Gynäkologie/Urologie Special Medical Tribune · 49. Jahrgang · Nr. 4 · 29. Januar 2016 17 Onkoplastische Brustchirurgie «Die moderne Brustkrebsoperation ermöglicht sehr gute ästhetische Resultate» BASEL – Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Dank multimodaler Therapie werden 80 % aller Patientinnen geheilt. Die Brustchirurgie war lange zu radikal. Heute sind neben der onkologischen Sicherheit auch Zufriedenheit und Lebensqualität von höchster Bedeutung. Aus diesem Grund wurde die onkoplastische Chirurgie entwickelt. Die onkoplastische Chirurgie kom­ biniert Techniken des Tumorchir­ urgen und plastischen Chirurgen. Sie kommt sowohl bei der Brustent­ fernung als auch bei der brusterhal­ tenden Operation zur Anwendung. Jede Patientin, jede Brust und jeder Krebs ist anders Während sich die onkoplastische Brustentfernung (Mastektomie) mit Sofortrekonstruktion weltweit durchgesetzt hat, wird die onko­ 3 4 5 Abb. 3: Patientin vor onkoplastischer Operation. Abb. 4: Die gleiche Patientin vor der Operation mit den Planungslinien für die Racquet-Mammaplastik rechts mit Tumorektomie und Grössenanpassung der Gegenseite. Abb. 5: Die gleiche Patientin sechs Monate nach der Operation. 6 1 2 Abb. 1: Patientin vor einer onkoplastischen Brustverkleinerung mit Tumorentfernung und Grössenanpassung der Gegenseite. Abb. 2: Die gleiche Patientin drei Monate nach der Operation. Die Ziele der onkoplastischen Chirurgie wurden erreicht: Der Brustkrebs wurde sicher entfernt und die Patientin ist sogar noch zufriedener mit dem Resultat als vorher. plastische brusterhaltende Chirur­ gie (Tumorektomie) nur in wenigen spezialisierten Zentren angeboten. Ein Hauptgrund hierfür ist der gros­ se organisatorische Aufwand. Während die onkoplastische Brust­entfernung mit Rekonstrukti­ on weitgehend standardisiert ist und einen Einsatz beider Disziplinen nacheinander ermöglicht, erfordert die onkoplastische Tumorektomie eine enorme Flexibilität und Zusam­ menarbeit. Jede Patientin, jede Brust und jeder Brustkrebs ist anders. Die Indikation wird im interdisziplinären Tumorboard gestellt, wo entspre­ chend alle Disziplinen anwesend sein müssen. Wird dort eine Operation als erster Schritt entschieden, sollte die Patientin ambulant noch vor Spital­ eintritt von dem Tumorchirurgen und dem plastischen Chirurgen zu­ sammen beurteilt werden. Je nach Wunsch der Patientin, nach Form und Grösse der Brust und schliesslich nach Ausmass und Loka­ lisation des Tumors wird die indivi­ duell beste Operation festgelegt. Am Tag des Spitaleintritts wird die Ope­ rationsplanung an der sitzenden oder stehenden Patientin angezeichnet. Der Tumorchirurg und der plastische Chirurg führen den Eingriff zusam­ men durch und sind von Beginn des Hautschnitts bis zur Hautnaht anwe­ send. Es gibt eine klare Rollenvertei­ lung, wobei die onkologisch sichere Entfernung des Tumors die oberste Priorität hat. Beide Disziplinen füh­ ren die Nachkontrollen bis zur gesi­ cherten Wundheilung durch. Seit Dezember 2014 übernehmen die Krankenkassen beidseitige Ope­ rationen, also auch die Grössenan­ passung der gesunden Gegenseite. Das unterstreicht die Entwicklung in Richtung Ästhetik, Patientinnen­ zufriedenheit und Lebensqualität als wichtige Aspekte einer erfolgreichen Brustkrebsbehandlung. Verschiedene Techniken stehen zur Verfügung Es gibt einige Prinzipien und Stan­ dardtechniken, die den aktuellen Wünschen und Verhältnissen ange­ passt werden. Wenn eine Patientin grosse und hängende Brüste hat, ist sie nach der Operation häufig zu­ friedener mit dem Aussehen ihrer Brüste als vorher. Die Technik der Wahl entspricht einer modifizierten Brustverkleinerung. Die Abbildung 1 zeigt eine Patientin vor einer solchen Operation mit den Planungslinien für die beidseitige Brustverkleine­ rung, wobei in der linken Brust der Krebs entfernt und gleichzeitig die rechte Brust für die optimale Sym­ metrie angepasst wurde. Die Abbil­ dung 2 zeigt die gleiche Patientin drei Monate nach der Operation. Häufig ist es nötig, eine Haut­ spindel mit dem Tumor zu entfer­ nen. Eine mögliche Technik ist die