R i c h a r d M ay h u e Hartes Training als Grundausbildung Warum haben anscheinend nur so wenige unter den Glaubenshelden des Alten und Neuen Testamentes den Lebenskampf gewonnen? Was können wir von ihnen lernen? Sie waren gläubige Män­ner und Frauen, die das Leben aus der göttlichen Perspektive sehen lernten. Sie betrachteten jedes Ereignis entweder als eine Lektion oder eine Prüfung von Gott – auch die schwierigsten und unverständlichsten Lebenssituationen. Gott hat auf geistlicher Ebene auch ein Trai­ningsprogramm für seine Kinder. Der Herr bereitet uns auf den Glaubens­ kampf vor, indem er uns zunächst in schwierige Situationen bringt! Als aufstrebender junger Marineoffizier musste ich mich nie einer Grundausbildung unterziehen. Aber als ich Seekadett wurde (zwischen meinem 2. und 3. Jahr im College); verbrachte ich acht Wochen in einem Trainingslager, in dem ich eine Grundausbildung bekam. Wir mussten um 5 00 Uhr morgens aufstehen und schon zehn Minuten später erste Gymnastik-Übungen durchexerzieren. Unsere alltäglichste Fortbewegungsart war der Dauerlauf. Häufig muss­ten wir ohne erkennbaren Grund zusätzliche Liegestützen oder Klimmzüge machen. Wenn einem aus unserer Einheit ein Fehler unterlief, wurden alle dafür bestraft – mit weiteren kräftezehrenden Übungen. Meistens ergaben diese Schikanen keinen Sinn, und uns wurde auch nicht gesagt, warum das alles so wichtig sei. Damals wussten wir noch nicht, dass wir unschätzbare Lektionen des bedingungslosen Gehorsams lernten, damit wir uns auf etwas vorbereiteten, was wichtiger war als das, was wir gerade durchmachten. Unsere Erfahrung war nur ein Mittel zum Zweck. Der Sinn von Schweiß und Schinderei Es dauerte eine ganze Weile, aber dann hatten wir nicht mehr einen so starken Muskelkater, weil unsere Form täglich besser wurde. Wir bekamen mehr Kondition und vermochten längere Strecken zurücklegen. Durch das Training konnten wir klarer denken, wir wurden schlanker, unsere Muskeln wurden stärker. Vor allem aber wa­ren wir körperlich topfit für den Einsatz. Ich bin nie wieder so gut auf alle Eventualitäten vorbereitet worden, obwohl ich mich nie frei­ willig einer solchen Tortur ausgesetzt hätte und während dieser Zeit gemeinsam mit meinen Leidensgenossen ständig gejammert habe. Erst nach und nach erkannten wir Sinn und Zweck dieser Schin­derei. Als uns klar wurde, dass wir in lebensbedrohlichen Kampfsituationen weitaus bes­sere Überlebenschancen hatten, weil man unsere Sinne geschärft und unsere Körper gestählt hatte, waren wir dankbar für das harte Training, dem wir uns zunächst so widerwillig ausgesetzt hatten. Das Trainingsprogramm Gottes Gott hat auf geistlicher Ebene ein ähnliches Trai­ningsprogramm für seine Kinder. Der Herr bereitet uns auf den Glaubenskampf vor, indem er uns zunächst in schwierige Situationen bringt (Hebr 12, 4-11; Jak 1,2-4). Für viele von uns sind diese Lebenskämpfe anfangs vielleicht unerträglich. Häufig meinen wir, kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Manche von diesen Schwierigkeiten haben für uns keinen Sinn und Zweck, aber Gott verspricht uns ein Überleben, ja sogar einen Erfolg, wenn wir ihm weiter vertrauen, dass er uns hilft, die Prüfungen zu bestehen (1 Kor 10,13). Das war auch das geistliche Erfolgs- fest+treu | 04/2006 geheimnis von Daniel, Ruth, Hiob und Joseph. Trotz der