Kommt sie oder kommt sie nicht? Das Mysterium der Inflation

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Kommt sie oder kommt sie nicht?
Das Mysterium der Inflation
Investment-Strategie Metzler Private Banking
November 2013
2
Inhalt
Editorial
3
Konjunktur
5
Aktienmärkte
16
Anleihemärkte
22
Währungen
27
3
Editorial: Kommt sie oder kommt sie nicht? Das Mysterium der Inflation
Langsam und stetig steigende Inflation
in Deutschland zu erwarten
Keine Frage: Die Deutschen sind fleißige An­
leger – aber legen sie auch „richtig“ an? Unter
„richtig“ verstehen wir in diesem Kontext: in
Bezug auf die Einschätzung des mit der Kapi­
tal­anlage verbundenen Risikos. Zu den Risiken
elementarer Natur zählen wir politische Risi­
ken, Deflation und Inflation. Und Letztere
schaffte es in einer Umfrage des AllensbachInstituts aus dem vergangenen Jahr auf Platz
zwei der größten Ängste der deutschen Bevöl­
kerung. Der Studie zufolge hat rund die Hälfte
der Deutschen Angst vor steigenden Preisen.
Während bisher die Argumentation für höhe­re
Inflationsraten zumeist auf der monetären
In­fla­tionstheorie (also vereinfacht der Geld­
schwem­me durch die Notenbanken) fußt,
rücken nun nichtmonetäre Wirkungszusam­
menhänge in den Mittelpunkt. Hierunter sind
auch und gerade in Deutschland klassische
Gründe für einen Kostendruck zu verstehen,
die von der Angebotsseite ausgehen: Das
Wachstum des Kapitalstocks hat sich in der
Bundesrepub­lik in den vergangenen Jahren in­
folge der geringen Investitionen verlangsamt,
die Arbeitskräfte werden knapp, und die
Löhne steigen. Der Preisdruck macht sich be­
reits in der sogenannten Kerninflationsrate
bemerkbar, in der die Energiepreise unberück­
sichtigt bleiben. Die Preissteigerungen „fres­
sen“ sich sozusagen durch, von Stufe zu Stufe.
Dabei dürfte die Inflation in Deutschland nicht
schnell oder gar erratisch steigen – sondern
langsam und stetig.
Die Aufteilung des privaten Geldvermögens in
Deutschland legt aber den Schluss nahe, dass
sich die Bundesbürger viel stärker vor einer
Deflation fürchten. So liegt der Anteil, der in
Substanzvermögen (Aktien) angelegt wird und
somit unter einer Deflation besonders leiden
dürfte, lediglich bei 5 % (direkt) bzw. 10 %
(indirekt über Versicherungen, Pensionsgelder
Unter Ökonomen ist eine höhere Inflation
und Investmentfonds). Hingegen beträgt die
ohne­hin schon salonfähig geworden. So
Quote, die direkt
sprach der Cheföko­
Die Deutschen setzen sich bei ihrer Geld­
oder indirekt in
nom des Internationa­
anlage jenem Risiko am stärksten aus, wovor len Währungsfonds
Nominalan­lagen
sie sich am meisten fürchten!
(Bankguthaben und
(IWF), Olivier Blan­
Anleihen) gehalten
chard, Mitte Oktober
wird und die in inflationären Phasen stark in
in einem Interview mit dem „Handelsblatt“
Mitleidenschaft gezogen werden dürfte, bei
davon, dass die Wohlstandskosten von einer
ca. 75 %. Es ist geradezu paradox: Die Deut­
zwei- oder vierprozentigen Inflation gleich
schen setzen sich bei ihrer Geldanlage jenem
niedrig seien. Bereits für die Verbraucher mag
Risiko am stärksten aus, wovor sie sich am
diese Ansicht befremdlich wirken. Für Kapital­
meisten fürchten! Dieser Umstand mutet
anleger – und insbesondere für den „Durch­
schon fast mysteriös an. Oder ist etwa die
schnittsdeutschen“ mit seiner hohen Gewich­
Inflation als solche ein Mysterium?
tung von Nominalanlagen in seinem Finanz­
4
vermögen – macht es aber sehr wohl einen
Unterschied, ob die Inflation 2 oder 4 %
beträgt. Die infolge der anhaltend niedrigen
Zinsen bereits bei einer Preissteigerung von
2 % einsetzende schleichende „Enteignung“
scheint das Anlageverhalten des fleißi­gen
deutschen Sparers bisher zwar kaum zu be­
einflussen, aber spätestens bei einer Inflations­­
rate von 4 % sollte die Erkenntnis reifen, dass
es in Zeiten der finanziellen Repression ohne
eine angemessene Dotierung von Sachkapital
(wozu auch und gerade Aktien gehören) kaum
möglich ist, real positive Renditen zu erzielen.
Damit es künftig heißt: Die Deutschen sparen
fleißig – und richtig!
5
Konjunktur 2013/2014: Alte Stereotype haben ausgedient
Kategorische Unterscheidung zwischen „Kern- und
Krisenländern“ in der Eurozone greift zu kurz
Wir Menschen mögen es, wenn sich die Dinge
so entwickeln, wie wir es erwartet haben. Dies
gilt für ökonomische Belange genauso wie für
viele andere Lebensbereiche. Nur ist es in dem
summenden Durcheinander der heutigen Wirt­
schaftswelt leider gar nicht so leicht, den Über­
blick zu behalten. Daher sind unsere Erwar­
tungen an das zukünftige Konjunkturgesche­
hen auch nicht immer das Ergebnis eines
ausführlichen Reflexionsprozesses. Oft lehnen
sich unsere Erwartungen vielmehr an soziale
Konventionen an, in denen komplexe Sachver­
halte in einprägsamen und bildhaften Begriffen
verdichtet sind. Das Ergebnis sind Stereotype,
die meist in der logischen Form eines Urteils
daherkommen und so die Meinungsbildung er­
leichtern. Ein im Verlaufe der europäischen
Schuldenkrise gern genutztes Stereotyp ist die
Unterscheidung zwischen „Kernländern“ auf
der einen und „Krisenländern“ auf der anderen
Seite. Während Erstere Wachstumskraft und
Stabilität suggerieren, stehen Letztere für Nie­
dergang der Wirtschaft und Rezession. Diese
relativ einfache Kategorisierung wurde in den
vergangenen Jahren oft herangezogen, um die
Konjunkturaussichten eines Landes zu be­
schreiben. Doch so vorteilhaft und bequem die
pointierte Reduktion komplexer Sachverhalte
auch sein mag, erkenntnistheoretisch ist sie
eher hinderlich. Denn damit wird nicht nur der
Facettenreichtum nationaler Ökonomien aus­
geblendet, sondern auch der Blick auf aktuelle
Entwicklungen und ein sich veränderndes
Wirtschaftsumfeld verdeckt. So kann man zu
Recht fragen, ob das eifrige Reformland Spa­
nien, das kurz vor der Rückkehr zu Wirtschafts­
wachstum steht, wirklich noch undifferenziert
als Krisenstaat zu bezeichnen ist. Oder ob
Frankreich, angesichts der notwendigen Gene­
ralüberholung seiner Wirtschaftsstrukturen,
noch immer zur vermeintlichen Top-Gruppe
europäischer Kernländer gehört. Ebenso
könnte man heute das Stereotyp hinterfragen,
in dem zwischen alternden und wachstums­
schwachen Industrienationen sowie rasant
wachsenden Schwellenländern unterschieden
wird. Denn ganz im Gegensatz zu dieser gene­
ralisierenden Einschätzung hat sich die Kon­
junkturdynamik im alternden Japan zuletzt
kontinuierlich beschleunigt, während sich das
Wachstum von Chinas aufstrebender Volks­
wirtschaft abschwächte. Vor diesem Hinter­
grund präferieren wir eine etwas differenzierte­
re Betrachtung der makroökonomischen Gege­
benheiten in den einzelnen Volkswirtschaften
– eingebunden in die allgemeine konjunkturelle
Großwetterlage.
Trendwende im globalen Einkaufsmanagerindex
Nach der großen Rezession in den Jahren 2008
und 2009 lancierten Industrie- und Schwellen­
länder massive geld- und fiskalpolitische Sti­
muli, um eine weiter absackende Wirtschafts­
leistung zu verhindern. Die Bemühungen trugen
Früchte: Die Weltwirtschaft wuchs bereits im
Jahr 2010 wieder um ca. 5,2 %. Dieses Tempo
ließ sich jedoch nicht halten. Die Spätfolgen der
Finanzkrise, der Abbau ökonomischer Ungleich­
gewichte und auslaufende Konjunkturpakete
führten dazu, dass die Konjunkturdynamik
schnell wieder an Fahrt verlor. Besonders ein­
drucksvoll spiegelt sich dies in den bereits seit
2010 kontinuierlich sinkenden Zuwächsen bei
der globalen Industrieproduktion wider. Der
6
Das Kapitol in Washington, D. C. (USA)
globale Einkaufsmanagerindex für das verar­
deuten die Verschiffungskosten für wichtige
beitende Gewerbe fiel im Gleichschritt und no­
Rohstoffe sowie die Zeitcharterraten für Contai­
tierte im vergangenen Jahr das erste Mal seit
nerschiffe und den Transport von Öl darauf hin,
der großen Rezession 2008/2009 sogar wieder
dass der globale Handel wieder im Begriff ist
unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
zuzunehmen. Vor diesem Hintergrund scheinen
Seitdem scheint sich das Blatt jedoch gewen­
die Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft heute
det zu haben. Im September 2013 stieg der In­
geringer als in den vergangenen Jahren. Wir
dex wieder auf 51,8 Punkte und lag damit so
rechnen daher damit, dass das Wachstum
hoch wie zuletzt vor über zwei Jahren. Haben
merklich von 3,0 % im Jahr 2013 auf 3,7 % im
wir damit also den Tiefpunkt des aktuellen Kon­
Jahr 2014 steigen wird. Damit läge das Welt­
junkturzyklus bereits durchschritten? Unseres
wirtschaftswachstum im kommenden Jahr
Erachtens deutet tat­
sogar höher als im
Einiges spricht dafür, dass die Talsohle im
sächlich einiges da­
Durchschnitt der ver­
aktuellen Konjunkturzyklus bereits durch­
rauf hin. Insbesondere
gangenen 22 Jahre.
schritten worden ist.
die Industrieländer
Denn seit Anfang der
profitieren von einer
1990er Jahre wuchs
weniger restriktiven Fiskalpolitik, der anhaltend
die Weltwirtschaft im Jahresdurchschnitt nur
lockeren Geldpolitik und Fortschritten beim Ab­
um ca. 3,4 %.
bau makroökonomischer Ungleichgewichte.
