ZAHNHEILKUNDE Depotphorese mit Kupfer-Calci umhydroxid Konventionelle Endodontie versusDepotphorese mit Cu-Ca(OH) r, dies ist eine lang anhaltendeund heftige Diskussionzwischendenjaueiligen Verfechtern.Die herkömmliche Behandlungsmethodeistjedem Behandler ausreichendbekannt. Wasaber ist die Depotphorese?Dieser Frage und den klinischen Ergebnisseneiner russischenStudie geht derfolgende Artikel nach. Prof. Dr. Dr Valentina Bokaya Die Kupfer-Calciumhydroxid-Depotphorese arbeitet nach einem völlig anderen Prinzip, für das die Grundsätze der konventionellen Wurzelbehandlungnicht gelten. Durch die Wurzelbehandlungmittels der Kupfer-Calciumhydroxid-Depotphoresekommt es bei allen Wurzelformen zu einer physiologischenEinheilung des Wurzelstumpfes im Kiefer, und zwar durch die mit diesemVerfahren erstmalig erreichte permanenteSterilität des apikalen Deltas und des angrenzendenWurzeldentins. Dieses ist durch sorgf?iltigebakteriologischeUntersuchungenvon uns mit A. Effinger, H. J. Fecht, und G. Fritz gesichert und dokumentiert. Das im Prinzip einfache, weitgehend nicht invasive Verfahren, mit dem bisher nicht erreichbare Erfolgsquoten erzielt wurden, ist in Russland nach Publikationen undVorträgenvon uns in Moskau und Samara(Wolga) undnach klinischen Prüfungen in 14 wissenschaftlichenZentren (Universitäten, Akademien) akzeptiert worden. Inzwischen hat die Kupfer-Calciumhydroxid-Depotphoreselängst ferne Provinzen Russlandserreicht. Ein Beispiel dafür ist die nachfolgendeArbeit der beiden russischenAutorinnen über bemerkenswerteErgebnissemit dem Depotphoreseverfahren- selbstbei komplizierten Fällen. Zur Erklärung der für konventionelle EndodontistenerstaunlichenErgebnisse der beiden Autorinnen, insbesondereum zu verstehen,warum ein abgebrochenes Instrumententeil im Wurzelkanal ohne Folgen verbleibenkann, ist in den folgendenAbbildungen mit Legendendie Situation an einem so senanntenGansränzahr Studium der Zahnmedizin in OmsHRulSland 197I Staatsexamen 1974 Promotion I 97 1- I 993 Assistentin, Oberdrztin, Hochschuldozentin 1995Ord. Professur Seit 1997 Lehrstuhlinhaberin und Direktorin der Dentalklinik der Staatl. Med. Akademie Omsk Abb.1: DasKanalsystemvor der Behandlung. Das apikale Delta enthält viel mehr Nebenkanäle, als hier schematischdargestellt sind. Im Falle einesGangränzahns sind die Kanäle mit putrider organischerSubstanzgefüllt. Das Wurzeldentin ist millimetertief infiziert (braune Punkte) ZÄ SvetlanaLubjanova schematisch, einerseits nach der konventionellen Wurzelbehandlung und zum anderen nach der Durchfi.ihrung der KupferCalciumhydroxid-Depotphorese darge- stellt (Abb. l-3). Trotz mühsamen zeitaufivendigen und kostspieligenVorgehensentstehennach dem konventionellenVerfahren oft Misserfolge und Komplikationen verschiedener Art. Die Ursache liegt wesentlich darin, dassdie konventionelleBehandlung immer einen infizierten Wurzelstumpf und eine den Organismus langzeitig geführdende Parodontitis apicalis chronica hinterlässt. Die ständige Keimfreiheit im gesamtenapikalenDelta ist mechanischinstrumentell-chemischprinzipiell nicht Studium der Zahnmedizin in Omsk/Ru/3land 1996Stastsexamenund niedergelassene Zahnärztin Hochschullehrerin an der Dentalfakultrit der Staatl. Med. Akademie Omsk erzielbar, wegen der oft über 20 Nebenkanälemit der entsprechendenAnzahlvon Mikroforamina. Die konventionelle Wurzelbehandlung erfasstpraktisch nur den sog.Hauptkanal. Die Versuche, den Hauptkanal mechanisch stark zu erweitern, flihren häufig zu Komplikationen wie Wurzelfrakturen, zMKtu00 ZAHNHEITKUNDE KlinikundErgebniss Abb.2: Zustand nach Durchführung der konventionellenWurzelbehandlung. Der,,Hauptkanal" ist weit konisch aufbereitet. Trotzdem bleibt das angrenzendeDentin besondersim apikalen Bereich tief infiziert. Spülungen, auch solche mit Natriumhypochlorit