V+105

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1
Versuch 105
Durchbiegung von Stäben
1. Aufgaben
1.1
Messen Sie die Durchbiegung verschiedener Stäbe in Abhängigkeit von der Belastung und
stellen Sie den Zusammenhang grafisch dar! Kontrollieren Sie dabei, ob die Verformung
reversibel ist.
1.2
Bestimmen Sie den Elastizitätsmodul E mit Hilfe des Anstiegs aus der grafischen Darstellung!
1.3
Führen Sie eine Größtfehlerabschätzung für E durch, und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit
Tabellenwerten!
2. Grundlagen
Stichworte:
Dehnung, Durchbiegung, elastische und unelastische Verformung, neutrale Faser, Hookesches
Gesetz, Elastizitätsmodul, Flächenträgheitsmoment.
2.1
Elastizitätsmodul und Hookesches Gesetz
Ein fester Körper wird durch die Einwirkung einer Kraft verformt. Hört die Wirkung der
deformierenden Kraft auf, so kann der Körper entweder seine ursprüngliche Gestalt wieder
vollständig einnehmen (elastischer Körper), oder er kann die veränderte Gestalt beibehalten
(unelastischer Körper). Die Formänderung hängt dabei in komplizierter Weise von der
äußeren Spannung ab. Man kann sich diesen Sachverhalt anhand der Dehnung eines
Stahldrahtes gut veranschaulichen (Bild 1):
Bild 1: Spannungs-Dehnungs-Diagramm (schematisch)
2
Hängt man den Draht an einem Punkt fest auf und belastet ihn am unteren Ende, so ist bei
kleiner Belastung die Verlängerung Δl/l des Drahtes proportional zur Zugspannung σ (σ =
F/A; F...Kraft, A...Drahtquerschnitt). Das geht so bis zum Punkt A, der
Proportionalitätsgrenze. Vom Punkt A an nimmt die Dehnung schneller zu, bis bei B die
Elastizitätsgrenze erreicht ist. Bis hierher kann die Dehnung elastisch rückgängig gemacht
werden. Bei einer weiteren Belastung kommt man in C zur Fließgrenze; der Stab verlängert
sich dann bis D ohne Vergrößerung der Spannung. Von diesem Punkt an nimmt die
Spannung wieder bis zu E (Zerreißfestigkeit σE), wo es dann beim Punkt F zum Reißen des
Drahtes kommt. Die Erfahrung zeigt, dass bei kleinen Spannungen die relative
Δl
Längenänderung
(= ε) proportional der Belastungskraft F und umgekehrt proportional
l
zum Querschnitt A des Drahtes ist (Hookesches Gesetz), d. h.:
Δl
F
= α ⋅
l
A
(1)
Der Proportionalitätsfaktor α heißt Elastizitätskoeffizient. Meistens rechnet man allerdings
mit seinem reziproken Wert, dem Elastizitätsmodul E = 1/α.
F
Δl
= E ⋅
l
A
σ = E ⋅ε
bzw.
(2)
Die Maßeinheit des E-Moduls ist Newton/Meter2 oder Pascal:
1 Pa = 1 Nm-2 = 1 m-1 kg s-2
Der E-Modul ist im allgemeinen eine Stoffkonstante, er hängt allerdings von der Vorbehandlung und der Reinheit des Materials ab.
E-Modul einiger ausgewählter Stoffe:
Stahl
Kupfer
Aluminium
Knochen (entlang der Achse bei Zug)
Menschenhaar
Silikonkautschuk
21 ⋅ 1010 Nm-2
12 ⋅ 1010 Nm-2
7 ⋅ 1010 Nm-2
1,6 ⋅ 1010 Nm-2
0,4 ⋅ 1010 Nm-2
0,01⋅ 1010 Nm-2
Der Elastizitätsmodul eines Stoffes ist umso größer, je weniger dieser den formverändernden
Kräften nachgibt.
