fons singularis, que angelis dominaris, celeriter die du wie eine Mutter Trost spendest, und für Gestrauchelte demütig bittest, Quelle einzigartiger Anmut, die du den Engeln gebietest, rasch para nobis tutum iter iuvaque nos viriliter, nam perimus; invadimur hostiliter, sed tuimur debiliter neque scimus, bereite uns den sicheren Weg, und helfe uns machtvoll; denn wir gehen unter, wir werden von Feinden überfallen, indes verteidigen wir uns kraftlos, und wir wissen nicht, quo tendere nos possimus nec per quem salvi erimus nisi per te. Eia! Ergo poscimus, ut sub alis tuis simus et versus nos te converte. an wen wir uns halten können noch durch wen wir errettet werden, wenn nicht durch dich. Eia! Also flehen wir dich an, lass uns unter deine Fittiche neige dich uns zu. Tenor und Contratenor Ad te suspiramus gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eia ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte. Tenor und Contratenor Klagend und weinend seufzen wir nach dir in diesem Tal der Tränen. Eia, richte, unsere Beschützerin, deine barmherzigen Augen auf uns. [aus der Marienantiphon Salve regina] 13 Gesangstexte Bone pastor Guillerme / Bone pastor qui pastores / Bone pastor Guter Hirte Guillermus / Guter Hirte, der den Hirten / Guter Hirte Triplum Bone pastor Guillerme, pectus quidem inerme non est tibi datum; favente sed Minerva virtutum est caterva fortiter armatum. Triplum Guter Hirte Guillermus, ein wehrloses Herz ist dir freilich nicht gegeben; aber durch eine geneigte Minerva bist du durch der Tugenden Schar besser gerüstet. Portas urbis et postes tue munis, ne hostes urbem populentur: mundus, demon et caro, morsu quorum amaro plurimi mordentur. Du befestigst die Tore und Türen deiner Stadt, damit die Feinde die Stadt nicht verwüsten: Welt, Teufel und Fleisch, von deren bitteren Biss die meisten gepeinigt werden. Mitra que caput cingit, bino cornu depingit duo testamenta, que mitrifer habere debet, tanquam sincere mentis ornamenta. Die Mitra, die das Haupt umgürtet, beschreibt mit ihren zwei Spitzen die beiden Testamente, diese muss der Mitraträger besitzen, gleichsam als Schmuck seines aufrichtigen Geistes. Et quoniam imbutus et totus involutus es imprelibatis, ferre mitram est digna tua cervix, ut signa sint equa signatis. Einst auch geweiht, ganz in Dunkel gehüllt, bist du keusch, dein Haupt ist würdig, die Mitra zu tragen, damit die Zeichen den Ausgezeichneten ähnlich sind. Curam gerens populi vis, ut queant singuli vagos proficere: Prima parte baculi attrahere, Die Sorge um das Volk auf dich nehmend, willst du, dass jeder Einzelne sich bemüht, den im Glauben Schwankenden zu helfen, angezogen vom ersten Teil deines Bischofsstabes, parte quidem alia, que est intermedia, morbidos regere, lentos parte tercia sis pungere. vom zweiten Teil freilich, der sich in der Mitte befindet, richtest du die Kranken, mit dem dritten Teil magst du die Starrköpfigen bekämpfen. 14 Gesangstexte Oves predicamine et cum conversamine pacis laudabili, demum erogamine sensibili. Predige den Schafen und spreche mit dem Friedvollen, zuletzt bitte für den Feinfühligen. Det post hoc exilium huic rex actor omnium, qui parcit humili, stabile dominium pro labili. Möge nach diesem [irdischen] Zufluchtsort der König als Richter über alle, der den Demütigen schont, diesem eine dauerhafte Heimstatt bieten anstelle der vergänglichen. Motetus Bone pastor, qui pastores ceteros vincis per mores et per genus et per fructum studiorum tollentem mentes ymorum celo tenus, Motetus Guter Hirte, der den übrigen Hirten durch redliches Verhalten und durch seine Art vorangeht und durch die Frucht seiner Studien die Gedanken der Abtrünnigen zum Himmel wendet. o, Guillerme, te decenter ornatum rex, qui potenter cuncta regit, sue domus ad decorem remensium in pastorem preelegit. O, Guillerme, der König, der alles machtvoll beherrscht, hat dich, bescheiden geschmückt, zur Zierde seines Hauses in Reims zum Hirten auserwählt. Elegit te vas honestum, vas insigne, de quo nichil sit egestum nisi digne. Er hat dich ausgewählt zum achtbaren Bürgen, zum ausgezeichneten Bürgen, von dem nichts herausragen möge denn die Würde. Dedit te vas speciale sibi regi; dedit te vas generale suo gregi. Er übergibt dich als besonderen Bürgen seiner Herrschaft; er übergibt dich als allgemeinen Bürgen seiner Herde. Tenor Bone pastor, panis vere, Jesu, nostri miserere. Tu nos pasce, nos tuere, tu nos bona fac videre in terra viventium. Tenor Guter Hirte, wahres Brot, Jesus erbarme dich unser. Du weidest uns, du schützt uns, lass uns das Gute erkennen auf der Erde der Lebenden. 15 Gesangstexte Auf diesen beiden Blättern ist die gesamte Motette Bone pastor von Guillaume de Machaut niedergeschrieben. Notiert wurde sie in der im 14. Jahrhundert charakteristischen Mensuralnotation mit verschiedenen C-Schlüsseln. Das Triplum als textumfangreichste Stimme ist auf der linken Seite zu sehen und reicht hinüber auf die rechten Seite bis zum goldbraunen B, mit dem der Tenor, die Unterstimme, als text- und notenärmster Part Platz findet. Der Motetus befindet sich rechts in der zweiten Spalte, beginnend mit dem blauen B. 16 Guillaume de Machaut Im Triplum, der höchsten Stimme, liegt das C auf der untersten Notenlinie, im Motetus auf der zweiten und im Tenor auf der vierten. Auf diese Weise blieb der Stimmumfang innerhalb des Systems der fünf Notenlinien, und es war nicht notwendig, mit Hilfslinien zu arbeiten. In dieser Gebrauchsschrift, die als Aufführungsmaterial diente, sind nur die Initialen ausgeziert und teilweise mit floralem Rankenwerk erweitert. 17 Guillaume de Machaut Christe, qui lux es / Veni, creator Spiritus / Tribulatio proxima est et non est qui adiuvet Christus, der du das Licht bist / Komm, Heiliger Geist / Die Heimsuchung ist nahe, und niemand ist da, der hilft Triplum Christe, qui lux es et dies fideliumque requies, nos visita. Triplum Christus, der du Licht und Tag, und Erholung für die Gläubigen bist, besuche uns. Tu furoris temperies, tu dulcoris planicies, nunc excita. Du linderst die Wut, du gleichst die Süße aus, begeistere jetzt. Posse tuum, precipita depredantes, qui nos ita vituperant. Vermag es deine Macht, so stürze die Plünderer hinab, die uns so plagen. Sicut per te fuit vita patribus nostris reddita, qui tunc erant. So gab es durch dich Leben, das unseren Vätern wiedergegeben wurde, die damals lebten. Nec tueri se poterant, sed ad te reclamaverant, Deus fortis, Sie konnten sich nicht schützen, aber sie hatten zu dir gerufen, mächtiger Gott, sic cave, ne nos atterant, qui nos in guerris lacerant nunc subortis. so achte darauf, dass uns nicht diejenigen schwächen, die uns in den Kriegen zerfleischen, die jetzt entstanden sind. Et adire nexu mortis, cuius sumus iam in portis, nos protegas. Und komm zu uns in Anbetracht des Todes, an dessen Pforte wir schon stehen, du beschützt uns. Gentem serves tue sortis, tui fratris ac consortis causam regas. Du mögest das Volk vor deinem Los bewahren, deines Bruders und Wegbegleiters Fall richtest du. Qui malos a te segregas nec iustis opem denegas, legis lator, Der du die Schlechten von dir absonderst, dich nicht dem Werk des Gerechten verweigerst, du Überbringer des Gesetzes, 18 Gesangstexte proditores nunc detegas horumque visum contegas, consolator, entlarve jetzt die Verräter und verhülle deren Blick, du Tröster, Danielis visitator puerorumque salvator in fornace, Besucher Daniels und Retter der Knaben im Feuerofen, per Abacuc