großen Schwierigkeiten, trotz des Leids, das sie ertragen mussten, bestanden sie die Prüfungen, weil Gott für sie im Zentrum ihres Alltagslebens stand. Es gibt mindestens sechs wichtige „Prüfungsziele“, die man nur durch ein hartes geistliches Training erreichen kann. Auch die größten Glaubenshelden wurden von Gott nur auf diese Weise auf ihren Dienst vorbereitet! Eine Perspektive gewinnen 1 Nur wenige Verheißungen, die Jesus seinen Jüngern gab, hatten sich bis zu deren Le­ bens­ende erfüllt. So saß keiner von ihnen auf einem Thron und richtete die zwölf Stämme Israels (Mt 19,28). In Wirklichkeit waren alle Apostel als Märtyrer gestorben, alle bis auf den nunmehr über neunzig Jahre alten Johannes, der als Gefangener Roms auf die Insel Patmos verbannt worden war (Ofb 1,9). Nur zwei der vielen durch den Dienst des Johannes gegründeten Gemeinden wurden von seinem Herrn uneinge­schränkt gelobt (vgl. Ofb 2,8-11; 3,7-13). Die Gemeinde in Smyrna musste um Christi willen vieles erleiden. Vielleicht fragte sich Johannes manchmal, was es denn mit der Verheißung Jesu auf sich habe, eine unüberwindliche Gemeinde zu bauen. Das düstere Bild, das sich dem Apostel am Lebens­ abend bot, dieses scheinbare Schei­tern der herrlichen Zukunftsaussichten, die Jesus auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit schilderte (Mt 16, 28), boten einen krassen Gegensatz für Johannes, als er die „Offenbarung Jesu Christi“ empfing. Aber all diese Erfahrungen gehörten für Johan­ nes zur Grundausbildung Gottes. Das Licht, das uns im Buch der Offenbarung geschenkt wird, drang mit seinem hellen Schein in die Düsternis seines Lebens und machte ihn zum idealen Werkzeug für die Niederschrift der herrlichen Wahrheit über einen zu­künftigen, aus ei­nem schein­ba­ren Versagen ent­­­stehenden Triumph. Weil er Leid und Bedräng­nis aus eigenem Erleben kannte, aber jetzt die Herrlichkeit Christi in Gegenwart (Ofb 1,9-20) und Zukunft (Ofb 19,11-16) sah, konnte Johannes doch am Ende seines entbehrungsreichen Lebens voller Zuver­­sicht beten: „Ja, komm, Herr Jesus!“ (Offenbarung 22,20). Vorbeugen 2 Ein altes Sprichwort lautet: „Vorbeugen ist besser als Heilen.“ So war es auch im Leben des Apostels Paulus. Er wurde in den dritten Himmel entrückt, in Gottes Herrlichkeit, aber er berichtet nur sehr zaghaft von diesem Erlebnis. Bestimmt hätte es ihm ein paar Pluspunkte bei den Korinthern eingebracht, die verächtlich auf den Apostel herabsahen (2Kor 10,10). Aus menschlicher Sicht wäre es verständlich gewesen, wenn Paulus der Versuchung nach­gegeben hätte, mit diesem einzigartigen Privileg zu prahlen. Aber er hätte damit die Gnade Gottes in seinem Leben kleiner gemacht. Zur Vorbeugung gegen die Sünde des Stolzes gab der Herr dem Apostel Paulus „einen Pfahl fürs Fleisch“. Er erlaubte es einem Boten Satans, ihn mit den Fäusten zu traktieren (2Kor 12,7). Aber diese Erfahrung ge­ hörte für Paulus zur Grundausbildung Gottes. Obwohl er Gott dreimal angefleht hatte, diesen Stachel zu entfernen, erinnerte ihn unser Herr daran, dass seine Gnade alles sei, was er brauche (2 Kor 12,9). Es klingt wie eine Ironie, aber Gott benutzte Satan als Werkzeug zur Vorbeugung gegen jenen Stolz, den der Teufel unbedingt för­dern wollte (1Tim 3,6) Vorbereiten 3 Wie bereitet man einen jungen Mann am besten auf Erfolg, Ruhm und eine Machtposition