wirken wegen der kurzen Einwirkungszeit nicht in die Tiefe. Der aulbereitete Raum ist mit einer Füllmasse aufgefüllt. Das apikale Delta und hochsitzendeNebenkanälebleiben infiziert und infizierend. da die Abwehrmechanismen des Organismus nicht in die toten Räume der Kanäle vordringen und wirken können Perforationen, Geführdung der mechanischen Stabilität der Wurzel, die auch die Ursachen von Zahnverlusten werden können (vor allem Längsfrakturen). Die Crundlagen DiesesVerfahrenberuht auf den einzigartigen bakteriziden und physikalischchemischen Eigenschaften von KupferCalciumhydroxid. Es zeigt eine mehr als lO0fach stärkere Desinfektionskraft im Vergleich zu Calciumhydroxid und ist polyvalent gegenüber allen Keimarten. Im Wurzelkanal werden aus einem kleinen Depot von Kupfer-Calciumhydroxid hochbakterizide Hydroxocuprat-Ionen neben OH-Ionen und kolloidalem Kupferhydroxid in wenigen Minuten durch alle Arme des apikalen Deltas bis in die Foraminagetrieben.Die durch Auflösung der Keime entstehendennegativ geladenen sterilen Oligopeptide wandern Abb.3: Zustand nach Durchführung der Kupfer-Calciumhydroxid-Depotphorese. Das gesamte Kanalsystem, auch die zahlreichen Nebenkanäle sind mit Kupfer-Calciumhydroxid ausgefüllt bzw. ausgekleidetund damit permanent sterilisiert. Die Foramina werden durch Stimulation der Ossifikation durch Osteozementverschlossen.Zur Krone hin wird der nur etwas erweiterte Wurzelkanal mit einem Kupfer-Calciumhydroxid enthaltenden Zement (Atacamit-Wurzelfüllzement) verschlossen.Diese Wurzelfüllung braucht nicht den apikalen Bereich auszufüllen.Ein abgebrochenesStück einesInstruments kann, da keine Bakterien eintreten können, im Kanal verbleiben durch Elektrophorese ebenfalls apikalwärts und werden vom Organismus reaktionslos verassimiliert. Da außerhalb der Foramina die elektrische Feldstärke fast auf0 abfüllt und ebenso der pH aufneu- trale Werte sinkt, wird das Hydroxocuprat in Kupferhydroxid umgewandelt,bleibt in und um den Foramina liegen und verhindert so die Reinfektion direkt nach der Behandlung. Auf keinen Fall wandern die Ladungsträger tiefer in das periapikale Gebiet. Späterpflegt die von Spurenvon Kupfer-Ionen stimulierte Ossifikation der Foramina einzutreten,so dassdie wirksame Füllung in den Kanälchen in den Armen des apikalen Deltas verbleibt. Das Verfahren eignet sich flir alle Zätne mit gangränösemKanalinhalt oder nachVitalexstirpation nach Devitalisierung der Pulpenreste. Auch bei stark gekrümmten Wurzeln oder obliterierten Kanälen, bei vorbehandeltenoder überkrontenZähnen ist das Verfahren voll wirksam. Seit drei Jahrenwird in der Dentalklinik der Akademie in Omsk die Wurzelbehandlung nur mittels der Depotphorese mit Kupfer-Calciumhydroxid durchgeführt. Die Behandlungen wurden in drei Sitzungen mit Stromstärken von 0,3 bis 1,5 mA (e nach Widerstand der Kanäle) undmit einer Strommengevon 5 bis 6 mA x Minuten pro Sitzung im Abstand von 8 bis 14 Tagendurchgeführt. Zwischen den Sitzungen blieb der erneut mit KupferCalciumhydroxid aufgefüllte Kanal offen (wegen der starkenSterilisationskraft des Kupfer-Calciumhydroxids auch in starker Verdünnung, dieses Verfahren hat sich sehrbewährt). Nach der 3. Sitzung wurde der Hauptkanal mit Atacamit-Wurzelfüllzement, wenn möglich auf 2/3 der Kanallänge abgefüIlt. Wir zeigen im Folgendendie Ergebnisse der Behandlungvon 355 Patienten(4 I 5 Zähne, 815 Hauptkanäle). Die große Mehrzahl der Patienten war aus anderen Kliniken gekommen, wo ihnen die Zahnextraktion empfohlen worden war. Spätere Untersuchungen wurden nach sechs Monaten und nach I Jahr mit einem Radiovisiograf durchgeführt. Die Erfolgsquote bei diesen Patienten mit Komplikationen war insgesamt im Mittel größer als 90 Prozent. Bei 122 Patientenwurden gangränöse, instrumentell nicht therapi erbare Zähne mit mechanischunzugänglichenWurzelkanälen oder obliterierten Zähnen mit einer Erfolgsquote von 96 Prozentbehandelt. 