confortator, sis pro nobis preliator et dimittas nos in pace. Streiter für Habakuk, Mögest du für uns der Krieger sein und lass uns in Frieden gehen. Motetus Veni, creator Spiritus, flencium audi gemitus, quos nequiter gens misera destruit. Veni, propera, iam nostra virtus deficit nec os humanum sufficit ad narrandum obprobria, que nobis dant, vecordia, divisio, cupiditas fideliumque raritas, unde flentes ignoramus, quid agere debeamus. Circumdant nos inimici, sed et nostri domestici conversi sunt in predones: Leopardi et leones, lupi, milvi et aquile rapiunt omne reptile. Consumunt nos carbunculi, ad te nostri sunt oculi: Perde gentem hanc rapacem, Jhesu, redemptor seculi, et da nobis tuam pacem. Motetus Komm, Schöpfer Geist, höre das Seufzen der Weinenden, die ein elendes Volk leichtfertig vernichtet. Komm, eile, schon lässt unsere Kraft nach, und kein menschlicher Mund kann all die Schande hervorbringen, die uns angetan wird, Wahnsinn, Zwietracht, Gier, und nur wenige Gläubige gibt es, daher die Tränen, wir wissen nicht, was wir tun sollen. Uns umgeben die Feinde, aber auch unsere Diener sind zu Räubern geworden: Leoparden und Löwen, Wölfe, Falken und Adler rauben alles, was kriecht. Geschwüre verzehren uns, auf dich richten sich unsere Augen: Vernichte dieses räuberische Volk, Jesus, Erlöser in Ewigkeit, gib auch uns deinen Frieden. Tenor Tribulatio proxima est et non est qui adiuvet. Tenor Die Heimsuchung ist nahe, und niemand ist da, der hilft. (Psalm 22/12) (Übersetzungen: Renate Ulm) 19 Gesangstexte »Über dieser Fuge ist der Verfasser gestorben« Mythen und Fakten zu Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge Judith Kaufmann »Der selige Herr Verfasser dieses Werkes wurde durch seine Augenkrankheit und den kurz darauf erfolgten Tod ausser Stande gesetzet, die letzte Fuge, wo er sich bey Anbringung des dritten Satzes namentlich zu erkennen giebet, zu Ende zu bringen; man hat dahero die Freunde seiner Muse durch Mittheilung des am Ende beygefügten vierstimmig ausgearbeiteten Kirchenchorals, den der selige Mann in seiner Blindheit einem seiner Freunde aus dem Stegereif in die Feder dictiret hat, schadlos halten wollen.« Krankheit und Tod, Fragment und Vermächtnis: Der Erstdruck der Kunst der Fuge berührt im Vorwort Aspekte, die zahlreiche Spekulationen zu Entstehung und Bestimmung des rätselhaften Torsos provoziert haben. Ohne die offenen Fragen vollständig beantworten zu können, hat die Forschung viele Brüche der Rezeption aufgeklärt. Und diese beginnen mit der Erstausgabe aus dem Jahr 1751, als der Schöpfer der Musik, Johann Sebastian Bach, seit einem knappen Jahr unter der Erde ruhte und der Herausgeber Carl Philipp Emanuel Bach bemüht war, den Nachruhm seines Vaters zu mehren. Der erwähnte »Kirchenchoral« beispielsweise ist eine frühere Arbeit, die Bach sicherlich nicht für Die Kunst der Fuge vorgesehen hatte. Da dessen Melodie jedoch mit dem Text »Vor deinen Thron tret ich hiermit« bekannt war, erschien sie als idealer Schlusspunkt für den Schwanengesang eines moribunden Genies. Ab etwa 1740 beschäftigte sich Johann Sebastian Bach über mehrere Jahre mit der Komposition eines Werkes, das in verschiedenen Fassungen Entstehungszeit Erstdruck 1751; Bearbeitungen von Ichiro Nodaïra 2002 Uraufführung der Bearbeitungen 24. September 2002 mit dem Deutschen SymphonieOrchester Berlin unter der Leitung von Kent Nagano in Berlin Lebensdaten des Komponisten 31. März 1685 in Eisenach – 28. Juli 1750 in Leipzig 20 Johann Sebastian Bach Johann Sebastian Bach, porträtiert von Elias Gottlob Haußmann, mit dem Notenblatt »Canon triplex à 6 voc. par J. S. Bach« (1746) vorliegt und von fremder Hand mit dem Titel Die Kunst der Fuge versehen wurde. Der Zyklus ist das instrumentale Pendant zum anderen großen Spätwerk Bachs, der h-Moll-Messe. Er stellt eine Art Musterbuch für eine streng polyphone Satzweise dar, die in der vokalen Kunst der Renaissance wurzelt und auf dem Prinzip der Imitation basiert. Wie die Motette ein »soggetto« durch alle Stimmen wandern lässt, so durchzieht ein »Subjekt« alle Stimmen und alle Nummern der Kunst der Fuge. Das Eröffnungsstück (BWV 1080/1), im Erstdruck »Contrapunctus I« genannt, präsentiert das Subjekt in seiner Grundgestalt: In ruhig schreitenden Halben wird der Tonraum d-Moll abgesteckt, am Ende der Phrase setzt eine Überbindung mit drei angehängten Achteln einen kleinen Bewegungsimpuls. In der Art einer einfachen Fuge erscheint dieses Thema zeitlich versetzt in allen Tonlagen und wird von Gegenstimmen abgelöst, die das Motiv der Überbindung aufgreifen. Durch die entstehenden Vorhaltsdissonanzen bleibt die Musik ständig im Fluss, bis sie in einem verminderten Septakkord abrupt zum Stehen kommt. Nach zwei effektvollen Generalpausen schwingt 21 Johann Sebastian Bach Die Thomaskirche zu Leipzig, kolorierter Kupferstich von Joachim Ernst Scheffler (um 1749) die erste Fuge mit einem letzten Themeneinsatz über dem Orgelpunkt ›d‹ aus. In den folgenden Nummern entfaltet Bach das Potenzial dieses einen Soggetto, das er im Laufe des Zyklus freilich Schritt für Schritt variiert. Die gleichberechtigten Stimmen der (im Erstdruck) 19 Fugen und Kanons setzt er abwechslungsreich zueinander in Beziehung und operiert dabei mit wechselnden Einsatzfolgen, unterschiedlichen Einsatzabständen, Verkleinerung oder Vergrößerung der Notenwerte, Spiegelung der Melodie an einer horizontalen oder vertikalen Achse ... Wenn man schließlich alle denkbaren Kombinationen dieser Techniken in Betracht zieht, bietet sich ein weites Feld für die vielfältigsten kompositorischen Kunststücke. Die im Vorwort der Erstausgabe angesprochene »letzte Fuge« (»Fuga a 3 soggetti« BWV 1080/19) behandelt in deutlich getrennten Abschnitten drei verschiedene Themen, die jeweils einzeln durchgeführt und sodann mit den vorhergehenden kombiniert werden. Das Subjekt des ersten Teils ist aus dem Thema des »Contrapunctus I« abgeleitet und verrät mit seiner glatten melodischen Struktur und langen Notenwerten Bachs Beschäftigung mit dem »stile antico«, der klassischen Kunst vergangener Jahrhunderte. Einen lebhaften Kontrast bildet das zweite Thema mit seinen per22 Johann Sebastian Bach lenden Achtelketten. Anhänger der Zahlensymbolik merken an, dass die 41 Töne dieses zweiten Soggetto für den Namenszug J (9. Buchstabe im Alphabet), S (18.) und Bach (14.) stehen. Spätestens im dritten Abschnitt gibt sich der Komponist unmissverständlich »namentlich zu erkennen«, indem er die Noten B-A-C-H als Kopfmotiv des Themas wählt. Die Chromatik dieser Tonfolge trägt ebenso zu einer Verdichtung bei wie die bereits angedeuteten Verfahren von Umkehrung, Engführung oder synkopierten Einsätzen. Mit der Synchronisierung aller drei Soggetti erreicht die Komposition ihren Höhepunkt – und bricht ab. Dass der Verfasser über dieser Fuge gestorben sei, wie am Ende des Autographs vermerkt ist, gilt heute als unwahrscheinlich. Vielleicht wollte Bach die Aufzeichnung auf dem schadhaften Skizzenblatt nicht fortführen, vielleicht war er mit dem Er-gebnis unzufrieden und verschob einen erneuten Kompositionsversuch auf später, vielleicht ist eine weitere Quelle mit der vollständigen Tripelfuge verloren gegangen. Wir wissen es nicht. Auch wenn die Besetzung der (in Partitur notierten) Kunst der Fuge nirgends benannt ist, gibt es eine weitgehende Übereinkunft, dass die Musik für den Vortrag auf Tasteninstrumenten bestimmt ist. Zur Bekanntheit des Werkes trugen allerdings vor allem zahlreiche Bearbeitungen bei – von der Instrumentierung über die Vollendung der halbfertigen Fuge bis hin zur schöpferischen Umgestaltung. Ein frühes Beispiel ist Mozarts Transkription eines Satzes für Streichtrio (KV 404a), eine überwältigende Wirkung erzielte 1927 die Einrichtung des Werkes für großes Orchester von Die angeblich letzte Autographseite von Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge mit der fälschlichen Anmerkung Carl Philipp Emanuel Bachs »NB: ueber dieser Fuge, wo der Nahme B A C H im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfaßer gestorben.