auf höchster Ebene vor? Als Gott Joseph für die Position als zweiter Herrscher in Ägypten ausbildete (1Mo 41,40), wählte er dafür einen Knast voller widriger Umstände und nicht einen Palast voller ägyptischer Genüsse. In Kapitel 39 sehen wir, wie Joseph von seinen Brüdern verlassen, von seiner Arbeitgeberin verleumdet, und von seinen Freunden vergessen wird. Aber all diese Erfahrungen gehörten für Joseph zur Grundausbildung Gottes. Ein Geringerer als er hätte dieses harte Training vorzeitig abgebrochen und sich damit von dem Plan und den Zielen Gottes verabschiedet. Fast 40 Jahre später, als in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen war, schilderte Joseph seinen Brüdern die Absichten, die Gott mit den schweren Prüfungen in seinem Leben hatte: „Ihr gedachtet mir zwar Böses zu tun; aber Gott gedachte es gut zu machen, um es so hinauszuführen, ... um ein zahlreiches Volk am Leben zu er­halten“ (1Mo 50,20). Joseph wurde in der »Diplomatenschule« der wi­ drigen Umstände auf seine Aufgaben vorbereitet. Ein konkreter Beweis für das Handeln Gottes 4 Er hatte zwei babylonischen Königen hervorragend gedient. Auch als das Reich an die Perser fiel, gehörte Daniel zu den höch­ sten Regierungsvertretern (Dan 5,30 - 6,4). Weil seine Kollegen ihn wegen seiner herausragenden Fähigkeiten beneideten, planten sie für ihn den sicheren Tod in der Löwengrube (6,5-21). Nach einer unerwartet ruhigen Nacht stand Daniel jedoch unversehrt auf und begrüßte den König mit diesen Worten: „Mein Gott hat seinen Engel gesandt und den Rachen der Löwen verschlossen, dass sie mir kein Leid zufügten“ (Daniel 6,23). fest+treu | 04/2006 Göttliche „Prü­ fungsziele“ kann man nur durch ein hartes geistliches Training erreichen. Auch die größten Glaubenshelden wurden auf diese Weise auf ihren Dienst vorbe­reitet! Das Überleben Daniels unter hungrigen Löwen lieferte den Beweis, dass der Gott Daniels der wahre, lebendige, ewige Gott ist (6,26-28). Weil die Demonstration der Gegenwart Gottes in Daniels Leben so überzeugend war, ließ Darius in seinem ganzen Reich verkünden, dass die Herrschaft dieses Gottes kein Ende hat! Ob tot oder lebendig, in Glück oder Unglück, Daniel lebte immer im Bewusstsein der höheren Ziele Gottes. Wir werden geläutert 5 Diese göttlichen Trainingseinheiten geschehen zu unserem Besten und zu Gottes Ehre. Wir müssen uns aber in ihnen üben, damit wir Schwie­ rigkeiten und Prüfungen aus der ewigen Perspektive sehen. Nach dem Zeugnis Gottes war Hiob einer der gerechtesten Männer auf Erden, aber er war nicht sündlos. Seine Angriffsflächen sowohl körperlicher als auch geistlicher Art zei­ gen sich in Hiob 1 bis 41, wenn er von Satan als auch von seinen Freunden angegriffen wird. Hiob legt dabei eine überhebliche Sicht von seinem Wissen über Gott und über seine Wege an den Tag. Auch seine außergewöhnliche Beziehung zu Gott befreite ihn nicht von einem Training in der geistlichen Grundausbildung. Die schweren Prüfungen, die in einem Einzelunterricht in Theologie gipfelten (Hi 38-41), offenbarten Hiob seine eigene Sünde. Er hatte viel zu viel von sich gehalten. Deshalb gesteht er schließlich vor Gott: „Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und in Asche!