USA: Wirtschaftswachstum hat sich in den ver­
Der Gesundungsprozess ist sicherlich noch
gangenen Quartalen kontinuierlich beschleunigt
nicht abgeschlossen, aber in Anbetracht des
Eine treibende Kraft des globalen Aufschwungs
verhaltenen Wachstumstempos der vergange­
sind die USA, die allein für knapp 20 % der
nen Jahre dürften viele Unternehmen ihre Pro­
weltweiten Wirtschaftsleistung stehen. Die
duktion so weit zurückgefahren haben, dass
Vereinigten Staaten gehören zu den Ländern,
eine weitere Verlangsamung unwahrscheinlich
die in den vergangenen Jahren einige ökono­
ist. Tatsächlich deuten die Unterkomponenten
mische Ungleichgewichte außerordentlich er­
des globalen Einkaufsmanagerindex sogar auf
folgreich abgebaut haben. Für den Ausblick
ein sich beschleunigendes Wachstum. Denn
bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der
während die Auftragseingänge zuletzt merklich
konjunkturbremsende Anpassungsbedarf ge­
zunahmen, wurden Lagerbestände abgebaut.
ringer geworden ist. Und zwar nicht nur (wie
Das entsprechende Verhältnis der beiden Kenn­
später zu zeigen sein wird) im privaten Sektor,
größen stieg im August sogar auf den höchsten
sondern auch im öffentlichen Bereich. So sit­
Stand seit 30 Monaten. Im September war zwar
zen den USA zwar noch immer ihre Staats­
wieder ein kleiner Rücksetzer zu verzeichnen,
schulden im Nacken (v. a. angesichts der para­
aber es dürfte wohl nicht mehr lange dauern,
doxen Situation, dass der US-Kongress sich
bis auch die Industrieproduktion wieder anzie­
wieder einmal schwertat, für die Deckung der
hen wird. Dieser Eindruck wird von Indikatoren
Ausgaben zu sorgen, die er zuvor selbst be­
aus dem weltweiten Seehandel bestätigt. So
7
schlossen hat), dafür gibt es aber an anderer
Stelle kaum zu übersehende Fortschritte: So
wird das Haushaltsdefizit der US-Regierung
wohl von über 10 % des Bruttoinlandspro­
dukts im Jahr 2009 auf nur noch etwa 4 % in
diesem Jahr fallen. Ein solches Konsolidie­
rungstempo ist historisch ohne Beispiel. Nie­
mals in den vergangenen 50 Jahren verzeich­
neten die USA eine Defizitreduktion um ­6 %Punkte innerhalb von vier Jahren. Bei diesen
bemerkenswerten Verbesserungen spielt ne­
ben auslaufenden Fiskalprogrammen und den
positiven Effekten aus den politischen Blocka­
den im US-Kongress (da sich der Kongress
Ende 2012 nicht einigen konnte, welche Aus­
gaben wie stark reduziert werden sollen, greift
seit März 2013 eine automatische Ausgaben­
bremse) vor allem die Konjunktur eine Rolle.
So hat sich das Wirtschaftswachstum der
USA in den vergangenen Quartalen – von
einem zugegeben niedrigen Niveau aus – kon­
tinuierlich beschleunigt. Zur Jahresmitte hatte
die Industrie zwar mit einer Schwächephase
zu kämpfen, die aber den grundsätzlich intak­
ten Aufwärtstrend der US-Wirtschaft nicht in­
frage stellte. Denn vor allem das Umfeld für
die privaten Verbraucher – die noch immer für
den Großteil der US-Nachfrage stehen – hat
sich kontinuierlich verbessert. Seitdem die
Federal Reserve vor ca. einem Jahr begann,
hypothekenbesicherte Wertpapiere zu kaufen,
ist die Arbeitslosenquote von 8,1 % auf 7,3 %
gesunken. Dabei ist zwar zu berücksichtigen,
dass einige Teilnehmer dem Arbeitsmarkt den
Rücken gekehrt haben, aber es wurden in den
vergangenen zwölf Monaten dennoch 2,2 Mio.
neue Jobs geschaffen. Tatsächlich stehen also
wieder mehr Menschen in Lohn und Brot. Da
gleichzeitig die privaten Haushalte ihre Ver­
schuldung in den vergangenen Jahren erheb­
lich reduzierten (siehe Abbildung 1), die Netto­
vermögen stiegen und die Zahlungsausfälle bei
Kredit­karten auf den niedrigsten Stand seit Be­
ginn der Datenerhebung Anfang der 1990er-
Abb. 1: Die Finanzlage US-amerikanischer Haushalte ist solider geworden
Verschuldung der privaten Haushalte (in % des verfügbaren Einkommens)
130
120
110
100
90
80
2000
2002
2004
Quellen: Factset, Metzler; Stand: Juni 2013
2006
2008
2010
2012
8
Jahre fielen, ist die Finanzlage der US-Bürger
heute besser als noch vor ein paar Jahren. An­
gesichts einer zu beobachtenden Lockerung
der Kreditvergabestandards scheinen mittler­
weile auch die US-Geschäftsbanken den höhe­
ren Ausgabenspielraum der privaten Haushalte
zu honorieren.
tik zur Normalität so behutsam wie möglich zu
gestalten. Der Weg dorthin ist allerdings noch
lang. Denn für das Ausmaß der geldpoliti­schen
Lockerung sind vor allem die Anleihebestände
der Fed und weniger die monatlichen Käufe
ausschlaggebend. Angesichts eines Renten­
portfolios von ca. 3,4
Weiterhin üppige Liquiditätsversorgung und Bio. USD fällt es also
steigende Investitionen sorgen für weiteres
Warum also trägt die
kaum ins Gewicht, ob
Wachstum in den USA.
US-Notenbank die­
die monatlichen Kauf­
sen Verbesserungen
volumina von 85 Mrd.
noch keine Rechnung und leitete bei ihrer Sit­
USD etwas früher oder etwas später reduziert
zung im September nicht den Einstieg in den
werden. Für die US-Wirtschaft bleibt die Liqui­
Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik
ditätsausstattung auf Sicht üppig. Hiervon
ein? Unseres Erachtens hängt dies sehr stark
sollten nicht zuletzt die Unternehmen profitie­
mit der Überzeugung der Federal Reserve zu­
ren, bei denen sich angesichts steigender Ge­
sammen, dass es für die US-Wirtschaft das
winne ohnehin bereits ein neuer Investitions­
größere Risiko ist, den monetären Stimulus zu
aufschwung abzeichnet. Insgesamt dürfte die
früh zu beenden als zu spät. Natürlich sind
Aufwärtsbewegung der US-Konjunktur daher
auch der Fed die obengenannten Fortschritte
anhalten und sich im nächsten Jahr sogar be­
nicht entgangen. Sie misst aber offensichtlich
schleunigen. Wir gehen von einem Wachstum
den noch bestehenden Risiken ein größeres
von 1,7 % für 2013 und 2,8 % für 2014 aus.
Gewicht zu. Hierzu dürfte neben den aktuellen
Eurozone: Frühindikatoren sprechen für eine sich
Budgetstreitigkeiten vor allem der starke An­
weiter erholende Konjunktur
stieg der Hypothekenzinsen seit dem Frühjahr
Gute Nachrichten gibt es auch aus der Euro­
zählen. So ist der Durchschnittszins für 30-jäh­
zone. Denn zur Jahresmitte erhöhte sich die
rige Eigenheimkredite in den USA von April bis
Wirtschaftsleistung der Währungsunion das
August um über 100 Basispunkte (Bp) gestie­
erste Mal seit anderthalb Jahren. Zwar ist das
gen. Die Fed sah somit wohl das Risiko, den
hohe Wachstum zum Beispiel in Deutschland
Immobilienmarkt – das Herzstück des ameri­
und Frankreich teilweise witterungsbedingten
kanischen Aufschwungs – zu früh abzuwür­
Nachholeffekten geschuldet, aber der Tief­
gen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass
punkt des aktuellen Konjunkturzyklus scheint
diese Sorge nicht unbegründet ist. Seit den
dennoch durchschritten. Frühindikatoren ge­
1970er-Jahren ist immer wieder zu beobach­
ben überdies Anlass zur Hoffnung, dass sich
ten, dass bereits kurzfristige Zinserhöhungen
die Erholung weiter fortsetzen wird. So berich­
von 75 Bp ausgereicht haben, um die Hausver­
tet die Europäische Kommission, dass sich die
käufe negativ zu beeinflussen. Der Fed ist da­
Stimmung von jeweils 35.000 Industrieunter­
her daran gelegen, die Rückkehr der Geldpoli­
9
nehmen und privaten Haushalten seit Ende
2012 kontinuierlich verbessert hat (siehe Ab­
bildung 2). Dies sind vor allem deshalb gute
Nachrichten, da ein breit angelegtes Vertrauen
der Wirtschaftssubjekte in den Aufschwung
gegen ein restriktives Ausgaben- und Investi­
tionsverhalten spricht. Der Einkaufsmanager­
index für das verarbeitende Gewerbe bestätigt
diese Vermutung. Er lag im September den
dritten Monat in Folge über der kritischen
Wachstumsschwelle von 50 Punkten.
lerweile wieder Rückenwind aus) und die Ent­
lassungswelle in den Ländern an der Periphe­
rie der Währungsunion allmählich abebbt. So
ist die im Sommer erstmals seit über zwei Jah­
ren gesunkene Arbeitslosenzahl in der Euro­
zone nicht nur auf die günstige Entwicklung in
Deutschland zurückzuführen, sondern vor
allem auf bessere Daten in Spanien, Italien und
Portugal. Zweifelsohne ist die Arbeitslosig­keit
in der Währungsunion noch immer hoch, und
es ist noch nicht mit einem breiten Konsum­
aufschwung zu rechnen, aber schon ein Ende
des Stellenabbaus ist eine wichtige Vorausset­
zung für eine sich wieder belebende private
Nachfrage.
Die verbesserten Stimmungsindikatoren dürften
unseres Erachtens wesentlich darauf zurück­
zuführen sein, dass das Drohszenario eines
potenziellen Zerfalls der Eurozone in den ver­
gangenen Monaten an Bedeutung verloren hat
und die staatlich verordneten Sparprogramme
kleiner ausfallen. Hinzu kommt, dass sich das
außenwirtschaftliche Umfeld langsam aufhellt
(vor allem von Großbritannien – dem wichtig­
sten Handelspartner der Eurozone – geht mitt­
Doch so erfreulich all diese Nachrichten für
die Eurozone in der Gesamtheit auch sind,
verschleiern sie doch die politökonomischen
und fundamentalen Entwicklungen in den ein­
zelnen Volkswirtschaften. Fundamental lässt
sich – wie eingangs bereits beschrieben –
Abb. 2: Die Stimmungslage in der Eurozone hat sich deutlich verbessert
Saldo der Befragten in %-Punkten
5
0
– 5
–10
–15
–20
–25
–30
–35
–40
Industrievertrauen
Konsumentenvertrauen
2004
2005
2006
2007
Quellen: Factset, Metzler; Stand: September 2013
2008
2009
2010
2011
2012
2013
10
festhalten, dass eine Zweiteilung in „Kern- und
wiederum verstärkt in Kapitalgüter investiert
Krisenländer“ nicht mehr uneingeschränkt
werden. Tatsächlich sinkt die deutsche In­möglich ist. Denn mit Italien, Spanien, Grie­
ves­titionsquote aber bereits seit Anfang der
chen­land, Portugal und Irland haben viele der
1990er-Jahre. Infolgedessen hat auch das
sogenannten „Krisenländer“ mittlerweile
Wachstum des Kapitalstocks immer weiter
Boden wettgemacht. Während diese Gruppe
abgenommen. Somit entstanden in den ver­
zusammengenommen vor einigen Jahren
gangenen Jahren angebotsseitige Beschrän­
noch ein Leistungsbilanzdefizit von ca. 7 %
kungen, die unseres Erachtens vor allem in
der jährlichen Wirtschaftsleistung verzeichne­
den sogenannten „Kern­ländern“ zu größerem
te (die Importe waren also größer als die Ex­
Preisdruck führen dürften. Da sich die Euro­
porte, sodass die resultierende Lücke mit aus­
päische Zentralbank – aus Rücksichtnahme
ländischem Kapital geschlossen werden
auf andere Länder – nicht schnell gegen diese
musste), ist dieses Defizit heute fast vollstän­
Entwicklung wird stemmen können, erwarten
dig ausgeglichen. Damit ist die Krisenanfällig­
wir, dass sich der unterliegende Preistrend in
keit der Länder an der Peripherie der Wäh­
Deutschland weiter beschleunigen wird.