« 23 Johann Sebastian Bach Wolfgang Graeser (1906–1928). Der japanische Pianist und Komponist Ichiro Nodaïra (*1953) bearbeitete unter dem Titel L’Art de la fugue eine Auswahl von sechs Fugen für Kammerorchester. Deren erste Aufführung unternahm 2002 das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter Leitung seines damaligen Chefdirigenten Kent Nagano, der gemeinsam mit Intendant Dieter Rexroth den Anstoß für Nodaïras Arbeit gegeben hatte. Die vier Stimmen des Bach’schen Originals überträgt Nodaïra einem Ensemble aus Holzbläsern, Hornisten und Streichern. Gegenüber einem homogenen Klangbild, wenn das Stück auf einem Tasteninstrument erklingt, werden die Stimmen hier durch unterschiedliche Instrumentalfarben individualisiert. Da die Themeneinsätze dank eines jeweils neuen Timbres, mitunter auch dank Oktavierung oder Verdopplung klar hervortreten, unterstreicht die Instrumentierung die Struktur des Originals. In einer eher gegenläufigen Strategie verteilt der Japaner im »Contrapunctus I« einzelne Töne der Gegenstimmen auf verschiedene Instrumente, wobei er die Linien zunächst kaum, gegen Ende jedoch stark zersplittert. (In der »Fuga a 3 soggetti« kommt dieses Verfahren gelegentlich auch beim Vortrag des ersten Themas zum Zuge.) Während so die Integrität des Melos aufgebrochen wird, erzeugt Nodaïra eine Folge kalkulierter Farbwechsel und gewinnt damit eine zusätzliche Dimension der Darstellung. Ausdrücklich beruft er sich auf Anton Webern und sein Verständnis einer »Klangfarbenmelodie«, wie sie etwa in dessen Orchestrierung des Ricercar zu sechs Stimmen aus Bachs Musikalischem Opfer (1934) zur Anwendung kommt. Des Weiteren bezieht er sich auf Arnold Schönberg, wenn er die Besetzung von dessen Erster Kammersymphonie op. 9 exakt für die »Fuga a 3 soggetti« übernimmt. Jeder der drei Teile dieses Satzes wird von einer anderen Instrumentenfamilie eröffnet (Holz, Saiten, Blech), und auch hiermit folgt der Komponist einer Idee Schönbergs, die seinem Arrangement von Bachs (Präludium und) Fuge in Es-Dur aus dem Jahr 1928 zugrunde liegt. Im Gegensatz zu dessen opulentem Orchestersound bleibt Nodaïras Bearbeitung indes kammermusikalisch und durchsichtig. Seine zurückhaltende Adaption vollendet und ergänzt nicht – Instrumentation und Stimmbehandlung zielen allein auf eine veränderte Wahrnehmung der jeweiligen Auftritte von Themen und Gegenstimmen. Jede Aufführung der Kunst der Fuge und insbesondere des letzten, unvollendeten Satzes wird ein Experiment, ein Vesuch bleiben. Die Antwort auf den fragmentarischen Charakter des Werkes gibt im heutigen Konzert nicht der Choralsatz der Erstausgabe, sondern die Verschränkung der beiden ausgewählten Fugen mit drei Motetten des französischen Dichters und Komponisten Guillaume de Machaut. 24 Johann Sebastian Bach BEETHOVEN MISSA SOLEMNIS 900130 „Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks – ich habe eine so lange Geschichte mit ihm! Und der Chor – ich muss lange nachdenken, wann ich zuletzt einen Chor auf diesem Niveau dirigiert habe.“ Bernard Haitink Gramophone’s Lifetime Achievement Award winner 2015 BERNARD HAITINK „Von Herzen – Möge es wieder – zu Herzen gehen“ – Beethovens „Missa solemnis“ ist mehr als eine Festmesse: Unter der Stabführung von Bernard Haitink wird sie zur Bekenntnismusik des großen Klassikers. GENIA KÜHMEIER I ELISABETH KULMAN MARK PADMORE I HANNO MÜLLER-BRACHMANN CHOR UND SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS BERNARD HAITINK 25 Johann Sebastian Bach www.br-klassik/label Erhältlich im Handel und im BRshop / www.br-shop.de Gestirne und Vögel als Wegweiser ins Jenseits Zu Olivier Messiaens Éclairs sur l’au-delà Renate Ulm Der gläubige Katholik Olivier Messiaen versuchte an seinem Lebensende, mit seinem nach der Turangalîla-Symphonie und der Suite Des canyons aux étoiles … größten Orchesterwerk Éclairs sur l’au-delà (Streiflichter auf das Jenseits) das Paradies in Töne zu fassen: jenen verheißungsvollen Ort, an dem die Seelen in Ewigkeit verweilen und den Lobpreis Gottes anstimmen; jenen Ort der Glückseligkeit, an dem das Immaterielle nach dem Tod, endlich dem Gefängnis des Körpers entronnen, in einen anderen, freieren Aggregatzustand übergegangen ist. In der musikalischen Umsetzung dessen gelingen dem Komponisten blitzlichtartig erleuchtete Ausschnitte, die von der Summe seiner Lebensmaximen und seiner Glaubensüberzeugungen angeregt sind. So spiegeln die elf Sätze alles, was ihm im Leben wichtig war: Religiosität, Orgelspiel, Bibelworte, Vogelstimmen, Licht, Kirchenfensterfarben, Sphärenmusik, indische Rhythmen, griechische Metrik. Die Komplexität der Mittel macht es nicht leicht, Messiaens Musik zu verstehen, daher fühlte sich der Komponist in einem Interview einmal veranlasst, diese Schwierigkeiten zu benennen: »Die erste [Tragödie meines Lebens] besteht darin, dass ich als gläubiger Musiker über den Glauben zu Atheisten spreche. Wie sollen sie mich verstehen? Meine zweite Tragödie ist, dass ich Ornithologe bin und über die Vögel zu Menschen spreche, die in Städten leben, die niemals um vier Uhr morgens aufgestanden sind, um dem Erwachen der Vögel auf dem Lande zu lauschen. Sie sehen hässliche Tauben auf den Straßen Entstehungszeit 1987 bis 1991 als Auftragsarbeit des New York Philharmonic Orchestra zu dessen 150. Geburtstag Uraufführung 5. November 1992 in New York im Lincoln Center durch das New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Zubin Mehta Lebensdaten des Komponisten 10. Dezember 1908 in Avignon – 27. April 1992 in Clichy 26 Olivier Messiaen Olivier Messiaen mit seiner Frau Yvonne Loriod und Spatzen in den Grünanlagen, aber sie wissen nicht, was ein Vogelgesang ist. Und hier nun meine dritte Tragödie: Wenn ich Klänge höre, sehe ich geistig Farben. Ich habe das öffentlich gesagt, ich habe es vor den Kritikern wiederholt, ich habe es meinen Schülern erklärt, aber niemand schenkt mir Glauben. Ich kann noch so reichlich Farben in meiner Musik verwenden, die Zuhörer hören, aber sie sehen nichts. Was meine vierte Tragödie anbelangt, so ist sie weniger schlimm, sie beruht lediglich auf einem bedauerlichen Missverständnis: Ich bin Rhythmiker, und ich lege Wert auf diese Bezeichnung. Die meisten Menschen glauben jedoch, unter Rhythmus seien die gleichmäßigen Zeitwerte eines Militärmarsches zu verstehen …« Um diesem Unverständnis zu begegnen, ist es wichtig, Hintergrundwissen zu den einzelnen Sätzen zu erhalten, mit dem der geistige Überbau und die Visionen des Komponisten erahnbar werden. Wohlwissend hat seine Frau Yvonne Loriod alle inhaltlichen Anregungen, die Messiaen zur Komposition von Éclairs sur l’au-delà inspirierten, der Partitur vorangestellt. Sie werden in diesen Text miteinfließen. Olivier Messiaen wurde in Avignon geboren, der Stadt mit dem mächtigen, gotischen Papstpalast aus den Zeiten des Kirchenschismas der Päpste und Gegenpäpste. Im strengen Katholizismus