Anatomie und Physiologie des Pferdes im Hinblick auf fütterungsbedingte Erkrankungen? Dr. med. vet. Ingrid Vervuert Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik, Universität Leipzig Fachtierärztin für Tierernährung & Diätetik Dem Pferd auf´s Maul geschaut Kolikhäufigkeit Inzidenz/Jahr Kolikfälle/100 Pferde 10,6 max. 30 26,0 max. 39 Umfang d. Studie Anzahl d. Pferde 1427 349 Quelle TINKER et al. 1997 UHLINGER 1992 Häufigkeit von Magengeschwüren bei Pferden Traber Galopper Rennpferde ohne Training Turnierpferde Fohlen 0 20 40 60 80 Magenschleimhautläsionen (%) 100 (Literaturauswertung) Allgemeine Risikofaktoren • • • • • Geschlecht Nutzung Rasse Haltung Kraftfutter – Art nicht signifikant Zuchtpferde > Freizeitpferde Araber > Warmblut > Vollblut Auslauf ohne Wasser je kg unbehandelter Mais = 3,4-fach höheres Kolikrisiko (REEVES et al. 1996) Futter u. Fütterung als Risikofaktoren für Koliken Faktor • • • • • Wechsel des Heutyps kein Weidegang Wechsel im Kraftfuttertyp Heu von Rundballen Hafer >2,7 kg/Tag Risiko 4,9 3,0 2,6 2,5 5,9 (HUDSON et al. 2001) Konsequenzen aus epidemiologischen Studien • Wasserverfügbarkeit bei Außenhaltung essentiell • bei Erhaltungsbedingungen Mischfutter restriktiv einsetzten • Getreideaufschluß bei Maisfütterung • hohe Frequenz der Mahlzeiten kann Risiken durch hohe Konzentratmengen nicht immer kompensieren • Futterwechsel meiden • bisherige epidemiologische Fakten geben per se keine Erklärung im Einzelfall Das Pferd frißt stetig, viele, kleine Mahlzeiten Rhythmus der Nahrungsaufnahme von Pferden auf der Weide Grasungszeit gesamt, h Mai 15,5 Juli 12,1 Sept. 13,8 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 Uhr KRULL 1984 Was machen die Pferde in der Box? 15% Liegen 5% Anderes 65% Stehen 15% Fressen (Kiley-Worthington, 1990) Dauer der Futteraufnahme bei Pferden 0 10 20 30 Min/kg 50 60 40 Stroh, lang 45 Heuhäcksel 53 Heumehl 55 Heu 39 Hafer+Häcksel, 4+1 21 Maissilage 10 Hafer 10 pell. Mischfutter 4mm 11 pell. Mischfutter 8mm 10 pell. Mischfutter 10mm 14 MEYER et al. 1975 Speichel, kg/kg Futter Speichelproduktion bei Aufnahme verschiedener Futtermittel 7 5,82 6 5,22 5 4 2,81 3 2,35 1,7 2 1 0,59 0 Gras Gras-, Laub Luzernesilage Heu Stroh Mischfutter Verdauungskanal eines Pferdes - 500 kg KM Länge insgesamt ~ 35 m Dauer der Nahrungspassage ~ 35-50 h Magen Dünndarm Dickdarm Verdauungskanal eines Pferdes - 500 kg KM Magen ~ 8-15 l Füllung des Magens bei verschiedenen Spezies 200 150 100 Katze Pferd Opossum Kaninchen Schwein Hund Lama Känguru Colobidae 0 Hippotamus 50 Pecora g/kg Körpermasse Relativ zur Körpergröße ist der Pferdemagen sehr klein !! 250 Elephant Passagezeit ~ 1-5 h pH-Wert > 6 bis <3 z. T. Abbau von Stärke durch Bakterien, Eiweissfällung LAWS u. PARKER, 1968; HERD u. HARROP 1978; KAMPHUES 1987; LANGER 1988; KIENZLE 1989; COENEN 1991) Verdauungskanal eines Pferdes - 500 kg KM pH-Wert > 6 bis <3 Speiseröhre Magen ~ 8-15 l Cutane Schleimhaut Passagezeit ~ 1-5 h 4,4 5,1 4,3 4,5 4,0 3,8 4,5 2,9 4,1 3,0 Drüsenschleimhaut pH-Werte pH-Werte h nach 3,5 3,5 h nach Mischfuttergabe Heugabe 4,4 2,2 Pylorus Rationstyp und Magenulzera Pars nonglandularis Pferde Läsionen Ohne Mit Heu 25 100 % 0% Mischfutter 31 54 % 46 % Fütterungsperioden: 2-8 Wochen (Coenen, 1992) % Beobachtungen Nahrungskarenz und pH Werte im Magen 80 70 60 50 40 30 20 10 0 24 Nahrungskarenz Heuaufnahme ad libitum <2 >2 >3 >4 >5 >6 pH Werte im Magen [24 Stunden Profil] (Murray & Schusser, 1993) Intragastralerr Druck [mm Hg] Intragastraler Druck während Belastung 50 40 30 20 10 0 Ruhe Trab Steigung Trab Ruhe Schritt Galopp Galopp Schritt (Lorenzo-Figueras & Merritt, 2002) Belastung und Magen pH pH Werte vor und während der Belastung in proximalen Region