rungsunion deutlich gesunken. Gleichzeitig
Nachdem die deutsche Inflationsrate (ohne
geraten die „Kernländer“ zunehmend unter
Berücksichtigung der Energiepreise) bereits
Druck, ihre wirtschaftliche Vormachtstellung
von 0,5 % im Jahr 2010 auf 1,6 % im August
verteidigen zu müssen. Denn sowohl Deutsch­
stieg, gehen wir für das kommende Jahr von
land als auch Frankreich haben damit zu
einem weiteren Anstieg auf 2 % aus. 2015
kämpfen, dass die
könnte sich der Preis­
Beschränkungen auf der Angebotsseite dürf­ auftrieb ceteris pari­
Löhne in den vergan­
ten zukünftig zu größerem Preisdruck in den bus weiter auf 3 %
genen Jahren schnel­
„Kernländern“ der Eurozone führen.
ler stiegen als die
erhöhen. Für die
Produktivität. Die
Euro­zone insgesamt
Folge ist ein Verlust an preislicher Wettbe­
dürfte die Entwicklung zwar etwas gedämpf­
werbsfähigkeit relativ zum Euroraum. Wenn
ter ausfallen. Aber angesichts unflexibler Ar­
diese Entwicklung anhalten sollte – worauf
beitsmärkte in großen Mitgliedsländern wie
angesichts der guten Beschäftigungslage in
Frankreich und Italien sowie schwachen Pro­
Deutschland und den unflexiblen Arbeits­
duktivitätszuwächsen dürfte auch hier der
marktstrukturen in Frankreich einiges hindeu­
Trend nach oben zeigen.
tet –, so könnte daraus in den kommenden
Jahren ein größerer Inflationsdruck erwach­
Die Eurozone wird also trotz Überwindung der
sen. Dies gilt umso mehr, als sich nicht ab­
Rezession weiterhin mit strukturellen Proble­
zeichnet, dass sich die Lohnsteigerungen
men zu kämpfen haben. Temporär könnten
durch entsprechend hohe Produktivitätszu­
diese sogar von politökonomischen Entwick­
wächse kompensieren ließen. Denn um die
lungen in einigen Ländern verschärft werden.
Arbeitsproduktivität zu erhöhen, müsste
Dies betrifft in Irland und Portugal vermutlich
11
vorsorgliche Kreditlinien, um die Rückkehr an
die Kapitalmärkte abzusichern, in Griechen­
land und Zypern weitere Zugeständnisse, um
die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten,
und in Spanien Diskussionen über den verblei­
benden Kapitalbedarf des Bankensystems. Ein
weiteres Risiko geht nach wie vor von poli­
tischer Instabilität in Rom aus. Unseres Erach­
tens hat jedoch keine dieser Entwicklungen
mehr die Sprengkraft, die sie noch vor weni­
gen Jahren gehabt hätte. Denn mittlerweile
wurde die institutionelle Architektur der Euro­
zone so weit ausgebaut, dass verschiedene
Interventionsmöglichkeiten eine erneute Eska­
lation verhindern sollten. Wir rechnen daher
trotz all der politischen „Hotspots“ damit, dass
sich die Wirtschaftserholung in der Eurozone
fortsetzen wird. Leider wird der Aufschwung
jedoch nur langsam vonstatten gehen. Denn
wie zuvor gezeigt, leiden mittlerweile auch
einige „Kernländer“ unter strukturellen Defizi­
ten, während gleichzeitig die „Krisenländer“
noch nicht vollständig genesen sind (dies be­
trifft z. B. die notwendige Reduktion hoher
privater Schuldenstände in Ländern wie Spa­
nien, Portugal und Irland). Nach einem Rück­
gang der Wirtschaftsleistung von 0,4 % im
laufenden Jahr gehen wir daher für 2014 nur
von einem moderaten Plus von 0,9 % aus.
Deutschland: Der Konjunkturmotor läuft
weiterhin rund
In Deutschland dürfte der Aufschwung hinge­
gen etwas kräftiger ausfallen. Denn trotz des
angesprochenen Verlusts an Wettbewerbs­
fähigkeit der Bundesrepublik deuten alle wich­
tigen Stimmungsindikatoren auf eine anziehen­
de Wachstumsdynamik in den kommenden
Monaten. Der deutsche ifo-Index beispielswei­
se steigt bereits seit fünf Monaten und signali­
siert damit eindeutig einen sich fortsetzenden
Konjunkturaufschwung (siehe Abbildung 3).
Dies gilt umso mehr, als die deutschen Unter­
nehmen mittlerweile nicht mehr nur die aktu­
Abb. 3: Das Geschäftsklima signalisiert, dass sich der Konjunkturaufschwung in Deutschland fortsetzen wird
6
Bruttoinlandsprodukt (in % ggü. Vj.)
ifo-Geschäftsklima (indexiert; 2005 = 100)
120
115
4
110
2
105
0
100
–2
95
90
–4
85
–6
–8
80
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Quellen: Factset, Metzler; Stand: September 2013 (ifo) und Juni 2013 (BIP)
2011
2012
2013
75
12
elle Geschäftslage, sondern auch die Zukunfts­
aussichten als günstig einschätzen. Angesichts
einer starken inländi­schen Konsumnachfrage,
anhaltend niedriger Zinsen und verbesserter
Absatzperspektiven im Ausland ist dies auch
wenig überraschend. Noch hat sich die Kombi­
nation aus guter Stimmung und günstigen
Rahmenbedingungen für die Konjunktur aller­
dings nicht vollends in den realwirtschaftlichen
Daten niedergeschlagen. Denn in der Industrie
kommen Produktion und Auftragseingänge
bisher nicht richtig in Schwung. Besonders
enttäuschend ist in diesem Zusammenhang,
dass sich bei den Bestellungen für inländische
Investitionsgüter noch keine Wende abzeich­
net. Dies wäre aber deshalb so wichtig, weil
diese frühzeitig eine Wende bei den seit an­
derthalb Jahren zurückgehenden Unterneh­
mensinvestitionen signalisieren würden. Solan­
ge Letztere aber ausbleiben, wird der deutsche
Wirtschaftsaufschwung relativ verhalten blei­
ben. Wir rechnen daher für 2013 nur mit einem
jahresdurchschnittlichen Wachstum von 0,5 %.
Im nächsten Jahr dürften dann – in Anbetracht
der sich weiter verbessernden Rahmenbedin­
gungen für die Weltwirtschaft – aber auch die
Unternehmensinvestitionen an Fahrt gewin­
nen. Für 2014 rechnen wir daher mit einer rela­
tiv kräftig um 1,6 % zunehmenden Wirtschafts­
leistung. Dummerweise wird dies nicht ohne
Folgen bleiben. Denn die mit der brummenden
Konjunktur einhergehende gute Lage auf dem
Arbeitsmarkt sollte weiterhin für Lohndruck
sorgen. Wenn die Unternehmen keine zurück­
gehenden Margen in Kauf nehmen wollen,
werden verzögert auch die Inflationsraten stei­
gen. Der deutsche Wirtschaftsaufschwung hat
damit im wahrsten Wortsinne seinen Preis.
Japan: Erstmals seit langer Zeit fallen die
Verbraucherpreise nicht mehr
Dass eine anziehende Wirtschaft ihren Preis
hat, scheint nach langer Zeit auch wieder für
Japan zu gelten. Denn nach Jahren sinkender
Preise erhöhte sich die Inflation hier zuletzt
immer weiter. Im August stieg sie mit 0,9 %
auf den höchsten Stand seit ca. fünf Jahren.
Leider zeigt sich in dieser Entwicklung aber
(noch) nicht der nachfrageinduzierte Inflations­
druck, den die japanische Regierung so gern
sehen würde. Der Teuerungsanstieg ist viel­
mehr darauf zurückzuführen, dass der japa­
nische Yen heute handelsgewichtet ca. 20 %
niedriger notiert als vor einem Jahr. Dies treibt
die Preise für Importe, bei welchen vor allem
Energierohstoffe eine wichtige Rolle spielen.
Lässt man Energiegüter (und Nahrungsmittel)
unberücksichtigt, so ist kein Preisanstieg mehr
feststellbar – aber auch kein Preisrückgang.
Und so ist die Stimmung in der japanischen
Wirtschaft derzeit ausgesprochen gut. Die
Kreditvergabe steigt, und die Ergebnisse der
Tankan-Umfrage zeigten im dritten Quartal,
dass die großen Industrieunternehmen die
Wirtschaftslage und den Ausblick als sehr
günstig einstufen. Neben dem Gewinn an
Wettbewerbsfähigkeit aufgrund des schwa­
chen Yen dürfte dies ferner auf die solide
inländische Nachfrage zurückzuführen sein.
Denn auch der private Verbrauch und der
Staatskonsum tragen derzeit zum kräftigen
Wachstum bei. Mit jeweils etwa 1 % gegen­
über der Vorperiode wuchs die japanische
Volkswirtschaft in den ersten beiden Quar­
talen so schnell wie keine andere große Indus­
trieregion. Offensichtlich trägt die aggressive
Wirtschaftspolitik des neuen Premierministers
13
Die Skyline von Tokio (Japan)
Abe also Früchte. Ob sich dies jedoch als
nachhaltig erweist, wird wesentlich davon ab­
hängen, ob es der Regierung gelingt, auch die
strukturellen Herausforderungen zu meistern.
Hierzu gehören unter anderem die immense
Staatsverschuldung, hohe Unternehmenssteu­
ern und ein unflexibler Arbeitsmarkt. Eigent­
lich könnte die Regierung diese Themen pro­
blemlos angehen. Denn seitdem die Koaliti­
onsparteien im Juli auch die Wahlen im
Oberhaus gewannen, beherrscht Abe beide
Häuser des Parlaments und könnte damit
„durchregieren“. Tatsächlich hat er mit der ge­
lockerten Geld- und Fiskalpolitik aber bisher
erst zwei der Elemente implementiert, die die
Regierung selbst als „Pfeile“ bezeichnet. Der
dritte und wichtigste Pfeil der Strukturrefor­
men steckt hingegen noch im Köcher. Wenn
der Aufschwung in Japan also kein Strohfeuer
bleiben soll, dann wird die Regierung zuneh­
mend auch komplexe Themen auf die Agenda
nehmen müssen. Mit der angekündigten Er­
höhung der Mehrwertsteuer von bislang 5 auf
8 % im April 2014 ist zwar ein erster Schritt
zur Haushaltskonsolidierung getan; allerdings
bedarf es weiterer Reformen, um die Perspek­
tiven für die Unternehmen zu verbessern. So­
lange bei den großen Themengebieten Unter­
nehmenssteuern und Arbeitsmarkt Stillstand
herrscht, besteht das Risiko, dass die posi­
tiven Effekte der aktuellen Regierungspolitik
sukzessive verpuffen. Wir rechnen für 2013
und 2014 damit, dass Japans Wirtschaft um
etwa 1,7 % und 1,5 % wachsen wird.