2.2
Biegung
Die Bestimmung des Elastizitätsmoduls erfolgt üblicherweise aus dem SpannungsDehnungs-Diagramm, das mit Hilfe eines Zugversuchs in einer speziellen Zerreißmaschine
aufgenommen wird. Bei Proben mit größerem Querschnitt läßt sich der Elastizitätsmodul
auch über einen Biegeversuch bestimmen. Diesem Sachverhalt liegen folgende
Überlegungen zugrunde:
3
Ein Stab mit bekanntem Querschnitt liegt auf zwei Schneiden mit dem Abstand L. In der
Mitte zwischen den Schneiden greift außer dem Eigengewicht eine zusätzliche Kraft F an,
die zu einer Durchbiegung des Stabes führt (Bild 2).
L
s
F = m·g
Bild 2: Prinzipielle Anordnung zur Untersuchung der Biegung (strichpunktiert: neutrale
Faser des gebogenen Stabs)
Die angreifende Kraft bewirkt, daß die oberen Schichten des Stabes zusammengedrückt, die
unteren gedehnt werden. Dazwischen liegt eine Schicht, deren Länge sich nicht ändert, die
also nur gebogen wird, die sogenannte neutrale Faser. Infolge ihrer elastischen Spannung
haben die unteren Schichten das Bestreben, sich wieder zusammenzuziehen, die oberen, sich
wieder auszudehnen. Die Auslenkung der neutralen Faser in der Mitte und senkrecht zum
ungebogenen Balken wird als Biegepfeil s bezeichnet.
Der Biegepfeil s ist umso größer, je größer die Belastung ist. Im Gültigkeitsbereich des
Hookeschen Gesetzes (kleines s) ist die Durchbiegung proportional zur angreifenden
Biegekraft.
Wir betrachten jetzt einen Stab mit rechteckförmigen Querschnitt (Höhe h und Breite b). Für
kleine Durchbiegung ( s L ) ist s proportional zur durchbiegenden Kraft (vgl. /7/):
1
s =
4
3
F
⎛ L ⎞
⋅⎜
⎟
⎝ h ⎠ b ⋅E
(4)
Bei gegebenem Querschnitt b·h ist ein Profil umso stabiler, je größer h, d.h. je weiter entfernt
von der neutralen Faser die Masse angeordnet ist (diese Eigenschaft wird ganz allgemein durch das
2
Flächenträgheitsmoment I A = ∫ y dA beschrieben, siehe Versuchsanleitung zu V 104. A ist der Querschnitt, y
A
ist dabei der Abstand von der neutralen Faser).
Um mit einer bestimmten Materialmenge eine maximale Biegefestigkeit zu erreichen, wird
man dem Querschnitt eine besondere Form geben. Beispiele sind die lange Röhrenknochen
bei Menschen und Tieren, der röhrenförmige Querschnitt von Getreidehalmen oder auch die
T-Träger an Gebäuden.
Gl. (4) kann nach dem Elastizitätsmodul E umgestellt werden:
3
1 ⎛ L ⎞ 1 F
E = ⋅⎜
⎟ ⋅ ⋅
4 ⎝ h ⎠ b s
(5)
4
Misst man die Abhängigkeit des Biegepfeils s von der angehängten Masse m, so kann man
Δm
wegen F = m·g das E-Modul aus dem Anstieg
der Kurve bestimmen:
Δs
E =
2.3
1
4
3
⎛ L ⎞ g Δm
⋅⎜
⎟ ⋅ ⋅
⎝ h ⎠ b Δs
(6)
Meßmethode
Der zu vermessende Stab St liegt auf zwei Schneiden mit dem Abstand L (Bild 3). In der
Mitte befindet sich ein Aufnahmebügel zum Anhängen von Gewichtsstücken. Die
Durchbiegung wird in der Stabmitte durch Aufsetzen einer Feinmessuhr (M) bestimmt. Ohne
Zusatzgewicht wird der Wert so gemessen. Bei Belastung vergrößert sich die Durchbiegung
auf s'. Die Differenz s'- so ist der Biegepfeil s .
L
M
St
m
Bild 3: Messanordnung zur Bestimmung der Durchbiegung
2.4
Arbeiten mit der Feinmessuhr
Eine Messuhr ist ein mechanisches Messgerät zum Messen von Längen. Sie wird zum
Beispiel für Vergleichs-, Ebenheits- oder Rundlaufmessungen eingesetzt.