erzogen, war er zeitlebens ein »von der Unendlichkeit Gottes geblendeter Glaubender« (Claude Samuel), der die Glaubensinhalte tief verinnerlicht hatte. Dazu gehörte 27 Olivier Messiaen auch seine stark am Heiligen Franziskus orientierte Lebensauffassung mit der übergroßen Liebe zur Natur, vor allem zu den Vögeln, jenen gefiederten Wesen, die uneigennützig den Schöpfer Tag für Tag mit ihren Gesängen loben und preisen. Die ersten prägenden Naturerlebnisse machte er dann, als die Familie von Avignon in die Alpen, in die Nähe von Grenoble, zog. »Ich bin ein Mensch der Berge, der Natur und der Stille«, bekannte Messiaen. In seinem Haus in La Grave entstanden zahlreiche seiner Werke, hier arbeitete er mit Blick auf den Gletscher Pic de la Meije und nachts weiter hinauf ins All. Das Interesse an den Gestirnen, den Sternenhaufen, Supernovae und Galaxien findet sich gleichermaßen in seinem Werk, von dem Messiaen sagte, es sei »geologisch, ornithologisch, astronomisch und theologisch zugleich«. All diese Elemente greifen auch in den Éclairs ineinander, ergänzen sich und sind omnipräsent. Der erste Satz seiner Éclairs sur l’au-delà – Apparition du Christ glorieux – beschreibt die Erscheinung Christi in seiner Herrlichkeit. Messiaen stellte Verse aus der Offenbarung des Johannes voran (I, 13–16). Er benutzte die literarische Bible de Jérusalem, für deren Übersetzung hier die kraftvolle Sprache der Lutherbibel von 1545 herangezogen wurde: »[ich sahe] einen / der war eines menschen Son gleich / der war angethan mit einem Kittel / vnd begürtet vmb die brust mit einem gülden Gürtel. Vnd seine Augen wie ein fewerflamme / […] vnd sein Angesichte leuchtet wie die helle Sonne / vnd hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand.« Majestätisch langsam wird der Satz allein von den Holz- und Blechbläsern vorgetragen, die Motive aus dem Gregorianischen Choral zitieren: das »Alleluja« zum Christkönigsfest am letzten Sonntag des Kirchenjahres. Der Totensonntag wird hier symbolträchtig zum Ausgangspunkt für den Blick ins Jenseits. Für Messiaen war der Gregorianische Choral die musikalische Basis aller Musik: Er »allein besitzt zugleich die Reinheit, die Freude, die nötige Leichtigkeit für das Sichaufschwingen der Seele zur Wahrheit«. Reinheit und Wahrheit sind Synonyme für den übernatürlich auftretenden Christus. Der Bläsersatz erinnert zudem an das registerreiche Spiel der Orgel, dem bevorzugten Instrument Messiaens, auf dem er regelmäßig bis zu seinem Lebensende den liturgischen Dienst in der Église de la Trinité in Paris versah. Messiaen interessierte sich, laut Yvonne Loriod, leidenschaftlich für Bücher über das Weltall und die Galaxien, so hatte er sich bereits 1943 mit dem Saturn und seinen spektakulären Ringen beschäftigt. Eine Auseinandersetzung damit fand erstmals Eingang in die Komposition Visions de l’Amen. Als Messiaen in diesem Zusammenhang einmal gefragt wurde, ob ihn 28 Olivier Messiaen Der Trifidnebel M 20 (NGC 6514) im Sternbild Schütze, 5200 Lichtjahre von der Erde entfernt, ist ein Emissions- und Reflexionsnebel die Raumfahrt fasziniere, antwortete er: »Ja, das ist wunderbar, aber ich denke, dass sie mir nach meinem Tode auf ganz natürliche Weise ermöglicht werden wird, wenn weder Entfernungen noch die Materie mich mehr werden aufhalten können.« Auch beim Komponieren des zweiten Satzes der Éclairs – La constellation du Sagittaire (Das Sternbild des Schützen) – inspirierten Messiaen die Galaxien, genau genommen die Sternennebel und das Sternbild des Schützen, unter dem er übrigens geboren wurde. Dazu zitiert er den Gesang der drei Jünglinge im Feuerofen aus dem Buch Daniel (III, 63): »O, ihr Sterne des Himmels, preiset den Herrn!« Da sich Messiaen symbolisch im Sternbild des Schützen sieht, können diese Worte durchaus auch auf ihn umgedeutet werden. Die rote Klangfarbe rührt vom rötlich schimmernden Sternennebel ebenso her wie von vielen der in diesem Satz zitierten rotbauchigen Vögel, deren Gesang Messiaen auf sechs Flöten verteilt. Wie in einer großen Voliere lässt er Vögel aus Europa, Afrika und Südamerika gleichzeitig in ihrem jeweils eigenen Tempo zwitschern, ohne sie auf Grund ihrer getrennten Lebensräume voneinander auch akustisch abzusetzen. Der fünfteilige Satz enthält außerdem indische Rhythmen, gestützt durch Glocken, Gongs und Becken, den solistischen Gesang der Alpenbraunelle 29 Olivier Messiaen (Piccolo und zwei Flöten), Violinglissandi als das Glitzern der Sterne und wassertropfenartige Staccati, die einen nächtlichen Regenwald imaginieren. Im gesamten Satz wendet Messiaen eine deutlich wahrnehmbare Schnitttechnik an, mit der die einzelnen Abschnitte übergangslos nebeneinander gestellt und nur durch längere Fermaten voneinander abgegrenzt werden. Diese Technik geht auf Pierre Schaeffer zurück, der ab 1951 in der »musique concrète« mit dem in den 1940er Jahren entwickelten Tonband experimentierte, indem er unterschiedliche Klänge in harten Schnitten aneinanderfügte. In diesem Labor der »objets musicaux« hatte auch Messiaen anfangs mitgearbeitet. Der dritte Satz L’Oiseau-Lyre et la Ville-Fiancée (Der Prachtleierschwanz und die bräutliche Stadt) ist allein dem vielfältigen Gesang des Prachtleierschwanzes gewidmet, den Messiaen mit der Vision des Johannes in der Apokalypse in Verbindung bringt: »Vnd ich Johannes sahe die heilige Stad / das newe Jerusalem / von Gott aus dem Himel herab faren / zubereit / als eine geschmückte Braut jrem Man.« (XXI, 2). Messiaen hatte im Juni 1988 den Gesang des Prachtleierschwanzes im Wald von Tidbinbilla, einem Naturschutzgebiet südwestlich von CanDer Prachtleierschwanz, ein Vogel Australiens, dessen Schwanzfedern die Form einer Lyra annehmen können (Stich von 1890) 30 Olivier Messiaen berra, der Hauptstadt Australiens, aufgenommen. Gerade in der Paarungszeit singt der Prachtleierschwanz sehr variantenreich, indem er auch andere Geräusche nachahmt, und ist selbst noch aus großer Entfernung zu hören. Seine Stimme – so Messiaen – »entfaltet sich über mehrere Register, setzt sich aus Jamben (kurz-lang), schnellen Glissandi und sehr ausgedehnten Verzierungen zusammen und endet auf repetierten Tönen«, die im Xylophon, Marimbaphon und Xylorimba erklingen. Messiaen konnte den Prachtleierschwanz, der vom Aussehen dem Fasan ähnelt, bei seinem Australien-Besuch sogar beobachten. In einem Wald aus Eukalyptusbaumgiganten, die Säulen einer Kathedrale glichen, entdeckte Messiaen nur wenige Meter von sich entfernt den Vogel, der majestätisch seine Federn hob und daraus eine Lyra formte, das Ur-Symbol der Musik. Dieses Balz-Ritual ließ Messiaen an die Braut in der Apokalypse denken, »die sich für ihren Bräutigam schmückt«. Um den so unterschiedlichen Gesang des Vogels darzustellen, überträgt Messiaen den melodischen Verlauf im schnellen Tempo auf verschiedene Instrumente: vom Holz zu den Streichern, vom Xylophon zum Blech. Dem vierten Satz Les élus marqués du sceau (Die mit dem Siegel gekennzeichneten Auserwählten) stellte Messiaen wieder Verse aus der Apokalypse des Johannes (VII, 3) voran: »[Beschediget die Erde nicht / noch das Meer / noch die Bewme /] Bis das wir versiegeln die Knechte vnsers Gottes an jren stirnen.