Schwellenländer: Warnung vor allgemeiner Wirtschaftskrise dürfte sich als Fehlalarm entpuppen
Insgesamt ist der Konjunkturausblick für die
Industrieländer damit recht freundlich. Doch
wie ist die Lage in den Schwellenländern? In
den vergangenen Monaten machte – ange­
sichts der Turbulenzen bei den Währungen
einiger aufstrebender Volkswirtschaften – ja
bereits das Wort einer allgemeinen Schwellen­
länderkrise die Runde. Wie so oft bei solchen
Meldungen dürfte sich der Alarm jedoch als
Fehlalarm entpuppen. Diesen Schluss legen
zumindest die Ergebnisse unserer generellen
Überlegungen zur Krisenanfälligkeit der
Schwellenländer nahe.
Der grundsätzliche Wirkungszusammenhang,
auf dem die Angst vor einer generellen
Schwellenländerkrise beruht, setzt am vor­
herrschenden Niedrigzinsumfeld an. Denn
niedrige Zinsen verführen zu allerlei Invest­
ments. So können sich Wirtschaftssubjekte
ohne große Kosten verschulden und das Geld
höher rentierlich anderswo anlegen – zum Bei­
spiel in Aktien oder Anleihen aus Schwellen­
ländern. Solche sogenannten „Carry-Trades“
erfreuten sich in den vergangenen Jahren gro­
ßer Beliebtheit. Mit der Ankündigung von
Fed-Chef Bernanke im Juni 2013, die ultra­
expansive Geldpolitik der US-Notenbank
schrittweise zu normalisieren, schien dieses
Geschäftsmodell aber zunehmend gefährdet.
Denn der durch die Federal Reserve ausgelös­
te Zinsanstieg hatte das Potenzial, die Kredit­
aufnahme so weit zu verteuern, dass der mög­
liche Ertrag des eingegangenen Geschäfts
nicht mehr ausreichend für die unterliegenden
Risiken entschädigt hätte. Dies hatte zur Folge,
14
dass viele Investoren ihre „Carry-Trades“ auf­
lösten und der damit einhergehende Kapital­
abfluss die Währungen einiger Schwellenlän­
der empfindlich abwertete. Seitdem die Fede­
ral Reserve im September entschied, zunächst
ihre expansive ausgerichtete Geldpolitik beizu­
behalten, haben sich die Devisen wieder etwas
von ihren Verlusten erholt. Doch viele Inves­
toren fragen sich, ob die Schwellenländerkrise
damit nur verschoben ist.
Beteiligungen an Betriebsstätten, Immobilien
und Unternehmen) lassen sich nämlich weni­
ger schnell abziehen als Portfolioinvestitionen
(also Wert­papieranlagen). Unter Stabilitätsge­
sichtspunkten ist ein vornehmlich über Port­
folio­investi­tionen finanziertes Leistungsbilanz­
defizit daher kriti­scher zu beurteilen.
Bevor wir unsere Überlegungen zum Außen­
handel und zu dessen Finanzierung auf einzel­
ne Schwellenländer ausweiten, halten wir es
Unseres Erachtens sind hier, wie schon bei
für sinnvoll, auch die direkten Risiken eines all­
den Industrieländern, pauschale Schlussfolge­
gemeinen Zinsanstiegs zu benennen. Und
rungen kaum möglich. Denn einige aufstre­
hiervon wären – wenig überraschend – vor
bende Volkswirtschaften sind viel stärker auf
allem die Staaten mit hohen Haushaltsdefizi­
ausländisches Kapital ange­
ten betroffen. Denn bei
wiesen als andere. So muss Exportstarke Länder sind weniger steigenden Refinanzie­
anfällig gegenüber ausländischen rungskosten erhöht das
Indien zwar seine
Kapitalabflüssen.
Importrechnun­gen mit aus­
laufende Haushaltsdefizit
ländischem Geld beglei­
die Belastung unmittelbar,
chen, aber China erzielt so hohe Exporterlöse,
während der Schuldendienst aufgrund der
dass es kaum auf die Finanzierung aus dem
durchschnittlichen Restlaufzeit der ausstehen­
Ausland angewiesen ist. Sucht man also einen
den Anleihen erst verzögert steigt. Insofern
ersten Anhaltspunkt für die Anfälligkeit eines
kommt in einem Umfeld potenziell steigender
Landes gegenüber ausländischen Kapitalab­
Zinsen der öffentlichen Finanzlage eine wich­
flüssen, so sollte man auf das Verhältnis von
tige Bedeutung zu.
Exporten zu Importen achten. Grundsätzlich
gilt, dass ein Land mit einem Leistungsbilanz­
Wenn man nun die vorgenannten Risikofak­
überschuss (Exporte > Importe) weniger anfäl­
toren (Leistungsbilanzdefizit und dessen Finan­
lig ist als ein Land mit einem Leistungsbilanz­
zierung sowie die öffentliche Haushalts­lage)
defizit (Exporte < Importe). Doch wie gesagt
zusammen betrachtet, so ergibt sich ein inte­
kann dies nur ein erster Anhaltspunkt sein.
ressantes Bild (siehe Abbildung 4 auf der rech­
Denn selbst bei einem Defizit ist nicht zwin­
ten Seite). Denn während Südafrika, Indien, die
gend von einer hohen Krisenanfälligkeit auszu­
Türkei, Mexiko und Polen am anfälligsten für
gehen. So gibt es bei einem Minus in der Leis­
Kapitalabflüsse und steigende Zinsen zu sein
tungsbilanz auch qualitative Unterschiede,
scheinen, sind mit China und Russland zwei
zum Beispiel in der Finanzierung des Defizits.
der größten Schwellenländer dagegen relativ
Ausländische Direktinvestitionen (also direkte
unempfindlich. Brasilien ist in der Mitte dieses
15
Spektrums einzuordnen. Da aber schon China
allein fast anderthalb mal so viel zur Weltwirt­
schaftsleistung beiträgt wie die fünf schwächs­
ten Länder zusammen, scheint uns die Sorge
vor einer allgemeinen Krise der aufstrebenden
Volkswirtschaften übertrieben. Dies gilt umso
mehr, als viele große Schwellenländer heute
umfangreichere Devisenreserven und eine ge­
ringere Auslandsverschuldung aufweisen als
zur Zeit der letzten großen Krise in Asien
1997/1998. Mit den Devisenreserven lässt sich
im Notfall die eigene Währung stützen. Und
sollte dies nicht gelingen, verhindern die gerin­
geren Auslandsverbindlichkeiten, dass die
Schulden proportional mit der Abwertung der
Heimatwährung steigen. Die Herausforderung
für die Schwellenländer liegt heute daher nicht
mehr darin, mit drohenden Kapitalabflüssen
umgehen zu können; die Widerstandsfähigkeit
gegen einen solchen Schock ist mittlerweile
recht ausgeprägt. Die Hauptaufgabe ist viel­
mehr, die bisherigen Wachstumsmodelle zu
ändern. Für die Zukunft heißt dies weniger roh­
stoffexportgetriebenes Wachstum in Brasilien
und Russland sowie mehr privatwirtschaftliche
Initiative in Indien und China. Dieser Struktur­
wandel wird temporär und regional immer
wieder Turbulenzen auslösen, Jahre dauern –
und dazu führen, dass die Schwellenländer
nicht mehr ganz so dynamisch wachsen wer­
den wie zuvor. Dabei sollte aber nicht ver­
gessen werden, dass die aufstrebenden Volks­
wirtschaften trotz nachlassender Konjunktur­
dynamik noch immer für ca. drei Viertel des
globalen Wachstums verantwortlich sind. Für
die Weltwirtschaft bleiben sie damit auch in
Zukunft der größte Wachstumstreiber.
Abb. 4: Die aufstrebenden Volkswirtschaften sind nicht gleich empfindlich gegenüber Kapitalabflüssen
1,5
1,8
Südkorea
0,3
0,7
Russland
Mittelwert aus Leistungsbilanzsaldo, Portfolioinvestitionen und Haushaltssaldo (jeweils in % des Bruttoinlandsprodukts)*
–0,1
–4,1
–3,7
Indien
Türkei
–1,7
–2,3 –2,2 –1,9 –1,9
–2,8 –2,6
–1,1
Philippinen
China
Malaysia
Thailand
Brasilien
Indonesien
Tschechien
Kolumbien
Chile
Polen
Mexiko
Südafrika
–5,4
* Durchschnitt der letzten vier bis acht Quartale; Portfolioinvestitionen gehen mit umgekehrtem Vorzeichen in
die Betrachtung ein
Quellen: Factset, Ned Davis, Metzler; Stand: Q1 oder Q2 2013
16
Aktienmärkte: Holprig weiter aufwärts – Von der liquiditäts- zur
gewinngetriebenen Hausse
Neue Höchststände bei vielen Aktienindizes rufen
Skeptiker auf den Plan
Für Aktienbullen waren die vergangenen
Monate außerordentlich erfreulich. Im Nahen
Osten entspannte sich die politische Lage, in
den USA wurde mit Janet Yellen eine Befür­
worterin expansiver Geldpolitik als neue FedPräsidentin nominiert, die befürchtete Reduk­
tion der Anleihekäufe durch die US-Notenbank
blieb aus, und in den Schwellenländern legten
sich die Ängste vor einer breit angelegten Kapi­
talflucht. In der Folge markierten viele Aktien­
indizes neue Höchststände. Neben dem Dow
Jones Industrial Average und dem S&P 500
gilt dies auch für den deutschen Aktien­index
DAX, der am 16. Oktober 2013 im Handels­
verlauf mit 8.861 Punkten so hoch notierte wie
niemals zuvor. Doch so erfreulich diese Re­
kordmarken für Anleger auch sind, sie tragen
ebenfalls dazu bei, dass Crash-Propheten wie­
der an Aufmerksamkeit gewinnen. Frei nach
dem Motto „DAX on Drugs“ wird vielerorts
bereits vor Blasenbildung und anderem Unge­
mach am Aktienmarkt gewarnt. Und würde
unsere Analyse auf Schlagzeilen basieren, so
müssten wir tatsächlich sehr skeptisch in die
Zukunft blicken. Denn angesichts politischer
Unwägbarkeiten in Washington, Rom oder gar
Berlin droht uns allen ein „heißer Herbst“, der
das Potenzial hat, die schönen Kursgewinne
dahinschmelzen zu lassen – so zumindest die
Meinung vieler Marktbeobachter.