148 Patientenhatten endodontischvorbehandelte ZäIne mit verschiedenen desinfizierendenPastenals Kanalfüllung. Bei 82 Prozent dieser Zähne wurde eine massiveapikale Osteolyse,bei l8 Prozent ein akuter Entzündungsprozess festgestellt. Bei 68 Patienten(46%) wxden für die Erweiterungder Kanäle auf ein ll2bis2l3 der KanallängeISO-Größen35 bis 40 verwendet. Bei 80 Patienten (54%) erfolgte die Aufbereitung der Kanäle nur bis auf zÄnKlu00 rr ZAHNHEILKUNDE - l/3 der Länge des Wurzelkanals oder sogar noch weniger. Die Anfangsstromstärkekonnte nur auf weniger als 0,5 mA gesteigertwerden. Die Stromstärkeerhöhte sich im Verlauf der Sitzung auf 0,5 bis 0,7 mA. Die Sitzungendauertendeshalb meistens mehr als flinf Minuten. Nach einem Jahr zeigten die Kontrollbilder durchweg keine Aufhellungen, sondern eine röntgenologischvöllige Ausheilung. Damit stelltesich ein Erfolg in94,7 Prozentder Fälle ein. Eine ziemlich häufige Komplikation der mechanischenAufbereitung ist ein Instrumentenabbruch. Die Entfernung des Bruchstücksist fast immer schwierig und kann zu einer Perforation führen. 53 Prozent der Patientenwurden mit dieser Art der Komplikation behandelt.32 dieserPatientenhattenstarkeSchmerzen.Bei 2l Patientenwurdenauf dem Röntgenbildneben Instrumententeilenauch Fistelgängeentdeckt.Nach der Behandlungmit der Kupfer-Calciumhydroxid-Depotphorese waren bei den meisten Patientendie Schmerzen verschwunden.Aus einigenKanälenkonnten die abgebrochenenInstrumententeile entferntwerden.In denmeistenFällen aber blieben die Instrumententeileim Wurzelkanal konserviert. Die Röntgenkontrollaufnahmenzeigteneine völlige Abheilung bei 98 Prozent der Patientendieser Kontrollgruppe. Besonders interessant erscheint,dass die lange existierendenFistelgänge(1 bis 2 Jahre)nachein oderzwei Sitzungenverschlossenwaren. Mit vorliegendenPerforationenwurden 32 Patientenbehandelt.5 Patienten(15%) hatten Perforationenim apikalen Drittel, l6 Patienten(50%) hatten Perforationen im mittleren Drittel und 11 Patienten (35%) im koronalenDrittel des Wurzelkanals. Bei 12 Patienten(38%) wurden ein Destruktionsherdfestgestellt.Bei 18 Patienten(56%) gab es Abszessemit Fistelgängen.Bereits kurz nach der Depotphoresebehandlungtraten deutlich positiveVeränderungenein. Die Fistelgängemit viel Granulationsgewebe, die manchmal mehrere Jahre existierten, verschwanden schon nach ein bis zwei DepotphoreseSitzungenvöllig. zMK 11/00 Wir haben festgestellt,dasses bei der Behandlung der Zähnemit koronalen Perforationen in 70 Prozent der Fälle zu Schmerzenund manchmal zu Schwellungen als Folge einer abakteriellen Entzündung kam. Bei den Zähnen mit Perforationen im apikalenBereich tratennach der Depotphoresebehandlungkeine Schmerzen oder Komplikationen auf. Es gab mehrere Patienten,die gleichzeitig eine Perforation und einen Instrumententeil in einem unzugänglichen Kanal hatten. Sie wurden trotzdem mit der KupferCalciumhydroxid-Depotphoresebehandelt. Spätere Untersuchungen wurden nach sechsMonaten und nach einem Jahr mit einem Radiovisiograf durchgeführt. Meistens waren die Herde kleiner seworden. Fazit Nach unserenklinischen Erfahrungen führt die Kupfer-Calciumhydroxid-Depotphoreseauch in komplizierten Fällen zu den mitgeteilten Erfolgen, die mit der konventionellenMethode nicht erreichbar gewesenwären. Die Autorinnen: Prof. Dr. Dr. V G. Bokaya, ZÄ S. Lubianova Übersetzung;Frau Dr. L. Antipenskaja, Dipl.-Phys. Y.Khavkin Die VorbemerkungendieserArbeit stammenvon A. Knappwost. Korre spondenzadresse: o. Univ.-Prof, Dr. Dr. med. dent. h.c. A. Knappwost Institut f. Physikalische Chemie der Universitrit Hamburg mit Abt. f. Biophysikal. Chemie u. Zahnmedizinische Forschung Bundesstraße45 20146 Hamburg 753