des Magens Fütterung vor Belastung Belastung 2h 18 h Ruhe 5,30 ± 0,97 5,23 ± 0,95 Schritt 3,95 ± 0,70 3,15 ± 0,76 Trab/Galopp 2,52 ± 0,82 1,07 ± 0,19 Erholung Schritt 2,39 ± 0,64 0,92 ± 0,13 (Lorenzo-Figueras & Merritt, 2002) Koliken vom MAGEN ausgehend; i.d.R. kurz nach Futteraufnahme Auswahl FUTTER A Verlegung Verstopfung Fehlgärung 3A 1 3B 3C 2 3C 3D 3 3E Motilitätsverlust 4 4 4C Technik Schadstoffe Behandlung Qualität Toxine B C D E Verkleisterung v. Stärke st. quellende FM KF kurz vor Weideaustrieb KF kurz vor/kurz nach Belastung hohe Keimgehalte im Futter (KF!) Pilztoxine Sistieren d. Peristaltik teils wegen Fehlgärung zu hohe Konzentratmengen/ Mahlzeit, Magenüberladung Verdauungskanal eines Pferdes - 500 kg KM Dünndarm ~ 16-24 m Ø bis 10 cm Füllung ~ 11 l Passagezeit ~ 1,5 h Verdauung durch körpereigene Enzyme (Stärke, Eiweiß, Fette) Aufnahme von Mineralstoffen u. Vitaminen Koliken vom DÜNNDARM ausgehend; i. d. R. 1-4 h n.d. Futteraufnahme Auswahl FUTTER A Verlegung 1 1E Verstopfung 2 2A Fehlgärung 3 Motilitätsverlust 4 Technik Schadstoffe Behandlung Qualität Toxine B C D E Kunststoffpartikel, Holzspäne: Verlegung des Ileums stark zerkleinertes Futter (fein gehäckelte Silagen) Koliken vom DÜNNDARM ausgehend; i. d. R. 1-4 h n.d. Futteraufnahme Auswahl FUTTER A Verlegung 1 1E Verstopfung Fehlgärung 2 2A 3 3C Motilitätsverlust 3C 4 3D 4E Technik Schadstoffe Behandlung Qualität Toxine B C D E Kunststoffpartikel, Holzspäne: Verlegung des Ileums stark zerkleinertes Futter (fein gehäckelte Silagen) KF kurz vor Weideaustrieb KF kurz vor/kurz nach Belastung hohe Keimgehalte im Futter, besonders im Kraftfutter Pilztoxine (T2-Toxin, Vomitoxin) Giftpflanzen (z.B. Herbstzeitlose) Verdauungskanal eines Pferdes - 500 kg KM - Blinddarm ~1m Füllung ~ 18 Ileum 30 l Passagezeit ~ 15 - 20 h Colon Ileum Verdauung durch mikrobiell gebildete Enzyme, Synthese von B-Vitaminen, z.T. Aufnahme Colon von Peristaltikeigenschaften im Blinddarm Mineralstoffen •Transport vom Blinddarm zum Colon Y ~ 1 x in 4 Min. Pumpbewegung mit intraluminaler Druckerhöhung Verdauungskanal eines Pferdes - 500 kg KM Colon ~ 3-4 m bis 25 cm Füllung ~ 50 l Passagezeit ~ 20 h Verdauung durch mikrobiell gebildete Enzyme, Synthese von B-Vitaminen, z.T. Aufnahme von Mineralstoffen, Wasseraufnahme Koliken vom BLINDDARM und COLON ausgehend; i. d. R. 3 - 6 h n.d. Futteraufnahme Auswahl FUTTER A 1A Technik Schadstoffe Behandlung Qualität Toxine B C D E asche-, phosphatreiche FM (Darmsteine) 1 1D fein-, aber langfaserige, Verlegung schwer verdaul. Pflanzen 2 (z.B. Windhalm im Stroh); Verstopfung 2AB schwer verdauliches Futter, einseitig Stroh oder 3 Fehlgärung energiearmes Gras/Heu bei hoch verdaulichem KF Motilitätsverlust 4 (Verarmung der Mikroflora); Wasserentzug Koliken vom BLINDDARM und COLON ausgehend; i. d. R. 3 - 6 h n.d. Futteraufnahme Auswahl FUTTER A Verlegung 1 Verstopfung 2 Fehlgärung 3 Motilitätsverlust 4 3A 3C 3D Technik Schadstoffe Behandlung Qualität Toxine B C D E fettreiche KF (>12 % Rfe; Blinddarmfäulnis), viel schwer verdaul. Stärke hohe KF-menge/Mahlzeit (Übersäuerung) hohe Keimgehalte im Futter, v.a. Raufutter, Frostschäden z.B. in Rüben Koliken vom BLINDDARM und COLON ausgehend; i.d.R. 3 - 6 h n.d. Futteraufnahme Auswahl FUTTER A Verlegung 1 Verstopfung 2 Fehlgärung 4 Technik Schadstoffe Behandlung Qualität Toxine B C D E teils Folge von Fehlgärungen 4CD Sandablagerung (Erdfressen, verschmutztes Futter) 3 4E Pilztoxine (z.B. T2-Toxin) Motilitätsverlust 4 Wesentliche Fehler in der Fütterung • Haltungsmängel, Wasser • unnötige Futterwechsel • zu wenig Raufutter ÖMagen • zuviel Kraftfutter/Mahlzeit Ö Magen/Caecum • zu hohe Keimgehalte • Raufutter Ö Caecum/Colon • Kraftfutter ÖMagen/Dünndarm