Übergang zur gewinngetriebenen Hausse steht bevor
Unsere Erfahrung lehrt uns jedoch zweierlei:
Erstens produziert die Früherkennung ver­
meintlicher Wendepunkte häufig Fehlermel­
dungen. Denn hätte man den Schlagzeilen der
vergangenen Monate geglaubt, so hätte man
sein Aktienmarktengagement schon viel früher
reduzieren müssen und eine fulminante Kurs­
rally verpasst. Wir investieren deshalb niemals
basierend auf Spekulationen über den Eintritt
oder das Ausbleiben von einzelnen politökono­
mischen Ereignissen. Zweitens sollte man
nicht den Fehler machen, das kleine mit dem
großen Bild zu verwechseln. Selbstverständ­
lich bestehen regional politische „Hotspots“,
die temporär zu Unruhe und wahrscheinlich
sogar zu einer Konsolidierung am Aktienmarkt
führen werden. Wichtiger ist unseres Erach­
tens, dass sich die fundamentalen Auftriebs­
kräfte der Weltwirtschaft langsam zu verschie­
ben beginnen. In den vergangenen Jahren
standen die Märkte vor allem im Bann der No­
tenbankpolitik und immer expansiverer Maß­
nahmen. Mittlerweile fasst die Wirtschaft aber
immer mehr Tritt. Von daher wird sich das In­
teresse der Marktteilnehmer langsam von den
Notenbanken in Richtung des normalen Kon­
junkturzyklus verschieben. Solche Übergangs­
phasen können holprig verlaufen, da die Märk­
te damit konfrontiert werden, dass geldpoli­
tische Stimuli nicht nur größer, sondern auch
kleiner werden können. Die Aussichten für
Konjunktur und Aktien sind aber nicht schlecht.
Denn wie im vorherigen Kapitel gezeigt, schei­
nen vor allem viele Industrie­länder vor einem
gleichzeitig sich beschleunigenden Wachstum
zu stehen. Ein solch synchroner Aufschwung
hat das Potenzial, sich selbst zu verstärken,
und kann damit globale Auswirkungen haben.
Für unsere fundamentale Aktienanalyse ist
dies ein ausschlaggebender Punkt. Denn
neben der Frage, wie Unternehmen mikro­
ökonomisch aufgestellt sind, prüfen wir auch
17
immer, in welchem Makro­umfeld sie sich
bewegen. Erst aus den Antworten auf beide
Fragen bilden wir uns (jenseits des aktuellen
Aktienkurses) eine Vorstellung vom fairen Un­
ternehmenswert – der Basis einer jeden Invest­
mententscheidung. Für uns ist dieses Vorge­
hen noch immer die geeignetste Form von
Risi­ko­management, da sie systematisch die
Allo­kation von überbewerteten Vermögens­
gegenständen zu vermeiden sucht.
Natürlich ist die Lage an den internationalen
Aktienmärkten von Region zu Region unter­
schiedlich. In Europa hat sich das Marktumfeld
deutlich verbessert. Die spezifischen Probleme
der einzelnen Volkswirtschaften sind den Inves­
toren mittlerweile wohlbekannt und haben an­
gesichts der ausgebliebenen Systemkrise ihren
Schrecken verloren. Mit fortgesetzter Konjunk­
turerholung wird das Anlegerinteresse sogar
wieder größer. Nach Angaben der European
Fund and Asset Management Association ver­
zeichneten europäische Aktienfonds im ersten
Halbjahr 2013 Nettokapitalzuflüsse von 36 Mrd.
EUR. Diese erhöhte Nachfrage nach euro­päi­
schen Dividendentiteln hat aber nicht nur zu
steigenden Kursen, sondern – angesichts stag­
nierender Unternehmensgewinne – auch zu
höheren Bewertungen geführt. Auf Basis der
von uns geschätzten Gewinne für 2013 liegt
das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des STOXX
Europe 600 mit etwas über 14 in etwa auf
dem historischen Durchschnitt. Anleger sollten
sich hiervon jedoch nicht täuschen lassen.
Denn das KGV ist optisch dadurch verzerrt,
dass die Unternehmensgewinne im laufenden
Jahr wohl kaum steigen werden. Da an den
Kapitalmärkten aber nicht die Vergangenheit,
sondern die Zukunft „bezahlt“ wird, scheint es
geboten, den Blick etwas weiter nach vorn zu
richten. Und tut man dies, so relativiert sich
der Bewertungsanstieg schon wieder. Denn
auf Basis der geschätzten Gewinne für 2014
liegt das KGV nur noch bei gut 13 und signali­
siert damit weiteren Bewertungsspielraum.
Die aktuelle Dividendenrendite der im STOXX
Europe 600 enthaltenen Unternehmen sowie
deren Kurs-Buchwert-Verhältnis bestätigen
diese Einschätzung. Mit Werten von 3,2 % und
1,7 deuten die Kennziffern – im Vergleich zu
ihren langjährigen Mittelwerten – auf weiteres
Kurs­potenzial von etwa 10 % hin.
Wir wollen hier jedoch nicht verschweigen,
dass sich europäische Aktien in den vergange­
nen Monaten ihren historischen Bewertungs­
durchschnitten angenähert haben. Die damit
einhergehende Gefahr liegt aber eher in vor­
eiligen Schlüssen als in vermeintlich teuren
Aktienkäufen. Denn die Attraktivität eines En­
gagements sollte nicht nur relativ zur Vergan­
genheit beurteilt werden, sondern vor allem
auch relativ zu anderen Anlagemöglichkeiten.
Und da Europa nicht nur weltweit die Region
mit den höchsten Dividenden ist, sondern
außerdem die Gewinnrendite (also das um­
gekehrte KGV) der hiesigen Aktien mehr als
5 %- Punkte über der Verzinsung zehnjähriger
deutscher Bundesanleihen liegt, stufen wir
euro­päische Aktien weiterhin als attraktiv ein.
Die Ergebnisse des historischen Vergleichs,
die anhaltend niedrigen Zinsen und die da­
durch fehlenden Anlagealternativen sind durch­
aus gute Argumente dafür, dass sich die Be­
wertung europäischer Aktien weiter erhöhen
kann.
18
Vor allem hinsichtlich der Gewinnbewertung
muss es aber gar nicht so weit kommen. Un­
seres Erachtens ist ein Bewertungsanstieg
noch nicht einmal das wahrscheinlichste
Szenario. Denn wie bereits erwähnt, gehen wir
davon aus, dass die europäischen Unterneh­
men ihre Nettoergebnisse bald wieder steigern
können. Wenn wir mit dieser Einschätzung
richtig liegen sollten, könnten die Aktienkurse
„mitlaufen“, ohne dass sich die Bewertung
verteuern würde. Vermutlich werden die Un­
ternehmensberichte für das dritte Quartal je­
doch noch durchwachsen ausfallen. Denn
noch hat die Konjunktur nicht richtig Fahrt auf­
genommen, und auch die Währungsabwer­
tung in den Emerging Markets könnte sich ne­
gativ auf die Ergebnisse einiger Unternehmen
ausgewirkt haben. So ist auch die Mehrzahl
der Analysten noch nicht bereit, ihre Gewinn­
schätzungen für europäische Unternehmen
nach oben zu korrigieren. Frühindikatoren deu­
ten jedoch darauf hin, dass sich dies bald än­
dern könnte (siehe Abbildung 5). Wir rechnen
daher damit, dass die Unternehmensgewinne
gegen Jahresende wieder steigen werden.
Fokus in Europa auf Aktien von deutschen und
Schweizer Unternehmen
Wenngleich sich innerhalb Europas sicher ein
Blick auf die pauschal abgestraften Unterneh­
men in Italien und Spanien lohnt, liegt unser
Anlageschwerpunkt nach wie vor in Deutsch­
land und der Schweiz. Die Unternehmen hier
profitieren von einer hohen Wettbewerbsfähig­
keit und Exportorientierung und sollten damit
die größten Nutznießer der globalen Konjunk­
turerholung sein. Außerdem ist die politische
Lage sowohl bei uns als auch bei den Eidge­
nossen außerordentlich stabil. Der Ausgang
der deutschen Bundestagswahl sollte in Anbe­
tracht der neuen Mehrheitsverhältnisse keine
größeren Auswirkungen auf die Aktienmärkte
haben. Die wahrscheinlichsten Koalitionsvari­
anten sprechen – vor allem bei den für die
Abb. 5: Mit den Geschäftserwartungen der Unternehmen sollten auch die Unternehmensgewinne bald wieder steigen
Gewinnkorrekturen der im Stoxx 600 enthaltenen Unternehmen
30
20
10
0
–10
–20
–30
–40
–50
–60
–70
115
110
105
100
95
90
85
80
Gewinnkorrekturen
(Nettoaufwärts- zu Gesamtkorrekturen in % ggü. Vm.)*
ifo-Geschäftserwartungen
(indexiert; 2005 = 100)
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
* Rollierend für das noch nicht berichtete Geschäftsjahr
Quellen: Factset, Metzler; Stand: September 2013
75
70
19
Kapitalmärkte so wichtigen europapolitischen
Fragen – für die Fortführung der bisherigen
Regierungslinie. Die stabilen Rahmenbedin­
gungen und guten Wirtschaftsaussichten
rechtfertigen unseres Erachtens die gegenüber
anderen europäischen Ländern höhere Bewer­
tung schweizerischer und deutscher Aktien.
Tatsächlich ist Letztere auch gar nicht so hoch,
wie uns der DAX-Stand glauben machen will.
Bereits in der vorigen Ausgabe unserer Invest­
ment-Strategie machten wir darauf aufmerk­
sam, dass beim DAX (im Gegensatz zu vielen
anderen Aktienindizes) die Dividendenzah­
lungen der Unternehmen in die Indexberech­
nung miteinfließen. Der DAX steigt somit
schneller als ein Index, der ausschließlich auf
der Aktienkursentwicklung beruht. Auf reiner
Kursbasis gerechnet, liegt der DAX hingegen
noch ca. 12 % unter seinem alten Höchststand
aus dem Jahr 2007 – und das bei in etwa un­
veränderten Nettoergebnissen der Unterneh­
men in diesem Jahr. Oder anders ausgedrückt:
Bei deutschen Unternehmen bekommt man
heute die Rekordgewinne aus dem Jahr 2007
für 12 % weniger Geld (siehe Abbildung 6).