5
Bei Messuhren mit Rundskala und digitaler Anzeige wird die Längsbewegung des
Messtasters mittels Zahnstange und Zahnrad auf den Zeiger übertragen. Dadurch kann sich
der Zeiger der Messuhr mehrmals im Kreis drehen. Die Anzahl der Umdrehungen wird mit
einem
weiteren
Zeiger
angezeigt,
so
wie
der
Stundenzeiger einer Uhr die
Anzahl der Umdrehungen des
Minutenzeigers anzeigt. Die
Zahnstangenübersetzung hat
den Vorteil, dass die Messuhr
einen großen Messbereich hat.
Messuhren erreichen eine
Genauigkeit von ca. 1/100 mm
bei einem typischen Messbereich von 5 bis 60 mm.
Bild 4: Arbeiten mit der Feinmessuhr
Beim Messen mit der Feinmessuhr ist immer ein gewisser Reibungswiderstand des
Messwerks zu überwinden. Die auftretende Reibungskraft, die den Zeigerausschlag
verfälscht, ist der Bewegungsrichtung des Messtasters entgegen gerichtet. Da nach Gl. (6)
nur die Änderung des Ausschlags Δs in die Messung eingeht, ist es erforderlich, immer in der
„gleichen Richtung“ zu messen. Deshalb ist bei jeder Messung durch Anhaben des
Entlastungszapfens die Messuhr in die Nullstellung zu bringen, um anschließend den
Taststift vorsichtig auf die Messposition abzusenken. Damit kompensieren sich die
Reibungseinflüsse bei der Differenzbildung Δs zweier Messwerte.
3.
Versuchsdurchführung
3.1
Bauen Sie die Messanordnung gemäß Bild 3 auf. Achten Sie darauf, dass alle Kreuzklemmen
fest angezogen sind und sich die beiden Auflageschneiden in etwa gleicher Höhe befinden.
Die Feinmessuhr muss so befestigt werden, dass der Taststift sowohl in Längs- als auch in
Querrichtung mittig auf den Messstab aufgesetzt werden kann. Der jeweilige Stab wird auf
die Schneiden gelegt. Dann wird die Aufnahme der Gewichtsstücke in die Mitte zwischen
den Schneiden an den Stab gehängt und mit etwa 100g belastet. Es wird die Feinmessuhr
unter vorsichtigem Druck so aufgesetzt, dass eine Anzeige von etwa 5 mm erscheint.
Durch Zulegen weiterer Massestücke (bei langen Stäben etwa jeweils 20g, bei kurzen Stäben
jeweils 50g) wird eine Entlastung der Messuhr und damit eine Verkleinerung des
Δm
berechnet werden.
Zeigerausschlags s erreicht. Aus s ( m ) kann der (inverse!) Anstieg
Δs
3.2
Wählen Sie einen Biegestab (Stahl, lang) aus und vermessen Sie dessen Querschnitt mit dem
Messschieber. Bestimmen Sie den Abstand der Auflageschneiden. Stellen Sie den
Zusammenhang zwischen aufgelegter Masse m und Durchbiegung s für jeden Stab grafisch
6
dar. Legen Sie jeweils eine Ausgleichsgerade durch die Messpunkte und bestimmen Sie deren
Anstieg Δ m . Berechnen Sie das E-Modul nach Gl. (6).
Δs
3.3
Wiederholen Sie Aufgabe 3.2 mit anderen Stäben und Längen, um die Gültigkeit folgender
Abhängigkeiten in Gl.(4) nachzuweisen:
- Die Durchbiegung hängt vom Abstand der Auflagen gemäß L3 ab.
- Die Durchbiegung hängt von der Stabdicke h gemäß 1/h3 ab.
Berechnen Sie E für alle Stäbe nach Gl.6!
3.4
Eine Abschätzung der Messgenauigkeit für E kann aus Gl.6 durch Addition der relativen
Fehler aller in die Berechnung eingehenden Größen erfolgen (δL, δh, δb, der Anstiegsfehler
ist grafisch abschätzen!).
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