Leibniz-Laudationes 2016 Frank Bradke Neuroregeneration Meine Damen und Herren: Vor genau zehn Jahren, im Jahr 2006, wurde hier in Berlin im Deutschen Historischen Museum eine große Ausstellung mit dem Titel „100 Köpfe von Morgen“ eröffnet: Vorgestellt wurden 100 junge Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft, von denen man damals erwartete, dass sie mit ihren Ideen die Zukunft unseres Landes prägen würden. Frank Bradke war eine dieser Persönlichkeiten. In der Ausstellung wurde er damals vorgestellt als der – Zitat – „Wissenschaftler, der an die Nerven geht“. Heute, zehn Jahre später – da war die Prognose der Ausstellung richtig – hat sich Frank Bradke in der Tat zu einem der wichtigsten Neurobiologen unserer Zeit entwickelt, der durch grundlegende und teilweise spektakuläre Beiträge wesentliche Mechanismen des axonalen Wachstums von Nervenzellen hat aufklären können. In seinen Arbeiten – das haben Sie eben schon gesehen und gehört – interessiert er sich dabei vor allem für die Frage, wie sich das Wachstum von Nervenzellen auch dann wieder stimulieren lässt, wenn sie durch eine Rückenmarksverletzung durchtrennt sind – eine Frage, die über die Jahre hinweg immer weiter ins Zentrum seiner Forschungen gerückt ist. Grundlegende Einsichten dazu konnte er dabei schon in seiner bei Carlos Dotti entstandenen Doktorarbeit über die Initiationsmechanismen des axonalen Zellwachstums gewinnen: Der Auftakt zu einer ganzen Reihe von ebenso überraschenden wie unvorhergesehenen Entdeckungen, mit denen Herr Bradke sich an die Spitze seines Forschungsfeldes setzte. So konnte er in wichtigen, jeweils erstklassig publizierten Arbeiten nachweisen, dass die Mikrotubuli im Axon nicht nur deutlich stabiler als in anderen neuronalen Zellfortsätzen sind, sondern sich durch eine pharmakologische Stabilisierung der Mikrotubuli auch Neuronen mit mehreren Axonen erzeugen lassen, wodurch sich auch die Regeneration von Axonen fördern lässt. DFG Seite 2 von 2 Weitere Studien zeigten dann, dass die pharmakologisch induzierte Stabilisierung der Mikrotubuli auch die Narbenbildung im Rückenmark vermindert, wobei Herr Bradke in einer 2015 in Science publizierten Studie diesen Effekt dann wiederum auf das Protein Tau zurückführen konnte. Frank Bradkes Arbeiten gelten heute weltweit als Meilensteine auf dem Gebiet der regenerativen Neurobiologie, auch weil die Anwendungspotenziale seiner Erkenntnisse immens sind. Seine akademische Heimat hat der gebürtige Berliner dabei seit 2011 an der Universität Bonn und am Bonner Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen gefunden, und zwar nach einer frühen Karriere, die in vielerlei Hinsicht idealtypisch verlaufen ist: Auf ein internationales Studium und die Dissertation an der Universität Heidelberg und am Heidelberger European Molecular Biology Laboratory (EMBL) folgte ein Aufenthalt als Postdoktorand in Stanford und an der University of California in San Francisco – und 2003 dann der Wechsel an das Max Planck Institut für Neurobiologie in Martinsried, an dem er als Gruppenleiter bis zu seinem Wechsel nach Bonn dann auch blieb. Der Leibniz-Preis markiert nun einen neuen Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere, und wie sehr er sich darüber freut, das brachte Herr Bradke nach Bekanntgabe der Preise gegenüber dem WDR selber am besten auf den Punkt, Zitat: „Mir geht’s so richtig gut!“ Ein Zustand, in den wir Sie, lieber Herr Bradke, jetzt auch versetzen möchten, denn nun erhalten Sie in Anerkennung Ihrer Leistungen auch tatsächlich den Gottfried Wilhelm LeibnizPreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Herzlichen Glückwunsch! DFG