US-Aktien als defensives Basisinvestment weiterhin
geeignet
In den USA stellt sich die Lage etwas anders
dar. Der S&P 500 (der wohlgemerkt ohne
Dividendenzahlungen berechnet wird) notiert
heute bereits ca. 10 % höher als im Rekordjahr
2007. Die Gewinne sind sogar noch stärker ge­
stiegen, sodass der Kursanstieg fundamental
gut unterfüttert ist. Mit einer Dividendenrendi­
te von nur 2 % und einem Kurs-Buchwert-Ver­
hältnis von ca. 2,5 sind US-Titel gegenüber
ihren europäischen Pendants jedoch ambitio­
nierter bewertet. Letztlich drückt sich hierin
auch die generelle Vorliebe vieler internationa­
ler Anleger für US-Titel und den weltweit größ­
ten Aktienmarkt aus. Aktieninvestments in den
USA tragen insofern immer zur defensiven
Qualität eines Portfolios bei. Mit einer Gewich­
Abb. 6: Deutsche Aktien haben ihren Gipfel noch nicht erreicht
DAX in Indexpunkten
10.000 Performanceindex
9.000 Kursindex
8.000
7.000
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0
1999
2001
Indexgewinne*
900
800
700
600
500
400
300
200
100
2003
2005
2007
2009
2011
2013e
0
* Die Indexgewinne ergeben sich aus den berichteten und für 2013/2014 geschätzten Gewinnen der im DAX 30
notierten Unternehmen gemäß ihrem jeweiligen Indexanteil
Quellen: Bloomberg, Institutional Brokers‘ Estimate System (IBES), Metzler; Stand: September 2013
20
tung von knapp 15 % bleiben amerikanische
Dividendenpapiere für uns daher ein Basis­
investment, an dem wir festhalten, das wir an­
gesichts des (in der Top-down-Betrachtung)
höheren Bewertungsniveaus derzeit aber nicht
wesentlich ausbauen wollen. Einzelnen Invest­
mentideen (Bottom-up-Betrachtung) steht
diese Einschätzung aber nicht im Wege.
Schwellenländertitel als gewichtiger
Portfolio­baustein
Angesichts der schwachen Aktienkurse und
der Währungsverluste in den vergangenen
Monaten erfordert es schon etwas Mut, um an
den Investments in Schwellenländeraktien
festzuhalten. Da wir aber die makroökonomi­
schen Rahmenbedingungen als relativ robust
beurteilen und von keiner größeren Krise der
Emerging Markets ausgehen, stufen wir nied­
rige Bewertungen eher als Kaufgelegenheiten
ein. Außerdem sprechen unseres Erachtens
weithin solide Staatsfinanzen, steigende Roh­
stoffpreise, ein hoher Investitionsbedarf und
die anziehende Nachfrage aus den Industrie­
ländern dagegen, unser Schwellenländerge­
wicht in den Portfolios zu reduzieren. Die auf­
strebenden Volkswirtschaften bleiben trotz der
zuletzt geringeren Wachstumsdynamik die
größten Impulsgeber für die Weltwirtschaft
und damit ein wesentlicher Portfoliobaustein.
Comeback der Value-Aktien – Fortsetzung folgt
Neben der regionalen Aufteilung stellt sich für
einen Vermögensverwalter jedoch auch die
Frage, in welchen Aktiensegmenten er die
größten Unterbewertungen diagnostiziert. Eine
Möglichkeit, Aktiensegmente zu differenzieren,
ist die Unterscheidung hinsichtlich ihres
„Growth“- oder „Value“-Charakters. Wenn­
gleich die Zuordnung zu einem der beiden
Segmente nicht immer trennscharf möglich
ist, werden mit Growth-Aktien gemeinhin Un­
ternehmen mit hohem Gewinn- und Umsatz­
wachstum bezeichnet. Der Kaufanreiz entsteht
hier also vor allem aufgrund der zukünftigen
Wachstumsdynamik und weniger aufgrund
vorhandener Vermögenswerte. In der stärksten
Ausprägung konzentriert sich der Growth-An­
lagestil auf junge Wachstumsunternehmen mit
noch recht geringen Gewinnen und folglich
einem oftmals hohen KGV. Value-Strategien
hingegen sind stärker auf langfris­tige Entwick­
lungen fokussiert, betrachten die Unterneh­
menshistorie und stellen auch auf die Sub­
stanzbewertung ab. Viele empirische Studien
zeigen, dass der Value-Ansatz dem GrowthAnsatz dauerhaft überlegen ist. Dies hat nichts
damit zu tun, dass Value-Investoren bessere
Informationen haben. Sie verarbeiten diese nur
anders. Durch den längerfristigen Ansatz und
die stärker beachtete Bilanzqualität versuchen
Value-Investoren, die mögliche Gewinnent­
wicklung nicht zu hoch zu gewichten. Denn
wird Letztere überschätzt und zu weit in die
Zukunft extrapoliert, so ergeben sich oftmals
Enttäuschungen. Natürlich sind Value-Strate­
gien den Growth-Ansätzen aber nicht immer
und in jeder Marktphase überlegen. In den
1990er-Jahren lagen beide Ansätze in etwa
gleichauf (siehe Abbildung 7 auf der rechten
Seite). Von 2000 bis 2008 erzielten dann ValueWerte einen deutlichen Performancevorsprung,
der jedoch mit Ausbruch der Finanzkrise wie­
der teilweise schmolz. Das relativ gute Ab­
schneiden der Growth-Aktien in der Finanz­
krise dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sie
21
durch den Fokus auf Wachstumsmärkte weni­
ger vom normalen Konjunkturzyklus abhängen
als andere Unternehmen.
Einstiegschancen bei zyklischen Qualitätswerten
nutzen
Mit unserem Vermögensverwaltungsansatz,
mit dem wir stark auf zyklische Qualitätswerte
setzen, hatten wir es daher in den vergange­
nen Jahren nicht immer einfach. Wir wissen
jedoch auch, dass das Anlagegeschäft oft eher
einem Marathon als einem Kurzstreckenlauf
gleicht. Nur weil jemand mal an einem vorbei­
sprintet, sollte man nicht darauf wetten, dass
er auch als Erster ins Ziel kommt. Oder, um es
mit Warren Buffetts Worten zu sagen: „Der
dümmste Grund, eine Aktie zu kaufen, ist, weil
sie steigt.“ So eröffnet der Performancevorteil
von Wachstumswerten in den vergangenen
Jahren heute gerade Einstiegschancen bei zyk­
lischen Qualitätswerten. Wir sind daher zuver­
sichtlich, dass sich unser Ansatz langfristig
auszahlen wird. Vor dem Hintergrund unseres
Wirtschaftsausblicks setzen wir heute sogar
besonders auf bilanzstarke Unternehmen, die
frühzeitig von einer Konjunkturerholung profi­
tieren. Aus Branchensicht spiegelt sich dies
wider in einer Übergewichtung von Industrie­
werten sowie von Unternehmen aus dem Che­
mie- und Bausektor. Angesichts dieser zykli­
schen Schwerpunkte sind aber auch Pharma­
aktien – quasi als defensives Korrektiv – ein
wichtiger Bestandteil unserer Portfolios. Ver­
sicherer hingegen allokieren wir vor allem auf­
grund ihrer im Branchenvergleich günstigen
Bewertungen. Da wir Konsumgüteraktien Letz­
teres nicht mehr uneingeschränkt attestieren
können, sind sie in unseren Portfolios unterge­
wichtet.
Abb. 7: Comeback der Value-Aktien in Sicht
Kumulierte Wertentwicklung des MSCI Europe Value und MSCI Europe Growth (indexiert; 1990 = 100)
800
700
Value = Growth
600
Value > Growth
Value < Growth
Value-Aktien
500
400
300
200
Growth-Aktien
100
Performancevorteil* Value-Aktien
0
–100
1990
1993
1996
1999
2002
2005
2008
* Differenz der kumulierten Wertentwicklung (MSCI Europe Value – MSCI Europe Growth)
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: September 2013
2011
22
Anleihemärkte: Bail-out ist out, Bail-in ist in
Vorerst bleibt die weltweite Liquiditätsversorgung üppig
Mit der Ankündigung einer bevorstehenden
sukzessiven Reduktion ihrer Anleihekäufe
sorgte die US-amerikanische Notenbank Fe­
deral Reserve im Mai für eine Trendumkehr an
den Anleihemärkten. Nach Jahren fallender
Zinsen trieb der als Reaktion auf den avisier­
ten Politikwechsel einsetzende Verkauf von
US-Treasuries und auch von Bundesanleihen
die Renditen zehnjähriger Papiere binnen Jah­
resfrist um 80 respektive 60 Bp in die Höhe.
Im Umkehrschluss fielen die Kurse der jewei­
ligen Staatsanleihen deutlich, was sich im
Falle der US-Treasuries jedoch zuletzt wieder
relativiert hat. Obwohl die Fed eine potenzielle
Anhebung der Leitzinsen an Bedingungen ge­
knüpft hat, die unseres Erachtens frühestens
Mitte nächsten Jahres erfüllt sein dürften
(Arbeitslosenquote < 6,5 %; antizipierte Infla­
tion > 2,5 %), schienen die Marktteilnehmer
die geplante Drosselung der Kaufvolumina mit
einer grundsätzlichen Abkehr von der expansi­
ven Geldpolitik gleichzusetzen. Strenggenom­
men geht es beim Ausstieg aus dem Quanti­
tative-Easing-Programm jedoch zunächst nur
darum, einen Stimulus zu schwächen, nicht
aber eine geldpolitische Wende einzuläuten.
Auf globaler Ebene zeichnet sich indes noch
nicht einmal tendenziell ein bevorstehender
Paradigmenwechsel ab. Sowohl die Europä­
ische Zentralbank (EZB) als auch die Bank of
England sowie die japanische Notenbank
­bekräftigen wiederkehrend, ihren expansiven
Kurs fortsetzen zu wollen. Die Liquiditätsver­
sorgung wird somit auf absehbare Zeit üppig
bleiben.
Mit der Absicht, einen durch die Fed induzier­
ten Renditeanstieg in Europa wieder abzu­
schwächen, betonten die Europäische Zentral­
bank und die Bank of England erstmals im
Rahmen einer „Forward Guidance“, die Leit­
zinsen auch zukünftig niedrig halten zu wollen.
Sogar die Zinsen weiter zu senken hat die EZB
seither nicht ausgeschlossen. Mit der verbalen
Steuerung kurzfristiger Geldmarktzinsen ver­
sucht sie, die Markterwartungen in Bezug auf
eine mögliche Normalisierung der europä­
ischen Geldpolitik abzufedern und damit die
Zinsen auf einem – angesichts des bislang
noch recht fragilen Wirtschaftsaufschwungs –
möglichst niedrigen Niveau zu verankern.
Damit erzielte die EZB zwar zunächst den ge­
wünschten Effekt auf dem Geldmarkt, jedoch
ließen zuletzt positive Konjunkturnachrichten
aus der Eurozone die Renditen am langen
Ende der Kurve wieder steigen. Angesichts
der historisch bereits relativ hohen Rendite­
differenz zwischen zehn- und zweijährigen
Bundes­anleihen, die bereits über dem Durch­
schnitt seit Gründung der Währungsunion
liegt, ist es eher unwahrscheinlich, dass die
Laufzeitenprämien sich weiter deutlich erhö­
hen werden (siehe Abbildung 8 auf der rech­
ten Seite).