« Im siebten Kapitel der Apokalypse wird erzählt, dass vier Engel die vier Winde zurückhalten, damit die Erde nicht verwüstet wird, während der Engel das Siegel (das Zeichen des Kreuzes) auf die Stirnen der Auserwählten setzt. Messiaen teilte hierfür den Streicherpart auf 23 solistische Stimmen auf, die sich wiederum auf drei Ebenen symmetrisch verändern, wobei jeder Wechsel von den Gongs, Glocken und Becken begleitet wird. Die kompliziert zusammengestellten Harmonien ergeben am Ende eine ungeheure Farbigkeit, die an ein Kirchenfenster denken lässt. Hinzu kommt, dass in Piccolo, vier Flöten, drei Klarinetten und Xylophon Vogelstimmen anklingen, die vor allem von exotischen Exemplaren aus Afrika, Australien und Papua-Neuguinea stammen. Wie im gesamten Werk bricht auch dieser Satz abrupt ab und beendet den scheinbar kurzen Einblick in eine Sphäre außerhalb unserer Wahrnehmung. Zwei Sätze dieses Opus sind deutlich länger als die übrigen – der V. und der VIII. Satz: Demeurer dans l’Amour … (In der Liebe bleiben …) und Les étoiles et la Gloire (Die Sterne und die Herrlichkeit) und behandeln Kernaussagen des Glaubens: In der Liebe bleiben … beruft sich auf die 31 Olivier Messiaen Michael Lukas Leopold Willmann, Die Engelsleiter (um 1691) Erste Epistel des Johannes (IV, 16): »GOtt ist die Liebe / vnd wer in der Liebe bleibet / der bleibet in Gott / vnd Gott in jm.« Demeurer dans l’Amour … ist im wahrsten Sinne das Herzstück der Éclairs, und man wünschte sich, alle Religionen würden sich auf diese friedliche Botschaft besinnen. Seine Liebe zu Gott hat Messiaen sogar noch auf einem Skizzenblatt näher präzisiert, indem er auf den 42. Psalm, Vers 2 hinweist: »Wje der Hirsch schreiet nach frischem Wasser / So schreiet meine Seele Gott zu dir.« Der sehr langsam zu spielende Satz ist mit dem Vermerk »avec une grande tendresse« (»mit großer Zärtlichkeit«) sowie mit der Spielanweisung »legatissimo« versehen und nur den Streichern ohne Kontrabässe zugeordnet, wobei die 16 Ersten Violinen mit Dämpfer im Einklang die Melodie vorgeben. Die Harmonien, beginnend auf dem Akkord c-d-fis-a, werden von sechs jeweils solistischen Violinen, Bratschen und Celli ohne Dämpfer gespielt. Der musikalische Fluss wird auch hier immer wieder durch Ausklingen und Generalpausen unterbrochen, gleich mächtigen Atempausen auf dem beschwerlichen Weg ins Paradies. Die dritte Melodie erinnert an eine Szene aus Messiaens Oper Saint François d’Assise: »Wir werden die Himmelsleiter hinaufsteigen.« 32 Olivier Messiaen Mit der Kontrastwirkung von drei kräftigen Schlägen auf die große Trommel beginnt der sechste Satz Les sept Anges aux sept trompettes (Die sieben Engel mit den sieben Trompeten), dem wiederum ein Vers aus der Apokalypse des Johannes vorangestellt ist (VIII, 2): »Vnd ich sahe sieben Engel / die da tratten fur Gott / vnd jnen wurden sieben Posaunen [französisch: Trompeten] gegeben.« Als Instrumentarium benutzt Messiaen aber keine Trompeten, wie es die französische Bibelübersetzung vermuten ließe, sondern 6 Hörner, 3 Posaunen und 3 Fagotte, deren martialischer Klang (»tenu-puissant et terrifiant« – »gedämpft machtvoll und erschreckend«) besonders durch die große Trommel, drei Tamtams, drei große Gongs, drei Becken und Peitsche verstärkt wird. Die Zahl drei als Symbol für die göttliche Trinität setzt Messiaen in vielen Bereichen um, ob in der Anzahl der Instrumente, der Zahl der Schläge oder der Phrasenlänge. Sie scheint ihm wichtiger gewesen zu sein als die Zahl sieben, die etwa mit der Anzahl der Engel in Verbindung stehen würde. Der kurze siebte Satz Et Dieu essuiera toute larme de leurs yeux … (Und Gott trocknete jede Träne von ihren Augen …) ist inspiriert von zwei Bibelworten. Zunächst aus dem Evangelium des Heiligen Matthäus (V, 4) [im Französischen (V, 5)]: »Selig sind / die da leide tragen / Denn sie sollen getröstet werden.« Des Weiteren aus der Apokalypse des Johannes (XXI, 3–4): »vnd er selb, Gott mit jnen / wird jr Gott sein. Vnd Gott wird abwisschen alle threnen von jren augen / vnd der Tod wird nicht mehr sein / noch leid / noch geschrey / noch schmertzen wird mehr sein …« Auffallend ist in diesem Satz das Duett zwischen Lerche im Xylophon und Amsel in der Flötenstimme, dazu ein zart gewobener Klangteppich aus höchsten Trillern in den Streichern und ein sich sanft verändernder Klanggrund in den Holzbläsern. Messiaen hatte hier die »Vision eines Regenbogens aus Zärtlichkeit, ein Lächeln unter Tränen, ein Gott, der tröstet und die Tränen in Tautropfen verwandelt«. Auf seinen Skizzenblättern notierte sich der Komponist noch einen weiteren Satz aus der Apokalypse des Johannes (VII, 17): »[Das Lamb wird sie] leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen / vnd Gott wird abwasschen alle threnen von jren augen« mit dem Zusatz: »Wie eine Liebkosung«. Zwei fast romantisch anmutende Hornakkorde mit Echo in den Flöten rahmen die pastorale Stimmung ein. Dem längsten Stück des Zyklus, dem achten Satz Les étoiles et la Gloire (Die Sterne und die Herrlichkeit), hat Messiaen gleich fünf Bibelzitate vorangestellt, die alle vom Licht, den glänzenden Sternen und der göttlichen Herrlichkeit in einer Art Steigerung berichten. So beschreibt der Prophet Habakuk Gott (III, 4):»[Sein glantz war wie liecht / Glentzen giengen von 33 Olivier Messiaen seinen Henden!« und der Prophet Baruch (III, 35): »[Die Sterne leuchten in jrer Ordenung mit freuden /] vnd wenn er [Gott] sie herfur rüffet / antworten sie / Hie sind wir / vnd leuchten mit freuden / vmb des willen, der sie geschaffen hat.« Des Weiteren zitiert er einen Satz aus dem Buch Hiob (XXXVIII, 7): »Da […] die Morgensterne mit einander lobeten / vnd jauchzeten …« und den 19. Psalm: »Dje Himel erzelen die Ehre Gottes« sowie aus dem Evangelium des Lukas (II, 14): »Ehre sey Gott in der Höhe.« Das Hauptthema wird bestimmt von zwei verminderten Quinten in einer fast schnarrenden Kontrabassklarinette, den Pizzicati der Kontrabässe und leisen, tiefen Tamtam-Schlägen – als wäre das All noch in finsterstes Dunkel gehüllt durch einen Sternennebel aus interstellarem Staub und Gas, der wiederum durch die andauernden Triller in den tiefen Streichern versinnbildlicht wird. Mit dem Licht beginnen die Vögel als engelsgleiche Wesen ihr Konzert zur Ehre ihres Schöpfers: 15 unterschiedliche exotische Vogelstimmen zumeist aus Australien und Papua-Neuguinea sind hier versammelt, u. a. der lachende Kookaburra, und geben ein Konzert. Aus Europa stammen nur die Gartengrasmücke und die Mönchsgrasmücke, die deutlich in den Flötensoli anklingen. Erstmals in diesem Stück wirken alle 128 Instrumente zusammen, auch ein Éoliphone, eine Windmaschine. Kurz bevor alle Instrumente am Ende den Cantus firmus »Ehre sei Gott in der Höhe« anstimmen, notierte Messiaen zu dieser kraftvollen Musik mit Gongs und Glocken in seiner Partitur: »Lichtreflexe eines Sternenhaufens in einem Sternbild«. Zu Messiaens Vorstellungen des Paradieses gehört der mit singenden Vögeln besetzte Lebensbaum – das Thema des neunten Satzes Plusieurs oiseaux des arbres de Vie (Mehrere Vögel in den Bäumen des Lebens). Hierfür stellt Messiaen ausnahmsweise keine Bibelzitate, sondern zwei Sätze des französischen Mystikers Dom Jean de Monléon voran: »Der Lebensbaum repräsentiert die Menschlichkeit des Wortes« und »Die Auserwählten werden die wunderbaren Früchte dieses Baumes pflücken, und sie werden in seinen Ästen singen wie die Vögel«. 24 Vogelarten lässt Messiaen nun in dem recht kurzen Stück jubilieren, dazu sollen die Triangel und das kleine Becken dem Naturereignis einen diskreten Glanz beimischen. »Was wäre für einen Komponisten-Vogelkundler betörender«, erklärte Messiaen seine Vorliebe für das Vogelkonzert, »als die Vorstellung des ewigen Lebens als einen unendlich hohen Baum, der Christus darstellt, mit all den auserwählten Seelen, die wie Vögel in seinen Ästen singen und die süßen Früchte pflücken? Diese Früchte sind die Gaben Gottes, aber vielleicht auch die Auszeichnung der Auserwählten? Es ist auch das Symbol der Ruhe der Heiligen in den Armen Christi.