MARKT & KONSUM Wie viel würden Sie für dieses Ei bzahlen? Dank Züchtungen legen Hühner mehr Eier als früher. Das ist ein Segen für die Bauern, die ganze Menschheit – aber nicht unbedingt für die Tiere. Doch nehmen wir einmal an, wir wollten ein ethisch korrektes Ei essen – wie viel müssten wir dafür eigentlich zahlen? von Eveline Dudda publiziert in Leben & Glauben Ausgabe 10/2011 Vor dem Ersten Weltkrieg schätzte man sich glücklich, wenn eine Henne im Jahr mehr als 120 Eier legte. Einige Rassen wie das Schweizerhuhn brachten es sogar auf 200 Stück. Heute gilt eine Legeleistung von 300 Eiern als Standard, 330 Eier sind machbar. Die modernen Legehennen sind Hybriden, das heisst, sie sind aus einer Kreuzung mehrerer Zuchtlinien entstanden. Die enorme Legeleistung hat jedoch auch eine Schattenseite: Weil die Männchen dieser Rassen nicht für die Mast geeignet sind, werden sie sofort nach dem Schlüpfen vergast. Jährlich werden so zwei Millionen männliche Küken in der Schweiz getötet. Nadja Brodmann von der Nutztierschutzorganisation KAG Freiland erklärt das Dilemma: «Man kann entweder auf hohe Fleisch­ oder auf hohe Legeleistung hin züchten. Spitzenleistungen in beiden Bereichen, das geht genetisch nicht.» Dennoch haben sich KAG Freiland, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und auch die Stiftung zur Förderung der schweizerischen Geflügelproduktion und ­haltung Aviforum auf die Suche nach einem «Zweinutzungshuhn» gemacht: Die weiblichen Tiere legen viele Eier und die männlichen können trotzdem zur Pouletmast verwendet werden. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Die Hühner und Hähne erwiesen sich schlicht als nicht wirtschaftlich. «Wenn eine Henne bei gleichem Futterverbrauch 10 Eier Journalismus im grünen Bereich weniger pro Jahr legt, kann ein Geflügelhalter mit 2000 Hennen im Jahr 20 000 Eier weniger verkaufen. Die Arbeits­ und Stallkosten bleiben aber natürlich gleich», sagt Brodmann. Leider legen die potenziellen Zweinutzungshühner nicht nur zehn, sondern vierzig bis fünfzig Eier weniger und das, obwohl sie sogar mehr fressen. Um den Minderertrag und die Mehrkosten auszugleichen, müssten ihre Eier also deutlich mehr kosten: rund sieben bis zehn Rappen. Das mag nach wenig klingen, doch die Eierpreise liegen ohnehin schon im Rappenbereich: Derzeit bekommen die Bauern für ein Bodenhaltungsei zirka 24 Rappen, für ein Freilandei etwa 26 und für ein Bio­Ei rund 43 Rappen. 10 Rappen bedeuten da eine Preissteigerung von 25 bis 50 Prozent. Und weil der Handel für seinen Aufwand auch noch etwas haben müsste, käme ein «Bio­Ethik­Ei», eines, wofür keine Küken sterben müssten, im Laden auf mehr als einen Franken – zwanzig bis dreissig Rappen mehr als heute. «Wie viel mehr genau, das weiss heute aber niemand», sagt Veronika Maurer vom FiBL, «denn man hat bisher nur sehr kleine Herden untersucht. Hühner werden aber üblicherweise in grossen Herden gehalten.» Das könne den Futterverzehr und die Legeleistung verändern. Maurer hat Bedenken, dass die Nachfrage nach Bio­Eiern bei deutlich höheren Preisen einbrechen würde. Derzeit haben Bio­Eier einen sehr guten Markt. Wenig Fleisch auf den Knochen Noch problematischer sieht es bei den Junghähnen aus, den Brüdern der Legehennen. Nachdem Mastversuche mit ihnen durchgeführt wurden, kommt Andreas Gloor vom Aviforum zum Schluss: „Wir bezweifeln dass die Schlachtkörperqualität und das Aussehen von der Mehrheit der Konsumenten akzeptiert wird.