Ebenso gehen wir nicht davon aus, dass sich
die gesamte Zinsstrukturkurve schnell nach
oben verschieben wird, da eine solche Ent­
wicklung einen Zinserhöhungszyklus der No­
ten­banken voraussetzen würde. Dennoch
könnten langsam steigende Inflationserwar­
tungen die Kurve schrittweise parallel verschie­
ben und somit einen moderaten Zinsanstieg
einläuten. Für eine solch gemäßigte Rendite­
23
Der Sitz der Federal Reserve in Washington, D. C. (USA)
entwicklung spricht auch das behutsame
Vorgehen der US-Notenbank. Mit der Absicht,
einem potenziellen „Rentencrash“ vorzubeu­
gen, wie er in der Folge drastisch steigender
Leitzinsen im Jahr 1994 auftrat, bereitet die
US-Notenbank die Märkte bereits durch eine
sorgfältige Kommunikationspolitik auf künftige
Kursänderungen vor. In diesem Sinne ist auch
das Hinauszögern des „Tapering“-Beginns im
September als Vorsichtsmaßnahme zu deuten
(„Tapering“ bezeichnet den Umstand, dass die
US-Notenbank früher oder später ihre milliar­
denschweren Ankäufe von Staats- und Hypo­
thekenanleihen auslaufen lassen muss). Wir
sehen daher in der schrittweisen Einleitung
der geldpolitischen Normalität einen geordne­
ten und notwendigen Übergang von der liqui­
ditätsgetriebenen Konjunkturerholung zu
einem realwirtschaftlich selbsttragenden Auf­
schwung. Denn auch wenn eine reduzierte
geldpolitische Unterstützung beizeiten zu
schmerzhaften Kurskorrekturen führen kann,
gilt es, die Gefahr von Fehlallokationen – be­
dingt durch „billiges Geld“ – zu minimieren.
Die Renditen europäischer Peripherieanleihen sind
seit Jahresmitte wieder gesunken
Obwohl sich der von US-Treasuries ausge­
hende Impuls zunächst auch in den Renditen
europäischer Peripherieanleihen widergespie­
gelte, sind die Refinanzierungskosten eben­
dieser Staaten seit Jahresmitte wieder gesun­
ken. So fielen die Renditen zehnjähriger spa­
nischer und italienischer Staatsanleihen – trotz
zwischen­­zeitlichem Anstieg in Italien aufgrund
politischer Turbulenzen – im Jahresverlauf von
5,2 % bzw. 4,4 % auf 4,3 % und 4,2 %. Dies
liegt zum einen an der immer noch wirkenden
Ankündigung des „Outright Monetary Trans­
action“-Programms (OMT), das der EZB den
unbegrenzten, aber konditionierten Kauf von
Staatsanleihen mit einer Laufzeit von bis zu
drei Jahren ermöglicht, und zum anderen an
den grundsätzlich freundlicheren Konjunktur­
Abb. 8: Die deutsche Zinsstrukturkurve ist bereits relativ steil
Renditedifferenz zwischen zehn- und zweijährigen deutschen Bundesanleihen (in %-Punkten)
2,5
2,0
1,5
Mittelwert
1,0
0,5
0,0
–0,5
1999
2001
2003
2005
Quellen: Factset, Metzler; Stand: September 2013
2007
2009
2011
2013
24
aussichten gepaart mit der verbesserten Wett­
bewerbssituation einiger Länder an der Peri­
pherie der Europäischen Währungsunion. Die
positive Renditeentwicklung sollte allerdings
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vieler­
orts weiterhin ungeklärte Fragen gibt. Hierzu
zählen unter anderem die Finanzierungslücke
in Griechenland, die Anschlussfinanzierung
des portugiesischen Kreditpakets, die Rück­
kehr Irlands an den Kapitalmarkt, die Unsi­
cherheit über die Verfassung des spanischen
Bankensektors, die Instabilität der italieni­
schen Regierungskoalition und das im Herbst
erwartete Urteil des Bundesverfassungs­
gerichts in Karlsruhe über die Zulässigkeit des
OMT-Programms.
nehmen wird, soll die EZB die Bilanzen der
größten Institute sorgfältig prüfen. Zudem
wird die bestehende Europäische Bankenauf­
sichtsbehörde (EBA) Stresstests durchführen.
Zwar könnten dadurch weitere Kapitallücken
bei den Banken aufgedeckt werden und damit
die Kreditrisikoprämien vor allem in Ländern
an der Peripherie der Währungsunion wieder
unter Druck geraten, letztlich dürfte der Ban­
kensektor jedoch gestärkt aus den aufsichts­
rechtlichen Prüfungen hervorgehen: Auf der
einen Seite wird die erhöh­te Transparenz ins­
besondere bei Instituten mit solider Eigenmit­
telausstattung dazu beitragen, das Vertrauen
der Kapitalmarktteilnehmer zurückzugewin­
nen, und auf der anderen Seite werden Ban­
ken, die den Stresstests nicht standhalten,
dazu angehalten werden, ihre Kapitalbasis zu
stärken.
Temporär könnte jede dieser Fragen für Un­
ruhe an den Märkten sorgen. Demgegenüber
stehen allerdings Fortschritte bei der instituti­
Gegenseitige Rückkopplungseffekte von Banken
onellen Weiterentwicklung der Eurozone, die
und Staaten sollen verhindert werden
die Krisen­resistenz der Staatengemeinschaft
Neben der gemeinsamen Bankenaufsicht soll
erheblich erhöht haben. Um die Stabilität in
als zweite Säule der europäischen Bankenuni­
der Eurozone weiter zu festigen, sollen in
on ein effizienter Abwicklungsmechanismus
einem nächsten Schritt nun gemeinsame, effi­
entwickelt werden. Mit dem Ziel, gegenseitige
ziente Aufsichts- und Abwicklungsmechanis­
Rückkopplungseffekte von Bankschieflagen
men im Rahmen einer europäischen Banken­
und Staatsschulden
union geschaffen
Fortschritte
bei
der
institutionellen
Weiter­
zu durchbrechen, soll
werden. Somit wird
entwicklung in der Eurozone haben die
dieser in Zukunft
der jüngste Be­
Krisenresistenz der Staatengemeinschaft
wesent­lich dazu bei­
schluss zur Einrich­
erheblich erhöht.
tragen, Domino­
tung eines gemein­
effekte zu vermeiden.
samen Aufsichtsme­
In diesem Sinne sieht die geplante Neurege­
chanismus als erste Säule der Bankenunion
lung der Haftungskaskade im Restrukturie­
voraussichtlich Antworten auf die Frage nach
rungsfall einer Bank eine stärkere Beteiligung
der tatsächlichen Verfassung europäischer
von Eigentümern und Gläubigern vor, wäh­
Finanzinstitute geben. Noch bevor die neue
rend öffentliche Gelder erst in letzter Instanz
europäische Bankenaufsicht ihre Arbeit auf­
25
herangezogen werden sollen. Konkret ergeben
wieder abgeschwächt hat, sind strukturelle
sich in Abhängigkeit von der Eigenmittelaus­
Unzulänglichkeiten einiger Schwellenländer
stattung der betroffenen Bank zwei Szenarien:
wieder stärker in den Blick der Kapitalmarkt­
Sofern eine Bank die derzeit offiziell ange­
anleger gerückt. Da deren Art und Ausmaß
dachten 8 % ihrer Verbindlichkeiten mit Eigenvon Land zu Land variieren, wird es aus Anle­
und Nachrangkapital decken kann, haftet an
gersicht immer wichtiger, beim Kauf von
nachfolgender Stelle zunächst ein neu einzu­
Schwellenländeranleihen Schuldner und Wäh­
richtender Abwicklungsfonds, der sich aus
rung gründlich zu prüfen – vor allem in Anbe­
Bankenabgaben speisen soll. Erst danach wer­
tracht der bevorstehenden Reduktion der An­
den Einlagen- und
leihekäufe in den
Beim Kauf von Schwellenländeranleihen sind USA. Bei sorgfältiger
Anleihegläubiger zur
Schuldner und Währung auf etwaige struktu­ Auswahl bieten sich
Kasse gebeten,
relle Defizite gründlich zu prüfen.
bevor dann schlus­
aufgrund der jüngsten
sendlich Steuerzah­
Kursschwäche auch
ler für Verluste einstehen müssen. Wenn hin­
attraktive Kaufgelegenheiten. Europäische Un­
gegen eine Bank nicht ausreichend mit
ternehmensanleihen haben hingegen zuletzt
Eigenmitteln ausgestattet ist, haften Gläubiger
vor dem Hintergrund der historisch niedrigen
schon vor Inanspruchnahme des Fonds.
Zinsen von der anhaltenden „Jagd nach Ren­
Für Bankhäuser ergibt sich daraus ein stär­
dite“ profitiert, sind aber gegenüber Bundes­
kerer Anreiz, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken,
anleihen noch immer attraktiv. Die sich jüngst
um langfristig eine kostengünstige Refinanzie­
einengenden Spreads zwischen sieben- bis
rung sicherzustellen, während für Käufer von
zehnjährigen Corporates mit InvestmentgradeBankanleihen vor dem Hintergrund höherer
Rating (BBB) und zehnjährigen Bundesanlei­
Haftungs­risiken als in der Vergangenheit das
hen sind auf die unterproportional steigenden
Rendite-Risiko-Verhältnis der Schuldverschrei­
Renditen der Unternehmensanleihen zurück­
bungen stärker in den Fokus rücken wird.
zuführen: Sie sind mit einem Aufschlag von le­
diglich ca. 20 Bp seit Jahresbeginn deutlich
Doch – wie eingangs erwähnt – haben derzeit
hinter dem Zinsanstieg deutscher Staatsanlei­
nicht nur die Staaten an der Peripherie der
hen von 60 Bp zurückgeblieben. Die redu­
Europäischen Währungsunion, sondern auch
zierten Risikoaufschläge lassen sich als Spie­
viele Schwellenländer mit Problemen zu
gelbild des derzeit günstigen Umfelds für eu­
kämpfen. Im Sommer kam es in einigen auf­
ropäische Unternehmen interpretieren:
strebenden Volkswirtschaften infolge steigen­
Bessere Konjunkturdaten aus der Eurozone
der US-Treasury-Renditen zu Kapitalabflüssen,
und die auf absehbare Zeit niedrigen Leit­
die neben den jeweiligen Währungen die dor­
zinsen schaffen gute Voraussetzungen für den
tigen Aktien- und Anleihemärkte in Mitleiden­
Absatz sowie günstige Finanzierungsbedin­
schaft zogen. Wenngleich sich diese Reaktion
gungen. Unternehmensanleihen bleiben daher
aufgrund des jüngsten „Tapering“-Aufschubs
ein wichtiger Bestandteil unserer Vermögens­
26
allokation. Neben solch konventionellen An­
leihen berücksichtigen wir bei der Zusammen­
stellung des Portfolios inflationsindexierte
Anleihen – nicht nur aus Gründen der Diver­
sifikation, sondern auch zur Reduktion von
In­flationsrisiken.
Im Hinblick auf das aktuelle makroökono­
mische Umfeld stehen Rentenanleger vor
einem Dilemma: Angesichts der historisch
niedrigen Zinsen ist es kaum möglich, einen
positiven Realzins zu erwirtschaften. Durch
den Kauf langlaufender Anleihen lässt sich
diesem Problem der „Realzinsfalle“ zwar mit
höheren Laufzeitenprämien und somit einer
insgesamt höheren Rendite begegnen, jedoch
sind gerade Anleihen mit langer Laufzeit im
Falle steigender Zinsen besonders von Kurs­
verlusten bedroht. Diesen Gefahren tragen wir
Rechnung, indem wir neben einer angemes­
senen Diversifikation auch die Laufzeiten­
struktur unserer Anleiheinvestments gezielt
steuern. Überdies ist es in Anbetracht der ab­
klingenden, jedoch noch immer nicht ausge­
standenen, Staatsschuldenkrise sowie der ge­
planten Neuordnung europäischer Restruktu­
rierungsverfahren bei Banken unabdingbar,
die Bonität eines jeden Schuldners genaues­
tens zu prüfen und jedes Investment sowohl
unter Risiko- als auch Renditegesichtspunkten
zu bewerten.