« 34 Olivier Messiaen »Die Sterne tanzen!« – eine Vision des von bunten Sternen übersäten Himmels: Das Faksimile einer Manuskriptseite aus dem achten Satz Les étoiles et la Gloire (Die Sterne und die Herrlichkeit) der Éclairs sur l’au-delà wurde für eine Messiaen-Ausstellung farbig gestaltet, um die Farbfunktion der oberen Klangschicht deutlich zu machen. 35 Olivier Messiaen Die Vogelpredigt des Heiligen Franziskus, Fresko in der Basilika San Francesco in Assisi von Giotto di Bondone (um 1295) Mit dem zehnten Satz Le chemin de l’Invisible (Der Weg des Unsichtbaren) spricht Messiaen mit seinen Zitaten und seiner Musik eine tiefe Glaubensüberzeugung an, so wie sie im Evangelium des Johannes (XIV, 5/6) steht: »SPricht zu jm Thomas / HErr / wir wissen nicht wo du hin gehest / vnd wie können wir den weg wissen? Jhesus spricht zu jm / Jch bin der Weg / vnd die Wahrheit / vnd das Leben. Niemand kompt zum Vater / denn durch mich.« Allein der unverbrüchliche Glaube führe den Menschen ins Paradies, doch der (Lebens-)Weg ist steinig, steil und lang. Sein Ziel, so Messiaen, erreiche man erst in der Stunde des Todes. Nach dem leisen Abschluss des Vogelkonzertes beginnt und endet dieser Satz erschreckend laut und fast gewalttätig, sein besonderes Kennzeichen ist vor allem das schnarrende Instrument Reco-reco. Dieses Rhythmusinstrument wird in der brasilianischen Volksmusik verwendet, es besitzt einen sägezahnartigen, mit Querrillen gekerbten zylindrischen Korpus aus Bambus oder Holz. Gespielt wird es meist mit einem Holzstab. Im Wechsel mit den geteilten Streichern klingen auch sechs Hörner an, als 36 Olivier Messiaen Christus Salvator, Lindenholzskulptur von Georg Petel (um 1630) Symbol für das Durchhaltevermögen auf dem zu gehenden Weg. Nur ein Vogel bekommt hier seinen Auftritt: der große, schwarzkehlige Krähenwürger. Er wird von Xylophon, Xylorimba und Marimbaphon gespielt. Mit Le Christ, lumière du Paradis (Christus, Licht des Paradieses) ist der suchende Mensch angekommen. »Es ist das Glück, das Paradies, das Licht, das Christus ist und das die Ewigkeit erleuchtet«, notierte sich Yvonne Loriod. »Dieses letzte Stück ist der erfolgreiche Abschluss des ganzen Lebens. Die letzte Seite ist umgeblättert, die Erde ist weit weg, die Zeit ist aufgehoben, es ist die Gegenwart des Glücks, das nicht mehr enden wird. Die unendliche Liebe Christi in der Seele, die ihn bewundert …« Die vorangestellten Verse sind der Apokalypse des Johannes (XXI, 23) entnommen: »Vnd die Stad darff keiner Sonnen noch des Monden / das sie jr scheine / Denn die herrligkeit Gottes erleuchtet sie / vnd jre Leuchte ist das Lamb« sowie (XXII, 4/5): »[Seine Knechte] sehen sein Angesicht / vnd sein Name wird an jren stirnen sein. […] Gott der HERR wird sie 37 Olivier Messiaen erleuchten.« Zuletzt singen keine Vögel mehr, hier klingt nur noch die Ewigkeit an, die sich in sehr langsamen Tempi darstellt, gespielt von den Streichern und Triangeln »unendlich ruhig, und mit einem intensiven Ausdruck«. Éclairs sur l’au-delà ist ein Werk des inneren Friedens und der Mystik – eine »vorgezogene Ruhe in der lichtdurchfluteten Zärtlichkeit Gottes, im erleuchteten Frieden der göttlichen Liebe«, wie Messiaen bereits 1939 die göttliche Glückseligkeit beschrieb. Die Überlagerungen der harmonischen Farben mit Hunderten von reinen Akkorden und die Tempi der sich bewegenden Planeten gemeinsam mit den singenden Vögeln lassen das bruchstückhafte Bild eines ersehnten Paradieses aufschimmern, zu dem sich der Mensch, in diesem speziellen Fall Messiaen, hinsehnt, sobald sein Erdendasein vollendet ist. Die Éclairs, Messiaens letztes vollendetes Werk, sind sein Vermächtnis. Die Uraufführung hat er nicht mehr erlebt, nur noch die eines zeitgleich entstandenen, weitaus kleineren Werks, das er anlässlich des 200. Todestages Mozarts komponierte und mit dem Titel Un Sourire bedachte: Ein Lächeln. Es erscheint wie die Éclairs als die logische Konsequenz am Ende seines Schaffens. Olivier Messiaen und Kent Nagano im Muziekcentrum Vredenburg in Utrecht am 27. September 1986 bei der Probenarbeit 38 Olivier Messiaen 39 Untertitel www.ard-musikwettbewerb.de Klaviertrio Gesang Bläserquintett Oboe Trompete Klavier Schlagzeug Viola Klarinette Flöte Violoncello Fagott Posaune Harfe Klavierduo Horn Streichquartett Violine Kontrabass Orgel Gitarre ontrabass arfe treichquartett orn 65. Internationaler Musikwettbewerb der ARD München 29. August bis 16. September 2016 Nächster Wettbewerb 2017: Klavier Violine Oboe Gitarre br-klassik HIGHLIGHTS IM Fernsehen Bayerisches Fernsehen Sonntag, 7. Februar 2016 | 10.00 Uhr Mariss Jansons dirigiert W. A. Mozart: Klavierkonzert C-Dur, KV 503 Richard Strauss: »Till Eulenspiegels lustige Streiche« Solist: Emanuel Ax Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Konzertaufzeichnung aus dem Herkulessaal von 2009 Donnerstag, 11. Februar 2016 | 23.25 Uhr KlickKlack Das Musikmagazin Moderation: Sol Gabetta (Wiederholung am Sonntag, 14. Februar 2016, um 10.30 Uhr) ARD-ALPHA Sonntag, 7. Februar 2016 | 11.00 Uhr U21 VERNETZT Das Musikmagazin aus dem Radiostudio Sonntag, 14. Februar 2016 | 11.00 Uhr Yannick Nézet-Séguin dirigiert Béla Bartók: Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1 D-Dur Solist: Gil Shaham Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Konzertaufzeichnung aus dem Herkulessaal von 2014 Yannick Nézet-Séguin br-klassik.de br-klassik HIGHLIGHTS IM RADIO Samstag, 6. Februar 2016 | 14.05 Uhr Das Musik-Feature Teufelskerl im Opernbetrieb: Der Korrepetitor Von Sylvia Schreiber Samstag, 6. Februar 2016 | 19.05 Uhr Opernabend Heinrich Marschner: »Hans Heiling« Königin der Erdgeister – Angela Denoke Hans Heiling – Michael Nagy ORF Radio-Symphonieorchester Wien Leitung: Constantin Trinks Sonntag, 7. Februar 2016 | 10.05 Uhr Symphonische Matinée Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Leitung: Mariss Jansons Mariss Jansons Solist: Denis Matsuev, Klavier Emmanuel Chabrier: »España«; Witold Lutoslawski: Variationen über ein Thema von Paganini; George Gershwin: »Rhapsody in Blue«; George Enescu: Rumänische Rhapsodie A-Dur, op. 11 Nr. 1; Maurice Ravel: »Rapsodie espagnole«; Franz Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr. 2 Montag, 8. Februar 2016 | 18.05 Uhr Klassik-Stars Vladimir Horowitz, Klavier Werke von Domenico Scarlatti, Claude Debussy, Sergej Rachmaninow, Frédéric Chopin und Robert Schumann Dienstag, 9. Februar 2016 | 14.05 Uhr Panorama Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Riccardo Muti, Bernard Haitink, Mariss Jansons u. a. Werke von Sergej Prokofjew, César Franck, Joseph Haydn, Claude Debussy und Wolfgang Amadeus Mozart br-klassik.de Moon Yung Oh Der südkoreanische Tenor Moon Yung Oh wurde 1980 in Seoul geboren. Er sammelte seine ersten musikalischen Erfahrungen im Koreanischen Akademischen Kinderchor. Später, von 2000 bis 2006, studierte er Gesang an der theologischen Universität in Seoul, bevor er sein Studium an der Hochschule für Musik und Theater in München bei Frieder Lang fortsetzte. Moon Yung Oh begann seine Laufbahn vor allem als Oratoriensänger u. a. mit Tenorpartien in Händels Messiah, Mendelssohns Paulus und Elias, in