Hirnerkrankungen: Computermodell von Nervenzellen gibt Einblicke

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Psychologie aktuell: Hirnerkrankungen: Computermodell von Nervenzellen gibt Einblicke in Verbindungsprobleme
17-11-14
Hirnerkrankungen: Computermodell von Nervenzellen gibt Einblicke in Verbindungsprobleme
Bei Hirnerkrankungen wie Alzheimer und Parkinson ist die Kommunikation zwischen
Nervenzellen gestört. Wie Bonner Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative
Erkrankung (DZNE) jetzt im Fachjournal Neuron berichten, lassen sich diese
Verbindungsprobleme auf Veränderungen in der Gestalt der Nervenzellen zurückführen. Die
Wissenschaftler vermaßen kranke Nervenzellen mit großer Präzision und simulierten daraufhin
ihre elektrischen Eigenschaften am Computer. Nach ihrer Einschätzung könnten medizinische
Maßnahmen, die die Struktur der Nervenzellen schützen, eine neuartige Strategie zur
Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen darstellen.
Im Gehirn sind die Nervenzellen auch Neurone genannt, zu einem Geflecht verwoben, über das
sie Signale miteinander austauschen. Deshalb bilden die Neurone filigrane Verästelungen aus, die es
ihnen ermöglichen, elektrische Reize weiterzuleiten und ihre Aktivität aufeinander abzustimmen. Bei
Alzheimer, Parkinson und einer ganzen Reihe anderer Hirnerkrankungen verkümmern die
Nervenzellen allerdings. Das ist typisch für neurodegenerative Prozesse , erläutert Professor Stefan
Remy, der am Bonner Standort des DZNE eine Arbeitsgruppe leitet und auch für die Klinik für
Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn forscht. Bei kranken Zellen sind die Fortsätze im
Allgemeinen kleiner und weniger zahlreich als bei gesunden Zellen.
Leitungsstörungen
Bekannt ist zudem, dass die Signalübertragung zwischen den Neuronen gestört ist. Die Nervenzellen
sind übererregbar und verbreiten elektrische Impulse in geradezu hektischer Abfolge. Diese Aktivität
hat gewisse Ähnlichkeiten mit einem epileptischen Anfall. Bislang war allerdings unklar, wie
Änderungen der Zellmorphologie und abnorme Funktion zusammenhängen , sagt Remy. Wir haben
jetzt festgestellt, dass sich mit der Form auch die elektrischen Eigenschaften der Zelle unmittelbar
verändern. Das ist wie bei einem Stromkabel. Ein dünnes und kurzes Kabel hat andere elektrischen
Eigenschaften als ein Kabel, das dicker und länger ist. Wir konnten zeigen, dass sich die
Übererregbarkeit durch die Formveränderung der Nervenzellen erklären lässt.
Dieser Befund schließe andere Einflüsse, etwa Veränderungen im Stoffwechsel der Zellen nicht aus,
betont der Neurowissenschaftler. Unsere Ergebnisse belegen aber, dass Funktionsstörungen und
Form der Neuronen eng miteinander verknüpft sind. Dieser Zusammenhang war bisher nicht
bekannt.
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Präzisionsmessungen und Computersimulationen
Die Forscher kombinierten für ihre Studie experimentelle Untersuchungen mit Computersimulationen.
Zunächst nahmen sie die elektrische Aktivität einzelner Neuronen und auch größerer Zellverbände
unter die Lupe. Dazu untersuchten sie Mäuse, die in ihren Gehirnen für Alzheimer typische Merkmale
aufwiesen. Des Weiteren bestimmten die Wissenschaftler per Präzisionsmikroskopie die
Abmessungen gesunder und kranker Nervenzellen. Anhand dieser Strukturdaten konnte Remys
Team ein einzelnes Neuron am Computer dreidimensional nachbilden und dessen elektrische
Eigenschaften berechnen. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern, die Funktionsstörungen
einer kranken Zelle auf Formveränderungen zurückführen.
Ein genereller Effekt
Diese Untersuchungen waren speziell auf Alzheimer ausgerichtet. Änderungen der Zellmorphologie
sind jedoch typisch für alle neurodegenerative Erkrankungen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die
Störungen in der zellulären Kommunikation auch bei anderen Hirnerkrankungen auf
Strukturveränderungen beruhen. Wir sehen hier einen generellen Effekt, der verschiedene
Krankheiten miteinander verbindet.
Nach Ansicht des Bonner Forschers werfen diese Befunde einerseits neues Licht auf
Krankheitserscheinungen. Anderseits könnten sie möglicherweise auch zur Behandlung beitragen.
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass man mit der Struktur auch die Funktion der Nervenzellen
schützt. Pharmaka, die speziell darauf ausgerichtet sind, die Gestalt der Neuronen zu erhalten,
könnten den Krankheitsverlauf eventuell günstig beeinflussen. Für die Therapie wäre die
Zellmorphologie ein neuer Ansatzpunkt , sagt Remy. Überdies könnte unser Computermodell
vielleicht dabei helfen, die Auswirkungen solcher Therapieoptionen zu prüfen und vorherzusagen.
Originalveröffentlichung
Dendritic Structural Degeneration is Functionally Linked to Cellular Hyperexcitability in a Mouse Model of Alzheimer s Disease , Zuzana
i ková, Daniel Justus, Hiroshi Kaneko, Detlef Friedrichs, Niklas Henneberg, Tatjana Beutel, Julika Pitsch Susanne Schoch, Albert Becker,
Heinz von der Kammer, Stefan Remy, Neuron, 2014, doi: 10.1016/j.neuron.2014.10.024
idw-online.de/de/news613366
Fischer-Terworth, Christian: Evidenzbasierte Demenztherapie Wissenschaftlich fundierte
neuropsychiatrisch-psychologische Therapien für den ambulanten und stationären Bereich
Pabst, 132 Seiten, ISBN 978-3-89967-896-3
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