27
Währungen: Shut-down führte zu Show-down beim US-Dollar
US-Haushaltsstreit belastete Greenback
Auch wenn das Ärgste der europäischen
Staatsschuldenkrise in Anbetracht der sich er­
holenden Konjunktur in Europa und der dort
geschaffenen institutionellen Sicherheitsnetze
mittlerweile hinter uns liegen dürfte, hat sie
auf den internationalen Devisenmärkten ihre
Spuren hinterlassen. Einer Studie der Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich zufolge ver­
lor die europäische Gemeinschaftswährung
von April 2010 bis April 2013 ca. 6 %-Punkte
am weltweiten Devisenverkehr und war dem­
zufolge nur noch in etwa 33 % aller Transak­
tionen eingebunden. Auf der Gegenseite
baute der US-Dollar seine Vormachtstellung
um 2 %-Punkte auf 87 % aus (da in einem
Devisenhandelsgeschäft jeweils zwei Wäh­
rungen betroffen sind, ergibt die Summe aller
Währungsanteile 200 %). Die zeitliche Koinzi­
denz dieser Entwicklungen mit dem Einsetzen
der europäischen Staatsschuldenkrise deutet
darauf hin, dass die zwischenzeitlichen Un­
wägbarkeiten über den Fortbestand der Wäh­
rungsgemeinschaft auf der einen Seite zu
einer temporären Zurückhaltung der Kapital­
marktanleger gegenüber Euro-denominierten
Handelsgeschäften führten. Auf der anderen
Seite sorgte gerade diese Unsicherheit für ein
gesteigertes Interesse am US-Dollar, der als
weltweite Reservewährung nach wie vor als
sicherer Hafen in Krisenzeiten dient.
Unter Bewertungsgesichtspunkten ist aller­
dings nicht die Umschlagshäufigkeit einer
Währung, sondern das Zusammenspiel von
Angebot und Nachfrage entscheidend. So
tendierte die US-Währung – ungeachtet ihrer
Dominanz im Devisenhandel – im bisherigen
Jahresverlauf zur Schwäche. Denn obwohl
sich der US-amerikanische Konjunkturauf­
schwung bislang als durchaus robust erwie­
sen hat, haben aktuelle politökonomische
Ereignisse verhindert, dass der US-Dollar ge­
genüber der europäischen Gemeinschafts­
währung nachhaltig gestärkt wurde. Hierzu
zählte in erster Linie die anhaltende Unsicher­
heit der Finanzmarktteilnehmer über die künf­
tige Entwicklung der US-Geldpolitik. Die An­
kündigung von Notenbankchef Ben Bernanke
im Juni 2013, die Anleihekäufe der Fed mögli­
cherweise noch im laufenden Jahr zu dros­
seln, löste Spekulationen über den Zeitpunkt
des Einstiegs in den Ausstieg aus – und in Ab­
hängigkeit von der jeweiligen Erwartungshal­
tung Auf- oder Abwärtsdruck. Beispielsweise
verursachte die Enttäuschung einiger Markt­
teilnehmer über die Verschiebung des erwar­
teten Tapering-Beginns im September einen
Anstieg von 1,33 auf 1,35 EUR/USD an einem
einzigen Handelstag. Gegen Ende des zurück­
liegenden Quartals kam der aufflammende
US-Haushaltsstreit als Belastung hinzu und
ließ geldpolitische Faktoren zuletzt etwas in
den Hintergrund treten. Die lange währende
Unfähigkeit von Demokraten und Republika­
nern, sich auf einen Haushaltsplan zu einigen,
und die damit verbundene temporäre Schlie­
ßung von US-Behörden sorgten für zusätz­
lichen Abwärtsdruck. Aufgrund der mit dem
Shut-down verbundenen Verunsicherung der
Wirtschaftssubjekte ist es zunehmend un­
wahrscheinlicher geworden, dass die Noten­
bank ihre Anleihekäufe noch im laufenden
Jahr reduzieren wird. Eine Tapering-bedingte
Stärkung des US-Dollar dürfte sich folglich zu­
nächst in Grenzen halten.
28
Für den mittelfristigen Ausblick ist jedoch
das Verhältnis der Zentralbankgeldmengen zu­
nicht der genaue Zeitpunkt des Ausstiegs aus
gunsten der US-Währung verschieben wird,
der quantitativ gelockerten Geldpolitik ent­
sollten die geldpolitischen Weichen dies- und
scheidend, sondern vielmehr das grundsätz­
jenseits des Atlantiks insgesamt den US-Dollar
liche Signal der Fed, ihre Bilanz künftig weni­
gegenüber dem Euro moderat aufwerten las­
ger stark ausdehnen zu wollen. Die US-ameri­
sen. Hinzu kommt, dass auch US-Treasuries
kanische Notenbank
infolge der künftig
Geldpolitische Weichen dies- und jenseits des reduzierten Anleihe­
wird ihren eigenen
Atlantiks sprechen für eine moderate Aufwer­ käufe durch die USAnkündigungen zu­
tung des US-Dollar gegenüber dem Euro.
folge das Angebot an
Notenbank ihren
heimischer Währung
Renditevorsprung
auf mittelfristige Sicht nicht mehr so stark
gegenüber Bundesanleihen ausbauen dürften
erhöhen wie bisher und erzeugt damit Auf­
und damit zunehmend an Attraktivität für In­
wärtsdruck auf den US-Dollar. Auf der Gegen­
vestoren gewinnen. Schon jetzt lässt das Zins­
seite hat sich die Bilanz der Europäischen
gefälle zwischen zweijährigen US-amerika­
Zentralbank durch die Rückführung der zuvor
nischen und deutschen Staatsanleihen auf
begebenen Dreijahrestender zwar sukzessive
eine Unterbewertung des US-Dollar schließen
verkürzt, noch ist die Überschussliquidität im
(siehe Abbildung 9). Die voraussichtlich sich
Euroraum jedoch hoch und könnte sogar an­
ausweitende Zinsdifferenz durch steigende
gesichts der aktuellen Diskussion über den
Treasury-Renditen verspricht somit weiteres
Einsatz weiterer Instrumente zur Liquiditäts­
Aufwärtspotenzial für den Greenback. In An­
bereitstellung wieder steigen. Da sich damit
betracht der soliden Fundamentaldaten und
Abb. 9: Das Zinsgefälle zwischen den USA und Deutschland signalisiert moderaten Nachholbedarf für den US-Dollar
Zinsdifferenz zwischen zweijährigen deutschen und zweijährigen US-Staatsanleihen (in %-Punkten) und Euro-Dollar-Wechselkurs
1,40
EUR/USD
Zinsgefälle
1,38
0,10
1,36
0,00
1,34
–0,10
1,32
–0,20
1,30
–0,30
1,28
1,26
9/2012
0,20
11/2012
1/2013
Quellen: Factset, Metzler; Stand: September 2013
3/2013
5/2013
7/2013
9/2013
–0,40
29
der absehbaren geldpolitischen Kurswende in
den Vereinigten Staaten rechnen wir auf mittel­
fristige Sicht mit Niveaus um 1,30 EUR/USD.
Japanischer Yen neigt weiter zur Schwäche
Etwas anders verhalten sich die Dinge beim
Währungspaar Euro und japanischer Yen.
Trotz positiver Konjunkturdaten in Japan ist
davon auszugehen, dass die Bank of Japan
an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten wird.
Unter Umständen wird sie sogar weitere
Schritte unternehmen, um ihr Infla­tions­ziel
von 2 % zu erreichen. Die sich weiter auswei­
tende Bilanz der japanischen Zentralbank wird
somit mittelfristig weiterhin Abwärtsdruck auf
den Yen ausüben. Zudem sorgt die aufkeimen­
de Konjunkturerholung in der Eurozone dafür,
dass die japanische Währung als sicherer
Hafen für Investments weniger gefragt sein
dürfte. Obwohl die Marktteilnehmer mit einem
Abschlag des Yen gegenüber dem Euro von
ca. 15 % im bisherigen Jahresverlauf diese
Belastungen größtenteils eingepreist zu haben
scheinen, gehen wir davon aus, dass die japa­
nische Währung weiter zur Schwäche neigen
wird. Mittelfristig sollte sich der japanische Yen
in einer Bandbreite von 135 bis 140 EUR/JPY
bewegen.
Schweizer Franken: Moderate Abwertung zu erwarten
Im Vergleich zum US-Dollar und zum japa­
nischen Yen verlief die Wechselkursentwick­
lung zwischen Euro und Schweizer Franken in
ruhigen Bahnen. Wie im gesamten Jahr 2012
hat sich der Schweizer Franken im bisherigen
Jahresverlauf seitwärts bewegt – jedoch mit
einem gewissen Sicherheitsabstand zum
festgeleg­ten Mindestkurs von 1,20 EUR/CHF.
Zukünftig dürfte die nachlassende Unsicher­
heit im Euroraum aber dazu führen, dass der
Schweizer Franken analog zum japanischen
Yen weniger stark als Fluchtwährung genutzt
wird. Dementsprechend rechnen wir damit,
dass die schweizerische Valuta in den kom­
menden Monaten langsam in Richtung 1,25
bis 1,30 EUR/CHF abwerten wird.
30
Impressum
Herausgeber
B. Metzler seel. Sohn & Co.
Kommanditgesellschaft auf Aktien
Private Banking
Große Gallusstraße 18
60311 Frankfurt am Main
Redaktion
Frank Naab
Gerald Pucher
Carolin Schulze Palstring
Timo Schwietering
Gestaltung und Satz
Heike Stark
Erscheinungsort
Frankfurt am Main
Redaktionsschluss
17. Oktober 2013
Bilder
Fotolia, Panthermedia
31
Grundsätzliche Hinweise
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die wir für verlässlich halten. Wir übernehmen jedoch weder eine Garantie für die Richtigkeit dieser Informationen, noch stellt dieser Bericht eine vollständige Darstellung oder Zusammenfassung der Märkte oder Entwicklun­gen dar.
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verpflichtet, diesen Bericht abzuändern, zu ergänzen oder auf den neuesten Stand zu bringen oder die Empfänger in anderer Weise darüber zu informieren, dass sich die im Bericht wiedergegebenen Umstände, Meinungen, Vorhersagen, Schätzungen oder Prognosen verändert oder später als falsch, unvollständig oder irreführend erwiesen haben. Dieser Bericht dient ausschließlich der Information. Er ist nicht auf die speziellen Investmentziele, Finanz­
situationen oder Bedürfnisse der Empfänger ausgerichtet. Bevor ein Empfänger auf Grund­lage der in diesem Bericht enthaltenen Informationen oder
Empfehlungen handelt, sollte er abwägen, ob diese Entscheidung für seine persönlichen Umstände passend ist, und sollte folglich seine eigenständigen
Investmententscheidungen gemäß seiner spezifischen Finanz­situation und seinen Investmentzielen treffen.
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