Bachs Weihnachtsoratorium und der Matthäuspassion sowie in Mendelssohns LobgesangSymphonie. Zugleich unternahm er aber auch Ausflüge ins Opernfach, verkörperte den Paolino in Domenico Cimarosas Il matrimonio segreto, den Ferrando in Mozarts Così fan tutte und wirkte in Purcells The Fairy-Queen mit. Seit Mai 2011 ist Moon Yung Oh festes Mitglied im Chor des Bayerischen Rundfunks. Andreas Hirtreiter Andreas Hirtreiter studierte an der Musikhochschule in München und erwarb sich durch sein Engagement in verschiedenen Chören wie dem Stuttgarter und dem Saarbrückener Kammerchor sowie mit der Gruppe für Alte Musik München und dem Carissimi-Consort bereits früh wichtige Erfahrungen im Ensemblegesang. Später war er Mitglied des Vokalensembles Singer Pur, das ihm auch Kontakte zum englischen Hilliard Ensemble ermöglichte. Dem Chor des Bayerischen Rundfunks war der Tenor bereits im Extrachor seit mehr als zehn Jahren verbunden, ehe er im September 2003 als festes Mitglied verpflichtet wurde. Seither ist er auch innerhalb des Chores oft solistisch hervorgetreten und kann ein umfangreiches Solo-Repertoire vorweisen, neben Bach und Händel auch ausgefallene Partien in Werken von Carissimi, Keiser, Simon Mayr, Monteverdi und Schütz. Aber neben der Alten Musik ist Andreas Hirtreiter auch in vielen anderen Musikstilen zu hören, ob Oper, Operette, Schlager oder Musical. 2009 gründete er mit der Sopranistin Priska Eser das Ensemble Pathos, das mit seinen Veranstaltungen immer wieder für begeisterten Aufruhr sorgt. Über den Gesang hinaus tritt der vielseitige Künstler auch als E- und Kontrabassist, Schlagzeuger, Komponist, Arrangeur, Autor und Lehrer in Erscheinung. 42 Biographien Christof Hartkopf Seine musikalische Grundausbildung erhielt Christof Hartkopf bei den Regensburger Domspatzen. Später studierte er Gesang bei Anke Eggers an der Universität der Künste in Berlin. Dort besuchte er auch die Liedklasse von Dietrich FischerDieskau. Christof Hartkopf war Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes und belegte Interpretationskurse bei René Jacobs, Bernd Weikl und Thomas Quasthoff. Bereits während des Studiums konzertierte er als Mitglied des Vokalsextetts Singer Pur u. a. mit dem Hilliard Ensemble und wurde festes Mitglied beim RIAS Kammerchor. Im Jahr 2004 wechselte er zum Chor des Bayerischen Rundfunks. Solistische Engagements führten Christof Hartkopf nach Potsdam (in Wilfried Hillers Traumfresserchen), zum Freiburger Barockorchester mit Bachs Johannespassion, an die Bayerische Staatsoper in Prokofjews Liebe zu den drei Orangen sowie zu den Berliner Philharmonikern mit Händels Belshazzar. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks trat Christof Hartkopf unter der Leitung von Thomas Hengelbrock als Solist in Bachs Weihnachtsoratorium auf. Michael Mantaj Bereits während seiner Schulzeit genoss Michael Mantaj eine intensive musikalische Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen. Dort erhielt er auch seinen ersten Gesangsunterricht bei Richard Brünner. Es folgten weitere Studien bei Nikolaus Hillebrand und Josef Metternich in München. Neben seiner Konzerttätigkeit als Lied- und Oratoriensänger, u. a. unter Dirigenten wie Enoch zu Guttenberg und Thomas Hengelbrock, war der Bassist auch immer wieder an verschiedenen Produktionen auf der Opernbühne zu sehen. So verkörperte er den Moralès in Bizets Carmen, den Guglielmo in Mozarts Così fan tutte, den Guldensack in Werner Egks Die Zaubergeige oder den Notar Dr. Falke in Johann Strauß’ Die Fledermaus. Michael Mantaj widmete sich von jeher mit besonderer Vorliebe dem Ensemblegesang. Seit 2000 ist er Mitglied des international renommierten Vokalensembles Die Singphoniker. Die sechsköpfige Gruppe hat mittlerweile mehr als 30 CDs vorgelegt und wird regelmäßig zu namhaften Festivals in aller Welt eingeladen. Seit Januar 2008 ist Michael Mantaj Mitglied des Chores des Bayerischen Rundfunks. 43 Biographien Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Schon bald nach seiner Gründung 1949 durch Eugen Jochum entwickelte sich das Symphonieorchester zu einem international renommierten Klangkörper, dessen Ruf die auf Jochum folgenden Chefdirigenten Rafael Kubelík, Sir Colin Davis und Lorin Maazel stetig weiter ausbauten. Neben den Interpretationen des klassisch-romantischen Repertoires gehörte im Rahmen der 1945 von Karl Amadeus Hartmann gegründeten musica viva von Beginn an auch die Pflege der zeitgenössischen Musik zu den zentralen Aufgaben des Orchesters. Seit 2003 setzt Mariss Jansons als Chefdirigent neue Maßstäbe. Aber auch viele namhafte Gastdirigenten wie Erich und Carlos Kleiber, Otto Klemperer, Leonard Bernstein, Günter Wand, Sir Georg Solti, Carlo Maria Giulini, Kurt Sanderling und Wolfgang Sawallisch haben das Symphonieorchester geprägt. Heute sind Bernard Haitink, Riccardo Muti, Esa-Pekka Salonen, Herbert Blomstedt, Franz Welser-Möst, Daniel Harding, Yannick Nézet-Séguin, Simon Rattle und Andris Nelsons wichtige Partner. Tourneen führen das Orchester durch Europa, nach Asien sowie nach Nordund Südamerika. Als »Orchestra in Residence« tritt das Orchester seit 2004 jährlich beim Lucerne Festival zu Ostern auf, 2006 wurde es für seine Einspielung der 13. Symphonie von Schostakowitsch mit dem Grammy geehrt. Bei einem Orchesterranking der Zeitschrift Gramophone, für das international renommierte Musikkritiker nach »The world’s greatest orchestras« befragt wurden, kam das Symphonieorchester auf Platz sechs. 44 Biographien BR-KLASSIK.DE Das neue Klassik-Portal. 46 Biographien Kent Nagano »Plötzlich hat alles einen Sinn ergeben«, erzählt Kent Nagano von seiner Begegnung mit seinem einstigen Lehrer und Freund Olivier Messiaen, der ihm nicht nur den Weg nach Europa geebnet, sondern ihn warmherzig gefördert hatte. Ein »Retter« sei er ihm gewesen, der dem gebürtigen Kalifornier das fehlende Puzzle-Teil zum Verständnis europäischer Musik geliefert habe. Bei der Uraufführung von Messiaens Oper Saint François d’Assise 1984 wurde Nagano von ihm als assistierender Dirigent engagiert, es folgte 1988 die Berufung nach Lyon als Music Director der Opéra National (bis 1998) und des Hallé Orchestra Manchester (1999–2000). Heute gehört Nagano, für seine klaren Interpretationen bekannt, zu den weltweit gefragten Dirigenten. Besonders der Neuen Musik erwies er durch zahlreiche Uraufführungen herausragende Dienste. Mit allen führenden Orchestern arbeitet er zusammen, seine Einspielungen und DVD-Produktionen, u. a. bei Sony, DECCA und Harmonia Mundi, wurden mehrfach mit Grammys und Music Awards ausgezeichnet. Neben seiner Tätigkeit als Music Director der Los Angeles Opera leitete er Opernproduktionen an verschiedenen Häusern wie Schostakowitschs Die Nase (Staatsoper Unter den Linden, Berlin), Rimskij-Korsakows Der Goldene Hahn (Châtelet, Paris), Hindemiths Cardillac (Opéra national de Paris), Zemlinskys Der König Kandaules sowie die Uraufführungen von Saariahos L’amour de loin, Bernsteins A White House Cantata, Eötvös’ Three Sisters und Adams’ El Niño. 2013 wurde er Principal Guest Conductor der Göteborger Symphoniker, mit denen er 2015 auch in München gastierte. Seit 2006 ist er als Music Director des Orchestre symphonique de Montréal tätig. Deren ambitioniertes Programm zur Eröffnung des Maison symphonique de Montréal 2011 enthielt sämtliche Symphonien Beethovens und Mahlers, Schönbergs Gurrelieder, konzertante Wagner-Opern, Honeggers Jeanne d’Arc au bûcher sowie Werke von Dutilleux und Boulez. Während der Zeit als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München wurden unter seiner Leitung die Opern Babylon (Widmann), Das Gehege (Rihm) und Alice in Wonderland (Chin) erfolgreich uraufgeführt sowie Idomeneo, Ariadne auf Naxos, Die schweigsame Frau, Les Dialogues des Carmélites, Wozzeck und Der Ring des Nibelungen neu inszeniert. Von großer Bedeutung war seine Tätigkeit als Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (2000–2006), das ihn zum Ehrendirigenten ernannte. Seit der Spielzeit 2015/2016 ist er Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war Kent Nagano zuletzt 2012 mit Rihms Tutuguri im Rahmen der musica viva zu erleben. 