Norddeutscher Verbund für Hoch­ und Höchstleistungsrechnen Projekte am HLRN Materie unter extremen Bedingungen – Modellierung großer Planeten André Kietzmann, Martin French, Bastian Holst, Winfried Lorenzen, Nadine Nettelmann und Ronald Redmer Universität Rostock, Institut für Physik Kaum jemand kann sich der Faszination des Sternhimmels in einer klaren Nacht entziehen. Die wichtigsten Sternbilder und die hellsten Sterne sind vielen geläufig. Neben der Auffindung und Klassifikation der verschiedensten Objekte im Universum sind Fragen nach dem Ursprung und der Entwicklung des Universums zentrale Probleme der Physik und untrennbar verbunden mit den Vorstellungen über Raum und Zeit. Erst die moderne Physik mit ihren hochpräzisen Messinstrumenten auf der Erde und im All und ihren weit reichenden theoretischen Konzepten hat die Vorstellungen über den inneren Aufbau und die Evolution der Objekte selbst, etwa der Sterne und Planeten, revolutioniert. In den letzten Jahren sind große Planeten wie Jupiter, Saturn und Neptun in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, siehe Abbildung 1. Ursache dafür ist die Entdeckung einer großen Zahl von Jupiterähnlichen Planeten bei Nachbarsternen. Seit 1995 wurden bisher über 200 so genannte Exoplaneten entdeckt. Abbildung 1: Neptun im Dreischalenmodell (schematisch) [1]. Zur superionischen Phase von H2O siehe [2]. Im Inneren dieser Jupiterähnlicher Planeten herrschen extreme Bedingungen von Druck und Temperatur. Im Zentrum kann der Druck einige Zehn-Millionen Atmosphären und die Temperatur einige Tausend Kelvin betragen. Diese Bedingungen werden auch warme dichte Materie genannt. Um verlässliche Modelle für den Aufbau und die Evolution solcher Planeten zu entwickeln, benötigt man zum Beispiel präzise Zustandsgleichungsdaten für die häufigsten planetaren Materialien wie Wasserstoff, Helium und Wasser unter diesen Bedingungen. Diese Aufgabe wird in der AG Statistische Physik an der Universität Rostock mit Quanten-Molekulardynamik-Simulationen am HLRN im Rahmen des Projekts mvp00006 bearbeitet. Dabei werden die Elektronen quantenmechanisch und die Ionen klassisch im Rahmen einer Born-Oppenheimer Näherung behandelt. Die Lösung der quantenmechanischen Schrödingergleichung erfolgt mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie. Zur Durchführung der Simulationen benutzen wir den gut getesteten und weit verbreiteten Code VASP (Vienna Ab initio Simulation Package) [4]. Auf Grund der Komplexität des quantenmechanischen Vielteilchenproblems in hochdichter Materie sind diese Rechnungen extrem rechenaufwendig, so dass der Einsatz massiv paralleler Computersysteme, wie am HLRN, notwendig ist. Abbildung 2: Hugoniot-Kurve für Wasserstoff [3]. Abbildung 3: Leitfähigkeit von He unter extremen Bedingungen im Vergleich mit experimentellen Daten [6]. Die so genannte Hugoniot-Kurve stellt einen hochpräzisen Test für die Qualität einer Zustandsgleichung dar. In Abbildung 2 werden Hugoniot-Kurven für H aus QMD-Simulationen mit experimentellen Punkten verglichen. Es ist zu erkennen, dass die auf dem HLRN ermittelte Zustandsgleichung die Experimente sehr gut reproduziert und an den korrekten Hochtemperaturlimes der Path Integral Monte Carlo (PIMC) Simulationen anschließt. Abbildung 3 zeigt die statische Leitfähigkeit von He in Abhängigkeit von der Dichte bei verschiedenen Temperaturen [5]. Insbesondere für hohe Dichten ist eine sehr gute Übereinstimmung zwischen QMD-Resultaten und experimentellen Daten zu erkennen. Der so ermittelte Nichtmetall-zu-Metall Übergang dient als Indikator für die Lokalisierung der Schichtengrenzen zwischen äußerer und innerer fluider Schale in den Plantenmodellen, siehe Abbildung 2. Diese Rechnungen zeigen im Vergleich zu den Experimenten, dass zur Erforschung der warmen dichten Materie QMDSimulationen von hoher Präzision notwendig sind. Die genaue Abhängigkeit verschiedener physikalischer Größen wie z.B. Druck, innere Energie und Leitfähigkeit von Dichte und Temperatur sind von essentieller Bedeutung zur Bestimmung des Phasendiagramms und von Phasenübergängen. Sie bilden weiterhin die wesentlichen Eingangsdaten für eine realistischere Modellierung großer Planeten wie Jupiter oder der Exoplaneten. Literatur: [1] N. Nettelmann et al., in Vorbereitung. [2] T.R. Mattsson and M.P. Desjarlais, Phys. Rev. Lett. 97, 017801 (2006). [3] B. Holst et al., in Vorbereitung. [4] G. Kresse and J. Hafner, Phys. Rev. B 47, 558 (1993); 49, 14251 (1994); G. Kresse and J. Furthmüller, Phys. Rev. B 54, 11169 (1996). [5] A. Kietzmann, B. Holst, R.Redmer, T.R. Mattsson and M.P. Desjarlais, Phys. Rev. Lett. 98, 090602 (2007). [6] V.Ya. Ternovoi et al., JETP Letters 79, (2004). Quelle: HLRN Informationen Nr. 3, Juni 2007 Die HLRN Informationen erscheinen zweimal jährlich, näheres unter http://www.hlrn.de/home/view/NewsCenter/NewsLetter © 2008 ZIB und RRZN