Racquet-Mammaplastik, wobei die Tumorektomie mit einer Bruststraf­ fung kombiniert und häufig eben­ falls die Gegenseite angepasst wird. Die Abbildung 3 zeigt eine Patien­ tin vor einer solchen Operation, die Abbildung 4 mit den Planungslinien und die Abbildung 5 sechs Monate nach der Operation. Wenn die Brüste klein sind oder man nur einseitig operiert, hat die onkoplastische Chirurgie zum Ziel, die Asymmetrie und die Deformität zu verhindern, welche durch die Tu­ morentfernung entstehen können. Eine sehr gute Technik ist die RoundBlock-Mammaplastik. Dabei wird der Zugang durch eine Inzision um den Warzenhof erstellt, der Tumor entfernt und die Brustform wieder­ hergestellt und gestrafft. Abbildung 6 zeigt den Zugang mit zwei oberfläch­ lichen Inzisionen um den Warzenhof, Abbildung 7 den Zustand nach Ent­ fernung des Tumors und Abbildung 8 die Patientin nach einem Jahr. Vor- und Nachteile der onkoplastischen Chirurgie Mit der onkoplastischen Chirurgie lassen sich bessere ästhetische Re­ sultate erreichen. Daraus resultiert eine verbesserte Zufriedenheit der Patientinnen mit gesteigerter Lebens­ qualität. Der Nachteil ist der grosse logistische Aufwand für die komple­ xen Abläufe. Im Tumorzentrum des Universitätsspitals Basel wurden diese standardisiert. Die Operationsdauer ist im Vergleich zur konventionel­ len Brustchirurgie etwas länger. Die onkologische Sicherheit ist jedoch belegt durch konsistente Evidenz aus immer mehr Patientenserien, die kei­ ne Verzögerung der nachfolgenden 7 8 Abb. 6: Zugang für onkoplastische RoundBlock-Mammaplastik mit zwei Kreisen um den Warzenhof. Abb. 7: Die gleiche Patientin nach Entfernung eines relativ grossen Tumors aus der kleinen Brust. Abb. 8: Die gleiche Patientin ein Jahr nach der Operation. Dank der onkoplastischen Technik sieht man kaum, dass die Patientin überhaupt operiert wurde. Es gibt keine sichtbare Narbe, keine Asymmetrie, keine Deformität und keine Abweichung der Brustwarze. Behandlung und keine Erhöhung der Rückfallraten zeigen. Wir bieten unseren Patientinnen sowohl die on­ koplastische als auch die konventio­ nelle Brustchirurgie an. Die guten Re­ sultate und die steigende Nachfrage motivieren uns jedoch, das Angebot der onkoplastischen Chirurgie stetig zu verfeinern und auszubauen. Prof. Dr. Walter P. Weber, PD Dr. Martin D. Haug Prof. Dr. Walter P. Weber PD Dr. Martin D. Haug Chefarzt Brustchirurgie Breast Surgeon SSO Klinik für Allgemeinchirurgie Universitätsspital Basel Stv. Chefarzt Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie Universitätsspital Basel Foto: zVg Foto: zVg Cave Mammografie: «Verdächtige» Areale geben Hinweise auf langfristig erhöhtes Krebsrisiko Falsch positive Befunde als Risikoprädiktor für zukünftige Mammakarzinome chapel hill – Entpuppt sich ein Mammografiebefund als falsch positiv, heisst es für die Patientin und ihren Arzt erst einmal aufatmen. Doch Vorsicht: Noch zehn Jahre später besteht für die betroffenen Frauen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko. MTCH_2016_04_S17.indd 17 Frühere Studien ergaben, dass etwa 16 % einer ersten und 10 % einer zweiten Mammografie falsch posi­ tive Ergebnisse liefern. US-ameri­ kanische Kollegen werteten nun die Daten von 2,2 Millionen ScreeningUntersuchungen an 1,3 Millionen Frauen aus. In rund 12 Millionen Personenjahren Nachbeobachtung erkrankten knapp 49 000 Frauen an einem Brustkrebs. Risiko nach falsch positiven Befunden 39 % höher Dabei lag die Gefahr nach initial falsch positiven Befunden, für die eine weitere Bildgebung angeraten wurde, um 39 % höher als bei nega­ tiven. Bei falsch positiven Verände­ rungen, die eine Biopsieempfehlung nach sich zogen, stieg das Risiko um 76 %. Diese erhöhten Raten blieben über zehn Jahre lang nach der ersten fehlerhaften Beurteilung bestehen. Die Autoren vermuten, dass die verdächtig erscheinenden Bezir­ ke vielleicht einen Marker für das künftige Karzinom darstellen. Diese Befunde könnten vielleicht als Risi­ koprädiktor dienen. abr Henderson LM et al. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2015; 24: 1–8. 20.01.2016 11:02:54