47 Biographien Ticciati G R E B SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS Robin Ticciati Dirigent, Sally MAtthews Sopran – Robert Schumann »Manfred«-Ouvertüre; Alban Berg Sieben frühe Lieder; Jörg Widmann »Liebeslied«; Edward Elgar »Enigma-Variationen« € 18 / 30 / 38 / 46 / 56 / 65 Einführung: Do / Fr 18.45 Uhr, Sa 17.45 Uhr gar l e Informationen: br-so.de, Tickets: br-klassikticket.de Schumann Bureau Mirko Borsche 18. und 19.2. 20 Uhr, 20.2. 19 Uhr Philharmonie SYMPHONIEORCHESTER SYMPHONIEORCHESTER DO. 11.2.2016 FR. 12.2.2016 Philharmonie 20.00 Uhr Konzerteinführung 18.45 Uhr 4. Abo A DO. 3.3.2016 FR. 4.3.2016 Herkulessaal 20.00 Uhr Konzerteinführung 18.45 Uhr 2. Abo B MARISS JANSONS Leitung SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS DANIEL HARDING Leitung ANTOINE TAMESTIT Viola SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH Symphonie Nr. 7 C-Dur, op. 60 (»Leningrader«) ÜBERRASCHUNGSSTÜCK € 25 / 35 / 49 / 58 / 69 / 82 JÖRG WIDMANN Konzert für Viola und Orchester EDWARD ELGAR Symphonie Nr. 2 Es-Dur, op. 63 € 13 / 18 / 30 / 38 / 46 / 56 / 65 49 Vorschau SYMPHONIEORCHESTER KAMMERKONZERT SA. 5.3.2016 Herkulessaal 11.00 Uhr und 13:00 Uhr Familienkonzert SA. 5.3.2016 Max-Joseph-Saal | 20.00 Uhr SO. 6.3.2016 Ev. Akademie Tutzing | 18.00 Uhr 3. Konzert mit Solisten des Symphonieorchesters DANIEL HARDING Leitung RUFUS BECK Sprecher KATHARINA NEUSCHAEFER Text MARTIN FENGEL Illustration LEONHARD HUBER Regie SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS EDWARD ELGAR Auszüge aus der Symphonie Nr. 2 Es-Dur, op. 63 Für Kinder ab 5 Jahren Erwachsene € 16 / Kinder € 8 / Familienkarte (2 Erwachsene und 2 Kinder) € 40 RACHAEL WILSON Mezzosopran CHRISTOF HARTKOPF Bariton WERNER MITTELBACH Klarinette SUSANNE SONNTAG Fagott HANNES LÄUBIN Trompete THOMAS HORCH Posaune JOSEPH BASTIAN Posaune CHRISTIAN PILZ Schlagzeug PETER RIEHM Violine TEJA ANDRESEN Kontrabass PAUL HINDEMITH »Musikalisches Blumengärtlein und Leyptziger Allerley« für Klarinette und Kontrabass ERWIN SCHULHOFF »Bassnachtigall«, drei Vortragsstücke für Kontrafagott, op. 38 MAURICIO KAGEL »Zehn Märsche um den Sieg zu verfehlen« für Bläser und Schlagzeug (Auswahl) CHRISTIAN JOST »Death Knocks«, Oper in einem Akt nach dem Schauspiel von Woody Allen für Mezzosopran, Bariton und Kammerensemble München: € 15 / 19 / 23 Tutzing: € 25 / 30 / 35 Studenten € 15 50 Vorschau KAMMERORCHESTER kartenvorverkauf SO. 6.3.2016 Prinzregententheater 11.00 Uhr 4. Konzert BRticket Foyer des BR-Hochhauses Arnulfstr. 42, 80335 München Mo.–Fr. 9.00–17.30 Uhr Telefon: 0800 / 5900 594 (kostenfrei für Inland) 0049 89 55 80 80 (international) Telefax: 0049 89 5900 1842326 Online-Kartenbestellung: www.br-klassikticket.de [email protected] München Ticket GmbH Postfach 20 14 13 80014 München Telefon: 089 / 54 81 81 81 Vorverkauf in München und im Umland über alle an München Ticket angeschlossenen Vorverkaufsstellen ALISA WEILERSTEIN Violoncello RADOSLAW SZULC Künstlerische Leitung KAMMERORCHESTER DES SYMPHONIEORCHESTERS DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS JOSEPH HAYDN Cellokonzert C-Dur, Hob. VIIb:1 Cellokonzert D-Dur, Hob. VIIb:2 GIUSEPPE VERDI Streichquartett e-Moll (Fassung für Streichorchester) Schüler- und Studentenkarten zu € 8,– bereits im Vorverkauf € 33 / 43 / 51 / 58 / 63 / 71 Vorverkauf auch über Bell’Arte, Tel.: (089) 8 11 61 91 51 Vorschau / Karten Freunde sind wichtig im Leben eines jeden von uns. Diese Überlegung machten sich musikbegeisterte und engagierte Menschen zu eigen und gründeten den gemeinnützigen Verein der »Freunde des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks e. V.«. Seine heute über 900 Mitglieder fördern die herausragende künstlerische Arbeit des Symphonieorchesters und seiner Akademie nach Kräften. Der Verein trägt dazu bei, den Ruf dieses weltweit berühmten Orchesters weiterhin zu mehren. Mit der finanziellen Unterstützung der »Freunde« werden Instrumente finanziert, Kompositionsaufträge erteilt, Kammermusikkurse abgehalten und jungen Talenten in der Akademie eine erstklassige Ausbildung an ihren Instrumenten ermöglicht. Den »Freunde«-Mitgliedern werden zahlreiche attraktive Vergünstigungen angeboten, von exklusiven Besuchen ausgewählter Proben über bevorzugte Kartenbestellungen bis hin zu Reisen des Orchesters zu Sonderkonditionen. * Helfen Sie mit als Freund und lassen Sie sich in die Welt der klassischen Musik entführen! Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Mariss Jansons Chefdirigent NIKOLAUS PONT Orchestermanager Bayerischer Rundfunk Rundfunkplatz 1 80335 München Telefon: (089) 59 00 34 111 IMPRESSUM Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk Programmbereich BR-KLASSIK Publikationen Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks REDAKTION Dr. Renate Ulm (verantwortlich) Dr. Vera Baur GRAPHISCHES GESAMTKONZEPT Bureau Mirko Borsche UMSETZUNG Antonia Schwarz, München DRUCK alpha-teamDRUCK GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung Das Heft wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Textnachweis Matthias Corvin, Judith Kaufmann, Renate Ulm: Originalbeiträge für dieses Heft; MachautÜbersetzungen: Renate Ulm; Bibelstellen: D. Martin Luther – Die gantze Heilige Schrifft, Deudsch 1545 / Auffs new zugericht, hrsg. Heinz Blanke und Hans Volz, München 1972; Biographien: Anna-Lena Wende (Nagano), Archiv des Bayerischen Rundfunks. Bildnachweis Wikimedia Commons (Albani-Psalter; Prachtleierschwanz; Himmelsleiter; Vogelpredigt); Bibliothèque nationale de France, Paris: allegorische Szene mit Machaut; MachautHandschrift Ms G, fonds Fr. 22545-6, fol. 124 (Ad te suspiramus); Machaut-Handschrift Ms C, fonds Fr. 1586 fol. 222/223 (Bone pastor); © Stadtbibliothek Reims (Kathedrale zu Reims); Bach-Archiv Leipzig (Porträt Bachs; Thomaskirche; Autograph Bachs); © John Sotomayor (Messiaen und Loriod); © Michael Paur 2013 (Trifidnebel); Thomas Daniel Schlee, Dietrich Kämper (Hrsg.): Olivier Messiaen, La Cité céleste – Das himmlische Jerusalem. Über Leben und Werk des französischen Komponisten (farbiges Faksimile Messiaens); Moritzkirche Augsburg (Christus Salvator); © Co Broerse (Messiaen und Nagano); © Marco Borggreve (Nézet-Séguin); © Astrid Ackermann (Jansons, Oh, Hirtreiter, Hartkopf, Mantaj, Symphonierorchester); © Benjamin Ealovega (Nagano). 53 Impressum B r- K L aSSI K-Stu di okonzerte KrIStIan BeZUIDenHOUt HAMMERKLAVIER CHIarOSCUrO QUartet Mozart Haydn Foto: Marco Borggreve Dienstag 15. März 20.00 Uhr Studio 2 im Funkhaus Karten: Euro 21,– / 29,– Schüler und Studenten: Euro 8,– BRticket 0 800 / 59 00 59 4 www.br-klassikticket.de München Ticket 089 / 54 81 81 81 facebook.com/brklassik Auch live im Radio auf BR-KLASSIK und als Videostream auf br-klassik.de 2. Abo D 4. / 5 .2. 2 016 br-so.de br-klassik.de