“ (Hi 42,5-6). Je reiner das Herz eines Gotteskindes ist, desto heißer muss das Feuer der Läuterung sein, damit die restlichen Schlacken weggebrannt werden. Durch sein Leid wurde Hiob geläutert und zu ei­ nem nützlicheren Werkzeug im Plan Gottes. Wir werden gezüchtigt 6 Die vorherigen fünf „Prüfungsziele“ Gottes dienen letztendlich positiven Zwecken und haben nichts zu tun mit Sünde im Leben eines Menschen. Das war jedoch nicht der Fall bei David, einem Mann nach dem Herzen Gottes (Apg 13,22). Er hatte mit Bathseba eine schwere Sünde be­gangen und ließ sogar ihren Mann Urija töten (2 Sam 11). Mehrere Monate lang unternahm der ansonsten so privilegierte David nichts gegen sein schreckliches Verschulden. In Psalm 32,3-4 wird uns geschildert, wie es ist, wenn man Gott seine Sünde nicht bekennt und in einem Zustand der göttlichen Züchtigung und Bestrafung lebt. Die Hand Gottes lag schwer auf David, bis er endlich seine Sünde bekannte und sich von ihr abwandte (vgl. 2 Sam 12,13; Ps 51). Dennoch blieb im weiteren Verlauf seiner Regierungszeit die züchtigende Hand Gottes über David (2Sam 12,10-12,14). Trotz der wunderbaren Verheißungen Gottes für David zahlte sowohl er selbst als auch seine Familie einen unvorstellbar hohen und schmerzlichen Preis für diesen Fehltritt mit Bathseba und seinen jämmerlichen Versuch, seine Sünde vor Gott zu ver­bergen. Auch wir können unsere Sünde nicht verstecken. Sie wird immer ans Tageslicht kommen, und auf die eine oder andere Art wird Gott uns dafür züchtigen. Wie wir uns in der Grundausbildung Gottes verhalten sollen Wenn die Prüfungen des Lebens auf uns zukommen, dürfen wir wissen, dass Gott durch dieses Training seine Absichten verwirklicht. Vielleicht werden wir über das Warum erst etwas erfahren, wenn die Tests längst abgeschlossen sind. Es kann aber auch sein, dass wir die wahren Gründe nie erfahren. Solange die Trainingsphase andauert, werden wir wohl kaum vor Freude jauchzen oder gleich zu Beginn den Herrn dafür preisen. Aber bevor wir den Fehler machen und meinen, dass Gott nicht souveräner Herrscher des Universums ist, mache ich einen Vorschlag: Lies unter Gebet noch einmal die sechs angeführten Prinzipien durch. Vielleicht kommst du dann auch zu der Schlussfolgerung, dass Gott häufig an uns wirkt, ohne uns die Gründe mitzuteilen, weil er uns seinem Sohn Jesus Christus ähnlicher machen (Röm 8,29) und durch uns die Ziele seines Reiches verwirklichen will. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir wie die Glaubenshelden aus alter Zeit konsequent und beharrlich den „guten Kampf des Glaubens kämpfen“ (1Tim 6,12). „Von dem HERRN werden die Schritte des Mannes befestigt, und an seinem Weg hat er Wohlgefallen; wenn er fällt, wird er nicht hingestreckt werden, denn der Herr stützt seine Hand.“ (Ps 37,23-24) Durch die Prüfungen, mit denen Gott uns für manchen geistlichen Kampf im Leben trainiert, können wir 1. eine Perspektive gewinnen, 2. wir können vorbeugen, 3. uns vorbereiten, 4. einen konkreten Beweis für das Handeln Gottes bekommen, 5. wir werden geläutert und auch 6. gezüchtigt, wenn es sein muss. Das alles geschieht zu unserem Besten und zur Ehre Gottes. Wir müssen uns nur üben, damit wir diese Schwierigkeiten und Prüfungen aus dieser ewigen Perspektive sehen können. ■ Aus: Richard Mayhue: „Wirf nie das Handtuch! – Von Verlierern und Siegern lernen“ (mit freundlicher Genehmigung des Schwengeler-Verlags, siehe auch Buchbesprechung S. 22). fest+treu | 04/2006