“ Denn die Junghähne haben weniger Fleisch auf den Knochen und sie haben einen kleineren Brustmuskel. Weil der Junghahn bei gleichem Fleischwachstum deutlich mehr frisst als ein extensives Bio­Mastpoulet, müsste er trotzdem teurer sein. Heute kostet ein Bio­Poulet 20 bis 22 Franken, ein konventionelles Mastpoulet etwa 10 Franken pro Kilo. KAGfreiland hat seit ein paar Jahren Junghähne im Angebot die sie für 25 Franken pro Kilo verkauft. Die Nachfrage ist bescheiden. Bei 50 Millionen Schweizer Poulets, die hierzulande jährlich konsumiert werden, fallen die tausend Junghähne von KAGfreiland nicht ins Gewicht. Leistungsstark, aber glücklich Die einseitige Züchtung auf Legeleistung hin ist aus ethischer Sicht unbefriedigend. Für die Henne im Stall zählt aber nur, dass sie tiergerecht gehalten wird. In dieser Hinsicht ist die Schweiz vorbildlich: Die Käfighaltung ist schon lang verboten und ein Gros der Legehennen verfügt heutzutage über Auslauf. Natürlich gibt es immer noch Optimierungspotential: In der Journalismus im grünen Bereich . Eveline Dudda . Krans­Lachenstrasse 69 . CH 9452 Hinterforst . Telefon 0041­71­755 73 09 . [email protected] Seite 1 MARKT & KONSUM Wie viel würden Sie für dieses Ei bzahlen? modernen Eierproduktion müssen die Hennen meist ohne Hahn auskommen. Er gilt als nutzloser Mit­Esser, der zudem die Nachbarschaft stört. Doch der Hahn versüsst den Hennen das Leben: Er ist Anführer, Schlichter und Beschützer. In der Bio­Hennenhaltung werden Hähne empfohlen, bei KAGfreiland sind sie Pflicht. Zudem: Ein Huhn könnte zehn Jahre alt werden, doch die Legehennen werden heute schon nach einem Legejahr entsorgt ­ ihre Eier­ und Schalenqualität nimmt ab. Und weil das Suppenhuhn nicht mehr gefragt sind, landen die meisten Althennen heute in der Biogasanlage. Nur vereinzelt werden aus Althennen Hackfleisch, Geflügelburger oder Würste hergestellt. Die Suche nach sogenannten Low­Input­ Breeds, also Rassen, welche im Futter genügsam sind, viele Eier legen und zugleich Zweinutzungshühner sind, findet zwar europaweit statt. Doch die grösste Hürde ist immer noch der Preis. Herr und Frau Schweizer konsumieren im Jahr rund 190 Eier, 90 davon stammen aus der Schweiz. Bei einem Aufpreis von 30 Rappen für ein Schweizer Ei müssten sie 27 Franken mehr im Jahr ausgeben. Der Respekt vor der Schöpfung wäre es wert. Journalismus im grünen Bereich Am Anfang steht der Konsum Die Frage, ob zuerst die Henne da war oder das Ei, ist müssig. Fest steht: Am Anfang jeder Tierproduktion steht der Konsum. Hier einige Konsumententipps für den sinnvollen Genuss von Ei und Huhn: Eier: Wenn Sie selbst keine Hühner halten können, kaufen Sie mindestens Schweizer Freilandeier. Bei Hobbytierhaltern können Sie eventuell Eier von Rassehühnern kaufen, die aus Liebe zum Huhn gehalten werden und bei denen es nicht auf ihre Leistung ankommt. Achten Sie bei Teigwaren, Guetzli und anderen eierhaltigen Produkten darauf, dass die Eier aus tierfreundlichen Schweizer Haltungen stammen. Informationen auf der Homepage vom Schweizer Tierschutz www.essenmitherz.ch Fragen Sie bei Hobbyzüchtern nach Junghähnen von Zweinutzungsrassen. Patenschaft / Leasing: Hühner­Patenschaften oder Hühnerleasing sind in der Schweiz noch nicht sehr verbreitet. Aus transport­technischen Gründen werden die Eier meistens nicht verschickt, sondern müssen abgeholt werden. Informationen unter www.huehnerleasing.ch oder www.knospehof.ch. Tipp: Fragen Sie doch einfach einmal einen Hühnerhalter in Ihrer Umgebung ob Sie eine Henne bei ihm „leasen“ können. Poulets: Konsumieren Sie einmal im Jahr ein Suppenhuhn (beim Hühnerhalter bestellen). Kaufen Sie ganze Poulets statt Pouletbrüstli. Kaufen Sie Bio­oder Freiland­Poulets von extensiven Rassen. Journalismus im grünen Bereich . Eveline Dudda . Krans­Lachenstrasse 69 . CH 9452 Hinterforst . Telefon 0041­71­755 73 09 . [email protected] Seite 2